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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.10.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-10-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951005023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895100502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895100502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-10
- Tag1895-10-05
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Diese Verfügung hat auf freisinniger Leite die mürrische Frage hervorgerusen, welche Verwerthung kenn im preußischen Ministerium des Innern alle schon früher eingesorderten statistischen Zusammenstellungen eigentlich gefunden hätten: Lebensversicherungsgesellschaften seien durch jene frühere den Statistik große Arbeiten auferlegt worden, welche an scheinend in den Acten des Ministeriums winden be graben werden, ohne daß die Oeffentlichkeit und daS Versicherungswesen allgemein auS solche» Zusammen stellungen irgend einen Nutzen zögen. Es ist richtig, daß schon früher Erhebungen gepflogen worden sind, aber wir glauben, daß sie, wie die eben angcordnete, vor Allem dem Zweck dienen sollten, Handhaben für eine schärfere staatliche Beaufsichtigung des Versicherungswesens zu bieten. Eine solche wird ziemlich allgemein für »othwcndig erachtet. Schau vor Jahren hat sich eine größere Anzahl von Handelskammern mit einem dahin gebenden Ersuchen an die preußische Regierung gewandt, und eine hierauf an die Oberpräsidentcn ergangene Anfrage batte die übereinstimmende Bejahung der Bedürfnißfrage zur Folge. Auch im preußischen Abgeordneten haus«, das in seiner letzten Tagung Gelegenheit hatte, sich mit der Frage zu beschäftigen, wurde die Verschärfung der Staatsaufsicht von allen Rednern gefordert und u. A. bemerkt, daß eine solche auch ganz im Sinne aller Versicherungsgesellschaften sei, die ein gutes Gewissen hätten; solide Gesellschaften lönnten kein stärkeres Interesse haben, als daß von Jahr zu Jahr dem Publicum die Sicherheit gewährt werde, daß bei ihnen nichts zu riskiren sei. Seitens der Regierung erkannte der Lankwirth- schaftsminister an, daß mancherlei Mißstände im Ver sicherungswesen vorhanden seien, denen man durch die An stellung beamteter Versicherungstechniker und die Bildung eines Beiraths, in erster Reihe aus Directpren von Versicherungsgesellschaften bestehend, zu begegnen gedenke. Letztere Absicht ist, beiläufig bemerkt, von dem Verbände deutscher PrivatfeuerversicherungSgesellschasten freudig begrüßt worden. Wenn nun eine Regierung, die, dem Bedürsniß entsprechend, eine schärfere Ueberwackung beabsichtigt, sick, soweit die LebenSversickeriingsgcsellsckaftkN in Betracht kommen, für die Berechnung der Prämienreserve und insbesondere auch für die Prämienüberträge intercssirt, so handelt sie nicht anders, als sachgemäß. Denn, wie Emmingbaus sagt, „das Vorhandensein der richtig ermittelten Prämienreserve und der richtig ermittelten Prämienüberträge ist die erste und Hanptbedingung der Solvenz einer Lebensversicherungsgesell- schast im technischen Sinne, d. h., nur wenn diese Summen mindestens vorhanden oder durch die Active» gewährt sind, kann der Versicherer seinen eingegangenen Hauptver- pslichtungen jederzeit genügen." Daß die „Verwerthung" der Berichte baldmöglichst erfolge, ist allerdings ebenso dringend zu wünschen, als daß das thätige Interesse der Negierungen nicht nur der Lebensversicherung, sondern allen Versicherungs arten sich zuwende. Der Abgeordnete Nadbyl bat kürzlich im preußischen Abgcvrdnetenhause von einer Renten- und einer Hagelversicherungs-Gesellschaft Bilder entworfen, die daS Be- dürsniß nach Verschärfung der Staatsaufsicht als ein schreiendes erscheinen lassen. Es verlohnt sich, wenigstens aus dem eine» einige Züge mitzutbeilen. Jene Rentcnversicherungsanstalt ist im Jahre 1839 in Berlin gegründet worden, laut Prospekt als ein Institut, „welches die Vorsorge für das höhere Alter, also für denjenigen Theil des menschlichen Lehens bezweckt, in welchem die Erwerbsunfähigkeit schon cingetreten oder nicht mehr entfernt ist, wo gewöhnlich die Bedürfnisse größer sind und Entbehrungen härter empfunden werden. Lcdigüch kein Gemeiiyveht gewidmet, steht die Anstalt unter dem Schutz und der Oberaufsicht des Staates. Ohne die mindesten Vortbeile für die Begründer derselben sind ihre Emkünstc nach Abzug der notbwendjgen Verwaltungskosten überall nur dazu bcsliniiiit, die in den gegenwärtigen Statuten enthaltenen Verheißungen zu erfülle», überhaupt zum Wöhle der der Anstalt Peitrelendeii zu dienen." Wie erfüllt nun diese uneigennützige Anstalt ihren Zweck? Herr Nadbyl ant wortet: „Sic hat ihr Versprechen nicht erfüllt! Die Leute, welche damals tOOTHaler, glaube ich, volleinzahllcn, bekommen heule nach mehr als 50 Jahren noch knapp 6 Proc. Zinsen, wäh rend, wenn man sie bei einem Bankier aufZinseszins gelegt hätte, mehr als das Dreifache an Eapital jetzt vorhanden wäre und die Inhaber mehr als daS Dreifache an Zinsen jetzt hätte», während bei der Gesellschaft das Capital verloren ist. Wahr erscheint unter den Versicherungen des Prvspects nur die Angabe, daß kie Anstalt unter dem Schutz und der Ober aufsicht kcs Staates steht. Daß hierin aber, nach der be stehenden Praxis, keine Gewähr gegen die schlimmste Miß- wirthschafl liegt, beweist die Töatsacke, daß in einem Jahre, in dein nicht mehr als 1332 Mitglieder zutraten, 1l9 000./! an Agenturprovisionen bezahlt wurden und daß überdies über l Million Mark an die Agenten verborgt war. Unter dem Vermögen fignrirt ein Rittergut, das 159 200 -F gekostet, nie etwas eingebracht, im letzten Jahre aber 3400 Kosten verursacht hat. Aber noch besser. Die Gesellschaft hat ein Hans »i Berlin, das mit 129 013 zu Bucke steht und eine» Ertrag von llOO ./ü bringt. Die Gehälter sind vielleicht der wundeste unter den wunden Pnncten der Gesellschaft; unter den „Allgemeinen Ausgaben" steht: Gehalte ll.3 000, „aber", bemertte dazu der Abgeordnete Nadbyl, „wer das bekommt, ersieht man nicht." Aus dem Jahresbericht kann überhaupt „kein Mensch klug werden". Solche Zustände duldet die Regierung, muß sie dulden, weil ihre Organe aus dem Gebakren mancher Versicherungsgesellschaften ebenso wenig klug werden, wie andere Leute. Radikale Abhilfe wird auch die Verbesserung der Anssichlsicchnik nicht schassen, dazu bedarf es einer Regelung durch die Reichsgesetz- gebung, der nach der Vcrjassung das Versicherungswesen untersteht. Die Vorarbeiten zu einem Reichsversicherungs- gesetz sind nack einer neuerlichen Mittheilung „im voO.'n Gauge". DaS sind si? schon ie:i kielen Jahren, ohne daß anderer Erfolg erzielt worden wäre, als die Vermehrung der einzelstaatlichen Vorschriften, die in ihrer Verschietenartigkeit daS deutsche Versicherungswesen auss Bedauerlichste benachtheiligen. Eine neue Probe seiner unehrlichen Kampfes weise liefert der „Vorwärts", indem er behauptet, naben Begehungen des Fürsten Bismarck maligen Chefredakteur der „Kreurze von dienstbereiten Federn in den „Hamb. Nackr." „die früheren zu dem ehe maligen Chefredakteur der „Kreuzzeitung" würden und anderen Bismarck-Blättern in Abrede gestellt", und dieser angeblichen Ableugnung eine Rede gegenüberstellt, die Herr v. Hammer- stein am 5. November 1888 vor seinen Wählern in Slolp gehalten bat und in der es heißt: Als man mich 1876 wählte, machte inan mir den Vorwurf, ich stehe gegen Bismarck. Als meine Wähler mich >881 in den Reichstag schickten, da berief mich der ReichSkanzleer te'-e- graphick nach Varzin und besprach sich dort mit mir zwei Tage lang; er beglückwünschte mich zu meiner Wahl und hieß mich willkommen als Mitglied des Reichstages, weil ich der beste Vermittler zwischen den Conservativen und dem Centrum sei. Wir besprachen weiter die Organisation der conservativen Partei und wie dem Culturkampf ein Ende -St" LN.-L -L.-L widere die Ne in diesem Fürsten beweist, Weiter trete ich dem nnr ""ck l-V wi^e l. siehe. Wer ist gegen. Las, ich »» ü»Lg e n, a tz z»r R N ^ Reichskanzler? denn die Regierung? <-»>d es du M > ^führt, und »„„er Bei uns wird die Regierung durch,den Kai) g, ^rsönliches Wilhelm hat bisher bcw>e,e„. da» er e, i Km^r j» die Regiment beabsichtige. Ich bin wett e sollte, es Debatte zu ziel,'». Wen» nbcrJemandder Memu^g sei der Wunsch des Hauers, den„ ^lüael aber man Partei — überhaupt Mebt es seinen 'verschwinden braucht einmal diesen Ausdruck . . zu sehen, der befindet sich in einem gr tz^ ^ Fälscher Nun giebt es kan", em zwe- es « de» 6 ^ Ha,umerstem so wegwerfend behände .wed^ «In die,'ein Falle aber gilt dieselbe Persontiaueil orm „ wärts" als einwandssre.er «nd bewe.skrasl'ger Ze> g - wogegen? Gegen e.ne angebliche s Fürsten Bismarck und den ibi» „dienstbereit Fcver gedichtet wirb. Niemals ist cs Acr e.ncm a-'vercn Blatte ^^/,^",7,;,^ierv^Hann',,crstei.'. nicht veÄrt'Vnd kölnische Gespräche nickt »ul 'b'" iicpslegci,. Die Hamb. Nachr." haben lediglich der Behaupt» g sprockcn, der Fürst habe Herrn v. Hannncrstc'n dact.on der „Krcnzztg" gebracht und ä sim r Blatte als Mundslnct und Werkzeug bedient. ^^,erblvi würde durch tie Haninierstcin'sche» Worte auch dai n n l widerlegt wenn der Redner eine glaubwürdige Peison- lickkeit wäre und wenn nicht vielmehr angenommen werden müßte daß er vor seinen Wählern in Slolp. nm desto größeren Eindruck ans sie zu machen, nnt seine» ^ei,el,i,ngcn m dem Fürsten Bismarck renommirt halte. Uebligcns ist die ^tede Hainincrstcin'S nickt nur dadurch mteressan , dem „Vorwärts" zur vergifteten Waste gegen den Bismarck dienen muß, sondern auch dadurch, daß sie welche Wirkung der vom „Vorwärts dervss-ntlickte Vrut Stöckei's ans den damalige» Chcsrcdacteur gehabt hat. Dieser wollte bekanntlich ,m Sommer 1888 das angebliche „schnöde Spiel" Bismarcks m.l dem Kaiser mit offenem Visire bekämpfen. Herr istvcker warnte vo» solchem Kampfe und gab den Rath, „behüt,am zu tem und dem Kaiser nickt merken z» lassen, daß Zwietracht zwischen ihm und dem Fürsten gesät werden sollte. Im November >886 rühmte sich Herr v. Hammerstein seiner Beziehungen Bismarck, betonte, daß dieser dein Culturkampse habe Ende machen wollen, und bemerkte endlich, dan nicht dep Reichskanzler, sondern der Kaiser regiere. A>as er damit beabsichtigte, hätte doch gerade der „Vorwärts erkennen müssen, der den famosen Stöckerbries an die Oestentlichkeit gebracht hat! Eine internationale Conserenz koiilmunistischer Anarchisten, die vor Kurzem in London tagte, hat, wie schon telegraphisch gemeldet wurde, beschlossen, ein Manifest heraus- zugeben. Dieses wird jetzt in Parteiblättern veröffentlicht; es ist gegen den internationalen social istischen Arbeiter- und Gcwcrkschafts-Congreß gerichtet, dep für nächstes Jahr nach London einbernfen ist. Dem Mani fest entnehmen wir folgende Erklärungen: „ . . . Keine Einladungen sind, außer an Gewerkschaften, an irgend welche Arbeiter-Organisation ergangen, von der man wußte, daß sie bis zum Princip die politische Action verwerfe, und besondere Sorgsalt hat man darauf angewandt, ihnen klar zu machen, daß man beabsichtige, sie vom Kongreß auszuschlicßen. ... Die com- munistischen Anarchisten sind der Ueberzeugung, daß die Einsührung irgend eines Versuches, politische Macht zu erringe» — weit davon entfernt, siir die Sache von Vortheil oder irgend weichen Nutzen zu sein — nur den Tag der Befreiung in die Ferne rücken kann. Die Erfahrung hat sie belehrt, wie nutzlos das Ab- ,u ei» stimmen und Wählen ist . . . W'r haben gegen einen der- artigen Congrcß nichts einzuwenden, vsrausgesetzt, daß kein Versuch aemackt werde, zu behaupten, daß ein solcher Congreß die Arbeit vertrete oder im Namen der Arbeit spreche. Aber wir weigern uns, rubig zuzuseken. und es einer Körperschaft politischer Aben- leurcr — Parlamentsmitgliedern, Capitalisten und Fabrikanten, Journalisten, Professoren, Rechtsanwälten, Budikern, allen Politikern durch die Bank — zu gestalten, daß sie sich als die einzigen Ver- treter der Arbeit betrachten und daß sie die Lohnsklaven des Capitals hintergehen durch Versprechungen aus eine kommende bessere Zeit; Versprechungen, die, wenn der Herren Taktik von Erfolg gekrönt, nie realisirt werden können, indem dieser Erfolg ibnen gestatten würde, durch Ausbeutung der Arbeiter zu leben. Wir fordern, daß der internationale socialistische Arbeitercongreß den Arbeiten jeder Meinungsichatrirung offen stehe, und wir be- betrachten es als eine,, Verrath an der Sache der Arbeit, wenn man versucht, die Anarchisten aus keinem anderen Grunde auszuschließen, als weil'ihreAnschauungen von denen der Leute difseriren, welche sich die Bevormundung dieser Kongresse zur Lebensaufgabe gemacht haben... Arbeitsbrüder, an Euch ist es, zu jagen, ob diese Taktik Erfolg haben soll oder nicht. Einladungen sind an Eure Gewerk- jchast gesandt worden, am Congreß theilzunehmen und Delegirle für jh„ zu bestimmen. Wir ersuchen Euch, in Eurer Gewerkschaft Euren Einfluß daraus hin zu wenden, daß Eure Delegirten Len Auftrag erhalten, für die freie Zulassung Aller zu stimmen Wir haben die Absicht, an dem Thore des Congresses um Einlaß zu pochen und unser Recht stellend zu machen, die Sache der Arbeit zu ver- fechten, wie wir sie verstehen ..." Nun, wie die Anarchisten die Sache der Arbeit verstehen, wissen wir ja. DaS interessirt uns auch nicht weiter, Wohl aber sink wir gespannt daraus, wie die „Arbeiterbrüder", von denen die Anarchisten einen großen Theil zu den Ihrigen glauben rechnen zu dürfen, auf das „Pochen um Einlaß an dem Tbor des Congresses" reagiren werden. Setzen die Anarchisten ihre versteckt angedenlete Absicht durch, sich Zutritt zu den Sitzungen des Congresses um jeden Preis zu ver schaffen, rann kann man sich auf turbulente Scenen gefaßt machen. In der Schweiz ist bekanntlich in der Volksabstimmung vom letzten Sonntag die Gesetzesvorlage, betr. die Ein führung des Zündholz Monopols, mit einer Mehrheit von ungefähr 8000 Stimmen verworfen worden. Nach den bis jetzt bekannt gewordenen Ziffern haben sich 138 975 Stimmen für und l? t 633 Stimmen gegen dasselbe aus gesprochen. Es stehen indessen noch etwa 140 Gemeinden aus, so daß die Zahl der Verwerfenden auf wenigstens 180 000 an- steigen wird. Das Ergediiiß der Abstimmung ist zu beklagen, hatte tie Vorlage dock nur einen rein Humanitären Charakter, da es galt, die Bevölkerung von der schrecklichen Krankheit der „Nekrose" zu befreien. Allein das Wort Monopol ge nügte, um weite Kreise, insbesondere der Westschweiz, blassen Schrecken vor der kommenden Socialpolitik des Bundes ein zujagen, und die Ullramontanen stimmten schon deshalb gegen die Vorlage, weil sie in jedem Monopol eine Stärkung des Bundes erblicke». Während im Allgemeinen die Bethei- ligung an der Abstimmung eine sehr schwache war, und bei einiger Anstrengniig der Anhänger der Vorlage diese mit Leichtigkeit hätte gerettet werden können, fällt insbe sondere die große Theilnahmlosigkett des Cantons Bern auf, nm dessen Wille» die Vorlage zu Stande kam, und der nickt einmal 40 Proc. seiner Stimmberechtigten zur Urne brachte. Nicht minder verwunderte das Abstimmnngsergebniß aus dem Simmenthal selbst, dessen Bevölkerung die Wohlihat des Gesetzes in erster Linie zu gute kommen sollte. Obwohl tag täglich Zeuge der schrecklichen Nekrose, wurde das Monopol dennoch abgelehnt, weil die meist armen Leute die Schachtel fabrikation, die Len größten Theil ihrer Hausindustrie aus macht, durch das Monopol zu verlieren befürchteten, eine Be fürchtung, die indessen nicht gerechtfertigt war. Wenn nun Feuilleton. Schwere Kümpfe. Roman aus -cm großen Kriege. 301 Von Carl Tanrra. Nachdruck verbot««. (Fortsetzung.) „Du hast leicht reden", entgegnete einer der Ofsiciere. „Du kommst direct aus der Heimat, wo Du wieder mit Damen unserer Kreise verkehren konntest, und wo Du sicher genug junge und hübsche Mädchen gescben hast. Denke Dir nur, daß wir aber seit etwa zwei und einem halben Monat kein weibliches Wesen zwischen 16 und 30 Jahren gesehen und noch weniger gesprochen batten, bis wir hier in Orleans einzogen. Ich bin wahrhaftig kein Wüstling und geböre nichsj einmal zu den besonderen Mädchenjägern. Du darfst mir aver glauben, daß ich mich schließlich doch ebenso lebhaft nach einem hübschen Mädchengesicht sehnte, wie ich jetzt gern einen Kronenthaler für eine Maß Hofbräu zahlen würde, weil ich seit fast drei Monaten nur Wein und keinen Tropfen Bier über die Lippen bekam. Ich habe freilich nach etwa acht Tagen den Verkcbr init dieser Sorte von Frauenzimmern satt gehabt. Viele unserer Kameraden müssen aber noch etwas austoben. Mit an ständigen Damen können sie ja nickt umaehen, weil alle »un gangbaren, dir noch nickt daS canonische Alter hinter sich haben, ausgerisse» sind oder in den Häusern so zuriickgehalten werden, daß man sie kaum zu sehen bekommt, geschweige denn ein Wort mit ihnen reden kann." Horn sah dies ein und bcurtheilte nunmehr das Treiben seiner Kameraden mit anderen Augen. Am folgenden Morgen meldete er sich bei seinem General. Er wurde auf daü Freundlichste empfangen und erhielt daS Dienstpferd seines verwundeten BorgäiigerS, sowie ein fran zösisches Beutepferd zugewiesen. Besonders letzteres war ein gutes Thier, mit dem sich der Oberlieutenant schnell sehr befreundete. Bald batte er sich beim Stabe ein- gewöhnt und' fand den Dienst bei demselben äußerst an regend. Zunächst mußte er weite Recognoscirungsritte in der ganzen Umgegend machen. Man beabsichtigte ja, sich in der Gegend von Orleans zu halten, auch wenn die .Franzosen, wie eS den Anschein gewann, einen neuen Versuch. p«r EinschließungSarmee von Paris in den Rücken z» stoßen, unternehmen wollten. Für diesen Fall mußten die Ordonnanz- officiere in der Gegend möglichst vertraut sein, um schnelle und genaue Meldungen machen und Befehle an detachirte Abtheilungen schleunigst überbringen zu lönnen. Daher legte Horn auf seinem Rappen, den er „Orleans" ge tauft hatte, an manchen Tagen 50 und 60 Kilometer zurück. Außerdem fiel ihm die Aufgabe zu. durch Requi sitionen im Lande für die Verpflegung des Brigadestabes und seiner Pferde zu sorgen. Um Orleans herum standen nun außer den zum bayerischen Anneecorps gehörigen vier Cavallerie-Regimentern noch drei ganze preußische Ccrvallerie- Tivisionen. Die gewandten Ulanen, Husaren, Kürassiere, Dragoner und Chevaulegers batten bald die ineisten Hafer- vorräthe entdeckt und für sich in Beschlag genommen. Außerdem käme» die Bauern quf alle nur ervenklicben Schliche, um ihre Haferbestände vor den deutschen Reitern zu verbergen. Dadurch wurde das Ausfinden des »richtigen Futtermittels bald äußerst schwierig. Und doch mußte man um jeden Preis Hafer auftreiben; denn wenn die Pferde nicht bei Kräften blieben, war ja die ganze Leistungsfähigkeit der Armee in Frage gestellt. In den letzte», Octobertagen batte nun Horn rwemial vergeblich nach Hafer geforscht. Der vorhandene Vorrath mußte durchaus ergänzt werden. Durch seine bisherigen Versuche war der Oberlieutenant orientirt, wo entwcber der vorhandene Hafer bereits vo» der Cavallerie beschlagnahmt worden war, oder wo es keinen mehr gab. Nun nahm er eines Morgens zwei Trainsoldate», einen der Chevaulegers und Witzelberger, der auf dem für den Hafer bestimmten Wagen saß, mit und richtete seinen Marsch über Bucy-Saint-Lipyard nach den Weilern nördlich des Waldes von Bucy. Wo er anfragte, hieß eS immer: „II n'-x-n non clu Wut. Die Preußen haben Alle« cnomnien!" Endlich kam man auf das schöne Gut la Cor- illiöre-Chateau. Auch dort lautete dir Antwort aus die Frage nach Hafer: „Uieu cku Wut, äu Wut." In diesem Augenblicke vernahm man das Wirkern eine« Hengstes, der wahrscheinlich di, Stuten d«S Requisition« com»,andoS gewittert hatte. Horn befahl Witzelberger sofort, er solle einmal vom Wage» steigen und sehen, was das für Pferde seien, und ob sich bei ihnen kein Hafer vorfinde. Schnell verschwand der Bursch, im Stall. Gleich darauf kam er wieder und brachte in der Hand rtwa« frischen Pserdrinist mit. Schon von Weite», rief er: „Hamm wir scko', Herr Oberleitnant I Die Gaul Hamm an Haber g'fresi'n. Na ckird sch»' aa no' oaner da sein." Damit zeigte cr vein »n unverdaute Haferkörner sehe» konnte. „Was sind es denn für Pferde?" „Dicke Percheronhengst', die wir nit brauch'» könne. Ab« so fett sau f', daß sicher a jeder alli Tag 12—lL Litte Haber z'treß'n kriegt." Horn machte nun den anwesenden Sckloßverwalter a> die untrügliche» Anzeichen von Hafer aufmerksam, erbie aber doch die Antwort, es gäbe keinen mehr, die Psert würden niit ganr schleckten, Heu gefüttert. In seine», Eif- setzte der Franzose hinzu: „Wir haben gar nichts mehr. Di Prussiens haben »»iS Alles genommen. Wir besitzen kei Hnh», nicht einmal eine Taube mehr." Durch dies Worte angeregt, blickte Horn zufällig nach dem große prächtigen Taubenschlag, der in der Mttte des Hefe stand. Er war so hübsch angelegt, daß der Osfici« binritt, um ihn näher zu betrachten. Mit eine, Male entdeckte er gerade unter dem Taubcnscblag ein» Haserkörner. Er that, als ob er nichts gesehen, befahl ab« den Trainsoldaten und dem Chevaulegers, ebenfalls abznsteigei eine Leiter zu suchen und im Taubenschtag nackzusebe. Kaum bemerkte dies der Verwalter, so gerieth er in größt Angst und wiederholte sehr erregt, dort sei gar nichts. ' Sei Gebahren rief noch mehr Verdacht hervor. Die Trainfahr! schleppten bereits eine Leiter herbei, da rief der Verwalt« m wahrer Todesangst, er wolle eS nur gestehen, oben i, Taubeiischlag sei sein Hafer, und er werde diesen selbst heral geben, wen» man ,h>n sonst kein Leid zufüge. Horn beruhig ihn hierüber. Hieraus stieg der Verwalter schnell in den Taube, schlag und ließ Len unten wartenden Trainfahrern einen volle Hasersack auf der Leiter binabrutschen. Dann kam ei zweiter und so folgten noch vier. Jetzt rief der Verwalte er habe keinen Hafer mehr. Es schien auch wahrscheinliö denn v,c mehr konnte ,n dem Taubcnschlag nicht Platz a habt haben. Horn erklärte ihm, er glaube eS »nd wol ihn, nun einen ,,don" anssttllen. Daraufhin kletterte d, Verwalter d^e L«„er herunter und warf sie dann etwa« au faltig um. Wahrend er nun ,u dem Ofncier trat und vo diesen, den ver,prochene» do». erhielt, batte Witzelberger schnc geklettert. Gleich darauf rief er von dort herunter: He» OberlMnan. da sitzt a schön« Daub'n." Die- hören, na! Taubenschlag rennen und hinaufklrttern, war fii Verwalter da» Werk weniger Sekunden. Ditze laut« dem den berger ließ ,I„, rnbig hinein. Nun hörte man oben Zanken und vernahm die Rufe einer Frauenstimme. Schnell sprang Horn auS dem Sattel und kletterte auch hinauf, um eventuell seinem Bursche» bcizustehen. Da sah er Witzel berger lachend in einer Ecke bocken, den Verwalter i» der Mitte sieben und hinter diesem auf einer Matratze kauernd ein sehr hübsches Mädchen. An den daneben herumliegenden Eßgeschirren erkannte man, daß daS arme Ding wobl schon lange liier campirt haben mochte. Der Ossicier mußte zuerst ebenfalls lacken; hierauf befahl er auS lauter Mitleid mit dem Mädchen, daß dieses berunteisteige. Als sick der Vater der Kleinen weigerte, obwohl Horn ihm versprach, daß weder ihn» noch seiner Tochter etwas geschehe, drohte der Ossicier, er werde das Mädchen mit Gewalt berabkolen lassen. Kann» hatte Letzteres diese Worte vernommen, so sprang sie auf, huschte an ihrem Vater vorbei und trat auf die Leiter. Horn machte Platz, stieg kerab, und im Nu war die bühscke Fran zösin un'er dem schallenden Gelackter der znsehenden Soldaten nachgeklettert. Jetzt folgte Witzelberger. Statt aber langsam herabzuklettern, so daß ihm der Verwalter hätte folgen können, rutschte er turngemäß schnell an der Leiter ab und warf sie um, ehe der Verwalter sie ergreifen konnte. Da saß er nun oben in seinen« Taubenscklag und jammerte und schimpfte. Die hübsche Kleine that aber gar nicht so scheu und sah die fremden Krieger ganz keck an. Witzelberger bemerkte halb fragend: „Herr Oberleitnant, dere klvan' Wildkatz möcht' i' a Bußerl geh',,." „Willst Du wohl Deinen Schnabel weglassen! Hast Du nicht gehört, daß ich versprach, es solle ihr nicht» geschehen?" „Tees Hab' i' nit verstand'». Schad drum." Damit kielt er seinem Herrn den Steigbügel und kletterte, als dieser m den Sattel gestiegen War, auf den unterdessen beladenen Wagen. Horn grüßte die niedliche Französin höflich, befahl Len »nnier noch lachenden Trainsoldalen anzufahren, und darauf verließ daS kleine Requisitionücommando den Hof. Außen meinte Witzelberger: „Zu der hält' i' u» aa a Ze>ila»g in Daubenschlag g'setzt und an Dänbrich g'spielt. Vielleicht such'« »vir La no' amal nach Haber." „Kann sein. Dann nehme ich Dich aber nicht mit". ,,Ah, so hartherzi san ja der Herr Oberleitnant goar nit." Horn ritt nun voraus und schnitt damit das Gespräch ab Man kam aber nicht mehr dazu, in La Corbilliör« Chateau zu requiriren; Witzelberger mußte sich, wie der Chevauleger« mruite, den Schnabel trocken wetzen. In der zweiten Hälfte des October begann sich bei der Bevölkerung von OileanS und den umliegenden Dörfern ein
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