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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.07.1893
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930724019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893072401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893072401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-07
- Tag1893-07-24
- Monat1893-07
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ArStzere Schriften laut unsere« Pr»U« verzrichnib- Tabellarischer and Ziffer»!»» nach höherem Tarif. Artra-Veilagen (gesalzt), a»r «U Nh Morgen-Ausgabe, ohne Postb«sörd«r»»g ^l SO.—, mit Postbesürderuag 70.-^»^ Znaahmeschluß flr Zkytitesl Adend-Ansgabe: vormittags 10 Uh«/ Marge »-Ausgabe: Nachmittags sllh» Sonn- and Festtags früh '/»v Uhr. ' Bei de» Filiale» und Annadmeftrlle» j» «i»s halb« Stund« früh«. Aaset,ea sind st«t» a» dt» Grpadttls» t» richte». Druck »ad Verlag von E. Polß >» Leiptzfg. ^ 373. Montag den 24. Zuli 1893. 87. Jahrgang. Bestellungen auf Ncisellbonnements nimmt entgegen und führt für jede beliebige Zeitdauer aus die Expedition des I^elpriKer I'rdgebiatles, Johannisgasse 8. Amtliche Bekanntmachungen. Lekanlllmachullg. Wir haben beschlossen, der Plagwitzer Straße in Lelpztg- Ltndenan, der Lindenaner Ltratze und Eanalftraße in Leipzig- Piagwttz, sowie der Eltfabettz-Allee in Letpztg-Plagwitz-Kletn» zschocher den gemeinsamen Namen „Elisabeth-Allee" beizulegen und deshalb di« daran gelegenen Grundstücke, wie folgt, »eu, bezw. umzunumeriren. von der Zschochrrschen Straße ans: Linke Seite. Rechte Seite. Alte Straßen- Nr. Brand- Eat.-Nr. Neue Straßen- Nr. Alte Siraßen- Nr. Brand- Lai.-Nr. Neue Straßen- Nr. bisher Plagwitzer Straße bisher Plagwitzer Straß« 1 19 1 - 2 3 20 8 (Bauareal) 5 9 21 22 5 7 bisher Lindenaner Straße bisher Lkndenaarr Straße 10 9 16 15 4 6 1 17 9 8 14 8 2 18 11 6 13 10 18 8 19 18 5 12 14 4 20 46 folgt Earl Heinrstratze folgt varl-Hrlnestratzr bisher Canalstraße bisher Canalstraße 16 r — i? (Bauareal) 2 103 19 82 119 18 3 21 folgt f Frtedrichftratze, folgt Schlippe nach der Altcstrafre olgt Kirche, 4 10« 23 folgt Wethenfelserstraße 5 10? 25 bisher Schulstraße 6 1078 27 20 folgt Weltzensrlserftrahe bisher Schulstraße 18 NS (Schule) 22 — — 29 folgt Umalienstrafle (Rathhaus) 31 17 151» 24 7 — (Bauarral) 33 (Bauareal) 16 15 14 1l4 Il3d 113 86 28 30 8 108 35 folgt Schmiedcstraste 8a 8d 9 9» 108e 108« 108b 1081 37 89 41 43 13 12 11 N2 111 32 34 36 10 82 45 folgt Mnhlenstraste, folgt Vllteftratze, folgt Iahiistratze folgt 2 ahnstragc, bisher Larlstroße bisher Larlstraße Elisadeth-Aller — 38-46 1 956 47 (Bauareal) 2 958 49 folgt «»benannte Straf» 3 95X 51 48 (Bauareal) 50 52 54 4 5 6 Ob 7 95 94 93 92 91 53 55 57 59 61 53 25 1763 8 folgt Ronnenftrahr 9 103 63 10 1036 65 11 1086 67 69/71 (Bauareal) 14 103? 73 75/77 (Bauareal) 17 — 79 Leipzig, den L3. Juli 1893. Der Aath »er Stadt Leipzig Vr. rröndlin. Sichortus le. 3456 Zur Lage in Siam. * Wir haben an dieser Stelle bereit- darauf aufmerksam gemacht, wie wenig dir Auffassung, die Integrität SiamS werde sranzösischerfeits gewahrt bleiben und England könne somit auf einen diplomatischen Erfolg zurücksehen, den tbat sächlichen Verhältnissen entspricht. E« kommt bei den Ge dietSforderuiigen der Franzosen ein Besitz in Frage, der, Alles in Allem genommen, wie schon in unserer Sonn tagSnummer erwähnt, nicht weit von zwei Fünfteln de« siamesischen Territoriums entfernt sein wird. Wenn nun zuerst in der englischen Press« und selbst im Parlament sich eine gewisse Beruhigung darüber kundgab daß es sich „nur um eine Grenzberichiigung am Mekong' bandelte, so läßt sich das, da man im Allgemeinen in England über solche Verhältnisse recht gut unterrichtet ist, nur daraus erklären, daß man im ersten Schrecken auf vie Schlimmere-, d. h. auf die Vernicklung der Unabhängigkeit de« Landes, gefaßt war. Heute, wo die rubige Ueberleaung urückgekebrt ist, fängt man auck >n den großen englischen lättern, „Times", „Dail» Ebronicle", „Daily Telegraph", an. einzusehen, daß die Forderung Frankreicks, in den Besitz de- grsammten Mekong-UferS zu treten, eine außerordentliche, um nicht zu sagen unverschämte ist. Uber schon scheint es, als ob Frankreich sich auch dabei nicht beruhigen wollte; vielmehr wird bereits die neue Forderung der Gebiete von Bettambeng und Änkor, mit deren Besitz da« französische Eolonialgebiet sich der Hauptstadt Bangkok bedenklich nähert, französischerstilS lancirt. Man Wird nicht sehlgehen, wenn nian die Entsendung Lord Tnfferin'S nach Pari« mit dieser „Greniberichligung" in Verbindung bringt. Und hier ist eS von besonderem Interesse, auf einen bisher fast unbemerkt gebliebenen Vorgang ausmerksam zu machen. Durch den Erwerb von Birma ist England in den nominellen Besitz eine« Gebiets getreten, daS vielfach unbestimmt, jedenfalls aber »ach den üblichen Karten ich weit über den Mekong binau« ausdehnt. Nun hat vor einiger Zeit, nach einer amtlichen Erklärung im englischen Parlament, England diese Gebiete am linken Mekonguser — eS geht aus der Erklärung nicht hervor, ob alle — an Siam gegen anderweile Eoncessionen abgetreten. Eng land scheint also (mit der eben bezeichnet«» Einschrän kung) nicht unmittelbar durch die französische Forderung des linken Mekong-UserS berührt. Wobl aber treffen hier, wenn, wie aiizunrhmen, Siam nackgiebt, nunmehr die französischen und di« englischen Colonialbesiyungen nach barlich zusammen. Erwägt man nun, wie sehr man in England bisher bestrebt gewesen ist, zwischen den indischen Besitzungen und denen der rivalisirendcn europäischen Mächte weite „Pufferzebiete" zu erbalten, so wird man begreifen, daß da«, wa« zuerst als eine Art Trost erschien und als bloße „Grenzberichiigung" bezeichnet wurde, die colonialen Kreise England« jetzt empfindlicher erregt und sie voraus sichtlich noch lange beschäftigen wird. Daß inzwischen in Siam die Franzosen, die den Kampf wieder provocirt haben, die Siamesen dabei während der dreitägigen Kämpfe 4 Forts verloren und ca. 300 Todtc und 200 Verwundete gebabt baben sollen, »och cbr Siam in der Lage war, Frankreichs Ultimatum zu beantworte», haben wir bereit« gemeldet, ebenso daß die sranzösischr Regierung die Bitte um Verlängerung der Frist der Beantwortung de« Ultimatums rundweg abgrlchnt hat. Am 23. Juli ward un« telegraphisch nur noch berichtet, daß bis l Ukr Nachts desselben Tages dem Auswärtigen Amt in Paris eine weitere Depesche aus Bangkok nicht zugegangen ist. Als ein Gerückt, Las noch der Bestätigung bedarf, verzeichnet dagegen dir „Marin", daß der siamesischen Gesandtschaft in Paris am Abend de» 22. Juli eine Deprscke zugegangen wäre de« Inhalt«, daß Siam das sranzösitzche Ultimatum unter dem vorläufige» Ausschluß der GrenzregulirungSsrage angenommen habe. Der „GauloiS" sagt ferner: Lord Dufferin bemühe sich, die französische Regierung z» über reden, daß dieselbe ihre Forderung in dem an Siam ge stellten Ultimatum, betreffend daS linke Mekongufcr, zurück- zunebmen. Die Zeitung „Memorial diplomatique" endlich sagsi die Deutschen in Siam verlangten von der Negierung Schutz gegen Frankreich, wenn Bangkok bombardirt werten sollte. Der Kaiser soll letoch die Bitte sebr kühl ausgenommen haben, da er Verwicklungen vermeiden wolle Politische Tagesschav. * Leipzig, 23. Juli. Die Finanzmfnlfterronsercn; in Frankfurt a. M. wird, wie die „Nat.-Lib. Eorr." erfährt, nicht, wie eS bisher hieß, am sechsten, sondern erst am achten August beginnen. Ueber die Lösung der durch da» Rücktrittsgesuch des Sckatz- sccretairS von Maltzabn erstandenen Frage einer neuen Besetzung oder Regelung der Leitung des Reickö- schatzamis ist nach derselben Quelle in persönlicher Hinsicht nock keinerlei Entscheidung getroffen. Ob auck in sachlicher Hinsicht in der Leitung de» Rcickssckatzamts eine Aenderung emtrilt, bängt, wie aus einer Auslassung der „Berl. Polit. Nachr." hervorgebt, ganz wesentlich von der Franksurter Confercnz ab, aus der natürlich oie Herren Finanzminister nicht als Vertreter ibrer persönlichen An schauungen auftreten, sondern die Auffassungen ihrer Regie rungen zu vertreten haben. Und bei diesen scheint über daö zu erstrebende Ziel noch keine Klarheit zu herrschen. Es heißt nämlich in den „B. P. N.": „Bevor ein Beschluß darüber gefaßt wird, welche Vorlagen den gesetzgebenden Körperschaften im Reich gemacht werden sollen, muß di« Vorfrage entschieden sein, in welchem Umfange an die Saniruug der ReichSsinanzen herangegangen werden soll." Ferner wird gesagt, daß der Weg einer wesentlichen Aenderung der Stellung des NeichsschatzamIS in dem Orga nismus der ReichSbehörden „zur Zeit nicht gangbar sei" Hiernach ist man in den Einzelstaaten nur einig über daS, was nicht geschehe» soll. Da- ist herzlich wenig. Zum Glück scheint man wenigstens von der Unhaltbarkeit der gegenwärtigen Einrichtung der ReichSsinanzen überall über- zeugt zu sein und bringt daher von allen Seiten wenigstens den guten Willen mit, einen gangbaren Weg zur Beseitigung dieser Einrichtung zu suchen und zu finden. Die Meldung der Thorner „Ostdt. Zta.", auS der man schließen muß, daß die Forderung der Pale« bezüglich der Wiederaufnahme des polnischen Sprachunter richts in der Volksschule gewillsabrt werden soll, ist trotz der derben Kritik, die fast von allen Seiten an diese Meldung geknüpft wird, noch nickt dementirt worden. Man mug sich also mit dem Gedanken oertraut machen, daß in der Tbat Len Polen entweder schon vor der Annahme der Militairvorlage ein derartige« Versprechen gemacht oerr aber nachher eine solch« Zusickerung gemacht worden ist. In jedem dieser Fälle erblickt die Münchner „Allaem. Ztg." einen neuen Beweis dafür, daß unter dem „neuen Cur«" ein Zug Ta affe'scher Politik in die unseriae hineingekommen ist „Aber während man", so säbrt daS süddeutsche Blatt fort, „in Oesterreich längst einsiebt, wohin man damit gelangt, nämlich zur Lockerung aller Klammern de» StaatS- gebäudeS, scheint man hier auS diesen Lehren noch keinen Nutzen gezogen zu haben. Die Neigung oder das Be dürfniß, die Politik ander» zu treiben, als sie zur BiSmarck- chen Zeit getrieben worden, ist und bleibt ausschlaggebend. An sich wäre gegen den polnischen Unterricht bei notorisch wlnischen Kindern ja nicht« einzuwenden, die Theorie pricht dafür, aber die Praxi« lebrt, daß jede Pflege des PolcnlbumS expansiv und polonisirend wirkt und daß diese Maßnahmen die GermanisirungSardeit der vorausgcgangencn Periode wie ein Penelopegewand austrenncn. Der Rückschlag wird ja nicht ausbleiben, aber die öffentlichen Verhältnisse können in jenen Provinzen nicht gedeihen, wenn von einem Jahrzehnt zuni andern die staatlichen Zwecke »nd Ziele ge wechselt werden." Wir würden eine solche „Belohnung" der Polen vor Allem deshalb beklagen, weil sie geradezu ein Wettrennen der Parteien um dir Gunst der Re- ierung eröffnen und die Schacherpolitik de» rntrum« förmlich sanctioniren würde. In der französischen Depntirt enkammer, die nun in der Nackt vom Sonnabend znm Sonntag glücklich geschlossen worden ist, ist noch am letzten SitzungStag, wie bereits kurz telegraphisch gemeldet worden, da« Gelbbuch über Egypten vcrtbeilt worden. DaS Gelbbuch umfaßt 510 Seite» und bcbandrlt die Zeit von 1881 dis 1893, bietet indeß nur wenig Neue-. Immerhin aber ist e« insofern interessant, als e« wieder zeigt, daß Frankreich während dieser zehn Jabre nicht aufgebört bat, England — freilich immer ver- gebtich — an seine Zusagen wegen Räumung EgyptenS zu mahnen. Aufmerksamkeit verdient da vor allem der immer entschiedenere Ton, den der jetzige Minister de- Aeußern in Frankreich, Devellr, «n letzter Zeit in seinen Depeschen an die englische Regierung einaescklagcn hat. Hier ist der Kern der umfangreichen Veröffentlichung und die bisher nickt genau bekannte Art, wie Develle die auswärtige Politik Frankreich» leitet, tritt zum ersten Male deutlich hervor. Sehr anschaulich wird die«, wenn man seine Depeschen mit denen seines unmittelbaren Vorgänger«, Ri bol, vergleicht. Am St. Mai 1890 schreibt Ribo», nach dem er Essad Pascha wiederholt erklärt hatte, daß Frank reich die feste Absicht babc, Egypten nicht zu occupiren, Folgendes: ,,A» de». Tag, an welchem England in Erfüllung seiucs Ver sprechens uiiter den Bedingungen, die nötbig sind, um die Mächte vor Ucbcrraschungen zu sickern, den Zeitpnncl der Räumung be stimmen wird, werden wir unsererseits bereitwilligst in einer Form, die geeignet ist, den berechtigten Besorgnissen des Sultan- Genüge zu tbun, uns verpflichten, Egypten nicht zu occupiren." Develle nimmt eine viel entschiedenere Stellung gegen Eng land, namentlich anläßlich der Ministerkrise, in der Lord Eromer sich weigerte, Fakri Paschas Ernennung zu ge »ebmigen. Develle schreibt: „Lord Rosebery hat, wie mir scheint, da« Recht de« Khedive, seine Minister zu wäblen, ebenso wenig bestritten, wie Lord Eromer. Wir müssen daher von der Haltung des englische» Vertreter- um so überraschter sein, al« er dem Khedive tbatsächlich und in beleidigendster Weise die Ausübung seiner Prärogative bestritt. Sie werden also dir Güte baden, mit der größten Energie den Protest zu erneuern, den Sir bereit- gegen die drohende Haltung Lord Eromer'S vorbrachtcn, und gegen die Prätensionen, die sie verrälh." Wir haben schon wiederholt auf die befremdliche Er scheiiiiliig hiiigewiesen, daß die russische Negierung zwar schon au« Abneigung gegen da» protestantische Kaiserlhum und auS Freundschaft zu dem katholischen Frankreich auch nach wie vor mit dem Vatican liebäugelt, sobald eS aber gilt, die Theorie in die Praxi« umzusetzen, die Priester der römisch-katholischen Kirche i» jeder nur möglichen Weise drangsalirl und verfolgt. Man weiß nun ja längst, daß derartige Verfolgungen ibrerKleri>ei nicht unbedingt sür die Eune ein Hinderniß und, welches c» ihr unmöglich machte, gute Beziehungen zu der betreffenden Re gierung zu unterhalten. Nicht» desto weniger aber und obwohl wie neuerdings dir „Moskauer Zeitung" die endliche Be glaubigung eine- officiellcn russischen Gesandten beim Vatican als »»mittelbar bevorstehend angekündigt bat, sollen eben jetzt die Bezicbliiigen zwischen Rußland und dem Vatican nicht völlig ungetrübt sei». Der EardinalstaatSsccretair Rainpolla scheint eine Vorstellung gegen die eben jetzt wieder geübte scharfe Maßregelung de» katholischen Klerus in Russisch-Polen für an- aezeigt gehalten zu haben, aber aus dem Auswärtigen Amt in Petersburg erbiell der außerordentliche russische Geschäftsträger StaatSrath v. JSwolSky den Bescheid, daß die verhafteten und in da« Innere LeS Zarenreichs verpflanzten Geistlichen gegen die russischen StaatSzesctze intriguirt hätten und daß die Fäden dieser Verschwörung in Rom zusammenliesen. Augen scheinlich konnte der Wiener neue Nuntiu» Agliarvi auf jenem polnischen Katbolikencongress« zu Krakau, wo man deftig für die Wiederherstellung der weltlichen Papstgewalt eintrat und c» an Angriffe» auf den italienische» Nationalstaat nicht fehlen ließ, doch die Klagen de- russisch-polnischen KalholiciSmus nicyt völlig zur lckdrängen, scheint aber damit in Petersburg gründ lichen Anstoß erregt zu haben. Für Leo XlU. könnte da rin Beweis von der Mißlichkcit der von ibm betriebenen Politik Rußland gegenüber sei» und ist e- zweifelsohne auch. Obwohl aber gegenwärtig infolge dieser Erkenntniß, der a», wenigste» ein i» kluger Kirchenfurst wie Papst Leo Xlll. sich entziehen kann, da Rom zur Zeit die Stimmung gegenüber der russischen Regierung nicht die allerfreundlichste sein mag, wird fick au» Gründen der höher» Politik schließlich der beiligr Vater mit dem Väterchen Zar Wohl wieder vertragen, und wenn im Laufe der nächsten Jabre noch Hunderte römisch-katholischer Priester in Rußland den schwersten Ver solgungen ausgesetzt werden sollten. Für den 30. Juli sind die Neuwahlen sür die bulgarische Sobranje festgesetzt. Diese Neuwahlen sind diesmal i» io fern von weit größerer Bedeutung, al- je zuvor, da diesmal anstatt der früheren 820 nur I6l Abgeordnete sür die Sobranje zu wäblen sind und nach der BerfaffungSänberunj die nächste Session di« erste fünsiädrige sein wird. Man schreib» au« Sofia, die vereinigte Opposition führe, wie die« auch in anderen, noch weit civilisirteren Ländern übrigen- Vorkommen soll, bereilS einen erbitterten Zeitungsstreit mit der Regierung-Presse; nian werfe sich die derbsten Grobheiten an den Kopf, und ein Jeder behaupte, nur er könne Bulgarien retten, während der Andere da« Land finanziell, politisch u. s. w. in den Abgrund stürzen wolle, um seine eigenen Zwecke zu ver folgen und seine Taschen zu füllen. Nebenbei wird manche JndiScretion begangen, die der ausmrrksame Beobachter für eine Geschichte Bulgarien« verwenden kann. Stambulow hat inzwischen viel zu tbun; von allen Seiten de» Lande» kommen Deputationen, um von ihm zu hören, welchen Abgeordneten er als der Führer der liberalen Partei den Vorzug gäbe, da die Hälfte der altenAbaeordnctcn ausscheiden muß. Dieser Vorgang, de» man täglich in Stambulow'« Hause beobachten kann, beweist von Neuem die feste Stellung und den gewaltigen Einfluß, den dieser Mann auf da« Volk Bulgarien» in seiner nnae- beuren Mehrheit au«übt. Was man auch immer von Be einflussung der Wäblen reden mag, die Thatsache, daß man reiwillig nach Sofia kommt, um Stambulow'» Rath zu hören, ist nicht zu leugnen. Die Minister bereisen zum Tbcil gegenwärtig das Land» um die Partriverhält- nissc an Ort und Stelle ru erkunden. Es hat den An- chein, daß der Wahlkampf diesmal etwa« schärfer sein wird als in den letzten Jahren, doch ist eine an Zahl erbebliche Opposition in der nächsten Sobranje kaum wahr- ckeinlick, auch nicht, obwohl oder gerade weil Rußland durch die Aufnahme de« früheren bulgarischen Rittmeister» Tscbew- darow, der s. Z. an einer Verschwörung gegen den allgemein in Biilgarieii beliebten Fürsten Ferdinand und die bulgarische Regierung in bedenklicher Weise bethciligt war, einen neuen Beweis dafür geliefert hat, wie Rußland alle Selbstständia- keitSgelüste der Bulgaren verabscheut und selbst davor nicht zurückschreckt, offenbare Lande«- und Hochverräther zu be- loknen, welche man in Rußland, fall» sie e« auf da« Haupt des Zaren abgesehen hätten, uicht einmal — und mit Recht — des einfachen Solkaientode« würdigen, soodrra einfach am nächsten Galgen ausknüvfen würde. Deutsche» «eich. * Berlin» 23. Juki. Eine außerordentlich turbulente Versamm lung fand Freitag Abend ln dem MartenS'schen Saale, Ariedrich- strage 230, statt. Einberusen war dir Versammlung von d«r christ lich-socialen Partei. DI« „Nat»-Ztg." berichtet über den Ver laus: Da laut öffentlicher Ankündigung Hofprrdigrr Stöcker über die Wahl ln Ncustettin sprechen wollte, so waren die Antisemiten Ahlwardt'jcher Richtung in Hellen Hausen erschienen. Aus 8 Uhr Abends war der Begann der Versammlung angelebt, allein bereit- gegen 7', Uhr war oas Local Kopf an Kops gefüllt, so Laß im buchstäblichen Anne des Wortes kein Apfel zur lkde konnle. Al» gegen 8'« Ubr Storker erschien, wurde er mit stürmi schem Betsall, Pfeifen und Gejohle empsangea. In einer Ecke bei Saales kam eS zu Rempeleien. Di« Christ« licli-Socialen wollten einen antiseinitijchen Pfeifer aus dem Saale besörden, die Parteigenossen des Letzteren intrr« venirten aber in nicht mivzuverstehender Weise, ,o daß man von dem HinauSwerscn vorläufig Absland nahm. Endlich eröffnet« der Borsitzeude, Buchbindermeister Schulze, die Versammlung und ertdeilte dem Hosprediger Stöcker das Wort. In diesem Augenblick wurde von den verschiedensten Seiten „zur Geschäfts ordnung" geschrieen. Hosprediger Stöcker: Der Herr Vorsitzende hat mir das Wort bereilS erlheilt, in solchem Falle kann Niemand mehr das Wort zur Geichäsisordnung erhalten. (Stürmisches Oho. Beifall und Lärm.) Ruf: Ich frage, ob nach dem Vortrag« «ine freie Aussprache stattsinden wird? — Stöcker: Das ist selbstver- stündlich. — Ruf: Bei Ihnen ist da» nicht selbstverständlich. Sie schließen, nachdem Sie gesprochen, einfach di» Beriammiung. Wir ver langen eine Garantie, daß eine freie Discussion statlfindet. — Stöcker: Lassen Sie mich nur zunächst sprechen, alsdann soll Jedem, deriich zum Worte meldet, volle Redefreiheit gewahrt werden. (Ruf: SchlaubergerI Lärm.) Nur ungern habe ich Sie in dieser Iulihitze zu einer Versammlung eingeloben, dir jüngsten Vorgänge haben mich aber dazu genölhigt. Ueber den AuSsall der Wahl in Neu- sietlin werden die Antiiemiten sehr erfreut sein. (Rufe: Jawohl! Ahlwardt soll leben, hoch ! Förster soll leben, hoch!) Ich bin der Mej. nung, wir baben weder Ursache zu einer bcsondern Niedergeschlagen- beit, noch Sie zu einer bcsondern Fröhlichkeit. (Ruf: doch, Wtrm.) Der Kampf im Wahlkreis« Stettin war di« traurigste Erschei nung, die man sich nur denke» kann. (Stürmisches Hohngelachter. Beifall und Lärm.) Ich wußte von vornherein, daß ich in Neu- slctlin unterliegen werde. (Stürmisches Hohngelächter, Beifall und furchtbarer Lärm. Rufe: Fauler Mumpitz! Weshalb gingen Sie den» erst hin?) Mir wurde von den dortigen Christlich - Eacialen das Mandat schon angeboten, noch ehe an eine Auslösung des Reichstages zu denken war. (Ruf: Aber trotzdem durchgesallen!) Ich habe auch von vornherein meine Candidatur nur als ein« Zähl- candidatur betrachtet. (Holingelüchter! Rufe: Trauben sind sauerl Fauler Mumpitz! Schlauberger!) Sowohl Herr Ahlwardt als auch Herr Förster haben durch Verbreitung von Unwahrheiten gesiegt. (Stürmische, lang andauernde Pfuirufe. Ruf: Rau»! raus» Ich muß bekenne», ich habe es mit großer Freude begrüßt, daß ich durch meine Ausstellung im Wahlkreise Sieustettin Gelegenheit fand, sowohl den AhlwardtismuS als auch das Bückelthum zu bekämpfen. (Stürmischer Beifall und lang andauernder be täubender Lärm. Ruse: FrechheitI Gemeinheit! Wir lassen un» nicht br- schimpfen RauSI rau«! Herunter von der Bühnet Wir haben genug gehört!) Herr Böcke! hatte schon lauge vor der Reichstag«. Auslosung geschrieben: er müsse mich aus meinem Wahlkreise Siegen verdrängen. (Ruse: da« war auch Recht.) Nun, Herr Böckel bekam in Siegen 1000 und ich 1t 000 Stimmen. (Stürmischer Beifall.) Bei der Stichwahl empfahl Böckel den Antisemiten, für meinen Gegen kandidaten, den national-liberalen Dresler, zu stimmen. (Rufe: Psuil Gemeinheit! Lüge! Furchtbarer, lang andauernder Skandal.) Meine Herren, in dieser Weise geht es nicht weiter. (Ruse: Dann provociren Sie Loch nichtI) Wir werden di« Versammlung auf 5 Minuten vertagen. Wenn alsdann dir Antisemiten, di« wir ja Alle beim Namen kennen, Wetter Scandol machen sollten, so werde» wir von unserem Hausrech« Gebrauch machen, höhngelächtrr. Lärm.) Nach Wirdereröfsnung der Versammlung fuhr Stöcker fort: Wa« Ich über Böckel sagte, ist unbestreitbar, ich war und bin daher gcnöthigt, ihn bi« auf» Blut zu bekämpfen. (Pfuirufe. Lärm.) Der antisemitische Abgeordnete Zimmermaun hat in einem Fluablatte gesagt: Die Tonservotiven sind verstockt »nd verslöckert. (Stürmischer Beifall und deftiger Lärm. Ruf: Ta hat Zimmermann nur die Wahrheit geichriebea!l Wie ein Nuti- semit so elma« schreiben kann, ist mir unbegreiflich. (Ruf: Erst recht! Larin.) Tie KampfeSart Adlwardt's hat »< mir zur Pflicht gemacht, auch bei der Nachwahl in Neustettin zu candidiren, gleichviel, ob Sieg oderNiederlage. (Stürmischer Beifall und heftig«Pfuirufe, Pfeife« »nd Schreien.) M. H.! lieber den heutigen Scandal wird die Indenpnfse di» größte Freude empfinden. (Lärm. Ruf: Daran sind Sie ja schuld!) Herr Ahlwardt und Herr Förster baben mit der Schnaps- lüge den Wahlkreis Neustettin erobert. (Lang andauernder Lärm, Pfeifen »nd Schreien. Ruse: Frechheit I Gemeinheit!) Der Vor sitzende läßt eine Paus« »inlreten und fordert einen iungen Mann, Namen» Trautmann, auf, den Saal zu verlassen. Nach längerem Scandal verläßt dieser den Saal: kommt jedoch mehrfach zurück, so Laß der Scandal immer von Neuem lolbricht. Endlich ge-
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