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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.04.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-04-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930417029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893041702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893041702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-04
- Tag1893-04-17
- Monat1893-04
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Tie Uebernahme der Regierung durch König Alexander ist bereit« sämintlichen Höfen und Regierungen bekannt gegeben worden und, wir man au« Belgrad mittheilt, haben diese bei Entgegen nahme der Nachricht ihre Sympathien für die Person dcö König« Alexander Au-druck gegeben und daran freundliche Glückwünsche für die gedeihliche Eutwickeluug de« neue» Regimes geknüpft. Mit besonderer Genugtbung wurde in Belgrad namentlich die Nachricht ausgenommen, daß der österreichisch-ungarisch« Minister de« Aeußer», Graf Kalnoky, nach Entgegennahme der Mittbeilung der in Serbien eiugetrctenen Ereignisse durch den Gesandten Simic den Anlaß ergriff, den wohlwollenden Gesinnungen deS Kaiser- Franz Joseph für den König Alexander neuerlich Au-druck zu leiden und hiuzuzusügcn, daß Oesterreich-Ungarn dem jungen König eine glückliche Regierung wünsche. Der Aar A le xander lll. hat dem junge» König tele graphisch seinen Glückwunsch ausgesprochen. AuSdem Königreiche selbst lause» i» der Hauptstadt fortwährend Nachrichten ein,welche die neue Ordnung der Dinge mit Begeisterung begrüßen. Alle serbischen Städte, im Ganzen 22, sowie viele größere Ortschaften beschlossen, Deputationen an den König zu ent senden, um demselben Versicherungen der unverbrüchlichen Treue für seine Person und die Dynastie Obreoovich zu übermitteln. Die neue Regierung will sich vorwiegend auf die Radi kalen, aber auch auf Männer anderer Parteischaitirungen stützen. Rache-Acte gegen die Liberalen liegen ihnen fern; der junge König scheint solchen entschieden abhold. Gegen über den Gerüchten, daß da« gestürzte Eabinrt Avakumovic wegen illegaler Acte und Verletzung der Verfassung in An- klagezustaub versetzt werden dürfte, wird den» auch in Regierungskreisen betont, es sei vorauszusehen, daß da« Eabinet Dokic etwaigen Anklage-Anträgen dieser Art in der nächsten Skupschtina entgegentreten werde. König Alexander selbst sei entschlossen, noch vor der Eidesleistung oder un mittelbar nach derselben eine allgemeine Amnestie für politische Pergehen zu erlassen. Es liegen folgende weitere telegraphische Meldungen vor: * Berlin, 15. April. In hiesigen leitenden politischen Kreisen ist man auf Grund der Berichte auS Belgrad der Ueberzeuguug, daß der spirilue rector des StaattstreichS Exkönig Milan ist. * Belgrad, 15. April. Die Liberalen beratben über «ine Kundgebung, mit der sie die Gesetzlichkeit des heutigen Zustandes ansechten wolle». Ter Gedanke flöht jedoch in der Partei selbst aus Widerspruch, da die Spitze einer solchen Kundgebung sich gegen den König richten mußte. Der König hat übrigen» heute den liberalen Abgeordneten und bekannten Freund der Dynastie Tuzakoivisch zu sich bejchieden. auch der Metropolit Michael wurde in Audienz empfangen. — Infolge einer Anordnung de« Ministerrath«« wurden heute Abend alle Minister in Freiheit gesetzt. Sie begaben sich gegen 8 Uhr in« Hotel Imperial, wo die Liubsitzung der liberalen Partei stattfand. Eine ungeheure Menjchenmasse versammelt» sich vor dem Hotel und empfing die früheren Minister mit Steinwürien und Gejohle; nur mit großer Müh« gelang eS einem Trupp berittener Gendarmen, sie vor Lynchung zu schützen. * Belgrad, 17. April. (Telegramm.) Gestern Bormittag fand ein feierliches Tedeum statt. Die Truppen waren aus de» Llraßen in Parade ausgestellt. Eine große Menschenmenge füllte die geichmückten Wege zur Kirche. In der Kirche waren da« Lssiciercorp«, die Würdenträger und die obersten Beamten ver- sammelt. Neben den Beamten waren auch die ehemaligen Minister milGarajchanin erschienen. Bi« derKünig in Begleitung der Miniiter Dokitsch, Eirritsch und Fronassowitsch, sowie mehrerer Ge» sandten die Kirche betrat, gab die Artillerie Salutschüsse ab. Nach dem Gottesdienst fand tm Palais großer Empfang statt. DerKünig wurde bei seinem Erscheinen mit lebhaften Zurufen begrüßt. Der König zeichnete mehrere der radikalen und fortschrittliche» Minister mil Ansprachen au«. Am Nachmittag besucht, der König Garajcdanin und dankte demselben für seine bi«herige correcte Haltung. Bell» nnrowic ist zum Präsidenten de« Slaatsrathe« ernannt worden. Aistic und «alimarkoivte sind prnsionirt worden. In der gestrigen Parteisitzung der Liberalen beantragte Ava kumowic, Laß die Liberalen sich an den Wahlen nicht bctdeiligen sollen. Ribarac sprach sich für di« Lheilnahme an den Wahle» au«. * Pest, 16. April. Tie neuen serbischen RegierungSmänuer, di» aestern mehrere hiesig« Berichterstatter empfingen, gaben über dre Haltung Serbien« zu unserer Monarchie üderau« lonale Er klärungen ab. Ta« Miuistermi» Dvkilsch wird vielfach »nr al« Uebergangsministeriuin betrachtet. Ter frühere radikale Minister präsident Gruitich legte ieinen Geianbtenvosten in Kvnstantiiiopcl nieder, um sich für die Skupschtina wählen zu lasse»; er wird als der künftig« Ministerpräsident betrachtet. sM. Z.) * Wien, 16. April. Hier nimmt man immer noch an, Laß an dem serbischen Staatsstreich kein fremder Diplomat Tbeil Halle. Die Nachricht, daß der ruistiche Gesandte Persiani die Sache in- seenirt habe, gilt für irrig. König Milan bleibt in Paris und gedenkt nicht, nach Belgrad zuriickzukehren. (Post.) * Wien, 16. April. Der nach Belgrad entsandte Special- . berichterstarier des „Neue» Wiener Tagblattes" hatte mit dem I neuen Labinetschef Dokitsch gestern eine Unterredung, aus der wir' Folgende« wiedeigeben: Ist es wadr, daß russischer Einfluß de: dem Umschwünge m «gewirkt? Dokitsch erwiderte: Wenn Sie etwas auf mein Ehrenwort geben, so kann ich Idne» mit diesem Ehrenwort versichern. Laß eine solche Behauptung absolut unwahr stk. Lediglich zwei Personen wußte» von den bevorstehenden Dingen: der König und i cd. Der hiesige russische Vertreter Persiani war von der Ab- sev»ng der Regenten ebenso überrascht, wie gerade diese Herren selbst. Ich fragte, wie e« sich mit König Milan verhalte, u»d ob die Nachricht, baß Dokitsch di» Assair, in Paris mit Milan de- sprachen hätte, sich bewahrheite. Dokitsch: Ich bevollmächtige Sie, die« mit aller Entschiedenheit zu driiientire». Ich habe Milan seit zwei Jahren nicht gesehen. Ich war auch nicht in Pari-, sondern während meine« sünszehntägigrn Urlaub« in Wien. Ich bin ein alter Wiener Student und habe dort viele Freunde. Dann ging ich nach Triest und Abbazia. Meine letzte Frage betras die Königin Natalie und ihre künsug« Stellung. Dokitsch: Die Regierung hat in dieier Sach« nicht« mehr zu sagen. Tie Königin Natalie verpflichtet« sich, nicht nach Serbien zu kommen, so lange der König nicht großjährig sei. Heut« ist der König großjährig, und wenn Königin Natalie will, so kann sie kommen, — das ist also eine Privatangelegenheit geworden. König Milan dagegen wird nicht mehr Serbien betreten. Er hat sein Wort darauf gegeben, and ich sage Ihnen, »r wird e< halten. Miln» hat viel« Fehler gemacht, aber er wird niemals zum Wort brüchigen werden. politische Tagesschau. * Leipzig, 17. April. Ein parlamentarischer Berichterstatter meldet: „Tie Vorstände der Rrich-tags-Fractionen haben erneut di« Mitglieder ausgrsordert, sich zahlreich an den Plenarsitzungen zu betdeiliaeii, damit bas unerquickliche Schauspiel der Uejchluß- unfähigkeit endlich vermieden werde. Ter Erfolg bleibt abzu- warten." Die Beseitigung diese- Auslandes, der das Ausehen des Reichstages aufs Tiefste schädigt, ist eine Aufgabe, die sich nicht länger abweisen läßt. Alle Ermahnungen und Hinweise aus die Unwürdigkcit dieses Zustande- Kaden sich wirkungslos gezeigt, das Uebel wird immer schlimmer und hat in dem gegenwärtigen Reichstag eine Höhe wie nie vorher erreicht. Die augenblickliche kritische Lage mag freilich ungeeignet sein, eine so tiefgreifende Frage auszuwerfen. Wenn aber wieder ruhigere Zeilen zurückgekchrt sein werden, ist rS eine uner läßliche Pflicht, in diesem Uebelstand Wandel zu schassen. Da Diätenzahlungen für den Reichstag, welche vielfach unter dem Hinweis auf die fast stelS beschlußfähigen Abgeordnetenhäuser empfohlen werden, in absehbarer Zeit schwerlich zu erreiche» sein werden, muß man andere Maßnahmen ins Auge fassen. Zu nächst wird man dabei sein Augenmerk auf eine Herabsetzung der BeschlußfähigkritSzabl, wenigstens bei nicht ent scheidenden Abstimmungen, zu richten baben. Man sage nicht, dann würde der Besuch noch dürftiger werden. Die ge wissenhaften Männer, die jetzt ausharren, würden unter allen Umständen ihren parlamentarischen Pflichten genügen, und besser »nd würdiger ist eS jedenfalls, wenn eine kleine Anzahl von Mitgliedern ohne Störungen, ohne fortwährende Drohung mit Auszählungen, ohne dir innere Unwahrheit und Ungesetz lichkeit zahlloser Abstimmungen die Geschäfte erledigt. Der licsere Grund der fortdauernden Beichlußunsäbiakeit liegt allerdings in der gesunkenen Straffheit der Zucht im sicher und rascher erledigt; ,„ebr als früher ,.r ^2 sacklickcn Lrlcdiaurib der Arbeiten im unuttterbveckene Tbeilnabme an so ^ sur nutzlosen, ermüdenden und vers»m...eude. ^'UuuU ' ü- ' l zahlreiche Mitglieder unmöglich ui'd uiilcrgi- ° ^ reiche Wirlsamle., und „das „ol 'wcudige ^ tags. Wir ballen es ,»r unabweisbar. c^ark Wendung dieses UebelstanteS. t-r >'».»er »rebr an de- ParlainentariSinnS nagt, ei östlich Z» l ^ , l äußeren Zeiluiiisläute eS gestalte». In. böhmischen Landtage spiV-'' ^ U§ ^"ie säye immer mehr z». Die czechlfchc ->ch> - > > Deutschen bei den Berätst,>"g-» den «>'S,chu „en >hr- Ueberinacht sichle». Wie man aus st'rag mcldkl, stale» .,a.ne.„sich die Vorgänge bei V^Enatzwabi n.d„W>. Wallung rer Hypotdekcndaiik und die Beschlüsse des Budget ausschnsses über die Bedingungen, unter welchen künsiig die LaiireS-Sudventionen a» die M'nseen vertbciit ' Beschlüsse, welche vornehmlich die Ulraquissrung des ^nl e , bcrger Museums hezweckle». den Unmnlb der den,scheu Verlreter i», Landtage erregt. In denlfchen .lbgeoidnelci kreisen bestellt überdies die Besorg-»!'., daß der czech, ck'e Terrorismus wenigstens einen Tbeil des Großg>u»ttcsstzcc veranlassen wird, den bezüglich der Abgrenzung-Vorlagen eingenommene» Stantpunct der Bcurlbe>Iu»g nach dem fach sichen Bedürfnisse anszugebcn. so daß inogl,chcr>vc„e d.e zur Abgabe des Gntachlcnö über die AbgrcnzungSvorl.igcn er- forderliche Mehrheit nicht vorhanden sein wird. Bezüglich der Ergänzungswahl in die Verwaltung der Lande» Hnpotbeienbaiik sagt daö Prager jungezechische Organ, es sei nur Sache der Gutmülhigkeit, wenn die Mehr heit den Deutschen überhaupt Stellen in den LandcS- Eomnlissioncn überlasse; denn da dieselben in keiner der Curie» die Majorität besitzen, gebühre ihnen eine solche Vertretung nicht. Unter solche» Unisländen steigt die Auf regung »iiter den tcuische» Abgeordneten bedenklich. Es mache» sich bereits Stimmen vcrnehiiibar, welche diese» Z»- stand für die deutschen Abgeordneten als »»erträglich be zeichnen und die Frage answersen, ob das Verbleibe» im Landtage »och wünschenSwerlb erscheine. In der „Bolemia" werde» alle diese Vorfälle besprochen und daran die Be merkung geknüpjt: „Wir dächten, eS wäre nachgerade doch da« Beste, die teulschcn Abgeordneten würden cinpacke» und heimsahren." Zn Frankreich und im Besonderen in Paris herrschte im Lause der letzte» Woche eine wohltkätige Rübe, wie taS meistens der Fall z» sei» pflegt, wenn die Kamnier» geschlossen sind. Dieses aber ist noch bis zum 25. April der Fall. In zwischen hat das neue Ministerium Zeit, sich aus sich selber zu besinnen und sich vo» der Berwiindcrimg z» erholen, daß öS überhaupt zu Stande gekommen ist. Man »c,„,t eS das Ministerium Carnet, weil cö von diesem ohne Rücksicht auf die Kammer zusaiiimengebracht ist. Es wird schon au« diesem Grunde iminöglich lange über den 25. April hinaus von Bestand sein können. Da sich an einem solchen Ministerium keine Männer von wirklicher politischer Bedeutung betkciligcn konnten, so ist eS ei» ausgesprochenes Cabinet von Mittelmäßig keiten und zwar noch außerdem von radicalcr Färbung. Fast keiner der Herren Minister hat bisher eine Berusslstätigkeit geübt, die dein jetzt von ihnen übernommenen hoben A»iic entspräche. Nur als derartige Neulinge haben sie überhaupt den M»lh haben können, die Verantwortung zu übernehme», die sic jetzt trage». Carnot aber war niit jedem Ministerium zufrieden, das er so bald al- möglich in Scene setzen konnlr, weil er eS um jeden Preis vermeiden wollte. ConstaiiS, den er als seinen gefährlichsten Nebenbuhler fürchtet, berufen zu müssen. Dock' ist eS keinem Zweifel unlerworsc», daß die Zeit nahe ist, wo diese energische Persönlichkeit das StaatSrudcr wird ergreifen können. Ist auch der Cor- ruplionSproceß sormeU beendet, so wird doch der Pa- iiama-S>aiirar, kommen, wenngleich man noch so lange damit zögert, ernsthaft gegen Cornelius Herz und Arlou vorzugeben. In- -wische» ist auch uock wieder eine andere dose Geschichte durch die Begnadigung deS Melinitrrfinder» Turpin lebendig geworden, au der namentlich Herr de Freycinet aufs Neue stark delsteiligt erscheint. Mögen auch die Darstellungen, die ei» Herr Cardane von der Sache im „Figaro" gegeben hat, übertrieben sei», so wird doch auch hier »och genug übrig bleiben, um de» berühmten Ingenieur Gambetta'S, der sich schon als Nachfolger Carnot'S in der Präsidentschaft der Republik ansab, für alle Zeit für jedes StaalSamt unmöglich zu machen. — Die Verhandlungen des ProcefseS wegen deS anarchistischen Attentats in, CasS Very haben wenig Aufsehen erregt, an, meisten noch die vcrbältnißmäßig milden Wabrspruche der Geschworenen, und zwar namentlich dir Freisprechung de« Anarchisten Francis. AuS Brüssel trifft die bedauerliche Meldung rin, daß der dortige Bürgermeister Bulü, einer der Führer der Libe ralen in Belgien, das Opfer eines »oben Bubenstreichs ge worden ist. Am Schlüsse eures socialistischen Meetings, das gestern Nachmittag aus vssentsicher Straße in Brüssel ab- gehallcn wurde, überfiel ein Individuum den promenirenden Bürgermeister und versetzte ihm mit einem bleigesülllcn Stock eine» so heftige» Schlag äugten Hinterkopf, daß der Ueber- sallene besrig bsiucle und i» Ohnmacht fiel. Der bcrbeigebolte Arzt eiiipfabf vollständige Ruhe. Der Schöffe AndrS wird in zwischen ras Amt des Bürgermeister- versehen. Die Polizisten und Gcntarmc» eilten sofort »ach Bekanntwerden dcS Altentat- hiuzu und hieben auf die Seandasiuacher ein, welche mehrere Revoloerschüssc abgadcn. Ein Svcialist wurde verwundet, zwei Personen wurde» verkästet. Sonst wird auS Brüssel gemeldet, daß dort der gestrige Tag ruhiger verlies und keine uinhcrziehciiken Banden mehr auftrate». Dagegen hat der Aussiaiid in der Provinz zugeiioiiimcil, indem am Sonn abend Abend etwa 18» »06 >Ltroikc»re gezählt wurden. Viele friedlich gesinnte Arbeiter werde» durch Drohungen der Socialisten zur Einstellung der Arbeit gezwungen. Die Folgen der letzte» Zusammenstößc' in Brüssel und der Provinz am DvimerSIag unk Freitag find viel ernster, als ursprünglich angenommen wurde. Man stellte drei Tobte und 150 Ver wundete fest. Besonders gefährlich scheint die Lage im Be zirke von Cbarleroi, wohin dir Regierung Truppen unter dem Oberbefehl des Generals Ungricht entsandte. Von anderer Seite wird gemeldet, daß gestern in den Ortschaften der Streikgediolc zahlreiche Versammlungen stattfaiiden, jedoch auö keinem Orte ei» ernsterer Vorfall gemeldet wurde. — Es liegt uns heute »och folgende briefliche Meldung nebst einigen sich daran schließende» Telegrammen vor: KA Brüssel, 15. April. Gestern Abend hatten auf den inneren Boiilevcirds inivlge polizeilicher Benachrichtigung alle Lüben ge- schlossen: die beide» Galrrie-Theater sagten die Vorstellungen ab. Eine Bekanntmachung des Bürgermeisters untersagte die Aufzüge llndAiisaiiiiiiluiige». Die Polizei und Gendarmerie gingen diesmal sehr scharf vor, so daß »ine erhebliche Anzahl von Verwundungen vorkain. I» der Rue des EperonnierS mußte eine au- Pflaster- steil»» u»b Karren gebildete Barrikade durch einen Basonett- aiigriss der Bürgergarde genommen werden. Vielfach wurde» von den Tumultuanten die Laterne» verlöscht; in der Rue Blae« stürmte die Menge ein Wirlhshau« und schlug Alle- kurz und klein. Auf den, Marktplätze wurde die Menge nach vergeblicher Aufforderung, auseiiiaiiderzugchc», vo» den Gendarmen »iedergeritten. Bi« zu». Morgen durchzogen Patrouillen die bedrobten Gegenden. Die Stadt ist im Innern recht unsicher geworden und bietet i»it den zahlreichen Posten und Bewaffneten den Anblick eine« «riegslager«. * Brüssel, 17. Avril. Gestern sand eine große BolkSver« fammiliing in Fenbosch statt, welcher zahlreiche Neugierige bei wohnten. Ein gewisser Hudegt erklärte Namen- der Typographen, da» alle Arbeiter die Arbeit einstellen würden, wenn man da« all gemeine Stimmrecht nicht gewahrte. Im gleichen Sinne äußerte sich van der Beide, der wcilertiin betonte, die Armee der Ausständigen würde Lau» »och zur Rcvoi»liv»Sar»iee werden. Nach Schluß de« Meelings sorinirlc sich ei» Zug von etwa 5600 Arbeitsm,lustigen. Dieselbe» wnrde» durch ein Detachement von 50 Geiidarine» zerstrent. * Brüssel, 17. April. AuS Gent werden gleichsallS ernste Unruhen gemeldet. Ein weitere» Linienregimcat ist nach Tedouric» abgegangen. " Brüssel, 17. April. (Telegramm.) Ter Zustand de« ?rimula V6?L8. 13! Erzählung von A. Brüning. Vi»<drr»a «r»,inc. lFortsetzung.) Er schwieg, wie auf Zustimmung wartend; al- Gabriele aber sortsubr, stumm vor sich hin zu weinen, setzte er niit einem tiefen Atbemzuae hinzu: „Ich glaube, so am besten für Alle- zu sorgen. Komm, trockne Deine Tbränen, die mir in- Herz brennen, und sage mir, ob Du mit meine» An ordnungen einverstanden bist?" „O", schluchzte die junge Frau, „cs ist mir Alle- recht so. Wenn ich Dich doch einmal ziehen lassen muß — aber Manfred, Man-red, noch einmal frage ich Dich: muß eS denn sein?" Die thränenvollen Angen sahen mit herzbewegendem Flehen zu ihm empor; Manfred Blanden kämpfte innerlich eine» schweren Kamps — doch er blieb fest. „Ja, e» muß sein, mein arme« Kind", sagte er. „WaS mich dazu treibt, ist stärker al- mein Wille. Tcii, Kummer zerreißt mir da- Herz, und dennoch mutz ich bei meinem Entschlüsse bleiben. Nicht wahr. Du wirst nun stark und vernünftig sein und dadurch auch mir die Ruh« geben, deren ich bedarf, »m meine Angelegenbriten zu ordnen? Ich habe autzer dem Brief an Herrn von Santow noch Vielerlei zu schreiben, mir bleibt dazu nur noch diese Nacht. — Ich babe daher keine Zeit mebr zu verlieren." Mit einem Au-druck de- Schrecken- fuhr sie empor. „Nur noch diese Nacht?" wiekerbolte sie erbleichend. „Du willst also schon mcrgen früh —" „Freilich, ick gedenke mit Ger» zusammen zu sabren", fiel er ein. „Mein frühere« Regimen«, bei dem ich mich zum freiwilligen Wiedereintritt melden will, ist da« nämlich«, welchem er auch angehSrt." Er stand auf. „Ich muß jetzt an meinen Schreibtisch geben", sagte er, „vielleicht wird auch Dir die Einsamkeit wokllhun. Tu siebst so angegriffen auS, Kind. Lege Dich nieder, ich bitte Dich darum, versuche ein wenig zu schlafen. Laß de» Gedanken Dich trösten, daß Dein Kummer von Tausenden von Frauen und Mädchen getbeilt wird." Er beugte sich nieder und streifte mit seinen Lippen leise ihre Stirn. Als die junge Frau sich allein sab, bob sie wie in ratdloser Verzweiflung beide Hände empor und preßte sie gegen idre klopfenden Schläfen. So stand sie eine ganze Weile unbeweglich und versuchte Ordnung in ihre wirr durch- einanderjagenten Gedanken zu bringen. Wa« sollte aus ibr werden, wenn Manfred sie verlieb? In dem Bestreben, binsorl durch doppelte Hingebung ihre Schuld an ihm wieder gut zu machen, batte sie Trost, Halt und Kraft finden wollen. — Und nun? Ihr war zu Muthe, al« sollte ibr der Boden unter den Füße» weggezogen werden, eine entsetzliche Angst schnürte ibr die Brust zusammen. Wenn er siele, barniherziger Gott, wenn er fiele — was sollte dann auS ibr werden >»it dieser Last auf dem Herzen? — Plötzlich stockten ihre qual vollen Gedanken. Durch die ringsum herrschende Stille klangen von unten herauf gedämpfte Accorde — sie kamen offenbar auS dem Mufikzimmer, da« sich gerade unter Gabrielen« Boudoir befand. Die junge Frau war über den Urbeber dieser Töne keinen Augenblick in> Zweifel. Gert von Waldau batte sicherlich noch keine Ruhe gefunken und suchte am Flügel Beschwichtigung für die gereizten Nerven. Ein Gedanke blitzte in ibr auf: zu ihm! Er konnte ihr den Dienst, den sie von ihm fordern wollte, nicht abschlagen! Ohne Besinnen warf sie ein Spitzentuch über ihr hall-gelöste- Haar, und einen brennenden Wachsstock ergreifend, flog sie die Treppe hinab. AibemloS schlug sie, unten anaelang«. die PortiSre zurück. Ströme weißen Mondlichte« slutvkten ihr entgegen und zeigten ihr in beinadc tage-beller Beleuchtung, wir sie erwartet, die Gestalt de« jungen Osficirr« am Flügel. Schon stand sie vor ibin und legte ihre Hand aus seinen Arm. „Herr von Waldau, bei Alle»,, was Ihnen heilig ist. Helsen Sie, rette» Sie!" In flehendem Glanze leuchteten ihre Augen unter der weiße» Spitzenhülle hervor. „Gabriele, um'S HiiiiiiiclSwillcn, wa« ist denn mir geschehen? — Sie sind ja völlig außer sich" — fragte^Gert, von Unruhe ergriffen. „Manfred ist in Gefahr; nur Sie alle», können ihn »o.h retten: Geloden Sic mir —" „WaS den», Gabriele? Sie sprechen in Rätbseln!" „Mein Gott ja. Sie wissen noch nicht — ick, bin ganz ver- wirrt — so kören Sie." Und in fliegenden Worten verständigte sie ibrcn erschreckt erstaunten Zuhörer über Manfreds plötzlichen Entschluß, als Freiwilliger den Krieg »iilzumachcn. „Nein, das darf er Ihnen nicht anlbun!" Gerl machte eine Bewegung, als ob er sogleich davon,tiiruicn wollte. „Bleiben Sie", kielt sie ihn zuruck. .Jeder Ver,iich, ,l,n ii»>z»sti„„„en. ist völlig aussichts los. Sein Eiilfchlu,, „t unerschütterlich, davon habe ick, »,,ch überzeugt. Ha, er me,neu Bitten und Tbräne» widerstanden, fo werden,auch Sie nicht« Uber ihn vermögen! Nein — was ich von Ihnen erwarte, ist etwa« Anderes. Sie sagten mir n."sin'dc^ D" ^danken in - Feld zögen, ren Tod . a. daran n.cht denken. Eine edle Aufgabe liegt vor Ihnen: Sie müssen leben, um über Manfred seinem Haupte die Gefahr abzuwenten! Er will be, Ihre,» Regimenie emlreten. Sie werren also stets in snnrr Nabe sein. Ihrem Schutze befehle ich sein Leben d^nein G.UÄI' Ob" "-übne sein! - Die „„ine kann, da nein Getchleckit mich nun einmal zu einer passiven Rolle Wohlan "svrechen" inbrünstigem Gebet bestehen ML"!',": erler n Muth erfordert, als die Hoffnung »n sterben Miltb Zutrauen zu dürfen. Nicht wahr, Sie werden mein Vertrauen nicht zu Schanden machen?" „Gabriele, wie gern würde ich diese Ausgabe übernehmen, denn eö sollte eine treffliche SUbne sein! Ader Sie täuschen sich leider, wenn Sie glaube», in unseren »loderncn Kriege» könne Einer des Andorn Schutzgeist sein. Das würde auch im selben Re^imciilc kaum möglich sein. Die Diseiplin fetzt jedem seine Schranken. Aber freilich, Gabriele, beten Sie inbrünstig, daß Gott »iiö häufig in der Gesabr zusamniensübre! Wenn er ihre» Wunsch erhört, werte ick, dennoch Manfreds Eckart sein können. Ich werde ihn dann mit meinem Leben decken »nd Ihne» erhalten. Ja, das schwöre ich, Gabriele!" Schluchzend, Dankesworte stammelnd, drückte sie warm seine beide» Hände. Dann wandte sie sich stumm zum Geben, hielt aber, schon unter dem Vorbange slebcnb, noch einmal i»ne. „Wenn im Mittelalter rin Ritter für die Sache seiner Dame in den Kampf zog", sagte sie >»>t webniiilhigem Lächeln, „so diirstc er ihre Farbe tragen, ibre Hand schmückte ihn mit der Fclddinde. — Wollen sie al« kleinen Ersatz dafür und zum Andenken an diese Stunde, in der Ibr hochherziges Verspreche» mir die Rubc^wiedergieht, diesen Schleier nehmen?" Sie löste das duslige Spitzengcwcbe von ihrem Haupte uud bot «S »dm dar, iure», sie biiizufügte: „Er möge Sic, wenn Ihre Aufgabe einmal »u schwer drücken sollle. daran erinnern, daß von der treuen Erfüllung derselben da- Glück unk der Frieden eine» Herzen« abhängt, das seine straft zum Ertragen dieser schweren Zeit nur au« dem Be,traue» auf Ihr Wort schöpfen und das um diese« Wortes willen Sie mit jedem Schlage dankbar segnen wird." Mit einer Geberte säst ehrfurchtsvoller Freude ergriff Gert das zarte Gewebe Veilckiendust quoll ihm darau- entgegen — es war die Atmosphäre, welche Gabriele stets umgab, und welche ihn in ihrer Nähr jede-nial wie ein frischer Frühling hauch berührte. Al- er Gabriele für ihre Gabe danken wollt», war sie verschwunden. (Fortsetzung folgtI
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