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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.07.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930701022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893070102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893070102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-07
- Tag1893-07-01
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Trotz der krampfhaften Bemühungen des Führer- der freisinnigen Volkspartei, im neue» Reichstage eine Mehrheit gegen die nach dem Anträge Huene umgestaltcte Militair- vorlage herauszurechnen, gilt es bei allen anderen Parteien, selbst bei den Socialdemokraten, für ausgemachte Sache, daß der neue Reichstag nicht gleich bei der ersten Frage, vor die er gestellt wird, seine Auflösung heraufbeschwört. Je weniger aber gerade bei dieser Frage ein starkes Aufeinanderplatzcn der Geister innerhalb der beiden großen Parteigruppirungen zu erwarten ist, und je bestimmter erwartet werden kann, daß die erste Session nur der Erledigung der HccreS- vorlage gewidmet sein wird, mit um so größerer Spannung sieht man dem Zeitpuncte entgegen, wo der neue Reichstag, der eine seltene Anzahl neuer Männer enthält und eine Fülle neuer politischer, socialer und wirthschastlicher Strömungen und Richtungen in sich birgt, seinen wahren Charakter und seine praktische Brauchbarkeit ent hüllt. Es ist begreiflich, daß man in friedliebenden und gemäßigten Kreisen, abgesehen von der Lösung der ersten großen Aufgabe, dem weiteren Verlauf unserer Gesetzgebung und Politik nicht ohne Besorgnisse entgegensieht. Die parla mentarischen Verhältnisse für eine reactionaire ' Politik, wenngleich auch sie eine zuverlässige Stütze nicht hat, liegen offenbar doch noch günstiger als für eine liberale, wenn auch in gemäßigtester Richtung. Indessen in den meisten Gebieten des staatlichen Lebens sind wir an einem gewissen Rastpunct angelangt. In weitesten Kreisen herrscht ein unverkennbares Rubebedürfniß; die Zeit strömung ist nach so vielen einschneidenden Neuerungen der letzten Jahre dem Stillstand und Prüfen genest, und viele Wünsche werden bei den geringen Aussichten, damit unter den gegenwärtigen Berhältnisten durchzudringen, entsagungs voll zurückgestellt. Das Wichtigste, was in nächster Zeit durch die Gesetzgebung noch zu ordnen bleibt, ist die Kostendeckung für die Durchführung der Heeres reform. Es muß darüber, sei eS wie immer, zu einer Verständigung kommen, und Jeder, der für die Neuordnung unseres Heerwesens stimmt, hat die Pflicht, ernst lich und wohlmeinend dabei mitzuwirken. Bestätigt sich die Meldung, schon die Tbronrede werde eine klare Kundgebung darüber enthalten, daß die für die Deckung der Mehr aufwendungen in Aussicht genommenen finanzpolitischen Maß nahmen keine Belastung der ärmeren Bevölkerungs kreise mit sib bringen dürfen, so ist damit einer Verständi gung schon wirksam vorgearbeitet. Im klebrigen wird es für die Regierung, den Reichstag und nicht zum wenigsten für daS Volk und Vaterland unter den gegenwärtigen, auf alle Fälle höchst verworrenen und unersprießlichen Umständen daS Erwünschteste sein, das politische Leben möglichst in die ruhigen Bahnen der Erledigung der regelmäßigen Geschäfte und der kleineren gesetzgeberischen Arbeit zu leiten, welche die Gemütber nicht allzu sehr erregt. Aus diese Weise mag dem neuen Reichstag auch eine längere Lebensdauer beschieven sein, als jetzt vielfach angenommen wird, — vorausgesetzt natürlich, daß er nicht zu Experimenten dienen soll, die übrigens dem VcrsuchSlustigen noch übler bekommen dürsten, als dem Reichs tage selbst. Deutschfreisinnige und demokratische Blätter lassen sich mit großer Beflissenheit ungarische „Preßstimmen" über die deutschen Reichstagswahlen telegraphiren. Selbst verständlich nur abfällige und unter dielen wiederum die saftigsten Beschimpfungen des deutschen Volks. Wäre an- zuneymen, daß man cS hier mit dem Ausdruck ungarisch nationaler Empfindungen und Urtheile zu thun hätte, so verlohnte es sich der Mühe, sich mit den wcrthen Verbündeten jenseits der Leitha auseinanderzusetzen, sie zu fragen, ob das die Nationalität bis an die Grenze des Komischen pflegende Magyarenthum einNecht habe,von „nationalerHypertropbie" in Deutschland zu sprechen, und sich Unverschämtheiten wie die auf unser Volk angewandten Wendungen „unedle Volksseele" und „moralisch und politisch nicht achtunggebietende Nation", im angemessenen Tone zu verbitten. Man dürste dann wohl sagen: „Dich kleidcrS, wie ein Rasender zu toben." Allein die Annahme wäre eine falsche; die Ungarn haben an den Deutschland ins Gesicht geschleuderten Beleidigungen keinen Theil, es handelt sich hier um deutsche Importartikel, um Erzeugnisse der radical-internationalcn Journalistik auf deutschem Boden. Was man in Berlin, Frankfurt u. s. w. zu sagen nachgerade sich zu unterfangen verlernt hat, wird in der ausländischen Presse nicdergelegt. Wir werden demnächst auch in gewissen englischen Blättern die gleiche Sprache finden. Was man in den Pester Blättern liest, ist der Ausdruck einer bei uns zu Lande entstandenen maßlosen Wuth über die Zurückdrängung des Deutschfreisinns einerseits und die antisemitischen Erfolge andererseits. Die mit Haßausbrüchen gefüllten Blätter der ungarischen Haupt- stadt sind solche, die zu Beginn der Erörterung über die Militairvorlage die Opposition gegen dieselbe „nicht zu begreifen" vermochten. DaS war in Vertretung der ungarischen Interessen gesagt, denen mit einer Verstärkung der deutschen Heeresmacht gedient wird. Plan wird sich erinnern, daß selbst nationale deutsche Blätter sich gezwungen sahen, die Einmischung der ungarischen Presse zu Gunsten der Militairvorlage zurückzuweisen. Jetzt, da ein Reichstag gewählt worden ist, der die Wünsche unserer Verbündeten im Osten erfüllen wird, jetzt werden ungarische Federn dieses Ergebniß gewiß nicht als ein die deutsche Nation schändendes brandmarken. Soviel zur Aufklärung Derjenigen, die Grund zu haben glauben, sich über magyarische Feindseligkeit zu empören. Die belgische VerfassuugSrevision kommt nicht recht vorwärts oder nimmt wenigstens einen ziemlich eigenartigen Verlauf. Die Constituante, welche in ihren beiden Ab- tbeilungcn getrennt Heräth, erörtert weitläufig zahlreiche An träge, die ihr thcils aus ihrer eigenen Mitte, tbcils von der Regierung zugeben, classificirt mühsam die Systeme, unter zieht die Principien einer eingehenden Prüfung, delectirt sich, wie in den schönsten Tagen des doctrinärcn Parlamentaris mus, an der conslitutionellen Dialektik und Metaphysik, — und dann macht sie mit einem Male tabula rasa, verwirft die ganze Reihe mehr oder weniger geistreicher Vorschläge und befindet sich schließlich dem Nichts gegenüber. Da die Geschickte des allgemeinen Stimmrechtes beweist, daß das Volk seine Geduld nicht endlos auf die Probe stellen läßt, so geht man von Neuem ans Werk, improvisirt einen Compromiß, und d,c Sache ist ^er- der Fortschritte der Demokratie unentbehrlich geworden .st Solanae eine Nation noch unter dem aristokratischen Regiment steht, kann sie selbst im Mechanismuseln-r -'^S-n^r-mm- lung das notbwcnd,ge Gegengewicht findcw So beruhe oe Biirgerslande. dann der Gesammlheit des Volkes der 2'orrang im Unterhause eingeräumt war, eines unabhängigen Haus-S lang- nicht so sehr, als b-ut.g-n Tag-s. In B- g -n bandelt es sich darum, m der Zukunstspolitik "" aewickt ru schaffen zu der Allmacht, welche die du^) Ein Ehrung ^des Pluralvotums demokratisirte Kammer sich anzu eignen strebt. Die künstlichen Hilfsmittel, durch welche dem Senate ein conservativer Charakter gesichert werden sollte, in sonderheit die Altcrsbedingungen für Wahlberechtigung und Wählbarkeit, wurden ebensowohl abgelebnt w'-d-e sogei,aiinle Kweistufenwahl, die dock ,n den Vereinigten Staaten und .n Frankreich ziemlich befriedigende Resuttatc erzielt zu haben scheint. Auch das von dem radikalen sichrer Föron in ,ebr geistreicher Weise entwickelte System der Interessenvertretung oder vielmehr der Vertretung der socialen Kr aste wurde in der Form, die Feron ihm geg-ber, prov,sor,sch abgelebnt. Nichts desto weniger hat eS den Anschein, als ob d.e Con- stituante schließlich doch auf dieser Seite die Losung suchen werde, und alle Freunde einer geordneten Freiheit werden mit Interesse einen conslitutionellen Versuch verfolgen, der für den socialen Frieden und für den politischen Fortschritt die werthvollsten Früchte verheißt. Der vom Abgeordneten Anthonin Duboft der französi schen Abgeordnetenkammer vorgelegte Bericht übei das Generalbudget des Rechnungsjahres 1894 wird wiederum zu lebhaften Debatten führen. Denn daS betreffende Budget entspricht auch diesmal selbst bescheidenen Erwartungen nur in geringem Maße. Von Finanzrcsormcn, die so dringend nöthig wären, ist in dem ganzen Budget keine Rede, und so bat man sich damit begnügt, dem Budget wenigstens aus dem Papier das Aussehen des Gleichgewichts zu geben. Das Budzet von 1893 war durch daS Gesetz vom 28. April auf 3 357 197 432 Francs festgesetzt worden. Für das Rechnungsjahr 1894 schlug die Regierung 3 437 251 104 Francs vor. Nachdem in den Aus gaben einige Aenderungen vorgcnommen und einige künftige Einnahmen erhöht worden waren, hat die Budgetcommission das Budget folgendermaßen geregelt: Ausgaben 3 438 251969 Francs, Einnahmen 3 438 926 876 Francs; eS bleibt also ein lleberschuß von 674 907 Francs. Wenn nun noch dieser kläg liche Uebersckuß von 674907 Francs wirklich vorhanden wäre und wenn alle Ausgaben gewissenhaft dem Budget einverleibt worden wären, so hätte die Commission wenigstens ihre Zeit nicht verloren. Aber dies ist durchaus nicht der Fall. In dieser Riescnsumme von 3 438 251 969 Francs figurirt nicht die Summe von 50 807 000 Francs, der Betrag der Rück stände, die der Compagnie Paris-Lyon-Mediterrance geschuldet werden; außerdem figuriren darin nicht verschiedene andere Posten im Gcsanimtbetrage von 149 859 110 Francs. Eine Vermehrung der Stenern, die vollständige Unmöglichkeit, mit den gewohnten Einnahmequellen die gewohnten Ausgaben zu Verminderung der crinnahmequellen, das ist in großen Lime» die finanzielle Lage Frankreichs, wie sie die im Jahre 1889 gewählte Kammer geschaffen hat, und diese Lage ist in der Thal traurig genug. Gladstone hat nun glücklich im enßltschen Unterhaus« einen Willen durchgesetzt, die parlamentarische Rede freiheit zu Gunsten seiner Homr-Rule-Borlage aufzuhebe». Denn daS Unterhaus hat am 30. Juni nach Ablehnung ver schiedener Amendements die Resolution Gladstone, be treffend die Debatte über die Home-Rule-Bill, mit 299 gegen 267 Stimmen angenommen. Freilich eine recht geringe Mehrheit! In der vorangegangenen Sitzung vom 29. Juni, die sich bis zum Morgen des 30. auSdehnte, griff, wie bereit« telegraphisch gemeldet, Chamberlain lebhaft den Antrag der Regierung an, der ein weiteres Ergebniß der Diktatur der Nationalisten sei; daS Haus sei auf eine gefährliche schiefe Ebene gerathen, wenn eS einer Partei die Macht gebe, die Zeit abzumessen, nach welcher die Opponenten ihre Protest« cinzurichten hätten. Die Regierung benutze ihre kurze AmtS- dauer, um das Land zu verrathrn; wenn sie an das Land appellire, würde sie sich in der Minderheit befinden; er weissage den Sturz der Regierung. Chaplin beantragte Vertagung der Debatte; der Kanzler der Schatzkammer Harcourt bekämpfte diesen Antrag, welcher mit 308 gegen 279 Stimmen verworfen wurde. Sodann wurde das bereits gemeldete Amendement Russell'S, welches Gladstone's Resolution bekämpfte, mit 306 gegen 279 Stimmen abgelchnt. Nach der Abstimmung über daS Amendement wurde die Debatte noch stundenlang fortgesetzt. Baron F. de Rothschild beantragte sodann Vertagung der Debatte. Dieser Antrag wurde mit 283 gegen 257 Stimmen verworfen, ebenso wurde ein An trag Cranbourne'S auf Vertagung des Hauses mit 270 gegen 242 Stimmen verworfen. Hierauf beantragte Byrne ... . anzl - - kammer Harcourt willigte schließlich um 3 Uhr 50 Minuten Morgens ein, die Debatte bis zum Nachmittag de« 30. Juni zu vertagen, da die Opposition sich bereit erklärte, die Debatte bis 7 Uhr Abends zum Abschluß zu bringen. Hierauf wurde die Debatte vertagt und nach Wiederaufnahme derselben Gladstone's Resolution mit der erwähnten geringen Stimmen- Mehrheit angenommen. Dieser Resolution entsprechend, werden die Abstimmungen übersdicHomc-Rule-Vorlage fortan nicht mehr mittelst „Hammelsprungs", sondern einfach durch Ausstehe» und Sitzenbleiben sich vollziehen. Der Schluß der Debatte tritt immer ein, wenn unter Einwilligung des Sprechers 200 Mitglieder ihn verlangen; in Fällen, wo die Minderheit die Zahl von 40 Abgeordneten nicht erreicht, genügen schon 101 Mitglieder, um den Schluß derDebatte zu erzwingen. Die C on serva tiven sind natülich aufgebracht über die ganze Resolution. Die „Pall-Mall-Gazette" schreibt, Gladstone habe im Unter haus einen Staatsstreich vollzogen, welcher der letzte Nagel zum Sarge der Homerule sein würde. Auch die übrigen conservativcn Journale tadeln in sehr heftiger Weise den erzwungenen Schluß der irischen Debatte al» die gewaltsamste Maßregel seit der Zeit Karls I., die Gladstoneaner dagegen behaupten, die Maßregel sei nicht schlimmer als jene, welche die Conservativen für den Schluß im Jahre 1887 in Anwendung gebracht hätten. Tie Warnungen vor der Auswanderung Deutscher nach Brasilien gehen von Zeit zu Zeit durch alle deutschen Blätter und sind im Grunde um so begreiflicher und de- Feuilleton. Arber Klippen. 4s Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck »erboten, lFortsetzung.) „Die Geschichte hat noch einen zweiten Theil, Herr von Schmertizs!" begann der Stublrichter nach einer Pause wieder in einer kurzen, raschen Weise, als beeile er sich, mit dem Gegenstände fertig zu werden. „An die städtischen Felder stieß Grund und Boden der satwarisckcn Gutsherrsckast, aus dem sich gerade die stärksten Stablqucllen befanden, und auck dieses Gut kam in Ihren Besitz und für einen Preis, der verbältniß- mäßig noch geringer zu nennen ist, für den Spottpreis von 20 00N Gulden. Ist eS so, Herr von SckmertizS?" Dieser hob plötzlich das Haupt. „Sie sind ja sehr gut orientirt, Herr Stublrichter! Aber bitte, dieser Theil bat Keinen was zu kümmern! Graf Johann Satwar war ein notorischer Spieler und Schlemmer und hat seine vielen Güter noch auf eine andere Weise verschleudert; der Preis, den ich gezahlt habe, ist noch ein sehr anständiger zu nennen." „Wußte der Graf von dem Stablreichthum des Bodens?" „Ich weiß eS nickt, und meine Pflicht war es nicht, ibn danach zu fragen. Der Gras hatte Spielschulden und mußte daS Schloß verkaufen." „Aber auch hier haben Sie zuerst das Angebot gemacht, Herr von SchmertizS, und auch nur, weil Sie sich vorder von dem Vorhandensein der O.uellen überzeugt hatten. Sie machten Jkr Angebot, und — die Noth des Mannes kam Ihnen zu Statten, denn er hatte Spielschulden, wie Sie sagten . . . . Und wie ich gekört, lebt hier die Gräfin mit ihren Kindern in einer sehr dürftigen Lage." „Ein Mehr wäre bei Lebzeiten des Grafen der Familie doch nicht zu Statten gekommen, und wenn ich zehnmal mehr gegeben Hätte", meinte jetzt Schmertizs leichthin; „eS wäre wie alles Andere in die Spielsäle von Paris und London gewandert. Und was die Gräfin betrifft, so war ihre Verschwendungssucht etwa so groß, wie jene ihres Mannes. Wie zwei Wahnsinnige haben die Beiden gcwirtl,schäftet; Rothschild'« Vermögen hätte da nicht ausgereicht." „DaS sind Rechtsscheingründe, die Sie mit Ihrem eigenen Gewissen abmachen können , unterbrach ihn Perfall mit hartem Ausdruck. „Ich als Mensch und Richter habe andere Ansichten darüber, und danach werde ich auch bandeln." „Und was werden Sie thun?" fragte Herr von Schmertizs. Es sollte ruhig, gelassen klingen, und doch sprach eine leise innere Angst auS den Worten. „Was meine Pflicht ist; in beiden Fällen werde ich den Weg des öffentlichen Verfahrens einleitcn lassen, Herr von Schmertizs!" lieber das runde, blühende Gesicht dcS Gutsbesitzers ging eine tiefe Blässe. „Das werden Sie nicht thun, daS können und werden Sie nicht thun!" sagte er dann nach einem Schweigen wieder. „Ich will nichts beschönigen, Herr Stublrichter, nichts bemänteln, will zugeben, daß nicht geschehen durfte, was geschah. In meinem heißen Eifer ist es mir damals nickt bewußt geworden, vielleicht auch darum nicht, weil mich ein Mann darin unter stützte, der, wie Sie sagten — das Gesetz hätte schützen müssen. Aber glauben Sic denn, daß mir trotz Allem die Sache leicht geworden sei? Was waren die 50 000 Gulden, die ich geerbt, gegen das Unternehmen, das ich ins Leben rufen wollte! Dazu bedurfte es einer Million. Und wo die Mittel nicht auSreichen wollten, da arbeiteten Kops und Gedanken, daß ich oft glaubte, wahnsinnig werden zu müssen. Aber immer mehr hob ich mich über Wasser durch nimmermüde Geduld, anstrengenden, ja aufreibenden Fleiß, und als mir dann noch ein paar glückliche Börsenspeculationcn zu Hilfe kamen, batte ich festen Grund unter mir. Ja, wer ein fertiges Unternehmen sieht, merkt ihm die Mühen und Sorgen, die aufregenden, herzbeklemmenden Stunden nicht an, die es im Gefolge gehabt. Und babe ick denn für mich allein gearbeitet, meinen Vortheil später allein im Auge gehabt? Es sind der Stadt fast so viele Vortheile wie mir selber erwachsen, und ich habe die Schädigung reichlich ersetzt. Vergleichen Sie nur den Ort mit anderen Städten in der Gegend! Wir haben gute Schulen, ein Gymnasium, eine höhere Töchterschule nach deutschem Muster; eine Leihbibliothek, ein kleines Theater; durch den rasch ausgcblühten Badeort und die Eisenbahn, die auch mir zu verdanken ist, hat sich der Handel gehoben. Wir versorgen ja mit dem Holzreichthum dieser Gegenden das halbe Land! Gilt dieses Alles nichts? O, Herr Stublrichter, lassen Sie cS mit dieser Stunde genug sein! .... mit dieser Stunde, wo ich. der viel ältere Mann, vor Ihnen, dem jüngeren, auf diese Weise stehen muß!" Es lag etwas in der Haltung und Redeweise des Mannes, daS sür ihn sprach und dem sich nicht Jeder so leicht hätte entziehen können .... DaS Gesicht des jungen Beamten aber behielt den strengen, unerbittlichen Ausdruck und er versetzte kalt und unbeirrt: „Verwerfliche Mittel sollen niemals einer guten Sache dienen, geschweige denn sie beschönigen wollen. Und dann — das war ja ursprünglich Ihre Absicht gar nicht — zuerst waren Sie sich alleiniger Zweck. Das Andere hat sich dann so nebenbei gemacht, ohne Ihre Interessen irgendwie zu schädigen, im Gegentbeil, es war vielleicht ein Geschäft wie jedes andere. — Es hat Ihnen den Adel cingebracht, und Sie sind ein angesehener, vielbesprochener Mann dadurch ge worden. Dock in dieser Sacke genug, Herr von Schmertizs! Mick wird nichts in meiner Pflicht erschüttern, di- Angelegen heit kommt zum Austrag, das ist mein letztes Wort." Damit machte Persall eine leichte Handbcwegung, die einer Verab schiedung gleichkam, und wandte sich seiner Arbeit am Tische zu. Dock Herr von Schmertizs ging nicht; auf seinem Gesichte wechselten Röthe und Blässe, cS trug jetzt den höflich bittenden Ausdruck nicht mcbr. Seichte Flüsse geben oft bei Gewitter stürzen ebenso viel Wasser ab, wie tiefe, da ihr enges, niedriges Bett nicht viel fassen kann .... „Obo, Herr Stublrichter Persall", rief er mit hochmüthigem Ausdrucke, und seine Augen sprühten ordentlich Feuer. „Sie konnten noch so manche Worte in dieser Angelegenheit sprechen' Sie scheinen sich ja als allmächtigen Herrn hier ausspielcn zu wollen! Sic können sich sehr verrechnen; gegen mich erlaubt man sich nicht, was man sich gegen Andere erlaubt. Männer wie ich einer bin, verdrängt man nicht so leicht von der Bild- ' ^en Sie Acht, daß Sie sich nickt selber mit der Waffe verwunden, die Sie gegen mich kehren wollen! Machen Sie^getrost diese Angelegenheit zu einer öffentlichen, processiren S.e! Ich jcheue nur daS Aussehen, aber nickt den Ausgang. Auch wächst ja überhaupt dieser Fall über Ihre enge AnilStbatigkeit hier hinaus; der gehört vor eine höhere Anstanz, und wir haben Connerionen. Herr Stuhlrickter Zerfall Hobe Connexwnen. und da wollen wir sehen, wer Sieger bleibt! su ihm; ein geringschätzige- Lächeln gl.tt über d.e ernsten Züge. „Sie haben reckt, dieser Fall gebvrt vor d.e Lberbehorde; ich habe nur den Proceß 'bre Protectionen und Connerionen betrifft, ,o benutzen S.e sie nur getrost! Bis jetzt war daS freilich c,n baujig gesuchter Weg. wenn es galt. den. Gesetze m das Gesicht zu schlagen, das Reckt in Unrecht zu ver! wandeln .... Unter der neuen Regierung werden Sie wenig Glück damit haben. Unser Herr Justizminister kennt nur da« eine Streben, die Rechtsordnung ausrecht zu erhalten und das Land von dem Gifte der Protection und der Bestechung zu reinigen." Damit hatte die Unterredung ein Ende und Herr Schmertij« verließ ohne Gruß die Wohnung Perfall'S. V. Es war ein niedriges, unscheinbares Gebäude, daS letzte im Orte; einst ein Meierhof, der zur gräflich Satwarischcn GutSbcrrschast gekörte, war er viele Jahre hindurch unbewohnt gewesen und in Verfall gerathen. Scheunen und Stallungen waren halb eingesunken, daS Tack an vielen Stellen abgedeckt; bewohnbar war nur die eigentliche Meierei, ein ebenerdiges Häuschen, daS aus drei Zimmern und einer Küche bestand. Mitleidig bedeckte ein blühendes RankcngewächS, daS bis aufs Dach hinaustletterte, die vielen Risse und Sprünge und da- alte, wurmstichige Balkengefüge. Das HauS lag nicht an der Straße, sondern weit in die Felder kineinaeschoben; von prächtigen Nußbäumen umschattet, umwogt von Getreidefelder», die es wie ein Meer umgaben, im Norden von einem kleinen Kastanienwäldchen begrenzt, das in sanften Linien hügelartig hinansticg, ließ die malerische Umgebung die Einfachheit, ja Dürftigkeit des Gebäudes vergesse». Es war am Vormittage. In der Wohnstube, deren Wände mit einem einfachen, weißen Kalkanstrich überzogen waren, saß in einem gepolsterten Lehnstuhle eine Frau, deren Füße sorgsam auf einem Teppich ruhten; ein weißhaariger Pudel lag wie ein Igel zusammengerollt neben ihr, und mit dem Fächer, der auj ihrem Schooße lag, sächelte sie sich von Zeit zu Zeit Lust zu. Sie trug ein schwarzes Seidenkleid; ein Weiße- Spitzen- bäubchcn saß kokett ans dem leichtergrauten Haar, und ein gestickter Kasch,„irshawl war würdevoll um ihre Schulter» gelegt. Die Kleidung stimmte vollständig zu dem weiße», durchsichtigen Gefickt, durch dessen zarte Haut die blauen Acdercken bindurchschimmerten, zu den großen, blauen, aber ausdruckslosen Augen, zu der zarten, vornehmen Gestalt. Und die kleine Ecke, in der sie saß, hob sich in scharfem Cootraste von der übrigen Einrichtung des Zimmers ab, die zwar sauber, aber im höchsten Grade einfach war. Ein Kattunsopha, Tisch »nd Stühle aus weichem Holz, auf einer Seite ein Bücher schrank, auf der andern ein lange-, unförmige- Clavier, da« einer vorsündsluthlichen Zeitrechnung anzugchören schien, da« war alle-; wo aber die Frau saß, befand sich ein großer
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