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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.05.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930513024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893051302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893051302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-05
- Tag1893-05-13
- Monat1893-05
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Die Sache, die ich erwähnen möchte, ist doch aber von solcher Wichtig kcit, daß ich sie nicht verschieben kann, bis ich vielleicht die Ehre habe, Sie hier zu sehen, und duldet auch keinen Aufschub. — Einen Entschluß zu fassen, ob überhaupt und wie sie zu behandeln, will ich aber nicht fassen, ohne Euer Excellenz davon in Kenntniß gesetzt zu haben und mir Ihren Rath erbeten zu haben. — Kammerherr von Witzleben, Kloster Propst zu Roßleben, bat mich gestern, eS zu über nehmen, dahin zu wirken, daß bei der Ent hüllung des Monumentes des Kaisers, meines Herrn Onkels, in Görlitz — dem, wenn ich recht verstanden im Getreide der Gratulation bei mir, die Standbilder Bismarcks und Moltke's zur Seite gestellt worden, — der Fürst Bismarck eingeladen werden könne. Es sei der Versuch gemacht, die Erlaubniß zu erlangen, den Fürsten zu laden, dieselbe abgelehnt worden, jedoch in einer Weise, daß der Zweifel blieb, ob dies von Sr. Majestät gewollt, oder nur von anderer Seite ausgehe. Witzlebcn meinte, eine publike Aussöhnung Sr. Majestät mit dem Fürsten würde, nach Auflösung des Reichstages u. s. w-, von eminentem wohlthätigen Einfluß auf unsere inneren Verhältnisse sein müssen. Ich erwiderte, daß ich im Moment und vfsiciell ein „Nein" seinem Er suchen entgegen setzen müsse, daß ich mir aber die Sache nochmals überlegen wolle. — Selbst nun von der Be dcutung eines solchen Schrittes — Begegnung von Kaiser und Fürst — durchdrungen, möchte ich doch den Gedanken nicht fallen lassen, ohne ihn Euer Excellcnz vertraulich mitgctheilt zu haben. Im Herzen kann ich es nicht von der Hand weisen, was ich officicll zunächst thun zu müssen glaubte, um keine unnützen Hoffnungen zu er wecken. — So theile ich diesen Gedanken von Witzleben Euer Excellenz mit für den Fall, Sie irgend Gebrauch von mir für dessen Ausführung glauben machen zu können, — oder auch ohne mich, der ich verbleibe Euer Excellenz aufrichtig dankbarer Albrecht, Pr. v. Pr. DaS socialdemokratische Hauptorgan, da» schon wiederholt auf unerklärte Weise in den Besitz vertraulicher schriftlicher Kundgebungen von hoher Hand gekommen ist, fügt diesem angeblichen Briese des Regenten von Braun schweig, der chon öfter als Begünstiger einer Wiederannäherung des Kaisers an den Fürsten Bismarck genannt worden ist, fol gende Bemerkung hinzu: „Durch «in merkwürdiges Zusammentreffen ist der Brief an dem nämlichen Tage geschrieben, an welchem der Großneffe des Prinzen von Preußen, der deutsche Kaiser Wilhelm der Zweit«, bei einer Revue aus dem Tempelhoser Felde aussprach: ,Zch mußte den Reichstag auflösen und hoffe von einem neuen Reichstag die Zustimmung zur Militairvorlage. Sollte aber auch diese Hoff nung täuschen, so bin ich gewillt, Alles, was ich vermag, an die Erreichung derselben zu setzen." Der „Vorwärts", der aus diesem Zusammentreffen schließt, die Tage deS Grafen Caprivi seien gezählt und Fürst BiS- marck sei zur Inscenirung eines Staatsstreiche« auSerseben, rust seinen Lesern warnend zu: „Wähler, seid aus der Hut und beseitigt am 15. Juni durch ein Millionen votum die letzte Möglichkeit der Rückkehr Bis marck'S!" Diese Mahnung könnte zu der Vcrmuthung führen, der Brief sei unecht und nur zu dem Zwecke erfunden. dem „Vorwärts" ein neue» Agitationsmittel in die Hand zu geben. Diese Vermuthung büßt aber wesentlich an Wahrscheinlichkeit durch die Erwägung rin, daß ein Fälscher schwerlich sich bemüht haben würde, seinem Falsificate den Stempel deS Flüchtigen auszudrücken, den der mitgetheilte Brief in augenfälliger Weise trägt. Dieser Stempel spricht für die Echtheit de» Brieses und erweckt zugleich die Hoffnung, daß wirklich abermals ein Versuch werde unternommen werden, die unheil volle Schranke zu beseitigen, die zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Bismarck sich gebildet hat. Daß mehr als eine Beseitigung dieser Schranke möglich sein werde, daran denkt gewiß Prinz Albrecht von Preußen am aller wenigsten. Aber mehr wünscht auch Fürst Bismarck selbst und wünschen seine größten Verehrer nicht. Ihnen genügt die Beseitigung jener Schranke, mit der zugleich ein tief beklagenSwerther Zwiespalt aus den Herzen von Millionen Deutschen verschwinden würde. Wir klammern unS an dieses „Strohhälmcken" von Hoffnung und wissen, daß wir im Namen von Millionen sprechen, wenn wir sowohl an oen Prinzen Albrecht, wir au de« Unbekannten, an den der mitgetheilte Brief gerichtet ist, die dringende Bitte richten, den VermittelungSversuch zu unternehmen, der dem Prinzen so sehr am Herzen liegt. Gelänge dieser Versuch, so würbe der Vermittler ein unsterbliches Verdienst sich erringen. Und welchen Dankes der Kaiser sicher sein dürfte, daS sagen die folgenden Schlußstrophen eines Gedichtes, das zufällig gerade heute an der Spitze der „Rhcin.-Westfäl. Ztg." sich findet: O Wilhelm'» Enkel, Friedrich'» Sohn, Bezwing' deS Grolles Stärke, Dir winkt des schönsten Lorbeer- Lohn, Die Krone Deiner Werke. Dem ärmsten Mann im deutschen Land Bist Du ein Freund und Vater — Gieb, Kaiser! die Versöhnung-Hand Dem alten ReichSberather. Ein Jubel sturm erdröhnt« daun, Er hätt' nicht seinesgleichen, Und jeder echte deutsche Mann Thät' Dir sein Herze reichen I Politische Tagesschau. * Leipzig. 13. Mai. Mehrfach wird gemeldet, daß der jetzt z« wählen»« Reichs tag bereit« am 26. Juni zusammentreten werde, und zwar um dem Handelsvertrag mit Serbien noch vor dem l. Juli die erforderliche Genehmigung zu «rtheilen. DaS ist möglich, doch ist, wie uns versichert wird, an maßgebender S>.°, °« I--»m d,° d-« noch nicht in Erwägung gezogen w°rdcn d>e F H w ^ BundcSrath frühesten- um d.e M "- nächsten iKona MMWDW Uck -rsck-inc.. Wird, so können doch vierzehn Tage vergehen he es zur zweiten und dritten Berathung . In der Zwischenzeit würden eben em.gc le.chtcre Entwur,e, die vorauüsickltich keinen Anstand verursachen, die Hand^ VerträgemitSerbienundEolumbic»,zu Erledigungkommen D e verbündeten Regierungen sind.wi- w-r ,chon emmat b-tont hal en ein Präcedenzfall vor. Die Erledigung von Fragen, welche gewissermaßen Lebensfragen der Nation sind und alle Krc.se deS Volkes auss Tiefste erregen, kann gar nicht genug de schleunigt werden, und von diesem Standpunkte auS Ware cö vielleicht sogar angczeigt gewesen, den Wahltag aus e»,en noch früheren Termin anzuberaumen, um die Zeit der Wahl- agitation möglichst abzukürzen. AuS dem «entrumSlager verlautet noch wenig über die Stellung der Wähler zu der Spaltung "'der Partei und zu der künftigen Entscheidung über die MiUtairsrage, die Verlegenheit ist offenbar groß und man scheut stcu, durch entschiedene Erklärungen die Spaltung zu ver schärfen. Immerhin sind wenige bezeichnende Zuge bereits hervorgetreten. In Schlesien, von wo die thatkrasngue Unterstützung sür eine Berständigung von dieser ^eite kam haben die Compromißsreunde Gras Ballestrem, von Huene und vr. Porsch die Wiederbewerbung um ein Mandat abgelehot; trotzdem läßt die Haltung de« klerikalen Haupt- blatteS jener Provinz crkcnueu, daß die Stimmung der katholi schen Wähler in dieser Frage eine sehr getheilte ist. In anderen Gegenden deS Reichs wollen dagegen wieder CcntrumSmitglieder, die für das Compromiß gestimmt habe», autS Neue sich um ci» Mandat bewerben, und zwar anscheinend mit Aussicht ausErfolg. So in Württemberg und Baden. In letzterem Lande ist die Zustimmung de« Abgeordneten Decan Lender zu dem Antrag Huene ein für die dortigen Parteivcrhältnisse bedeut sames Ereigniß. Er ist unstreitig die fähigste Kraft in der badischen ultramontanen Partei und hat einen bedeutenden Einfluß, wenn er auch in neuerer Zeit von der demokratischen Richtung unter seinen Parteigenossen vielfach bekämpft wird. Den badischen CentrumSabgcordneten, welche gegen die Ver ständigung gestimmt haben, könnte dies Votum leicht übel bekommen. Sie besaßen bekanntlich, durch freisinnig- demokratische Unterstützung, eine Vertretung im Reichs tag, die weit über das wirkliche Vorhandensein ultra montaner Gesinnungen in dortiger Gegend hinausging. Ein halbes Dutzend altnationaler Wahlkreise ist bei den letzten Wahlen an sie verloren gegangen. Man wird dort, nahe an der französischen Grenze, hoffentlich ernst lich mit den Männern ins Gericht gehen, welche die militairische Sicherheit deS Vaterlandes um vermeintlicher Partciinteresscn willen so leichtfertig iu den Wind geschlagen haben. Auch am preußischen Rhein scheinen Regungen in der klerikalen Partei zu Tage zu treten, welche einen Widerspruch gegen die unpalriotischc Haltung der Mehrheit der Centrumspartei an kündigen. Allenthalben lassen sich in den gemäßigteren Kreisen der CentrumSwähler Zweifel erkennen^ ob cs »lit der Leitung de« „Mußpreußen" Lieber so weiter gehen kann. Und unter alledem gahrt bei den ultramontanen Wählern eine wüste Schlammfluth demagogischer, halb socialdemokra tischer Triebe. Die CentrumSpresse allerdings erkennt von diesen Dingen nichts; sie unterhält sich mit Vorliebe über die angeblichen „Verlegenheiten" anderer Parteien, namentlich der Nativnaltiberalen. In Betreff des in seiner Bedeutungslosigkeit von unS bereits gewürdigten Votums deS unqarischrn Oberhauses über das kirchcnpolitische Programm der ungarischen Negierung stellt sich mehr und mehr heraus, daß, wenn auch die Anbäuger des Cabinels bei der Abstimmung in der Minderheit blieben, dennoch die Opposition sich keineswegs vcrhcblt, daß ihr Triumph nur ein rein äußerlicher war und der moralische Sieg durchaus auf Seiten der Re gierung liegt. Um das Geschehene vollkommen zu würdigen, wird man nicht außer Acht lassen dürfen, daß die Regierung bisher keinerlei Schritte gclhan bat, um eine ihren Absichten günstige Partei im Oberhause zu organisircn. Wie wenig unter diesem GcsichtSpuncte regierungsseitig von irgend welcher Einflußnahme auf daS Oberbaus die Rebe sein kann, beweist Wohl am schlagendsten die Thalsacbc. daß bei der Abstimmung am lO. eine ganze Reibe von Mitgliedern fehlte, welche zu den verläßlichsten Stützen de« CabinctS zählen, so acht protestantische Slipcriiitcndcntcii, welche durchweg Anhänger deS kirchen- politischen Programms der Regierung sind, ferner zahlreiche stimmberechtigte Obcrgcspane. Alle diese Elemente fehlten, weil man der Abstimmung vom 10. von vorherein keinerlei größere Tragweite beimaß. Daher kann letztere khatsächlich auck leine größeren politischen Consequenzcn sür sich in An spruch nehme». Eine Wendung der Dinge wird nunmehr, »ackdcm die Regierung zur Organisirung der ihr günstig gesinnten Elemente des Oberhauses schreiten will, nicht mehr lange auf sich warten lassen, und selbstverständlich in einer für das RegieruligSprogramm förderlichen Gestaltung sich bcthLtigcn. DaS merkwürdige Gebabren de« Rarsetller secialiftischen ttemcindrratha bat seine Wirkung vollständig verfehlt, indem General DoddS bei seinem Einzuge in die Stadt einen Empfang gefunden hat, wie er ihn festlicher kaum hätte er warten können, wen» er anstatt der Amazonen deS exotischen König« Bedauziu sämm'liche deutsche Heere besiegt hätte. Die Straßen der Stadt Marseille prangten in reichem Fahnenschmücke, tausendstimmige Hochrufe aus DoddS und die Armee umbraustc» den Wicdcrhersteller der französischen Waffencbrc, die holde Weiblichkeit der zweiten Stadt Frank reichs streute dem Helden von Abvmey, dessen Mulatten- gesicht vcrmutblich als ganz besonders pikante Reizung wirkte, Blumen auf den Weg, die Vertreter der Civil- und Militairbcbördcn umschaarten ihn und selbst der socialistische Bürgermeister war so bingerissen, daß er sich aller Wider- baarigkcit begab und eine Ruhmrede auf den General und seine Soldaten hielt, auS der etwas wie Reue über die früheren Schmähungen gegen die „Mcnschenschlächtcr" herausklang. Wie wenig daS anfängliche Verhalten der socialistischen Stadt- vertretung den wahre» Gesinnungen der durch und durch chauvinistischen Marseiller Bevölkerung entsprochen batte, bekundete» auch zahllose farbige Papicrzetlcl, die in den Wage» deS Generals regneten und worauf die Worte standen: „Das Heer lebe hoch!" Diese Thatsachen sind zu charakte ristisch und stechen zu sehr von dem friedfertigen Bilde ab, daS unsere deutschen Socialdemokraten von der allgemeinen proletarischen Bruderliebe ihrer französischen Genossen zu entwerfe» pflegen, als daß sie mit Stillschweigen übergangen werden dürsten. Man darf auch nicht vergessen, dem General DoddS ist vom Volke ein Empfang bereitet worden, an dessen Zustandekommen die Anerkennung bereits erworbener, »>it der Hoffnung auf künftig »ock, zu erwerbende Verdienste gleichmäßig betheiliat erscheinen. Aus die Behauptung unserer grundsätzlichen OppvsitionS- macher, daß daS Schicksal der deutschen Militairvorlage gänzlich ohne Einfluß aus den Gang der internationalen Ent wicklung sein und bleiben werde, crthcilt der den Sieger von Feurllet-n. Lady Sibylle. Roman von C. Schroeder. Nacht ruck «ertöten. 171 (Fortsetzung.) Nachdem er ihr seine Verhältnisse klar dargcleat! Weiß Gott, daS Schicksal hatte artig mitgcwirkt, ihn sein Programm auSsührcn zu lassen! Aus den kleinen Knallessect, den sich er sür seinen Abgang rescrvirt gehabt, lies richtig Alles hinaus. Stoff zum Lachen gab'S, aber — auf wessen Kosten? Waldstedt schleuderte seine Eigarre weithin in die Büsche und setzte, die Hand zur Faust geballt, die Stirn ingrimmig gefurcht, seinen Weg fort. Nach einigen Schritten aber stutzte er. halb mechanisch wandte er de» Kopf, auf einmal war er, einem inneren Impuls gehorchend, tief in den Schatten der Bäume zurückgctreten. Er sah noch nichts, doch er fürchtete schon. In einiger Entfernung hinter ihm knirschte ein leichter Fuß über den Kies, an den Büschen kam es entlang gehuscht, hin und wieder streifte das Mondlicht einen wehenden Mantel, jetzt aber gab eS einen Pfad zu überschreiten, jetzt — sie war es! Waldstedt knirschte einen Fluch durch die zusammengebiflenen Zähne, die Nägel seiner geballten Rechten gruben sich tief in» Fleisch. Die Raserei der Eifersucht, die er eben noch oerwünscht hatte, packte, schüttelte ihn wieder. Die Möglichkeit, daß sie gleicbgiltigcn Dingen nackgehcn könne, kam ihm gar nicht in den Sinn. Sie ging natürlich zu einem Stelldichein mit dem Grafen. Waren sie einander vorhin auf dem Corridor nicht begegnet — hatte er eS von weitem nicht mit angesehen? Ge sprochen batten sie nicht, aber was bedurfte eS auch der Worte? Was ließ sich mit einem Blick, einem Händedruck nicht Alles verabreden? Ein Stelldichein hatte sie mit ihm verabredet — mit dem Vetter. Ha. ha! So harmlos sah sich die Sache an vom Standpuact de» Uneiugeweihten, Was war in Gesellschaft eines Vetters nicht Alle» erlaubt! Wahrhaftig, eS lohnte nicht der Mühe, sich eine» Vetter» wegen so ängstlich an den Büschen hinzudrückcn! Nichts Bequemeres als so ein Vetter! Ebenso gut wie man ihm beide Hände uni den Arm schmiegen, sich zärtlich an ihn drücken, mit den Lippen fast sein Ohr berühren konnte, ohne daß Jemand etwas Absonderliches daran fand, ebenso gut konnte man die ganze Nacht mit ihm promeniren, wo der Wald am dunkelsten war! Durch da« offene Parkthor war sie geschlüpft, er, den kochenden Ingrimm in der Brust, ihr nach. Der MooSteppich unter den Bäumen dämpfte seinen Schritt, der Schatten ver barg ihn. ES fiel ihm gar nicht ein, sich zu sagen, daß daS nächtliche Stelldichein, an das er mit der ganzen Macht seiner Eifersucht glaubte, ihn ja aller Verpflichtungen gegen Sibylle überhob, ihm in der Abschiedsstunde die Demütbigunq vor ihr ersparte. Er hatte nur den einen Gedanken: „Treffe ich den Schurken, so erwürge ich ihn!" Plötzlich — er wußte nicht, wie e« geschehen — war sie verschwunden, wie in die Erde gesunken vor ihm. Dann, ebenso plötzlich, waren in einiger Entfernung zwei Gestalten aufgetaucht. „Vereint!" schrie eS in ihm und nun wollte er obne Vernunft und Besinnung, nur dem wilden Triebe der Leidenschaft solgend, auf den Mann, den Gegenstand seines Hasses, zu, da wandte dieser den Kopf zur Seite. Einen Moment hob sich sein Profil mondbeleuchtet vom dunklen Hinter grund der Bäume und e» war — das AntinouS-Profil de- jungen Herzog«. Gleichzeitig lachte dessen Gefährtin und sagte mit einer gewissen Sirenenstimme: „Nein, eS hat wirklich noch keine Gefahr. An einer Cigarre läßt e» sich ja nicht genügen. Seien Sie doch nicht ängstlicher als ich." Damit bogen die Beiden in einen Seitenpsad und nun, wie durch ein Wunder, ward Sibylle wieder sichtbar. Mitten in den Mondschein trat sie, wie von starrem Erstaunen an den Boden gefesselt, blickte sie den Davoneilenden nach. Plötzlich zuckte sie zusammen. Hastig wandte sie sich in derselben Richtung, die sic vorhin innegehalten, allein sie ging nicht. Den seinen dunklen Kopf» an dem noch immer die lichten Blumensterne schimmerten, lauschend geneigt, stand sie. Es drangen Töne durch die Nacht. Waldstedt vernahm eS endlich auch. Wie das zornige Toben eines ManncS klar eS, dazwischen wir das Weinen und Jammern einer Frau. A> einmal gellte deutlich genug ein Hilferuf herüber. Waldstedt stürzte vorwärts, Sibylle aber war ihm berei weit vorauf. Wie ein Blatt vom Sturm gewebt, flog sie a: einen Lichtpunct in nicht mehr allzu großer Entfernung z Es mußte daS erleuchtete Fenster des Tkorwärtcrhäuscbci am Eingänge deS Parke« sein — Waldstedt wußte von kein anderen menschlichen Wohnung in dieser Riclitiiiig. Jetzt war Sibylle zur Stelle. In dem Rahmen der Thii die sie weit aufgeworfen hatte, zeichnete sich ihr schlank Schattenriß auf den bellen Hintergrund deS Raumes S sprach — Waldstedt vernahm die Worte nicht, nur den Ti b" Entrüstung, in dem sie hervorgestoßcn wurden. DaS Toben und Weinen drinnen verstummte einen Momc lang, dann schnitt ein brutale« Auslachen der Sprechenden t Rede ab. Zugleich geschah etwa«, da« sie mit einem Sch> vorwart« springen machte. So ward die Thür frei, u> Waldstedt, der setzt auf der Schwelle erschien, sah, was ve gmg. In einem Winkel kauerte schluchzend rin todtenblaffeS Wei . ^ »^TuDlopstger, blondbärtiger Mensch — noch iunci ui vielleicht, wenn die Trunkenheit ihr Siegel von ihm nah: auch nicht gerade abstoßend, schien im Begriff, sie an d Haaren zu packen. Nun aber widersetzte sich Sibylle S bot einen entzückenden Anblick, wie sie so dastand, mit d einen Hand die Bedrohte schützend, mit den Augen verächtl, ^^.^ordernd: ,DHue eS, wenn Du eS waast ES schien wirklich, als wollten diese stolzen Augen ei ernüchternde Wirkung auf den Menschen üben, er stand regung °"st'er«>d aber eS schien nur secundenlang j dann schoß ,hm die Wuth wieder zu Kopf. Einen gräßlich Uu^uSstoßend hob er die geballte Faust. Es war nic eine Schuld, daß sie nicht zermalmend in da« schöne Antl d'esr« h'klt 'hm Stand, ohne mit der Wimper zucken. War e« Kühnheit, oder war eS der Stolz, der fest dara d"".^"Zurechnungsfähigen werde im kritischen Mome ^ .»-wußtscin dämmern, wen er v ^ l-'n mochte, es war bewundernswert Waldstedt faßte nicht, wie de« Menschen Geist so dicht u. nachtet sein könne, daß er nicht sah, nicht Gnade winselnd vor ihr i» die Knie stürzte. Mit einem Sprung batte er sicb auf ihn geworfen. „Bestie!" knirschte er, ihn mit eisernem Griff bei den Schultern packend und gegen die Wand schleudernd, daß er seiner ganzen Länge nach schmetternd hinsicl und bewußtlos liegen blieb. AW Waldstedt sicb umwandtc, stand Sibylle hinter ihm. „Todt?" fragte» ihre schreckersüllten Augen. „Nur bis aus Weiteres unschädlich gemacht", antwortete er mit einem verächtlichen Blick auf den aus dem Boden Liegenden. Ihre schmale Hand sanft durch seinen Arm ziehend, setzte er bi»;»: „Kommen Sie, Lady Sibylle, die« ist kein Ort für Sie." Wie im Traum ließ sie sich von ihm fortführen. Al- ihr Blick daS Weib im Winkel streifte, murmelte sie: „Arme Margareth!" und als daS unglückliche Geschöpf den Saum ihres Mantels schluchzend an seine Lippen preßte, wiederholte sic noch einmal: „Arme Margareth!" In die kühle Nachtluft tretend, schien sic sich einen Alp von der Seele athmen zu wollen, aber sie bracbte cs nur zu einem lang zitternden Seufzer. Gleich hinterher befiel eS sie wie ^cbüttelsrost. Sie hatte keine Macht über das Leben ihrer Glieder, daS unbändige Hämmern ihres Herzen», so recht auch nicht mehr über ihre Gedanken, sie fühlte nur noch die zwingende Nothwendigkeit, Waldstedt eine Erklärung zu geben. „Es ist der — der fürchterliche Geruch!" stieß sie unter Zähneklappern hervor. „Der Branntweindunst, der den Schurken umgab", nickte er. „Sie batte» sich überhaupt zu viel zugemulhet, Lady Sibylle, Sie —" Er brach erschrocken ab. Ihre Knie wankten, sie taumelte, ließ ihm kaum Zeit, sie in seinen Armen aufzusangen. Ihr Haupt sank ihm bereits bewußtlos auf die Schulten Was nun ? Zurück mit ihr in das Häuschen, in die abscheuliche Luft, die widerwärtige Umgebung? — Unmöglich! Vorwärts in das Schloß? — Der Muthmaßungen und fatalen Schlüffe war daun kein Ende! Ein Baumstumpf siel ihm ein, gegen den er im eiligen
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