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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.09.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-09-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950914029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895091402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895091402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-09
- Tag1895-09-14
- Monat1895-09
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Der „Vorwärts", in dessen Leitung nach und wegen der Sedanfeier bekanntlich ein vorübergehender Wechsel cingetreten ist, unternimmt in einem „Woher der Lärm k" überschriebenen Artikel einen Neinigungs- versuch, der viel zu stark mit der herkömmlichen Großsprecherei des Blattes contrastirt, als daß er nicht einer tiefen Besorgnis; vor staatlicher und zwar gesetzgeberischer Repression zugeschrieben werden müßte. Mit beispielloser Gedämpftheit des Tons nnd unter voller Verleugnung der Tendenz seiner und anderer socialdcmokratischer Blätter Behandlung der Erinnerungen von 1870 stellt das Centralorgan die jüngsten Leistlingen der Socialdemvkratie als in der Sache völlig harmlos und die durch sie erzeugte Empörung als den Ausfluß einer übertriebenen gesellschaftlichen Empfindlich keit hin. „Starke Ausdrücke — Lappalien", sonst nichts. „Nehmen wir", so schreibt das Blatt, „einmal an, die staatsariwallschaftliche Auffassung sei in allen Fällen, in denen seit dem Scheitern der Umsturzvorlage Anklage erhoben wurde, die richtige; jeder während dieser Frist iucriminirte Satz sei nach unserem Strafgesetzbuch strafbar. Was wäre dadurch erwiesen? Doch weiter nichts, als daß eine Anzahl von Redacteuren einer ausgebreiteten Parteipresse nicht mit den Augen eines Staatsanwalts zu prüfen vermögen, wo ein starker Ausdruck zulässig ist, wo nicht, vielleicht auch nicht immer das Feingefühl dafür haben, ob ein solcher Ausdruck in diesem oder jenem Zusammenhänge sich mit dem guten Geschmack verträgt. Darüber mag sich Mancher aufregen, empfindliche Gemüther mögen sich darüber ärgern, rachsüchtige Rache schnauben, wie der Corpsbursche Wiederherstellung seiner Ehre fordert, wenn man ihn „tuschirt" bat; aber wie in aller Welt kann man solche angebliche Vergreisungen im Ausdruck zur Begründung einer Haupt- und Staatöaclion machen wollen?" Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung wird auf namhaft gemachte Polizei beamte, die sich Beschimpfungen haben zu Schulden kommen lassen, als auf Opfer ihres Temperaments hingewiesen und in der Sprache der gekränkten Unschuld gefragt: „Wenn aber Staat und Gesellschaft keinen Schaden darunter leiden, daß daS Volk, die „Leute niedersten Standes", von Beamten mit Schimpfwörter! belegt werden, dann kann unmöglich Staat und Gesellschaft dadurch gefährdet werden, daß hier und dort ein Mann aus dem Volke in seiner Kritik an Personen und Vorgängen einmal, ohne obendrein ein den Beamten ge stattetes Schimpfwort zu gebrauchen, mit seinen Ausdrücken über die Schnur haut." — Die „Männer aus dem Volke", aus dem „niedersten Stand", die Alles, was einer Nation von fünfzig Millionen heilig ist, in den Koth getreten haben, sind bekanntlich unter den Lebensverhältnissen der höheren Gesellschaflsschichten sich bewegende, auf ihren hohen Bildungs grad pochende Leute. Für „Männer ans dem Volke", wie die Socialdemokratie diesen Begriff auffaßt, sind sie weit weniger anznschen, als untergeordnete Polizeibeamte. Das geistige Armuthszeugniß, das der gegenwärtige Leiter des „Vorwärts" dem bisherigen und seinen College» im Lande anszustellen für zweckmäßig findet, ist also gefälscht. Und ebenso unwahrhaftig und überdies nach dem frech heraus fordernden Auftreten der letzten Wochen erbärmlich feig ist die Verleugnung des gegen den Bestand des deutschen National staates gerichteten Inhalts der socialdemokratischen Preß- auslassungen über den deutsch-französischen Krieg, seine Ent stehung und den Oberseldherrn auf deutscher Seite, feig ist der Rückzug aus „Vergreifungen im Ausdruck" und die mil dernden Umstände mangelnden Feingefühls und Geschmacks. Es erwächst uns glücklicherweise nicht die Pflicht, zur Kenn zeichnung der schülerhaften Ausreden des „Vorwärts" die Unflälhigkeiten der socialdemokratischen Presse zu wiederholen, die nicht, wie der „Vorwärts" es varstellen möchte, die per sönliche Empfindlichkeit, sondern das Nationalbewußtsein berühren. Das Centralorgan der revolutionairen Partei giebt sich darüber auch keinen Illusionen hin, sonst hätte es nicht für nöthig erachtet, diesen Beschwichtigungsartikel zu schreiben, der am Schluffe, wie an der oben mitgetherlten Stelle, der Hoffnung Ausdruck giebt, man werde die von dem Blatte auf „Lappalien" reducirten empörenden Ausschreitungen der Socialdemokratie nicht mit einer gesetzgeberischen Action beantworten. Die Auslastungen des „Vorwärts" sind die Wirkungen der Wahrnehmung, daß die Erkenntniß der inneren Berechtigung eines energischen Vorgehens gegen die socialdemokratische Agitation in sehr viel weitere Kreise ein gedrungen ist. als die Presse und die Redner der Partei noch vor wenigen Wochen befürchten zu müssen glaubten. Indessen die Gabe des Kralleneinziehens ist nicht Jedermann verliehen. Herrn Liebknecht beispielsweise nicht. Gleichzeitig mit seinem Beschönigungsartikel veröffentlicht der„Vorwärts" einen Bericht über die Rede, die dieser Führer in Braunschwei »gehalten bat und die auf die Frage des Blattes „Woher der Lärm?" eine erschöpfende Antwort giebt. Denn in dieser Rede tritt die Tendenz, die den Beschimpfungen Wilhelm's I. und der Erinnerungen von 1870 zu Grunde gelegen hat, der Haß gegen das Reich und die Absicht, seine Zerstörung vorzu bereiten, wieder unverhüllt hervor. Aus allerdings nicht von Geschmack und Feingefühl zeugenden, aber auch sicher nicht unter der Herrschaft des Temperaments entstandenen „Lappalien" des Herrn Liebknecht sei nur eine hervorgehoben. Er sagte nach dem „Vorwärts": „Man hat gesagt, der Krieg (von 1870) sei unvermeidlich gewesen. War der Krieg wirklich unvermeidlich? Nein! Napoleon hatte zwar nock- kurz zuvor durch das Plebisclt ein Vertra:rr^:-- votum von 5 Millionen Wählern bekommen, aber N/ü Mil lionen, darunter 100 000 Soldaten, hatten gegen ihn ge stimmt. Bei dem Druck, unter welchem die Wahl zu Stande gekommen war, war dieses Resultat gleichbedeutend mit einer Niederlage. Napoleon war bestürzt, die ganze Verwaltung desorganisirt, und wenn Alles weiter gegangen wäre, dann würde eS nur kurze Zeit gedauert haben, bis in Frank reich das Kaiserthum gestürzt war. Dann hatten wir keine Kriegsgefahr mehr: wir hatten den Frieden." Der würdige Berather der deutschen Arbeiter stellt hier, nur um deren Vaterland, das, beiläufig bemerkt, auch sein Geburts land ist, ins Unrecht zu setzen, den ursächlichen Zusammen hang ans den Kopf. Die Unvermeidlichkeit des Krieges war eben darin begründet, daß das französische Regiment seinen Sturz für den Fall, daß „Alles weiter ging", voraussah und deshalb cs nicht weiter gehen ließ, sondern, übrigens nicht ohne die bereitwillige Unterstützung des französischen Volkes, den Krieg heraufbesckwor. Von der giftigen und vergiftenden Art wie diese — in Anbetracht der Capacität der Zuhörer Liebknechl's teuflisch rafsinirtc, im klebrigen allerdings plumpe — Entstellung des Sachverhalts zu Gunsten Frank reichs waren alle die „Vergreifungen im Ausdruck", die der „Vorwärts" nunmehr abzuschwächen sucht. In Italien steht die Feier des fünfundzwanzigsten Jahrestags des Einzugs der königlichen Truppen in die ewige Stadt unmittelbar bevor. Im Vatican ist man von dieser Feier, welche dem „großen Sacrilegium", der Umwandlung der Stadt der Päpste zur Hauptstadt des geeinten Italiens, gilt, selbstverständlich nichts weniger als erbaut; man bezeichnet es daher prima linea als unbedingte Pflicht aller getreuen Söhne der römischen Kirche, sich ihr fernzuhalten. Da man aber in den leitenden kirchlichen Kreisen von der wahren Stimmung des italienischen Volkes, Tausende von Klerikern mit einbegriffen, sehr genau unterrichtet ist, so hat man das principielle Verbot, das doch nicht respectirt werden würde, durch die Zu lassung zahlreicher Ausnahmen praktisch unwirksam gemacht. Schon im Monat Juli dieses Jahres sprach sich die 8aora Uoemtentiaria dahin aus, daß die Theilnahme an der Feier nicht nur allen staatlichen, städtischen und provinziellen Beamten gestattet sein solle, sondern auch allen Denen, die, ohne in abhängiger Stellung sich zu befinden, von dem Fern bleiben doch eine Schädigung ihrer materiellen Interessen, eine Beeinträchtigung ihrer socialen und wirlhschaftlichen Position zu besorgen hätten. Mißbilligen sie innerlich das opus walum, so dürfen sie, „um ein noch größeres Uebel zu verhindern", getrost mitfeiern. Mit dieser Concession hat der Vatican auf den, wie gesagt, vollkommen aussichtslosen Versuch, seine moralische Autorität zur Durchkreuzung der Feier geltend zu machen, definitiv verzichtet, ja unter platonischer Wahrung seines princrpiellen Standpunctes öffnet er selbst die Schleußen, welche der nun einmal nicht zu hemmenden nationalen Strömung das Dahinfluthen inner halb der Dämme der Legalität ermöglichen, und beugt somit einer Verheerung der kirchlichen Gelände durch das Ausufern unvorsichtig ausgestauter Wassermassen rechtzeitig vor. Das ist vielleicht nicht sonderlich consequent, jedoch ohne Zweifel klug und praktisch richtig. — Die österreichischen Bischöfe haben an den Papst anläßlich der Feier des 20. September ein gemeinsames Schreiben gerichtet, in welchem dieselben ihrem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß die Ordnung der Dinge in Italien und Rom fort dauernd eine solche ist, daß dem Papste die Ausübung seines Berufes erschwert (?) bleibe und er selber noch immer ein Gefangener (?) sei. In Erwägung dessen, daß Oesterreich und Italien Alliirte sind, stehen die Bischöfe davon ab, ein Hirtenschreiben an ihre Gläubigen nach Art des Hirtenschreibens zu erlassen, wie jüngst ein solches von dem spanischen Episkopat und dem Episkopat anderer Länder ergangen ist. Insbesondere die spanischen Bischöfe haben in ihrer Kundgebung eine Fluth von Re- criminationen über das moderne Italien als über den Widersacher des päpstlichen Stuhles ansgeschüttet. Die österreichischen Bischöfe fanden es nicht opportun, Italien in ähnlicher Weise anläßlich des Jubiläums der Bresche der Porta Pia anzngreifen. Sie glaubten jedoch den 20. Sep tember nicht vorübergehen lassen zu sollen, ohne dem Papste die Theilnahme der Gläubigen Oesterreichs an dem vor einem Vierteljahrhundert vollzogenen Verluste des Dominium temporalo auszudrücken. Ein bei seinen Landsleuten in bedeutendem Ansehen stehender französischer Publicist„ der politische Schriftsteller Robert Mitchell, leistet sich eine geradezu hirnverbrannte Revanche-Tirade. Die Franzosen seien, schreibt er, von Natur gutmüthig und entsagend. Ihre Sanftmuth hindere sie an dem Fassen männlicher Entschlüsse und es sei zu fürchten, daß diese ihre Charaktereigenschaft für die Zeit der unvermeid lichen Kämpfe und der bevorstehenden Rache ihre That- krast lähmen werde. Darum könne es nur als ein gutes Zeichen angesehen werden, wenn die Blutgier im Menschen (Mitchell spielt auf die in Südfrankreich jetzt mehr als je im > Schwange gehende Stierkämpfermanie an) sich wieder auch bei ihnen melde. Dann heißt es in dieser vom „Matin" abgedruckt 'N Auslassung: „Der Deutsche trotzt uns, er droht uns und beleidigt uns durch verletzende Kundgebungen. Unser patriotisches Herz bebt aber höch stens einmal im Jahre, am 14. Juli, wenn der Präsident Lcr Republik die Parade in Longchamps abnimmt. Unglücklicherwci o stellt uns ein derartig sanftes Temperament (!) nicht auf die Höbe der Bestimmungen, welche uns das Geschick vorbehält.... Mögen wir es wünschen oder nicht, der Streit zwischen Deutschland uns uns ist nicht beendet; in dem Augenblicke, wo wir am wenigsten daran denken werden, wird er von Neuem ausbrechen. Bielleic!.: wäre es weise, sich darauf vorzubereiten. . . . Steht es nicht z r befürchten, daß wir in der Stunde höchster Gefahr unwiederbringlich jene kriegerischen Eigenschasten verloren haben werden, welche ehedem die europäische Hegemonie in unsere Hände legten? . . . Eine- Tages werden wir das Schwert ziehen, uns schlagen müssen, nich: für eine Provinz, sondern für die Unabhängigkeit, für den Bcstnus des Baterlandes selbst. Diejenigen, welche uns regieren, sollten ni!.- diesen Gedanken in Erinnerung bringen, unsere wilden Jnstincte an- reizen, uns für das große Handgemenge in Athem halten." An sich verdienen solche Excesse der politischen Ueber- spanntheit keine Beachtung, aber wenn ein so bekannter und einflußreicher Publicist wie Mitchell, der, wie die „Berl. N. N." in Erinnerung bringen, einst als ein tapferer Vor kämpfer für den Frieden während deö durch die Hohcn- zollcrn'sche Throncandrdatur entstandenen nationalen Kriegs taumcls auch in Deutschland sich anerkennende Beachtung erwarb, im Lause der Zeit so sehr aller Vernunft und aller Mäßigung entsagt hat, daß er sich nicht scheut, derart frivole und gefährliche Moral zu predigen, nur um den blöden Leidenschaften der Masse zu schmeicheln, dann ist das doch ein Zeichen der Zeit, das uns sehr bedenklich stimmen muß. Deutsches Reich. ick. Leipzig, 13. September. In der heute Abend in der „Flora" abgehaltcncn so ciald cm okratischen Partei versammlung wurde mitgetheilt, daß Herr Schirmfabrikant Klee mann, der svcialdemokratische Candidat für den 2. städtischen Landtagswahlkreis, auf seine Candida kur zum Landtage verzichtet habe. Er ist vom Wahl- comitö dazu veranlaßt worden, weil eram Sedan tage sein Geschäftslocal um */«4 Uhr Nachmittags geschlossen hat. Die Versammlung erklärte sich zwar hiermit nicht einverstanden, doch blieb Herr Kleemann ange sichts der ganzen Sachlage bei seinem Verzicht stehen. An Stelle des Genannten wurde Herr Buchhändler Heinis ch zum Landtagscandidaten proclamirt. (Wiederholt aus einem Theile der Auflage des MorgenblattcS.) ick. Leipzig, 13. September. Der „verantwortliche" Redactenr der „Leipziger Volks-Zeitung", Herr Illge, gegen den die Untersuchungshaft wegen Majestätsbeleidignug verfügt worden war, ist hente Nachmittag gegen Hinterlegung einer Caution von 10 000 aus der Haft entlassen worden. (Wiederholt.) Berlin, 13. September. Gleich der „Deutschen Tages" zeitung" glaubt auch die „Krcuzzeitung" den Reichötags- abgeordneten Müller-Scheeßeler schulmeistern zu dürfen, weil er, seinen Wahrnehmungen entsprechend, das Vorhandensein einer außerordentlich beorängten Lage der Landwirthschast in seiner Heimath verneint bat. Die beiden Zeitungen scheinen den Landwirlhcn zn^umnthcn, sich als im Kriegszustände, der die Täuschung deS „Feindes" erlaubt, befindlich zu betrachten. Wir wüßten nicht, wie geholfen werden könnte, wenn nicht Feuilletsn. Schwere Kämpfe. Roman aus dem groszen Kriege. 12j Von Carl Tapera. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Ihr kommt Wohl zum ersten Male in die Rheinpfalz?" mischte sich Horn in ihre Unterhaltung. „Ja, Herr Leutnant. Und i' freu' mich wirklich, daß wir so rechtzeitig hier san, daß wir die Wälschcn verhindern könne', m unser Pfalz einzufall'n. Jetzt mögen s' mit ihrer ganz'n Armee anrück'n; jetzt bat'S kei' G'fahr mehr." „S' war aber auch unser verdammte Pflicht und Schuldig keit uns zu beeilen", meinte der Obcrjäger Heeg. „Wenn deutsches Land in G'fahr ist, so g'hört jeder Deutsche af sein' Posten und muß ausbalt'n bis zum letzten BluatStropf'n, den ibm der Herrgott geb'n hat, bis daß die G'fahr vorbei ist. I' hält' gestern noch rwoa Stund' weiter maschier'n könne, weil i' mir immer g'sagt Hab: Bua Du mußt auShalt'n, denn drüb'n über'm Rhein san aa no' deutsche Brüder, bayerische LandSleut. Dene' mußt zu Hilf komme. Sie käme aa zu Dir, wann's bei uns herüb'n g'spuckt hält!" ,,I' hab'S auch ähnlich meiner Corperalschaft g'sagt, Herr Leitnant. Iaga, hob i' g'sagt, stellt Euch vor, wann zu Euch die TurkoS und die Znaffeu und ähnlichs Zeug einfall'n wollt'n und drohten Eure Weiber und Töchter z'schänden und Eure Läufer nieder z'brenne, thät Ihr nit aa nach rückwärts schaug'n, ob nit die Landsleit z'Hilf käme und dees G'sindel nauSschmeiseten. So denke jetzt die arme Rhein- pfälrer un schaug'n nach Euch un' hoff'n auf Euch. Da hoaßt halt die letzt' Kraft, den letzten Schwoaßtropf'n dran- znsetzen, daß ma' recht zeitig hinkommt, eh daß die Wälsch'n einfall'n. So Hab' i' meine Iaga g'sagt, un' sehgn S', Herr Leitnant, von meiner Corporalschast is' koaner zaruck- blieb'n." „DaS haben Sie sehr gut gemacht, Waldstätter, wenn man den Leuten vor Augen führt, warum eS unsere Pflicht ist, solche Strapazen zu übernehmen und bis aufs Aeußerste durchzuführen, dann leisten sie Alles lieber und erfüllen ihre Pflicht freudiger und besser." Ma» marschirte jetzt über die Rheinbrücke selbst. Die Unterofficiere betrachteten mit großem Interesse die ihnen neuen Pontons, und dadurch endete daS Gespräch zwischen Horn und seinen Untergebenen. Es haftete aber in seinem Gedächtniß, und er fühlte genau die ernste Lehre, die er durch diese einfachen Unterofficiere und ihre naive, aber dock so richtige Denkungsweise erhalten hatte. Die Leute kümmerten sich wenig um die dem König von Preußen zugefügte Be leidigung;'warum der Krieg entstanden, war ihnen gleich- giltig. Aber sie wußten, Landsleute sind in Gefahr, und diesen beizustehen, beizustehen bis zum letzten Schweißtropfen, bis zur letzten Kraft ist ihre Pflicht. Wie dachte dagegen er selbst! Eigentlich mußte er sich eingestehen, daß er weit entfernt sei, ein solches Pflichtgefühl zu hegen. Beim Lichte betrachtet, war er doch nur Egoist; er dachte nur an sich. Er konnte diesem Gedanken nicht länger nachhängen, weil man nunmehr das linke Rheinufer betrat und das Bataillon sich zum Durchmarsch durch Speyer ordnen mußte. Die beim Ueberschreiten der Brücke gelockerten Glieder wurden wieder geschlossen, die Musik spielte und im Tritt marschirten die Jäger nach der alten Kaiserstadt. Welche jubelnden Gesichter, welche Freudenrufe empfingen hier die biederen Altbayern! Diese Pfälzer, denen man fälschlicherweise hier und da französische Gesinnungen zu- gemuthet hatte, zeigten sich rein trunken vor Glückseligkeit, daß sie durch das ununterbrochene Hereinflutben der langen, von jenseits des Rheines gekommenen Heersäulen vor den Franzosen gerettet wurden. Seit fünf Tagen strömte es immer herbei. Zuerst kamen die schnell nock in der Friedensstärke über den Rhein ge worfenen Abtbeilungen der nächstgelegenen bayerischen Garni sonen aus Franken. Das war aber noch wenig, und das Herz der Pfälzer wagte noch nicht, sich kühnen Hoffnungen hinzugeben. Voll Sorge und Angst wandten sich die Blicke westwärts, und mit wahrer Furcht öffnete man jeden aus Zweibrücker,, Pirmasens und Bergzabern anlangenden Brief, ob nicht darin schon der Einfall der Franzosen gemeldet würde. Da trafen die ersten Preußen ein. Dann folgten mehr Bataillone und vom 25. Jul: an marschirte es un, unterbrochen heran; da« ganze XI., daS ganze V. preußische CorpS waren eingetroffen. Nun athmeten die aeangstigten Pfälzer freier auf. Wie aber seit dem 28. Jul! die ersten Bataillone des I. bayerischen CorpS eiutrafen und eS sich von da an unablässig über die Speyerer Brücke herüberwälzte,da jauchzten und jubelte» die Pfälzer m höchstem Freudentaumel, denn nun hielten sie sich für unbedingt gesichert. Durch die Straßen und Gassen schrie es glückverheißend: „Die Altbayern komme! Die Altbayern sind do! Jetzt is' es gut. Jetzt kricgn die Rothhose die Kränk!" Von jeder standen die Bayern zwischen Donau und den Alpen im Rufe, ein besonders schneidiger, offen gestanden ein sehr rauflustiger Menschenschlag zu sein. Zwischen den alt bayerischen Garnisonen in der Rheinpfalz und den lustigen Bewohnern dieser Städte hatte es früher manchen Exceß ge geben, und öfters mußten die kleinen schwächeren Pfälzer die derben Fäuste ihrer rechtsrheinischen Landsleute fühlen. Das war aber jetzt Alles vergessen. Im Gegentheil! Man er innerte sich lachend daran, wie da und dort jene Grobiane aus München oder die langen Fußartilleristen von der Isar zugeschlagen hatten. „Wie werde die erscht auf Franzoseschädel kloppe!" So dachte Jedermann und darum wurde keine andere deutsche Truppe mit solcher ungeheuchelter, mit solcher wirklich tief empfundenen Freude in der Pfalz empfangen, wie gerade die Altbayern. Dazu kamknoch, daß sie der General von der Tann, der bekannteste und trotz mancher gehässiger Angriffe des Jahres 1866 doch geschätzteste Feldherr der Bayern führte. Kurz, Alles trug bei, den Durchmarsch der Truppen des I. bayerischen Corps durch Speyer zu einem wahren Triuinph- zug zu macken. Von allen Seiten schleppten die Bewohner der Stadt Wein, Brod und Fleisch herbei, um ihre alt bayerischen Landsleute zu erquicken, und waS sie sonst nur thun konnten, ihre glucklicken Gefühle, ihren Dank aus zudrücken, das thaten sie. So waren die Pfälzer von vor dem Kriege 1870, von denen manche überkluge französische Zeitungsschreiber erzählten, sie warteten nur auf den Ein marsch der französischen Befreier, um sich der bayerischen Tyrannei zu entzreben. Selbstverständlich wurde auch Lieutenant Horn von der all gemeinen Iubelstimmung mitergriffen. Er konnte, auch wenn er es gewollt hätte, gar nicht trüben Gedanken nachhängen. Seit langer Zeit zum ersten Male lächelte er wieder, als ihm ein junges, bildhübsches Mädchen einen Blumenstrauß übergab und wünschte, er möchte ihm ein Blümchen desselben nach dem Feldzuge frisch und gesund zurückbringen. Witzelberger, der die kleine Scene beobacktet batte und sich wie alle Jäger in gehobendster, begeistertster Stimmung befand, rief etwas vorlaut: „Srll is a guater Wunsch. Un gelt'nS, Fräulein, wann der Herr Leutnant g'sund zaruck kimmt und Ehane a Bleamerl vun dem Sträuß'l bringt, nachher gibt's als Dank aa a Busserl." „Willst Du wohl schweigen, Witzelberger." Das Mädchen kümmerte sich aber nickt um den verweisenden Ruf des Officiers, sondern erwiderte lustig: „Es soll gelte, Herr Leutnant, was der Jäger gesagt hat. Wenn Sie zurückkomme und bringe ä Blümche von meinem Sträußche, so frage Sic nur nach dem Rösche vom Kaufmann Hert. Dann solle Sie den verdienten Lohn bekomme." Witzclberger schmunzelte bei diesen Worten der niedlichen Pfälzerin so recht vergnügt vor sich bin. Etwas zu bemerken wagte er jetzt doch nicht mehr. Horn mußte aber, wollte er nicht unhöflich erscheinen, doch etwas sagen, und so erwiderte er: „Wenn mich das KricgSglück die Heimath Wiedersehen läßt, so werde ich nicht verfehlen, mir den holden Lohn zu holen". Das Mädchen lachte freundlich und sprang in ein Haus zurück, das über einem Coiifectionsgeschäfte die Firma „L. Hert" führte. Aehnliche Scencn ereigneten sich bei allen Compagnien. So marschierte daS Iägerbataillon unter ununterbrochenen Sympathiebeweisen der Bewohner dnrck die pfälzische Haupt stadt und wandte sich dann nach Hanhofen, seinem heutigen Cantonnementsort. Die vvrausgesendetcn Quartiermacher hatten noch Zeit gehabt, ganz manvvermäßig, d. h. vermittels Cinquarliernngs- zettel die einzelnen Quartiere zu vertheilen. Kaum waren die Mannschaften mit ihren Zetteln nach allen Richtungen des Dorfes abgegangcn, so drängte sich ein Bauer durch seine Dorfgenossen bis zu den noch bcisammenstchendcn Ossicieren vor nnd rief: „Wo ischt mei' Lieutenant? Horn soll er heiße. Wo ischt er denn?" „Aha, ich scheine zu Ihnen ins Quartier zu kommen. Mein Name ist Horn." „Dees freit mich, Herr Lieutenant. Komme' Sie nur gleich mit. Mei' Fra hat scho' ä Göckelche gebrate, und Aeppelschnitz gibt's auch. Komme Sie nur." Da der Coinpagniechef die Ossiciere bereits entlassen hatte, schloß sich Horn seinem freundlichen Quartierwirth an. „Sehe Se, Herr Lieutenant, deeS große Haus dort drunne ischt mei Haus. Sie kriege unser Schtaatszimmer. Der Herr Witzelberger ischt schon da. A gut« Schöbbche Hab' ich auch. S' wird Ihne bei uns scho' gfalle'." „Ah gewiß. ES geben sich ja alle Leute so sehr viele Mühe um uns."
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