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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.01.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960124013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896012401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896012401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-01
- Tag1896-01-24
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BezugS.PreiS i» h« Hmvterpeditto» od«r de» i« Gtadt- s«trk und de» Borort«» errichtet«» Aas» aavestellm abgehelt: »t«rt»ljLdrlich^I4^ Lei »»«tmaliaer täglicher Zustellung iss Haus vchy. Durch die Bost bezogen für Deutschlaad rmd Oesterreich: virrtrltädrlich ^l 6.—. Direct» tägliche Kreuzbandseuvung Ins Au-laud: monatlich ^ 750. Die Morgenausgabe erscheint um '/,? Uhr. dt« Abend-Susgab« wocheatags um v Uhr. Nr-aclion und Erpe-itio«: Johannesgaffe 8. Die lMedttiou ist Wocheatags uaaaterbrochea geöffnet vo» früh 8 bi« «beuds 7 Uhr. Filialen: Dito Memnr'S Lortim. (Alfred Hahn). UniversitätSstrabr 1, Laut» Lösch«. katharinensir. 1«. Part, und Königsvlah 7. Morgen - Ausgabe amiger TagMalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Nattjes und Nolizei-Nmtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen'Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter demRedactivnSstrich »4ge- spulten) 50^, vor den FaiMliennachnchtru (8gespalten) 40/^,. tztrbßere Schriften laut unserem Preis verzeicknih. Tabellarischer und Ziflerasap nach höherem Tarif. Extra-Btilagen (gesalzt-, nur mit der Morgen > Ausgabe, ohne Postbesorderung öv.—, mit Postbesorderung 70. Annahmeschlub für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Marge»-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Für die Montag.Morgen-Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^°41. Freilag den 24. Januar 1896. W. Jahrgang. Unsere Schutzgebiete. 11. WaS den Plantagenbau in Deutfch-Vftasrika anbetrifft, so wird dem Kaffee eine große Zukunft zugeschrieben. Die Planlage Derema hat ungefähr 50 000 lrg Kaffee geerntet und ihn auf den deutschen Markt gebracht, wo er sehr beifällige Aus- nähme, auch in unserer Stadt, gefunden hat. Aber auch die anderen bestehenden Pflanzungen haben befriedigende Ernten ergeben, es sind auch neue Pflanzungen hinzugekommen. Die gefährliche Kaffeekrankheit ist zwar keineswegs beseitigt. ES ist ihr aber von ihrem ersten Auftreten an die größte Be achtung geschenkt, uud eS kann daher angenommen werden, daß eS gelingen wird, sie in solchen Grenzen zu halten, daß der Anbau von Kaffee lohnt. Bekanntlich giebt es kaum ein Land der Erde mehr, wo diese Krankheit nicht herrschte und doch werden durch den Anbau von Kaffee noch große Gewinne erzielt. Es ist nicht er sichtlich, warum dies nicht auch in Deutsch-Ostafrika möglich sein sollte. In der That hat daS Borhandensein der Ilomllom vgztstrix auch nicht abschreckend gewirkt. Denn es haben sich im Berichtsjahre mehrere neue Unternehmen gebildet, welche besonders auf Kaffeebau gerichtet sind. Seine königl. Hobest Prinz Albrecht von Preußen hat Ländereien ankaufen lassen und wird demnächst Kaffeepflanzungen anlegen. Es ist die Rheinische Handei-Plantagen-Gesellschaft gegründet worden, welche ein großes Landgebiet im Handei - Gebirge erworben hat und in allernächster Zeit mit den Pflanzungsarbeiten beginnen wird. Weitere Gesellschaften sind in der Bildung begriffen. Es ist unverkennbar, daß das Vertrauen zu dem Werthe der Kolonie wächst, und es wird dieses in den nächsten Jahren noch viel mehr geschehen, wenn die vor handenen Pflanzungen erst ihre Rentabilität schlagend er wiesen haben. Uebcr den Etat OstafrikaS heißt es: Mit dem 1. April 1894 begann in der Eolonie, nachdem biSber mit einem Pauschquantum gewirtbschaftct war, die Wirthschaft mit festem Etat nach den für diese Art der Verwaltung maß gebenden Grundsätzen. Es wurde jedoch hierbei der Titel Reservefonds zu Gunsten des ganzen Etats zum Ausgleich beweglich gemacht. Das Ergebniß deS ersten Jahres mit festem Etat kann im Allgemeinen als ein gutes bezüglich feines Endresultates bezeichnet werden, da, trotzdem die Mindereinnahmen 849 878,04 ^ gegen den Voranschlag betrugen, durch fast auf allen Gebieten der Verwaltung gemachte Ersparnis im Gesammtbetrage von 760 537,4 l die wegen rer großen Mindereinnahmen unvermeidliche Etatsüberschreitung auf 89 340,63 -4! herabgedrückl wurde. Dav hingegen vom rechnerischen Standpunkte aus unerfreu liche Bild einer sehr großen Differenz des Voranschlages der Einnahmen und Ausgaben gegen das wirkliche Enrergebniß hat bn Aufstellung des Etatsvoranschlags für 1896/97 volle Berücksichtigung gefunden, wäbrend dies für den diesjährigen Erat, bei dessen Aufstellung das Ergebniß von 1394/95 noch nichi vorlag, nicht geschehen konnte.M Aber auch hier sind schon mit Rücksicht auf die bereits vorliegenden Erfahrungen in den Ausgabeansätzen wesentliche Schiebungen eingetreten, während die Einnahmeansätze in der alten Höhe vorläufig beibebalten blieben. Der Bericht über Lüdwcftaftika hebt eingangs hervor, daß die mächtigsten „Capitaine", nämlich Wilhelm C kr ist ia n von den Bondelzvartshottentotten und Henrik Wilboi von den Gibeonen ihr Wort gehalten und sich während deS ganzen Berichtsjahres gegen die Regierung loyal verhalten haben. Die weiße Bevölkerung hat nicht unerheblich zu genommen. Sowohl der mittlere Theil deS Schutzgebietes, als auch der südliche hat eine nicht unbedeutende Einwande rung gehabt. Die Zahl der deutschen Civilbevölkerung hat sich durch die ausgedienten Mannschaften der Schutzlruppe sehr vermehrt. Dieselbe wird noch mehr zunehmen, wenn die am 1. April d. I. ihrer Dienstpflicht genügt habenden Mann schaften zur Entlassung kommen, von denen etwa 100 im Schutz gebiete zu bleiben beabsichtigen. Nach der bisherigen Erfahrung wird sich die Masse derselben dem Handelsgeschäfte, dem Transportgewerbe und dem Handwerk zuwenden. Sowohl an TranSporlfahrern, als vor allen Dingen an Handwerkern ist trotz des mannigfachen Zuzuges noch immer ein empfind licher Mangel, so daß z. B. in Winohoek verschiedene pro- jectirte Bauten wegen Mangels an Handwerkern zurückzestellt werden mußten. Eine größere Anzahl möchte aber auch Land- wirlhschaft betreiben. Die Einwanderung von Farmern aus Deutschland konnte bisher nur eine geringe sein. Dagegen hat sich eine Anzahl Kaufleute und Frachtfahrer, welche sich hier im Lande ein kleines Vermögen erworben haben, dem landwirthschafttichen Betriebe zugewandt. Der Bezug der Handelsgüter aus Deutschland hat sehr erheblich zugenommen. Die meisten Kaufhäuser und Privaten, welche noch vor einem Jahre fast alle Maaren aus Eapstadt nahmen, beziehen dieselben Dank der durch die Colonialgesellschaft eingerichteten unmittelbaren Schiffs verbindung jetzt aus Deuischland oder, soweit sie in einzelnen Artikeln auf englische Bezugsquellen angewiesen sind, über Hamburg oder Bremen. Die Regierung ist denselben voran gegangen, indem sie, abgesehen von dem Südbezirk, alle Bedarfsgegenstände, insbesondere den Proviant für die Schutz truppe und die eingeborenen Bediensteten, direct aus Deutsch land bezieht. Bezüglich der für den Süden benöthiglen Gegen stände ist sie dagegen noch theilweise auf den Üapstävler Markt angewiesen, da eine regelmäßige direkte Verbindung de- Mutterlandes mit dem trefflichen südlichen Hafen „Lüveritz- bucht" zur Zeit noch nicht besteht, aber durch die Dampfer der Colonialgesellschaft angebahnt ist. Bezeichnend für den Aufschwung in den Handels beziehungen dürften die folgenden Zahlen sein. Die während des Berichtsjahres durch Vermittelung der Hauptcasse a) auf LegationScasse Berlin gezogenen Wechsel re- präsentiren einen Werth von 553 821,91 b) die auf General-Consulat Capstadt gezogenen einen solchen von 24 822 Pfv. Sterl. 13s—» 496 453 während im vorigen Berichtsjahre fast nur Wechsel auf Capstadt gezogen wurden. In Lüderitzbucht ist eine genaue Statistik auch im laufenden Berichtsjahre Mangels eine- genügend geschulten Beamten nicht möglich gewesen. Die Gesammteiofuhr wird von dem BezirkSbauptmann in Keetmansboop auf rund 800 Tonnen angegeben, wäbrend sich die Ausfuhr nur etwa auf 6 Tonnen Gummi und Raritäten belief. Der Export zur See ist noch ziemlich gering. Derselbe erstreckte sich auf Ochsenhäute, Vockselle, Hörner der verschiedenen Antilopenarten, Ochsen- Hörner, Straußenfedern, Stachel von Stachelschweinen, Silber erze aus der Otavi-Mine und Harz der Dorn-Akazie, hier Gummi genannt. Der Landexport besteht fast ausschließlich auS Vieh. Die Einfuhr betrug: über Walfischbay 1894. . . ^ . 944 695 „ Tsoakhaub-Mündung: 1. Juli bis 30. September 1894 . 220 126 „ 1. Oktober bis 31. December 1894 74 890 „ 1. Januar bis 31. März 1895 . . 194 890 „ in dreiviertel Jahren 409 406 „ Die Ausfuhr betrug: über Walfischbay nach Capstadt . . 106 532 „ Tsoakhaub-Mündung 350 „ Die Besiedelung des Schutzgebietes ist in dem Berichtsjahre trotz der ungünstigsten Verhältnisse vorwärts gegangen. Seitens der Regierung wurden 11 Farmen in der Größe von 6 — 10 000 da verkauft. Eine Anzahl Reflektanten bat sich noch für Farmen in den Gebieten von Harris und Seeis gemeldet. Von der SiedelungSgesellschaft und von der Colonialgesellschaft für Südwestafrika wurde je eine Farm verkauft. Außerdem sind in den Gebieten der Capitaine von Gibeon und Bethanien 6—8 Farmen in der Größe von 10—15 000 lla mit Zustimmung der kaiserlichen LanreShauptmannschaft an Deutsche und Boern verkauft worden. Sehr groß war die Nachfrage nach Bauplätzen in Groß-Windhoek. Während de- Berichtsjahres wurden von der Regierung zwölf Kaufverträge über Baugrundstücke ab geschlossen, während in Klein - Windhoek und Awis kein Zugang, sondern ein Abgang zu verzeichnen ist, indem verschiedene Personen den Platz verließen, um theils nack> Groß-Windhoek überzusiedeln, tbeilS Farmen zu beziehen. Besonders rege war auch die Nachfrage nach Baugrund stücken seit Beginn des ZahreS in Tsoakhaub - Mündung. Es wurden dort sechs Baugrundstücke an dortige Firmen abgegeben. Hand in Hand mit der Kauflust in Bezug auf Baugrundstücke ging auch die Bauthäligkeit. In Tsoakbaub- Müudung sind eine Reihe größerer Gebäude, fast durchweg Holzhäuser, aufgeführt, von denen sich die geräumigen Häuser der Damara- und Namaqua - Handelsgesellschaft besonders Herausbeben. Zn Windhoek sind gleichfalls eine Reihe von Steinhäusern theilS fertig gestellt, theilS in Angriff genommen. Verschiedene Gebäude harren noch wegen Mangels an Arbeitern der Inangriffnahme. Seitens der Regierung wurden neue Gebäude aufgeführt in den Skationen Otyimbingwe, Omaruru, Okahandya und Gibeon. In An griff gruommen wurde eine Kaseroe, sowie zwei kleinere Beamten- bezw. Ossiciershauser in Keetmansboop, ein Artillerie hauS in Windhoek, sowie eine Anzahl primitiver Häuser auf den kleineren Militairstationen. Zn Windhoek wurde das Garnisonlazareth fertig gestellt. Ebenso sind auf einzelnen Farmen, wie beim Borr Wiese im Schafrevier und dem Farmer Abrahms massive Steinhäuser aufgesührt worden. Im Schutzgebiet der Marschallinscln und zwar in Zaluit und auf Nauru befinden sich 81 Weiße, worunter 6 Frauen und 17 Kinder, meistentheils sind eS Kaufleute. DaS Leben der in Zaluit ansässigen Weißen ist bei der Ab gelegenheit der Schutzgebiete vom großen Weltverkehr ein sehr eintöniges. Ein Mittelpunkt für den Verkehr der Weißen unter einander feblt in Zaluit. Nur einmal im Jahre, zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät deS Kaisers, findet eine Zusammenkunft aller in Ialutt ansässigen Weißen ohne Unterschieb der Stellung und Nationalität statt. Die Preise der Lebensmittel sind sehr hoch, die Arbeitslöhne sehr theuer. Die Gesammtcopraproduction betrug 4 730 259 engl. Pfv. Zahlen über den Werth deS Handels theilt die Denkschrift nicht mit. Deutsches Reich. 32. Berlin, 23. Januar. Herr Stöcker spricht in der „Deutschen Evang. Kirchenztg." über daS „Volk".. Ob eS sich dabei um die von dem konservativen Parteiausschuß ge forderte Erklärung handelt, ist nicht klar. Um so sicherer darf angenommen werden, daß die konservative Partei sich an dieser Auseinandersetzung nicht genügen lassen kann. Nachdem Herr Stöcker sowohl vom christlich-iocialen, als vom confer vativen Standpunkt in vielen Sachen wenig Tadel des „Volk" in sehr viel Anerkennung gewickelt, schließt er: „Nach beiden Richtungen, der konservativen, wie der jüngeren christlich-socialen, wird das „Volk" seine Frontstellung be richtigen müssen, wenn eS in der allgemeinen social konservativen Bewegung Nutzen schaffen und segensreich wirken soll. Daß dies bald geschieht, liegt ebenso in unserem wie im konservativen Interesse." Die con servative Parteileitung bat bekanntlich die Garantie für eine geänderte Haltung des „Volk" oder eine unzweideutige öffent tiche Lossprechung von dem Blatte verlangt, aber weder das Eine, noch das Andere wird hier geboten. Das „Volk" begleitet zwar die Auslassung Slöcker'S mit verhältnismäßig maß vollen Bemerkungen, aber eS deutet mit keiner Silbe an, daß es seine und seines Redakteurs abweisende Haltung gegen das „Ultimatum" der konservativen Partei aufzugeben gedenle. ^ Berlin, 23. Januar. Bekanntlich wurde dieser Tage von polnischer Seite die vom Unterstaatssecretair vr. Fischer nur matt zurückgewiesene Forderung erhoben, es möge den deutschen P o st b e a m t c n in den Ostmarken der Beitritt zum Verein zur Förderung des DeutschthumS verboten wer den. Um die in dieser Forderung zu Tage getretene Ueberhebung der Polen voll bewerthen zu können, muß man sich vergegenwärtigen, daß der deutsche Verein in den Ostmarken kein politischer ist, daß dort polnische Frirrlletsir» Flüchtige Verbrecher. Bon Theod. Heim. Lange. Nachdruck verboten. In Folge der sensationellen Fälle Hammerstein und Fried- mann hak sich die Presse in den letzten Wochen wiederbolt mit der Frage der Verfolgung flüchtiger Verbrecher im Aus lande, mit den verschiedenen Paragraphen der AuSlieferungS- verlräge der einzelnen Staaten und mit der Art und Weise, in welcher sich die flüchtigen Verbrecher im AuSlande zu ver bergen und unkenntlich zu machen suchen, beschäftigt. Es ist ja eine allbekannte und durch unzählige Vorkommnisse be stätigte Tbalsache, daß auck die klügsten Verbrecher schließlich immer eine große Dummheit begeben, wodurch ihr Versteck verrathen wird und sie in die Hände der Behörden fallen. Hammerstein bewegte sich in Alben i» deutschen Kreisen wochenlang so ungenirt — um nicht einen anderen Ausdruck zu wäblen —, daß jetzt, wo seine Flucht, seine Irrfahrten nnd sein Aufenthalt in der griechischen Hauptstadt bis in alle Einzelheiten klargelegt sind, eS geradezu unbegreiflich erscheint, daß man ihn in Alben nicht eher erkannt hat. Der flüchtige RechtSanwalt Friedmann befindet sich zwar augenblicklick noch außerhalb des Bereichs der Berliner Staats anwaltschaft, aber trotzdem er dem Anscheine nach so weit mit Geldmitteln versehen ist, daß er mindestens ein Jahr sorgenfrei leben kann, so dürfte seine Ergreifung jedenfalls »och weit lcickter als diejenige des Freiherr» von Hammer stein sein, obschon sich Friedmann als eine „mit allen Hunden gehetzte" Persönlichkeit bezeichnete. Im Allgemeinen stieben die Verbrecher fast sämmtlich nach bekannten Mustern und zwar gewöhnlich in Begleitung irgend einer „Dame". So ist Friedmann geflohen und Herr v. Hammerstein würde jedenfalls Flora Gaß mit nach Griechen land genommen haben, wenn er größere Baarmiltel besessen hätte. Vielleicht hat aber gerade der Umstand, daß Hammer stein ganz allein in Athen weilte, dazu beigetragen, daß man Len flüchtigen KrenzzeitungS-Redacteur zunächst nickt erkannte. Der vor etwa 12 Jahren viel genannte und viel gesuchte große Defraudant Zander wurde beispielsweise deswegen fo ichnell ermittelt und in Alexandrien verhaftet, weil er in Begleitung einer „Dame" reiste, deren genaues Signale ment die Behörden batten. Auch die Ergreifung deS CaffirerS Jäger vom Frankfurter Hause Rothschild glückte auS dem nämlichen Grunde so auffallend rasch. Und so ließen sich nock viele Tuyenoe ganz gleicher Fälle anführen. Haben die flüchtigen Verbrecher zu Hause einen Bart ge tragen, so lasten sie kiesen aus der Flucht — wie eS Hammer stein that — gewöhnlich abnehmen. Andere Verbrecher, die in ihrem alten Wirkungskreise und bis zum Antritt ihrer Flucht mit glatt rasirtem Gesichte gingen, lassen sich dann meist den Bart wachsen. Ebenso legi der Flüchtling, der zu Hause Augengläser getragen, dieselben im AuSlande fast immer ab, waS ja auch wieder der Fall Hammerstein beweist. Hat der flüchtige Verbrecher sich bis dahin weder einer Brille noch eines Pincenez bedient, so erscheint er nunmehr, um weniger kenntlich zu sein, nur noch mit bewaffnetem Auge. Der vor mehreren Jahren verstorbene berüchtigte Berliner Einbrecher „Böttcher Karl" blieb aus dem Grunde in Berlin so lange unenldeckt, trotzdem er am Tage sein Versteck verließ und durch die Straßen der Reichshauptstadt schleuderte, weil er abwechselnd grüne, schwarze, blaue Brillen und Kneifer trug, die ihn vollständig unkenntlich machten. Schließlich er kannte an seinem eigenthümlichen Gange auf der Straße den längst Gesuchten ein Berliner Criminalbeamter. Der Beamte war häufig dem ihm bekannten Verbrecher begegnet, ohne daß er in dem scheinbar augenleidenden Manne den berüchtigten „Böttcher Karl" vermutbet hätte. Den meisten Verbrechern ist eS jedenfalls unbekannt, daß Perrücken und falsche Bärte einen Menschen ganz außer ordentlich verändern und ihn häufig gar nicht erkennen lasten. Als im Jahre 1875 der Hauptcassirer der Berlin- Görlitzer Eisenbahn Pilz auS Berlin mit rund 200 000 ^ flüchtete, legte er sich einen falschen Bart an und setzte sich eine Perrücke auf. Jahrelang blieb Pilz vollständig unent- deckt» obschon er in Böhmen nahe der deutschen Grenze eine Brauerei gekauft batte, die unter seiner Leitung einen ganz bedeutenden Aufschwung nahm. Pilz trug auch in Böhmen die Perrücke weiter, nur den falschen Bart hatte er wieder abgelegt. Ebenso suchen fast alle flüchtigen Verbrecher im AuSlande mit Vorliebe diejenigen Kreise auf, in denen fast ausschließlich ibre Landsleute verkehren, und correspondirrn fortgesetzt mit Verwandten und Bekannten in der alten Heimath, wenn auch unter Deckadressen. Ließ sich doch auch Hammerstein noch Ende September Briefe und Zeitungen aus der alten Heimath, allerdings nicht unter seinem Namen, nach Corfu schicken und schrieb von dort wieder nach Deutschland und besonder- nach Berlin. Der flüchtige Leipziger Bankdirector Winkelmann, der nach Verübung bedeutender Unterschlagungen zunächst längere Zeit spurlos verschwunden war, schickte von BuenoS-AyreS unter falschem Namen regelmäßig Handels berichte über argentinische Verhältnisse an ein deutsches Blatt, und diese Correspondenzen führten, wenn auch invirect, seine Ermittelung und später seine Verhaftung herbei. Diejenigen Verbrecher, welche im AuSlande das Zusammen treffen mit Landsleuten nach Möglichkeit vermelden, alle Verbindungen mit der Heimath vollständig abbrechen und unter den Angehörigen einer fremden Nation sich irgend eine Stellung zu erringen wissen — natürlich unter falschen Namen — bleiben m den meisten Fällen unenldeckt. Aller dings batte ja auch Freiherr v. Hammerstein in Griechenland einen anderen Namen angenommen, aber die Anfangs buchstaben seine- Bor- und Familiennamen- (Wilhelm v. Hammrrstein — Wilhelm Herbert), wie dies die schuld beladenen Ausreißer gewöhnlich tbun, beibebalten. Ein raffi- nirter Verbrecher bület sich davor. Derselbe legt sich einen Namen bei, der mit seinem richtigen gar nichts gemein bat, und kauft sich neue Wäsche, die er mit den Anfangsbuchstaben seines neuen NamenS zeichnen läßt. Die geriebensten eng lischen uud amerikanischen Bankdiebe uud Einbrecher trennen sogar von ihren Kleidungsstücken stet- die mit der Firma des Schneiders versehenen Knöpfe ab und ersetzen dieselben durch andere, damit im Falle der Ergreifung der Dieb nickt durch den Schneider erkannt werden kann, wie dies schon oft geschehen ist. Üebrigens ist es sehr leicht, sich falsche Pässe zu verschaffen und darauf zu reisen. Hätte v. Hammrrstein einen solchen und außerdem noch größere Baarmittel gehabt, so wäre er ebenfalls seinen Verfolgern enlwischt. In fast allen Hafen- -lätzen werden falsche Pässe verkauft, besonders in holländi- chen, belgischen, englischen, italienischen, griechischen und amerikanischen Hafenstädten. Dann sind besonders in der Schweiz, in Ungarn und vor Allem im Orient, sowie in Amerika falsche LegitimationSpapiere sehr leicht zu bekommen, mit denen schon sehr häufig die erfahrensten Criminalbeamten getäuscht wurden. UebrigenS werden auch innerhalb deS deutschen Reiches gefälschte amtliche Papiere und Zeugnisse verkauft. Erst am 10. Januar d. I. verhaftete die Mün chener Polizei eine gewerbsmäßige Fälscherbande, welche amt liche Siegel, Zeugnisse und behördliche Dokumente hergestellt und verkauft hatte. Die großen internationalen Gauner und Verbrecher holen sich ihre Legitimation-papiere meist auS dem Orient und Amerika. In der Türkei erkält Jever, der mehrere Hundert Franken bezahlen kann, nicht nur einen Orden, son dern auch einen Paß und eine Geburtsurkunde, die er sich auf einen beliebigen Namen ausstellen lassen kann. Zn der Türkei dürfen vollständig legitimationslose Personen nicht leben, und wer den betreffenden türkischen Paßbeamten noch einige Trink gelder zukommen läßt, empfängt äußerst schnell die gewünschten Naturalisationsurkunden. Ich habe in Konstantinopel verschie dene Personen kennen gelernt, die in Berlin, Wien, Paris oder in anderen europäischen Städten geboren waren, aus deren Legiti mation-papieren aber ein echt türkischer Name zu lesen war, der mit dem ursprünglichen echten nicht da« Geringste gemein halte und wodurch sich der ehemalige Preuße, Oesterreicher oder Franzose in der ganzen Well als türkischer Staatsangehöriger auSgeben konnte. Hatte dann der geriebene Schwindler außerhalb deS türkischen Reiches sich irgend etwas zu Schulden kommen lassen, so floh er schnell nack der Türkei zurück, wo ihn die Behörden, falls er nicht mittellos war und in der Türkei kein Verbrechen beging, weder auslieferten noch verhafteten. In der Türkei wie im Orient kann übrigen« ein verfolgter europäischer Verbrecher, fall« er über bedeutende Geldmittel verfügt, die Gesetzesparagraphen genau kennt und den Beamten einen Theil seiner Beute zukommen läßt, noch immer seinen europäischen Verfolgern ein Schnipp chen schlagen. AlS ich Anfang der achtziger Iabre in Alexandrien in Egypten lebte^ wurde dort der berüchtigte internationale Hochstapler „Chevalier de Hofmann", von Haus auS bekanntlich ein armer Glasergeselle auS Karlsbad, auf Requisition deS österreichischen ConsulatS verkästet und in daS egvptische UntersuchuugSgefängniß in Alexandrien ge bracht. „Chevalier de Hofmann" batte in Alexandrien nock bedeutende Baarmiltel bei einem seiner Helfershelfer verborgen. Dieser letztere bestach die GefängniHbeamten, „Chevalier de Hofmann" konnte entspringen und wurde erst einige Jahre später auf europäischem Boden dingfest gemacht. Als Freiherr v. Hammerstein von den griechischen Behörden deS Landes verwiesen wurde, ließ man ihm die Wahl, auf einem der drei auS dem Pyräus an dem betreffenden Tage abgehenden Dampfer abzureisen. Das eine dieser Schiste ging nach Alexandrien, daS zweite nach Catania und daS dritte nack Brindisi. Ein gewiegter internationaler Verbrecher hätte sich, sofern er im Besitze ansehnlicher Baarmittel gewesen wäre, nach Alexandrien absckieben lassen. Denn von dort wäre eine Flucht nock möglich gewesen. Geniale Verbrecher, die bedeurenoe Baarmittel mit sich führen, finden immer noch in Central- und Südamerika am leichtesten einen Unterschlupf. Hochstapler, die nicht viel Mittel besitzen und noch obendrein bald auf diesen, bald auf jenen falschen Paß reisen wollen, verschaffen sich selche falsche AuSweispapiere auch sehr leicht in Ungarn. Don der Polizeibehörde in Genua wird gegen wärtiz der berüchtigte Mädchenhändler Lazar Schwarz auS Pest verfolgt, der unter 26 verschiedenen Namen reist und auf alle diese Namen Pässe besitzt, sie in Ungarn ausgestellt worden sind. Wiederholt ist eS übrigens vorgekommen, daß Personen, denen der Boden in der alten Heimath zu heiß geworden war, auf die guten Pässe anderer Leute inS Aus land flüchteten. Diese Gauner versprachen in Zeitungsankündigungcn glänzende Stellungen im AuSlande und ließen sich von den Bewerbern deren ordnungsmäßige Pässe schicken. Mit diesen Pässen enlkamen dann die Gauner inS Ausland. In Amerika kann man in jeder Stadt für 25 Cents eine NaturalisationS urkunde bekommen, auf Grund deren man mehrere Jahre später sogar das Bürgerrecht erhält. Die Urkunde wird auf jeden Namen, den man nennt, ausgestellt, und Legitimations papiere braucht man dabei nicht vorzuzeiaen. Im Allgemeinen aber ist eS für die flüchtigen Verbrecher außerordentlich schwierig, ans die Dauer unerkannt und un entdeckt zu bleiben. Wer dabei nicht über Geld, Scharfsinn, eine große Verstellungsgabe, Sprachkenntnifse und zahlreiche andere Eigenschaften verfügt und noch obendrein die nötbigc Dosis Glück hat, wird schließlich doch ergriffen, denn von den flüchtigen Verbrechern fallen nahezu 80 Proc. den Behörden m die Hände.
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