Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.05.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-05-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930519027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893051902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893051902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-05
- Tag1893-05-19
- Monat1893-05
- Jahr1893
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Be-xgs^preis tl h« Hanptexpedittoa oder den im Dt-dt« t«»irt Mld den Vororten errichteten AuS- oabestelleu abgrholt: vierteljährlich.«14.50, tzei zweimaliger täglicher Zustellung inj Hau« ^tl üchO. Durch die Post bezogen sür Deutschlaud und Oesterreich: viertel,ährlich S.—. Direkte tägliche Lreuzbaiidienvuog tu- Ausland: monatlich 7.50. Dir Morgen-Au^gab« erscheint täglich '/,7Uhr, die Lbeud-Auägabe Wocheutugs b Üchr. Le-artio« u»d Erveditioa: AotzmtneSgafie 8. /Malen: Ott« Sle»n,'s Lortim. «Als,«» Hahn), UniversitütSstraße I, Laut» Lösche. Nacharinenstr. 14, pari, und König-Platz 7. Abend-Ausgabe. UriMM.TiWlilall Anzeiger. Drgan für Politik. Localgeschichtc, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzeigen «Preis die 6 gespaltene Petitzelle SO Pfg. Reel amen unter dem Redaction-strich (4 g«» spalten) 50-^, vor den Aamilieuuachrichte» ,6 gespalten) 40 »j. Mrotzere Schriften laut unjerem Preis« Verzeichnis. TabeNarischer und Zisstrasatz noch höherem Tarif. Srtra-Beilage» (gesalzt!, nur mit der Morgen - Ausgabe. ohne Postbesorderung 60.—. mit Postbesorderung 70.-»-. Ännatfweschluß für ^azeigea: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh ',,0 Uhr. Bei den Filialen und Annadmestellea i« «in« Halde Stunde früher. Nlijeigr» sind siet» an di« EzDetzitt«« zu richte». Druck und Verlag von E. Pol» t» Leipzig. ^253. Freitag den 19. Mai 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig. iS. Mai. Ueber den Wortlaut der Rede, die der Kaiser unlängst aus dem Tempel hoser Felde gehalten, sind bekanntlich Gerüchte in Umlauf gesetzt worden, die deutlich den Zweck verriethen, Mißstimmung in der deutschen Wählerschaft und Spaltungen in den Reihen der Freunde der Mililairvorlage bervorzurufen. Um den Trinkspruch, den der Kaiser gestern bei dem Festmahle nach der Enthüllung deS Denkmal- sür Kaiser Wilhelm I. in Görlitz gehalten, vor einer gleichen Entstellung und tendenziösen Ausnützung zu schützen, ist der .Reichs-Anzeiger" in den Stand versetzt, den Wortlaut dieses TrinksprucheS mitzuthcilcn. Er lautet: .Eine erhebende Feier hat soeben ihren würdigen Abschluß gesunden. Zn schöner Bollcndung steht daS ragende Bildniß Kaiser Wilhelm'S I. vor uns. Die An regung, welche dieses Denkmal, sowie so manche andere, die bereits stehen oder in der Vollendung be griffen sind, inS Leben rief, ist daS Gefühl der Dank barkeit gegen den hohen Dahingegangenen. Der Lausitz gilt Mein Dank sür die herrliche Weise, in welcher sie ihrem Gefühle der Treue und Anhänglichkeit zu Meinem Großvater und Meinem Hause Ausdruck ver liehen. Herzlichen Dank auch für Ihre warmen Worte, Mein lieber Gras Fürstcnstcin. Sie haben gesprochen im Namen der Lausitzer, Ihre Worte werden Widerhall finden in den Herzen aller Meiner Unterlhanen. Dann auch innigsten Dank dieser Stadt sür den schönen Empfang, den sie Mir bereitet. Zn eine ernste Zeit ist unser Fest gefallen. Daher sei daS Denkmal eine Mahnung an uns Alle. Doppelt ernst sei sie, wenn wir uns im Geiste erinnern, wie einst der Hohe Herr in dieser Stadl in eigener Person zu Zhnen gesprochen hat. Festzuhalten gilt cS, was Kaiser Wilhelm einst geschaffen und gewollt, sicher zu stellen gilt es die Zukunft unseres gesammte» deut schen Vaterlandes. Dazu bedarf unsere Wehrkraft einer erheblichen Verstärkung. Dir Nation habe Zch ausgefordert, uns dazu die Mittel zu bewilligen. Hinter dieser Frage stehen alle anderen Fragen und Rücksichten für den Augen blick zurück. Zur Lösung dieser die Lebens existenz Deutschlands bedingenden Frage bedarf cS der vollkommenen Einheit. Was uns Deutsche privatim auch trennen und auf verschiedene Bahnen lenken möge, das sei sür jetzt bei Seite gesetzt, bis die Aufgabe vollbracht ist. Wie die Lausitz und die anderen Theile der Monarchie treu zur Dynastie und Krone stehen, so mögen die deutschen Stämme in Erinnerung an die große Zeit vor 22 Zähren, fest um ihre Fürsten geschaart, durch daS Band gemeinsam vergossenen Blutes znsammen- gekittet, dem Baterlande seine Freiheit und seine Zukunft erhalten. Zch trinke auf das Wohl der Lausitz und der Stadt Görlitz, Sie leben hoch!" Zn dieser an die ganze deutsche Nation gerichteten Mahnung ist nicht der leiseste Anklang an jene angebliche Drohung enthalten, die man der Tempelhofcr Rede angcdichtet hatte, Wohl aber enthält diese Rede — und darin liegt ibre hauptsächliche Bedeutung — eine ernste und strenge Mißbilligung jener Bestrebungen, die bei den bevor stehenden Neuwahlen parteipolitische Rücksichten in den Vordergrund stellen und dadurch eine Einigung aller jener Elemente unmöglich macken, deren Zersplitterung den Sieg der Gegner einer ausreichenden Verstärkung unserer Wehr kraft hcrbeifübren muß. Die neue kaiserliche Kund gebung steht daher genau auf demselben Boden, wie die kürzlicli wiederholt von uns citirtc kaiserliche Kundgebung im „Reichs-Anzeiger" vom 1. Oktober >880. Sie deckt sicb vollständig mit unseren wiederholten Ausführungen darüber, baß alles, was die staatSerbaltenden Parteien auch trennen möge, sür jetzt bei Seite geschoben werden müsse, bis die gemein same Aufgabe der Sicherung unserer nationalen Existenz, der Freibeil und Zukunft deS Vaterlandes vollbracbt sein wird. Möge diese kaiserliche Mabnung, die zweifellos in vollster Uebcrcinstimmuilg Kaiser Wilhelms II. mit allen seinen hohen Verbündeten ergangen ist, überall Gehör und Bebcrzizung sinken und möge keine Partei und keine wie immer geartete Gruppe sich darüber täuschen, daß il, re Sonderwünsche, wie berechtig» sie an sich auch sein mögen, bei den verbündeten Regierungen nur dann Be rücksichtigung finden können, wenn die Vertreter dieser Wünsche den Beweis sühren, daß sie da- Vaterland und seine großen LebenSinteresscn über Alle« stellen. Alle Parteien und Gruppen im Reiche haben jetzt zu erweisen, was sie dem Bater- landc Werth sind; diejenigen unter ihnen, dicjetzt nicht bereit sind, mit Opfern an Sonderwünschen festzubalten und sicher zu stellen, was Kaiser Wilbelmk. einst geschaffen und gewollt, verwirken jeden Anspruch daraus, daß daS Vaterland auch »hren Wünschen Rechnung trage. DaS unbestreitbare Verdienst zur Vergiftung deS Wahl kampfes daS Meiste beizutragen, erwirbt sich die „Freisinnige B«lkspartri". Selbst die Socialdemokratic vermag sich keiner schamloseren Verletzung dcS nationalen Gefühls zu berühmen, als der Berliner Localdeiuagoge Munckel verübte, indem er in seiner Eandidatcnrrde aussorderte, am 1.8. Zuni, dem Sterbetag Kaiser Friedrich'«, durch die Wahl von Gegnern der deutschen Heeresvcr- stärkung eine deS unvergeßlichen Helden würdige Tvdtenfeirr zu begeben. Herr Richter unterdrückt in der .Feis. Ztg," diese Acußerung, selbstver ständlich nicht aus Taktgefühl, sondern weil er klug genug ist, ciu- zuschen, daß die Erinnerung an den Sieger von Weißenburg und Wörth seiner Sache nicht zu dienen vermag. Kaiser Friedrich erfocht im französischen Feldziig seine ersten, mili- tairisch und moralisch so bedeutungsvollen Siege, weil ihm seine numerische Uebcrlcgcnbcit gestattete, den Feind in überaus günstigen Stellungen anzugreisen. Und am 15. Zuni wird es sich darum Handel», die numerische Uebcr- legenheit, welche heute aus Seite Frankreichs ist, auszugleichen, um cS in einem künftigen Krieg außer Stand zu setzen, das Beispiel Kaiser Friedrich'- zu befolgen. Da muß es dem Führer der .Volkspartei" freilich wenig geschickt erscheinen, die Erinnerung an den Beschützer der Pfalz heraufzubeschwören. Herr Richter hat übcrbanpt kein Glück mit seinen Paladinen. Die europäische Blamage, welche der diplomatische Bönbasc Baumbach (vgl. * Berlin, Red.) sich und der neuen Partei zugezoge» hat, ist eine schlimme Beschccrung. Jetzt fehlt nur noch, daß Herr Albrecht Traeger ein Lobgedicht auf die .freisinnige Bolköpartei" macht. Die Prager Landtags-Vorgänge enthalten die ernste Mahnung an die österreichische Regierung, daß cs hoch a» der Zeit ist, der czechische» Bewegung gegenüber mit der Politik deS halben Gewähren« und halben BcrsagenS zu brechen. Es ist nothwcndig, daß die Regierung zwischen ihrem eigenen Programm und den Gegnern desselben ent scheidet. DaS Programm der Regierung, sowohl das all gemeine als dasjenige, welche- sich auf den böhmischen Aus gleich bezieht, ist mit der auf dem böbmisckcn Landtage nicht bloS von den Zungczcchcn, sondern auch von dem Groß grundbesitze und de» Allczechen befolgten Politik unvereinbar. Wenn die Regierung trotzdem ibre Hauptstütze in der Partei sucht, welche da« Regierung« Programm bekämpft, kann muß der Glaube an den Ernst dieses Programm« schwinde», und alle Bestrebungen »lüssen sich erinutbigt fiiblc». die eS bekämpfen. Zn Böhmen sind diese Bestrebungen bart an der Grenze a» gelangt, an tcr nicht« mebr übrig bleibt, als der Gewalt die Gewalt eiitzegeiizusetze», und das ist wobl daS traurigste Er gebniß, welche« irgend eine Politik zu liefern vermag. Vor der Hand spricht sich die österreichische ossiciöse Presse aus« Schärfste über die Vorgänge im bökmischcn Landtag au« und sie bezeichnet die Führer der Zungezecken als „desperat". Sie Kälten durch die Anwendung gesetzwidriger Gewalt zwar einen Scheinerfolg erzielt, damit aber dem zccchischen Volk einen schlechten Dienst erwiesen. Tie Zeitungen rathen dem czechische» Volke, Vcrnuiist anzunehmen und ihre Führer zu verleugnen, da in keinem RcchtSstaatc die Regic- solchc« Vergeben ungestraft hingebcii lassen könne Da« .Prager Abendblatt", da« Organ de« StattkalterS, schreibt: „Den jäken Abschluß der LanktagSsession verschuldeten die jenigeu, welche die Fortsetzung der Verkantlungen durch ibr allen Grundsätze» der parlamentarischen Ordnung unk tc- AnstankcS witersprechcndcS Vorgehen und »och nicht kagewesene Ausschreitungen unmöglich machten. Diese Schult ist um so beklagenSwcrther, als der LaiitcSbaiiShallS ctat nickt scstgcstkUt ist und daher zahlreichen dringende» Bedürfnissen der Bevölkerung nicht Rechnung getragen werden konnte." Ferner wird beute aus Prag geiiiettct, daß die dortigen Morgenblättcr ein Manifest der deutschen LanvtagS- akgeordneten veröffentlichen, worin die stürmischen Sceucn im Landtag verurthcilt, das Festhalten am Ausgleich betont und die Deutschen zum festen Zusammenhalten »nd zur Einigkeit ermahnt werden. Gras Tbuu, der böhmische Statt halter, gedachte beute in Wien einzutresfe», und c« verlautet, die Regierung werde da« Trautenauer Krcivgerickt nuumchr unbedingt aus dem Verwaltungswege errichten. <)er ZnnSbrucker Streitfall ist seiner Beilegung nabe, wenn eS sich bestätigt, daß, wie bereit« gemeldet, der Erlaß de« dortigen EorpScommandoS, der seiner Entstehung zu Grunde liegt, lediglich auf der mißverständliche» Auslegung einer Verordnung de« KricgSministrrS Baron Bauer beruht. Diese Verordnung betraf, so wird versichert, lediglich die Fälle, in denen bei der Fabnc befindliche Studenten solchen studentischen Verbindungen angcbörlcn, deren Satzungen mit de» HccreSbestimmuiiacn unvereinbar sind. Dies galt beispielsweise für die Angehörigen von katholischen Studentcnvercincn, die den Zweikampf grund sätzlich ablcbnen, was wiederholt dazu führte, daß die betreffenden Rescrveofficicrc trotz tbätlichcr Beleidigung den Zweikampf verweigerten und daher vom militairischcn Ebrcn- ratb de« OsficiergradcS verlustig erklärt wurden. Diese Fälle nahm Baron Bauer zum Anlaß, die ihm untergeordneten Behörden aufzufordcrn, jene jungen Leute in ihrem eigenen Zntcrcsse zu warnen. Einzelne Behörden intcrprelirtc» dies dahin, daß sie Einjährig Freiwilligen und Rcservcofsicierc» übrrkaupt verboten, studentische» Verbindungen anzugehöre». und riesen damit einen Sturm hervor, dessen Krast sic wobl kaum vorauSsake». Mit der erwarteten autbentischcn Auf klärung deS Sachverhalts dürsten sich die Gemülber wobl bald beruhigen, wenn die Bewegung auch noch kurze Zeit ihre Wogen schlagen mag. Der seit einiger Zeit zwischen dem Vongoftaat und Frankreich bestehenden Eonflict spitzt sich immer mebr zu und namentlich auf Seiten Frankreichs ist die Gereiztheit im Steigen begriffen, seitdem scststcht, daß man in Brüssel zu kräftigem Widerstande entschlossen ist. Es handelt sich allerdings bei dem ganzen Streit um gewichtige internatio nale Fragen: um den Schlüssel zu Mittelasrika. Die fran zösische Regierung, ibre« Unrechte« sich bewußt, will von keiner Vermiltelung, von keinem SchietSrichtcrspruch etwas köre»; sie besteht daraus, daß der Eongoslaal weite Gebiete in de» Becken de« M'Bviiiu, llbangi llclle räumt und an Frankreich ablritt. Würde tcr Eongoslaal darauf eingehcn, so würde er nicht nur seine eigene» Interesse» und damit auch die Belgiens, da« den Eongoslaal als Eolouie übernehmen wirk, ans« Schwerste schädige», sondern auch Frankreich die Bad» zni» Nil eröffnen. Ob der Eongostaat sich bei seine», Widerstande gegen die französischen Eongoprojectc im gebeiineii Ei»verslä»di»sse u»t England befindet, ist nickt klar, da die eoiigostaatlichen Regiernngskreise sich in liefe« schweigen büllc». Die Art und Weise des französischen Vergebens zeigt aber, daß man in Pari« erbittert ist. Man streut snslcinalisch Verdächtigungen gegen den Eongoslaal auS; zuerst wurde der Eongoslaal beschuldigt, die Ermordung dcS tranzösischc» Lieutenant« Pouineyrae bcrbeigcsübrt zu haben, aber zu der von Frankreich gesortcrtcu Genuglbiiuna kam eS nickt, da sich ergab, daß Eiiigeborenc dcö sranzöslschcn Eongo den Lssieier verspeist balle»: tan» bieß es, der Eongostaat habe mit denHäupilingenvon BangossoVerträgeerschliche», aberauch diese Anschuldigung war binsällig: beute werden die belgischen Be amten der Odcrcoiigo-Gcscllschast, welche die französische Post auf dem Obereoiigo befördert, angeklagt, aus der Fahrt die von der sra»zösi)chc» Regierung an den Gouverneur dcS französische» (longo, Herrn von Brazza, gerichteten vertrau liche» Schriftstücke geöffnet zu bade». Zu Brüssel wird diese Anschuldigung als grundlos abgcwicsc», aber die Pariser Eolonialkreise Wetteifer» »:it der Regierung in Verdächtigungen gegen tc» Eongostaat. Auf diesem Wege wird Frankreich aber nicht zum Ziele gelange». Man wird auch in Deutsch - tank gut Ibun. tc» Fortgang und die Entwickelung dieses EonslicteS zu verfolgen, zumal Frankreich bekanntlich auch im Hinlerlaiide von Kamerun in ähnlicher Weise vorgchl. Die Hoffnungen der englischen Radikalen aus schleunige Bceuriguiig der Hoiuc-Rule-Bill sind vereitelt, da, wie schon gcincldcl, die Wcitcrbcralbung bi« zu», :<0. Mai ver tagt ist. Die Regierung gedachte, von ikrcn Anhängern gedrängt, Maßregel» zur Beschleunigung deck Tempo« der Verhandlungen zu ergreife», indessen die Verhältnisse erwiesen sich wieder einmal stärker als der Wille der Regierung, und so ist durch de» Beschluß de« llnterbauscS aus Vertagung bi« Ende de« Monate« ein »euer Strich durch die Berechnung der Home-Rule-Partei gemacht worden Es traten noch ankere Umstände hinzu, um Gladstone'S Hoffnungen zu trüben. Unter den Liberalen gicbt cS manchen reckt lauen Homeruler, und aiidercrscitS sind die Zrcn nicht gewillt, auch nur durch kleine Zugeständnisse die parlamentarische» Schwierigkeiten de« Premierministers zu verminter». Besonderen Wcrtb lege» sic auf die vollzählige Beibehaltung der irischen Abgeordneten im Reich-Parlament, »nd cs ist ihnen aiischeiiieiid bereits gelungen, Gladstone in dieser Hinsicht — vielleicht sehr zum Schaden der Homcrule- Sachc ini Allgemeine» — willfährig zu sliinmen. Znzwischen sind die oppositionellen Führer unermüdlich an der Arbcil, die öffentliche St»»in»ng zu Ungniisle» dcS liberalen Ministerium« zu beeinflussen, »iit großem Geschick und nicht ohne Erfolg. Die zur Abgrenzung de« PamirgebieteS nieder- gesetzte englisch-russische Eom»>>ssio» befindet sich derzeit aus dem Wege zu ihrem Bestimmungsorte. Am !>. Mai reisten die EonimissionSinitglicdcr von Konstantinopel ab, um über Kairo, Suez und Bomban weiter zu gehen. Von eng lischer Seile nehme» an der Eommissio» Gcnerallicutcnant Nligcnt »nddcr Flügcladjutaiit der Königin,Sir Zohn MacNeil, also zwei sich i» hervorragende» Raiigslclliingcn befindende Offi- eicrc, Theil, vo» russischer Seite der .sgaiiptman» 2.Elassc OSno- bischin von de» cubanische» Kosaken Dieser ausfällige militairische Ranguiilerschied der beiderseitigen Eoinmissare ist in Konstaiilinopcl. wo mau aufinerksaiiior als irgendwo Feuilleton. Lady Sibylle. Roman von C. Schroeder. Nachdruck verboten. 22j (Fortsetzung.) „Zch bezweifelte nicht, daß Sie mich zur Zeit liebten, ick bezweifelte nur, daß diese Liebe von Dauer sein werde. Zch meinte. Sie hätten allzuviel Freude an der Bewunderung der Welt, allzuviel Sorge, wie sich Zhr strahlendes Zch in den Blicken der Gleichgiltigen spiegele, und ich fürchtete, eS werde ein Tag kommen, an dem Sie entdecken würden, daß ein anderes Augenpaar Zhnen da« schöne Bild vortheilhastcr zurückwerfe, als da« meine." ,^O der Verdacht war schlecht, war schändlich!" stieß sic in bebenden Tönen hervor. „Es existirtc in alle Zukunft auf der Welt kein Mann mehr sür mich neben Zhnen!" „Davon blieben Sie mir leider bei unserem allernächsten Wiedersehen schon den Beweis schuldig", cntgegnete er trocken. „Großer Gott! WaS that ich denn so Fürchterliches?" „Gar nichts Fürchterliche« — Gott bewahre! Sie hoben Herrn von Northeim vor Aller Augen durch Zbre Liebens würdigkeit in den Himmel, verschwanden dann mit ihm in den Garten, ließen sich von ihm ans den Teich hinauSrudern und hier an einer Stelle, wo eS so dunkel war. daß höchstens noch da« Auge der Eiscrsucht etwas sehen konnte — ein biScken von ihm küssen — weiter nicht«! Ha, ha, ha!" Sie war sehr blaß geworden bei seinen letzten Worten. Wie geistesabwesend starrte sie nach ihm hin, der mit über der Brust gefalteten Armen in spöttischer Ueberlegenbeit da- sland. Plötzlich tbat sie einen tiefen Athemzug, cS war, al- erwache sie au« einem Traume. „Und daS haben Sie geglaubt?" stieß sie hervor. „Da- glaube ich mit Zhrer Erlaubniß noch" antwortete er ruhig. „Daß — baß er mich geküßt bat?" stammelte sie, die brennenden Blicke auf sein Antlitz heftend. Er neigte bejahend daS Haupt. „Es ist aber nicht wabr!" schrie sie auf. Er zuckte nur stumm die Achseln. „ES ist nickt wabr!" wicdcrbolte sie überlaut, als gelte es, durch den Schall sein Verständniß wachzurüttcln. „Zch höre", antwortete er. „Sie hören und Sie glauben mir nicht?!" „Bedauere unendlich, aber —" „Richard! Wenn ich vor Sie hintretc, wenn ich Zbncn so, Änge in Auge, sage, schwöre, daß cS nicht wahr ist, daß er mich nicht geküßt hat, dann — dann glauben Sie mir nicht?" Er schwieg. Zhre Augen lösten sich langsam von ikm und füllten sich mit Thränen. „So verachtet zu werden, wo man so geliebt worden ist!" sagte ihr verzweiflung-voller Blick und dann hatte sic sich ausschluchzend zum Gehen gewandt. „So geberdet sich keine Heuchlerin!" fuhr eS ihm durch den Sinn, und mit einem Schritt war er ihr wieder zur Seite. „Verzeihung!" bat er. „Zch that Zhnen Unrecht — ich scbe eS jetzt ein!" „Endlich!" murmelte sie. die Hand aus das Herz pressend. „Bon dem Puncte, wo ich stand", fuhr er fort, „schien cS, als ob Zhre Lippen sich berührten." „O eS war ein furchtbar trügerischer Schein", stöhnte sie, „aber erklären kann ich ihn mir nur zu gut. Er hatte sick plötzlich weit zu mir berübergebeugt, und ich sah eS kommen; er wollte mir eine Liebeserklärung machen Da rief ich in töbtlickem Erschrecken: „Zch fühle mich unwohl — rasch, rasch anS User!" — Als wir bann anlangten —" Sie brach mit einem schweren Seufzer ab. Er cntgegnete keine Silbe, nickte nur ein paar Mal vor sich bin. Nach einer Sekunde hob sie in schmerzlich bitterem Tone wieder an: „Meine Thorbeit hatte vielleicht Strafe verdient, aber sie ward bestraft wie ein Verbrechen. Der Himmel ist nicht immer gerecht!" Auch hierauf batte er nichts zu erwidern. Er befand sich in einer unangencbmeu GemüthSvcrsaffung, wußte nicht recht, WaS er fühlen sollte, ob Bedauern, weil er ihr Unrecht ge- than, oder Verdruß, weil sie ihm dieses Bedauern auszwang. Alles in Allem hätte er am liebsten keine Ursache gesehen, seine Meinung von ihr noch nachträglich zu verbessern. „Richard!" stieß sie plötzlich mit bebender Stimme hervor, „Sie sagten, Sic hätten mich vier Wochen lang gehaßt?" „Zch glaubte, Grund zu haben." „Dank", murmelte sie, „Dank sür diesen Haß! So lange Sie ihn festhicllen, hielten Sie doch noch die Erinnerung an mich. Wären Sie mir in jenen ersten vier Wochen aus der Landstraße begegnet, Sie wären nicht abnungSloS a» mir vorübergesprengt. Zhr Haß hätte Zbnen gesagt, daß ich da sei, und Sit hätten sich wenigstens zu einem ZorncSblick noch Zeit gelaffen. Damals lebte ich doch noch in Zhnen, jetzt —" „Mein Fräulein", fiel er ibr mit merklicher Unruhe inS Wort, „wollen wir das Vergangene »»niiiebr nickt begrabe» sein lassen?" „Za, ja", entgegnete sie mit einem schmerzlichen Zucken der Lippen. „Was nützt « auch schließlich, cS immer wieder an daS Tageslicht zu zerren, das arme alte Skelet und sich unter Seufzen und Stöhnen zu sagen: Da» sind nun die traurige» Reste von all' der Herrlichkeit!? Gönnen wir ihm also die Ruhe im Tode." ES war ihm, al» habe er sich nie in einer peinlicheren Lage befunden. Wenn sie noch immer an der fatalen Lcidcnschast laborirte, von der er damals so schnell genesen war, wie durste sie eS ihm so augenfällig mache»? .„Kein Stolz", dachte er bei sich, „keine Spur von Stolz in ihr!" Dann eilte er, ein Ende zu machen. „Nun denn, zum Abschied noch einmal meinen tiefgcsübltcn Dank sür Zhre menschenfreundliche Duzwischenkunst vorhin", sagte er, den Hut ziehend. „Menschenfreundlich?" wiederholte sie im bitteren Tone. „DaS ist ein hübsches Wort, cS paßt nur schlecht in diesem Fall. Zch saß vor Feigheit in mich selbst zusaiiimcngeschmicgt aus meiner Baumwurzel, wußte recht wohl, daß der Wahn sinnige (dafür hielt ich ihn) einen Mord im Sinne habe, wies aber alle Verantwortung weit von mir, hätte auch nicht den Finger gerührt, wenn ich nicht plötzlich die Gewißheit erlangt hätte, daß eS Zhnen anS Leben gehe." Seiue Wange färbte sich dunkler, in ihm kochte der Zorn und mebr aus dem Zorn, al« a»S der Dankbarkeit heraus rief er: „Um so größer ist meine Verpflichtung! Zch muß etwas >hun, Zb»c» diese Güte zu vergelten!" „Ack! wenn Sic mich nur nickt meiden wollen in Zukunst", flehte sic, „wenn Sic mir mein Freund sein wollen!" Das lneß ihn in der fatalsten Weise beim Wort nehmen, aber er konnte nichts Ihn», als die Hand ergreifen, die sie ihm ciitgcgcnsircckte, und mit einem Kuß darauf den Vertrag besiegeln. A»S dem Kuß — so matt er war — schien cS wie Feuer i» ibre Adern zu ströme». Heiß schlug cS ibr plötzlich in da« Gefickt »nd aus de» Augen „Dant", staiiiinclte sic, „Dank!" als er sich nun zum Gehen wandte. Er ging in der allerschlcchtcsten Laune, naiinte sic im Geiste ei» verflucht ausdringlicheS Frauenzimmer und meinte, sie scheine nickt übel Luit zu haben, da« wicrer anzukiiüpfcu, wo sic vor eine,n Zabre batte abbreche» müssen. „Tiirslc Zlmen schwer werden, mein Fräulein! Wir sind mit der alten Lockspeise nickt mebr zu ködern — haben davon schon cinmat Probe abgelegt!" Zudem er die« böbnisch durch die zusammcngcbissencn Zähne stieß, tauchte vor seiner Erinnerung die rothblonde nirciiäligigc Engländerin aus. in der er zeitweilig daS getreue Eoiücrsci Zrcuc vo» Hatzlebcn'S gcscbe» hatte, aber — merk würdig! — je länger er jene jetzt betrachtete, desto klarer ward iln». daß er dieser mit dem Vergleich Unrecht gctban hatte. Erste»- brachte die Deutsche in ibre LiebcSassaire, wenn auch nicht mehr Stolz, so dock wenigsten« etwa« mebr Her; hinein, zweitens war sie auch, was die äußere Erscheinung betraf, be- tcutciid schöner Die um sich von dieser Tbatsache zn überzeugen, drehte er bei dem letzten Gedanken unwillkürlich und »»vorsichtiger weise den Kops noch einmal in ibrer Richtung Er hatte ihn zwar im N» zurückgcwandt. aber daß ibr seine Bewegung nicht entgangen war, daß 'ie einen günstigen Schluß darau« gezogen, kalte er dock bemerkt Zbr Antlitz, daS ibm mit einem eiwas schwrrmiilbigcn Ausdruck ziigekcbit gewesen war, halle sich strahlend crbclli „Nun gebt sie hin »nd bildet sich ein, daß der alte Zauber
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite