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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.11.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-11-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951106015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895110601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895110601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-11
- Tag1895-11-06
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November 18V5, geschloffen. ködert Hebert, Director. Die Stöckerei gegen den Prinzen und Kaiser Wilhelm II. und gegen den Fürsten Bismarck, 1887 bis I89Ü. i. Bekanntlich hat Herr Stöcker in seinen berühmten Offenbarungen „lauterer geschichtlicher Wahrbeit", die ihm in Folge der Veröffentlichung seines Briefes vom l4. August 1888 an den Frhrn. v. Hammerstein ab gedrungen wurden, Folgendes bestritten: l) daß er oder seine Freunde jemals versucht hätten, den Prinzen (jetzigen Kaiser) Wilhelm aus Anlaß der Tbeilnabme desselben an der Waldersee-Versammlung im November 1887 oder später als einen Anhänger der „christlich-socialen" Richtung auszugeben. 2) daß er jemals versucht oder auch nur daran gedacht.habe, Zwietracht zwischen dem Kaiser nnd Bismarck zu säen. Einige Berliner und Bielefelder Bezirksvereinsgrößen von angeblich „konservativer" Gesinnung haben dem „Seelsorger" a. D. des Herrn v. Hammerstein, Dank ihrer unglaublichen Unkenntniß unserer jüngsten Geschichte, eine Ehrenerklärung ausgestellt, die obige Toppelversickerung des Hofpredigers a. D. billigt. Die ihrer Gescbichlskenntniß gleichkommende Einsicht dieser Herren gestaltet ihnen werter, aus dem Briefe des Herrn Stöcker an seinen Freund Hammerstein vom 14. August >888 berauszulesen, daß Herr Stöcker auch nicht einmal in diesem Briefe die leiseste Andeutung eines Wunsches zu er kennen gegeben habe, zwischen dem Kaiser und Bismarck Mißtrauen und Zwietracht zu säen. Herr Stöcker selbst hat in einer „christlich-socialen" Versammlung diese Auslegung seines Briefes für „unsittlich" erklärt und die osficielle „Conservative Corresponbenz" hat darnach auch ihrerseits Herrn Stöcker eine Ehrenerklärung ausgestellt und die ganze Erörterung über den Brief Slöcker's vom 14. August 1888 für „abgetban" erklärt. Die „Kreuzzeit» ng" und die ihr gleichgesinnten Blätter konnten freilich die Logik und besonders die Wortfassung des Stöcker'schen Briefes nicht mit jener Unerschrockenheit ver leugnen, wie die genannten BezirkSvereinsgrößen und Herr Stöcker selbst. Diese Blätter wagten nicht einmal in Abrede zu stellen, daß der „Seelsorger" des Herrn v. Hammerstein in jenem Briefe vom 14. August 1888 sein Seelsorgenkind angelernt habe, wie es für sich selbst und als Chesredacleur der „Kreuzzeitling" die von Herrn Stöcker mit vollendeter Loyalität empfohlene Aussaat des Mißtrauens und der Zwietracht zwischen Kaiser und Kanzler ausstreuen solle. Aber je ärgerlicher diese Enthüllung der heimlichen Umtriebe des Herrn Stöcker jenen tugendhaften Blättern sein mußte, nm so lauter erklärten sie: daß weder Herr v. Hammerstein »och die von ihm redigirte „Kreuzzeitung", noch eines der anderen Blätter dieser Richtung jemals auch nur im Traume daran gedacht habe, den heimtückischen Rath des Herrn Stöcker in Thaten umzusetzen, und daher niemals in Ge danken, Worten oder Werken gegen daS gute Einvernehmen des Kaisers mit Bismarck gesündigt habe. Der Zweck dieser Ableugnungen liegt auf der Hand. Herr Stöcker schrieb schon, als er im Juni 1893 bei den ReichStagSwahlen kein Mandat mehr erlangte, mit der ihm eigenen rührenden Besckieidendeit i» seinem Organ: damit sei „der conservaiiven Edeltanne der Trieb ausgebrocken". Durch die Veröffentlichung des Briefes vom 14. August 1888 füblt der Trieb aber auch sein eigenes Wachsthum be droht. Die Rolle im konservativen Centralvorstand und auf der „christlich-socialen" Bühne, die Herr Stöcker bis dahin spielte, droht ihm entrisse» zu werden. Die „Kreuzzeitung" nnd die übrigen Organe dieser Art befürchten dagegen, alle ehrlichen königs- und reich-treuen Conservativen Preußens und Deutschlands könnten jetzt — wenn erwiesen würde, daß die „Kreuzzeitungspartei" von 1888—1890 ein frevles Spiel mit dem Kaiser und dem Kanzler getrieben habe —eine,»reinliche Scheidung" von allen bei diesen Umtrieben beiheiligten Preß- vrganen, Personen und „Grundsätzen" verlangen. Deshalb und nur deshalb sucht diese Abart von „conservativer" Presse die aus ihren eigenen Spalten während der Jahre 1888 bis 1890 tausendfach erweisliche Wahrheit zu leugnen. Wir unsererseits aber sehen in aller Welt keinen Grund ein, warum wir diese» Lügengewebe nickt zerreißen und jene Herren ihren eigenen Parteigenossen und dem ganzen Volke nicht in ihrer traurigen wirklichen Leibhaftigkeit vorfllhrrn sollten. Der Zeiger steht auf 12 Uhr und die Zeit der Ma-kenfreiheit ist vorüber. Wir wollen die wirklichen Züge der Tempelherren und Kreuzrittrr schauen, nicht ihre Larven. Und wir schauen sie an der Hand «ine- Werke», daS lange vor dem gegenwärtigen „Krach" im con servativen Lager, im November 1893, erschienen ist, de» Werk«< von vr. Han» Blum. „Da» deutsche Reich zur Zeit BiSmarck'«"*). Mit Genehmigung de« Der- affer« und der Verlag-Handlung geben wir darau» die folgenden urkundlicken Beweise, die alle AbleugnungS- versuche de» Herrn Stöcker, der „Kreuzzeitung" und ihrer *) Leipzig. Bibliogr. Institut, 1803. Preß- und Parteigefolgschaft anfS Gründlichste widerlegen. Wir schalten unsererseits die nöthigen Bemerkungen an den geeigneten Stellen ein und beginnen mit Blum's Bericht über die Walderseeversammlung und die daran sich knüpfenden Ereignisse (S. 571 flg.): „Das ganze deutsche Volk, mit Ausnahme der geschworenen Feinde Bismarcks im Deulschfreisinn und Cenlrum, jauchzte dem Kaiser zu, so oft er den ersten Paladin de» Reiches vor allem Volke ehrte und anszeichnete. Gleicher Jubel aber erhob sich, als Prinz und Kaiser Wilhelm die plumpen und frechen Versuche der reactionairen Muckerei und Stöckerei durchkreuzte, den deutschen Thronfolger und Kaiser für ibre engherzigen Parteibestrebungen einzusangen und ihn als blinden Anhänger dieses Treibens auSzuspielen. Den Anlaß für dieses dreiste Unternehmen bot eine Versamm lung. welche am 28. November 1887 in Berlin beim da maligen Gcneralquartiermeister Grafen Waldcrsee ftattsand und den Zweck verfolgte, Mittel für die Berliner Stadl- mission zu beschaffen. An dieser Versammlung nahmen auch Prinz und Prinzessin Wilhelm theil, außerdem Männer aller kirchlichen Richtungen; neben Stöcker Nationalliberale, wie von Benda, Hansemann rc., und zwar Männer aus dem ganzen Deutschen Reiche, weil der Zweck jener Versammlung war, in allen Kreisen Deutschlands Mittel zu sammeln, um dem kirchlichen Nolhstanv, dem die in den Vorstadtgemeinden Berlins aus allen deutschen Gauen zusammenströmenden deutschen Brüder ausgesetzt waren, zu steuern. Graf Waldersee betonte dabei, daß die Berliner Stadtmission absolut keiner Partei angeböre. Prinz Wilhelm sprach in einer kurzen Rede seine Zustimmung zu den Ausführungen des Grasen Waldersee aus. Die „Kreuzzeitung" aber legte in ihrem Bericht über die Reve des Prinzen diesem den Ausdruck „christlich-socialer Gedanke" in den Mund, und sofort suchte sich die Slöckerei mit eifriger Beflissenheit an die Sohlen des Prinzen Wilbelm anzuheflen. Gegen dieses Treiben gingen auch conservative Organe, wie die „Post", aufs Schärfste vor." Wir schalten unsererseits hier die Artikel der „Post" ein, die Blum im Auge hat. Der erste dieser Artikel erschien am 24. December 1887 und führte au«: Der nationale Gedanke werde von den geistig und social höher stehenden Schichten der Gesellschaft getragen und finde erst allmälig in den breiteren Schichten der Gesellschaft Boden. Dann fuhr „die Post" wörtlich fort: „Zu den empfindlichsten Störungen, welche dieser Proceß erleiden könnte, würde ein Wiederauftreten einer stärkeren klerikal-conservaliven Strömung in Verbindung mit Siö.terei und christlich-sociale» Tendenzen gehören. Denn darüber besteht kein Zweifel, daß gerade in den höheren gebildeten Kreisen der Nation ein entschiedener Widerwille gegen Muckerei und Stöckerei besteht. Dazu kommt, daß die Beflissenheit, mit welcher die Stöckerei sich an die Sohlen des Prinzen Wilhelm anzuheflen sucht, für diesen und für feine künftigen Ausgaben nur schädliche Folgen haben kann." Darauf enlgegnete die „Kreuzzeitung" mit einer Heftig keit, Unwahrheit und Unsachlichkeit, die auf Herrn Stöcker als Verfasser dieser Entgegnung hinwieS: Die Ver sammlung beim Grafen Waldersee habe keinen anderen Zweck gehabt als christliche Licbesthätigkeit — was die „Post" gar nicht bestritten hatte — und sei auch von keinem conser- vativen Blatte zu Parteizwecken ausgebeulel worden — also ziemlich wörtlich dasselbe, was beute Herr Stöcker über jene Angelegenheit „historisch" plaudert. Tie „Post" aber fertigte dieses Gerede am 28. December mit folgenden Worten ad: „Erst als au» zahlreichen Einzelwahrnehmungen der unabweisbare Schluß gezogen werden mußle, daß die klerikale conservative Partei und iaSbezondere die Richtung Stöcker dir Person de» Prinzen Wilhelm als Vorspann für ihre Parleizwrcke mißbrauchen will, als selbst kaum mehr daran zu zweiseln war, daß, als man den Prinzen Wilhelm für die Stadtmission interessirte, in der Haupljache der Zweck verfolgt wurde, für die Fructisicirung seines Namens in wahrem xlorisw jener Richtung die Möglich keit zu gewinnen, erst da haben wir unsere Meinung mit der gewohnten Deutlichkeit ausgesprochen. Tiknk der tönigstreuen Gesinnung unseres Volke-, ist es ohne Zwcisel rin mächtiger Hebel für die Bestrebungen einer politischen Partei, wenn sie dieselbe» an den Namen eines Erben der Krone Preußens und des Reiches anknüpfen kann; diesem aber und dem Kaiserhauje kann kein schlechterer Dienst erwiesen werden, als wenn man sie zu Schirmherren einer einseitigen Parteipotilik und namentlich einer solchen extremster Richtung in der öffentlichen Meinung zu stempeln sucht. Nicht nur schädlich, sondern geradezu gefährlich ist es, wenn dies, wie bezüglich des Prinzen Wilhelm, ohne thatsächliche Unterlage und jelbiiwahr« hritswldrig geschieht. Moralisch am vcrwerslicksren aber ist ein solcher Mißbrauch von eiuer Richtung, welche die Künigstrrue und moralische Gesinnung vorzugsweise im Munde führt und sich mit einem besonders hohen Maße derselben brüstet. Ein solches Gebühren geht noch wett über jenes Wort: „Und der König absolut, wenn er unjern Willen thul" hinaus; es ist ein Acl der schlimmsten Heuchelei, daß man die Nothwenbtgkeit mit Emphase betont, das Königthum gegen de» Anarchismus zu ver- theidiaen, und sich eine Art Vorkämpserlhums i» dieiem Kampfe anmaht, zugleich aber die Autorität und daS Vertrauen thatsächlich erschüttert, indem man ba« Königshaus als Deckung für seine eigenen Partei- und Herrichasts« gelüste mißbraucht." Dieser Artikel war besonders bedeutsam, da die „Post" schon seit l877 oft zu den intimsten Mittheilungen aus dem Reichskanzler - Palais benutzt wurde, und weil er sich auf „zahlreiche Einzelwahrnedmungen" stützte, um die eben vor- gelragenen „unabweisbaren Schlüffe" daran zu knüpfen. Wir wenden uns nun wieder ru der Darstellung HanS Blum'S, a. a. O. S. 57l/2. Er fahrt fort: „Prinz Wilhelm s löst wie» diese Anmaßung scharf zurück. Denn al» ihm die Hof- prediger am 1. Januar 1888 ihre Glückwünsche darbrachtcn und darin sich so stellten, al» hätten die tadelnden Unheile der Presse dem Prinzen gegolten, seinem „lauteren Eintreten für die Arbeit de« Reiche» Gottes", da antwortete der Prinz: „Die von Ihne» erwähnten Mißdeutungen werden mich nicht abhalten, dem Vorbilve unsere« erhabenen Kaiser» und meine« thruren Barer« folgend, unbeirrt von politischen Parteibestrebungen, stet« zur Hebung de« Wodle« aller Norhleidrnven nach Krasten deizutragen." Und al» trotz dieser deutlichen Zurechtweisung di« Stöcker« immer von Neuem die Ausspra. e de» Prinzen auf der „Waldersee-Dersaniiiiliing" zu sälschen versuchte, da hielt einer der Tbeilnehnier dieser Versammlung, der greise Abgeordnete v. Benda, Ende Oktober 1888 in Magdeburg «ine Rede, in der er erklärte: er habe die Aeußerungen des Prinzen Wilhelm unmittelbar nach jener Versammlung für sich niedergeschrieben und könne aus Grund dieser Aufzeichnung unbedingt ver- ichern, der hohe Herr habe ein durch politische und religiöse Parleistellung ungetrübtes Eintreten für die Berliner Sladt- mission gefordert. Nun erdreistele sich der Stöcker'sche „Reichsbole", die Rede v. Benda's als „eine Ausnützung der Person des Kaisers zu Carlell Wahlzwecken" zu bezeichnen. Da wurde jedoch diesem Treiben ein für allemal ein Ende gemacht durch die Mitlheilung deS ofsiciösen „Ham burger Correspondenken": „Daß der junge Kaiser, noch wäbrcnd er sich auf der Reise (zum König von Italien in Non» und Neapel) befand, Herrn v. Benda für die in Magde burg gesprochenen Worte telegraphisch herzlich gedankt" habe." Wir werden unten die noch viel schärferen Worte vortragen, die ein intimer Vertrauter des Kaisers, Graf Douglas, vor dem Beginn der italienischen Reise LeS Kaisers, am 4. October l888 zu seinen Mäklern in Aschersleben gegen diesen Mißbrauches der kaiserlichen Autorität von Seiten der Slöckerei gerichtet batte. Ihm dankte der Kaiser sogar noch ausfälliger dadurch, daß er den Grafen zur Tbeilnahme an der Reise nach Italien einlud. Diese Vorgänge folgten nur wenige Monate auf jenen berufenen Augustbrief deS Herr» Stöcker an den Frhrn. v. Hammerstein, und aus der folgenden Darstellung von Hans Blum erkennen wir auch deutlich die unmittelbaren Anlässe zu diesem Briese, sowohl auf politischem als auf kirchlichem Gebiete. Unsere Quelle fährt nämlich (S. 578 stg.) fort: „Seine maß volle Haltung in der inneren Politik und im Kampfe der Parteien bethäligte ver Kaiser auch durch zahl reiche andere Entschließungen und Erlaffe. So ließ er sich von der extrenicvnservativen Partei durcbauS nicht dazu drängen, Herrn von Putlkamer wieder als Minister an- zustellen, lohnte aber »u Beginn deS Jabrcs 1889 die un leugbaren bedeutenden Verdienste des vormaligen Ministers durch Verleihung deS Schwarzen AdlerordenS. Weiter ver- anlaßte Kaiser Wilbelm persönlich die Ernennung deS hoch- verdirnten Führers der NationaUiberalen, Rudolf von Ben nigsen, zum Oberpräsidenten von Hannover (29. August l888). Wenige Tage später, am 3l. August, ließ der Kaiser die herrlichen letziwilligen Aufzeichnungen seines Großvaters, deS Kaisers Wilhelm I., im „RcichSanzeiger" veröffentlichen „zur Ehre deS Entschlafenen, als ein Vorbild für Mein Haus und für Mein Volk", um ganz Deutschland ein dem Streite der Parteien längst entrückics, zur nationalen Eintracht und Versöhnung gemahnendes hohes Heldenwesen in den ge heimsten und schönsten Herzensregungen als Leitstern über dunkeln Wegen leuchtend emporsteigen zu lassen. Auf die Huldigungsabresse der deutschen Bischöfe vom 29. August antwortete der Kaiser am 7. November unter Anderem: „Daß ich die Glaubensfreiheit Meiner katholischen Unter- thanen durch Recht und Gesetz gesichert weiß, stärkt Meine Zuversicht auf dauernde Erhaltung des kirchlichen Friedens." Die Verständigung mit Rom über die weitere Besetzung er ledigter preußischer Bischofsstühle bestätigte die kaiserliche Voraussage." „Die Verständigung mit der romanisirenden, unduldsamen und aumaßlichen „Rechtgläubigkeil" in der evangelische» Kirche, mit den Herren Stöcker und Genoffen, war dagegen schwieriger zu gewinnen. Einen neuen Anlaß zur AuSsaat von Zwietracht und zur Auflehnung gegen die Regierung fand viese Abart von Christen am „Fall Harnack". Am 19. September 1888 war nämlich der kirchlich-freisinnige Professor der Kirchengeschichte, Adolf Harnack von Marburg, an die Berliner Hochschule berufen worden. Die Ver handlungen hierüber hatten schon lange geschwebt, die theologische Faculiät zu Berlin Halle die Berufung Harnack« mit allen gegen eine Stimme vorgeschlagen, der Oberkirchenratb aber hatte sie mit einer einzigen Stimme Mehrheit abgelehnt, weil Harnack der Schule Ritschl's an geböre. Ihrer grundsätzlichen Bedeutung halber brachte der Cultusminisler die Sache vor daS Gesammtministerium, und dieses entschied sich nach dem Anträge deS Eullusmiiiisters unter dem Vorsitz des Fürsten Bismarck und auf dessen An regung*) für die Ernennung Harnacks, die der Kaiser und König auch unmittelbar darauf vollzog. So Helle Freude diese männliche That des Kaisers bei allen Bekennern evan gelischer Freiheit hervorrief, um so seltsamer gebärdeten sich dagegen die sogenannten „lebendigen Christen" um Stöcker und dieser selbst, die doch sonst auch den Alleiubesitz der KönigSlreue für sich beanspruchten wie den Alleinbesitz de« wahren Glaubens. Denn der Hofprediger Siöcker schrieb Anfang Oktober in der von ihm herauSgegebeueu „Deutschen Evangelischen Kirchenzeitung": „Das Unerwartete ist geschehen; entgegen dem Nrtheil der obersten Kirchenbehörden (in Wahrheit nur de» Oberkirchenrathes, der nach dem von König Friedrich Wilhelm IV. hierüber erlassenen Gesetze kein „Urtheil", sondern nur ein Gulachten obgiebt) hol der Cultusminisler an dem Mann seiner Wahl fesigebaiten." (Daß aber das Geiammtmlnisleriuni unter Bismarcks Vorsitz und Fürwort der Berufung Harnacks zugestimmt hat, verschweigl Stöcker.) ,Zeder lebendige Christ, der bewußt an dem Geschick der Kirche theilmmmt, muß jetzt Stellung nehmen. Uns scheint, daß die Frage der Mitwirkung der Kirche bet Berufung der Professoren damit in rin Stadium acuter Verschlimmerung eingrtretrn ist." (Dabei wird wiederum verschwiegen, daß eine solche „Frage" nach preußischem Rechte gar nicht aufgeworfen werden kann, da die „Mitwirkung der Kirche" eben nur in einer gutachtlichen Aeußerung des Oberkircheuralhes besteht, die Entscheidung ober ausichließlich in der yand der Regierung und des Königs liegt, und zwar bet dem letzteren in seiner doppelten Eigenschaft als Regent, der alle Staatsbeamten (auch Prosrssoren) anstellt, und als oberster Bischos der evangelischen Kirche. Der Slöcker'schr Artikel ist aber auch deshalb besonders brmerkenswerlh. weil er zum ersten Mal daS in der Folgezeit noch deutlicher hervorgetretenr versaffungS- wtdrige Streben Siöcker « bekundet, sich selbst und seinen Glaubens genossen dir Rechte de» Königs in kirchlichen Dingen anzumoßen. Denn der Artikel setzt hinzu: „Die obersten Instanzen der Kirche habe» an der richtige» Ernennung der Projesjvren rin viel größere« Interesse als die Regierung oder dt« Facullät oder rin einzelner *) Da der „Fall Harnack" schon lange schwebte und Bismarck an» seiner um Mitte September >868 im Ministerium abgegebenen Meinung zu Gunsten Harnacks schon lange zuvor kein Hehl machte, so lag hier jedensalls eines der „klerikalen" Molivr fiir den Herrn Hosprediger zur Abfassung seines samosen Augustbrieses. Ter Verfasser. Rath. So wie der Fall Harnack sich gestaltet hat, bedeutet er die völlige Unselbstständigkeit der organisirten Kirche in der Erziehung ihrer Diener und die völlige Willkür der Staatsbehörden.") „Man kann sich den Zorn dieser „Rechtgläubigen" vor stellen, als dann in Folge dieses Vorganges die Universität Gießen, an welcher Harnack früher als Professor gewirkt hatte, 1888 am Geburtstag Luther's dem Fürsten Bismarck den Ehrentitel eines DoctorS der Theologie verlieh und in dem lateinischen Elogium der Urkunde sagte: „Dem rcichbewährlen, vornehmsten Raihaeber der evangelischen Könige von Preußen, der erlauchten Stütze der evangelischen Sache in aller Welt, weicher darüber wacht, daß die evangelische Kirche gemäß ihrer Eigenart und nicht nach fremdartigem, für sie verderb lichem Vorbilds regiert werde; dem tiefblickenden Staotsmanne, der erkannt hat, daß die christliche Religion allein Heil bringen kann der socialen Noth, die christliche Religion, die ihm die Religion der thatkräsiigen Liede, nicht der Worte, des Herzens und Willens, nicht der bloßen Spekulation ist; dem einsichtigen Freunde aller deutschen Univcrsiläten, ver zumal den evangelische» Faculiäten Iheuer geworden ist Lurch die Entschlossenheit, mit weicher er für die Frritirit derselben eingeirelen ist, ohne welche sie dem Evangelium und der Kirche nicht dienen können." DaS Organ Siöckel's schrieb am 24. November darüber: „Jammern und winseln, daß der Papst als Friecenssürst ge leiert, zur Entscheidung in den Wellhändeln ausgefordert und in die deutsche Politik hineingezogen wird*), dabei aber den leitenden Staatsmann, welcher diese Politik vertritt, zum Dvclor der evangelischen Tbeologie ernennen: das vermögen nur Männer, die nicht wissen, waS sie wollen, oder nickt wollen, was sie wissen." Die Verstimmung der Slöckerkreise nahm aber noch erbeblich zu, als dann weiter bekannt wurde, Fürst BlSmarck habe die ihm von Gießen erwiesene Ebre dankend angenommen und in feiner Antwort vom 22. November gesagt: „Meinem Eintreten für duldsames und praktisches Christenthum verdaute ich diese Auszeichnung. Wer sich der eigenen Unzulänglich keit bewußt ist, wird in dem Maße, in welchem Aller und Er- fahrung seine Kcniilniß der Men,cl,cn und der Dinge erweilecn, duldsam sür die Meinung Anderer." Da fuhr der Stöcker'sche „Reichsbole" am 7. December los: „Die Duldsamkeit ist eine christliche Tugend; nur darf man unter Duldsamkeit nicht jene Gleichgiltigkeit gegen die Wahrheit verstehen, dir ersahruiigsmäßig aus Furcht und Haß gegen das Bekennlniß einer besiimnilrn Wahrheit außerordentlich tolerant gegen jede Art des Unglaubens, aber intolerant gegen den positiven Glauben wird."" *) Bezieht sich darauf, daß Bismarck bei dem Streit mit Spanien über die Knrolmeniujeln 1885 dem Vorschlag Spaniens zugesiimml halte, dem Papst die Vermittlerrolle zu übertragen. Der Verfasser. Deutsches Reich. L. Berlin, 5. November. In Berlin werden die Ge- müther durch zwei örtliche Angelegenheiten in einige Erregung versetzt: die Frage des Osfenhaltens und der Br ieuchtung der Räume der nächstjährigen Berliner Gewerbeausstellung in den Abenvstunden und die städtischen Wahlsachen. Es ist nicht vorauszusehcn, daß man sich „im Reiche" für das Nepräsenlationsunternebmen einer Stadt, die das letzte Mal durch die Verweigerung eines Glück wunschkelegramms sür den achtzigjährigen Bismarck von sich reden gemacht hat, sonderlich iiiteressire. Aber die Angelegenheit der AuSsteUungSbeieuchtung verdient auch anderwärts Ausmerk samkeit. An sich wird man die Frage, ob die Besichtigung der ausgestellten Gegenstände nach eingebrochener Dunkelheit im Sommer notbwendig ist oder nicht, verschiedener Meinung sein können, ohne als großthuerisch resp. engherzig gellen zu müssen. Aber in Berlin ist von den Ausstellern von Anfang au bas größte Gewicht auf die Beleuchtung gelegt worden und die Leitung des Unternehmens hat nach längerem Weigern dem Rechnung getragen und die Beleuchtung be schioffen. Jetzt, nachdem die Aussteller angemeivet und verpflichtet sind, hebt man den Beschluß auf und begründet dies mit technischen Unmöglichkeiten und finanziellen Schwierigkeiten. Darüber von allen Seiten der Ruf: Wort- bruch! Worlbruch gegenüber den Ausstellern und Worlbrucb gegenüber den zu erwartenden fremden Besucher», Venen man den Mund nach der Beleuchtung wässrig gemacht habe. DaS ist nur äußerlicher Grund. In der Sache ist richtig, wenn weiter ins Treffen geführt wird, daß man in Berlin allgemein die Zugänglickmachung der Ausstellungsräume i» den Abendstunven wünsche. Sodann wird cS als ein Gebot der socialen Gerechtigkeit hingestellt, der zahllosen Menge Derer, die nur nach TaHesschluß ihrer BerufSpfUchlen ledig sind, den Besuch zu ermöglichen. Diesem Grunde, wenn ec Gewicht baden soll, liegt freilich die Voraussetzung zu Grunde, daß die Ausstellung in irgend einer Weise bildend zu wirke» in, Stande sein werde. Nach dieser Richtung hin sind all allgemeine Ausstellungen einer nicht unverdienten Gering schätzung verfallen, für welche Thalsache nichts ckaral terlslischer ist, als ein Argument, mit welchem in Berlin ein feuriger Anhänger der Beleuchtung für diese ein getreten ist. Der gute Manu ries in einer Versammlung der Aussteller entrüstet auS: „DaS einzige Gute und Neue, was die Ausstellung hätte bieten können, eine schöne, künstlerische Beleuchtung, sollen wir nicht haben!" Ei» naives Eingeständniß. Ader trotzdem: wenn in Berlin einmal eine Ausstellung stallfindet, wäre es eigenthümlich, etlichen Zehn tausenden von Berlinern die Besichtigung der ausgestellten Gegenstände so gut wie unmöglich zu machen. Das geschieht, wenn alle an den Wochentagen voll Beschäftigten aus die Sonntage angewiesen werben, denn an diesen Tagen wird der Andrang ungeheuer sein. Es kommen dabei keineswegs allein oder auch nur in erster Linie die Arbeiter im engeren Sinne in Betracht. Nach dem Vorgänge anderer Arbeitgeber in und in der Nähe von Städten, wo Ausstellungen statlfanden, werden wohl auch die Berliner ihren Arbeitern die Muse gönnen, an einem Wochentage die Ausstellung zu besuchen. Aber den Beamten, Lehrern, den im Privatdienst angestelllen Angehörigen de- Mittelstandes, dem ungeheuren Heere der im Detail-Handel Beschäftigten ist eine solche Ver günstigung schwer möglich und vielfach ganz aus geschlossen. Diesen Grünten gegenüber ist e» begreiflich, daß der Hinweis auf die Kosten der Beleuchtung, die nicht über 300 000 bis 400 000 betragen sollen, in einer (die Vororte eingerechnet) Zweiiwllioiitinkadl keinen Eindruck
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