Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.12.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931204023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893120402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893120402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-12
- Tag1893-12-04
- Monat1893-12
- Jahr1893
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis M tz» tz«l»t«v»,dilü>a ode» den i« Stadt. «ad dea Bororten errichteten Au«- gllt-kilkllen abgeholt: vlerteljahrlich^S.öO, det poetmaliaer täglicher Zustellung in« Hunt >l b.S0. Durch dir Post bezogen für Deutschland und Lesterrrich: viertel,üdriich » 6.—. Direct» tägliche Drruzdandleadung in» Autland: monatlich 7.L0. Die Morgen-Au-gabr erscheint täglich '/,7Uhr^ dir Abend-Au-gabr Wochentag« b uhr. Ledartiou unL Lnieditwa: Aatzem»e«»aß» 8. Die ikVedition ist Wochentag« ununterbrochen gevstnet von sriih 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: Vtt» Me««'» Tnrti«. («lfrr» Hahn), Universiiattsiraße 1. Laut» Lösche, Aatharinenstr. 1«, part. und köalg«platz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgefchichte, Handels- und Geschäftsverkehr. AnzeigenPreiS die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Rrclamen unter demRedaction«skrich (4g» spalten) bO^. vor den Aannllranachrichtrn (6 gespalten) 40 chrößrre Schriiieu laut unserem Prei«- vrrzeichnig. Tabellarischer und Ziffernsaz. uach höherem Tarif. Sptra-Veilagea (gefalzt), nur mit der Morgen - Auägad« . ohne Pvsideförderung üO—, mrt PostbesSrderung ^ 7V.—. Annalimeschlab für Änzrigen: Abrnd-AnSgab«: Vormittag« 10 Uhr. Worg»n-AuSgabr: Nachmittag« «Uhr. Sonn- und Festtag« früh '/,S Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» ,« eine ha>be Stunde früher. Anzeige« stad stell an die Er-etzttioa zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. «18. Montag dm 4. Decembcr 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 4. Tecernbrr. Verschiedenen Blättern wird übereinstimmend au« Berlin geschrieben: „Gestützt aus zuverlässige Informationen, können wir schon heute berichten, daß regierungsseitig aus An nahme de« CentrumSantragS (betr. die A«shedung »es Jefuttengrfrlze«) nicht zu rechnen ist. Dabei mag gar nicht übersehen werden, daß auck im BnndcSralhe manche recht gewichtige Stimmen dem Anträge zur Seite stehen. Ta« Eenlrum ist im Reichstage, wie im preußischen Landtage, eine große und gewichtige Fraction, mit welcher die Regierung zu rechnen hat — und rechnet. TaS bindert sic aber nicht, voll und ganz (!) für die Gruntsäuc rinzustrhen, Weiche sie für das Gedeihen dcS Reiches für erforderlich erachtet, selbst auf die Gefahr hin, da« Eentrum in für sie dringenden Fragen gegen sich zu haben. Ter Jesuitenantrag wird, wie wir mit Bestimmtheit melden könne», vorläufig wirkungslos bleiben." Ist diese Auslassung ofsicivS — und rS scheint so —, so drückt sie sich scbr vorsichtig au« und raubt dem Gentrum die Hoffnung auf spätere, noch zu verdienende Zustimmung des BundcSrathS zur Aushebung de« JesuirengesetzeS nicht. Durch da« Wort „vorläufig" wird im Gegentbcil dem Centrnm zu ver stehen gegeben, daß eö nock> nicht zu verzweifeln brauche, sondern vor Allem Garantien für seine auf das Gedeihen de- Reiches gerichteten Absichten zu geben habe, um den BundeSrath zu überzeugen, daß auch der Wunsch nach Aus hebung de- JesuitengeseyeS kein gefährlicher und dcsbalb ab zuweifender sei. „Vorläufig" glauben auch wir nicht an eine Zustimmung dcS BundeSratheS zu dem am Freitag vom Reichstage gefaßten Beschlüsse, denn „vorläufig" ist nicht nur das Centrum nocb zu unberechenbar, sondern rS bestehen auch hochpolitische Gründe, die es zur Zeit nicht ratbsam er scheinen taffen, den geheimen Helfershelfern der vaticanischen Pläne auch nur in einem Theile dcS Reiches die Thore zu öffnen. Ans die politischen Ziele des Papstes würde rin Helles Licht fallen, wenn dir Meldung sich bestätigte, daß der russische Thrvnsotger demnächst mit der Prinzessin Helene, der zweiten Tochter dcS Grafen von Paris, sich verloben werde. Diese Meldung ist zwar halb »nd bald von dem Privalsecretair deö Grafen bestritten worden, aber sie tritt in der ultramontanen „Köln. VolkSzlg." so be stimmt wieder auf, daß man sie nicht ignorire» kann. Auch war der Besuch, den im Sommer der Graf von Paris am dänischen Hose während der Anwescnhrit deS Zaren abgestatlct hat, ziemlich ausfällig; eü ließ sich nur auf eine außergewöhnliche An gelegenheit zurücksübrcn. ES ist ferner erklärlich genug, daß da- „ltramontanc Kölner Blatt in diesem Falle als wobluntcr- richtet auslreten kann, da bei einer solchen Verlobung sehr be deutsame religiöse Fragen zur Erwägung stehen müssen. Diese gehen natürlich dahin, ob die Prinzessin zur griechi schen Kirche überzulrelcn hat oder nicht, und ob eS ihr >m letzteren Falle wenigsten» gestattet sein würde, ihre Töchter katholisch erziehen zu lassen. Die „Köln. Volks;." berührt nun aber gerade diese sür sie hochinteressanten Fragen mit keinem Worte, sondern streift nur die sicher lich nicht geringe „politische" Bedeutung, die diese Fa- milicnverbindung unter Umständen gewinnen könnte. Auch daö ist bezeichnend genug. Dagegen bringt der „Figaro" einen langen schon an anderer Stelle erwäbnten Artikel, der gleichfalls auf die Gerlobungsgerücbre Bezug nimmt und dann erzählt, daß die bedeulsamc Frage, wie sich Prinzessin Helene bei der Verheiratbung mit dem Bekenner einer anderen christlichen Confessio» zu verbalten habe, schon einmal an sie herangelreten sei. Es habe sich nämlich zwischen ihr und dem älteren Sobn des Prinzen von Wale-, rem verstorbenen Herzog von Clarrnce, in Balmoral ein !?iebeSverhältniß angesponnen gehabt, das sic veranlaßt bade, nach Rom zu gehen und den Papst zu bitten, daß er zu ihrer Berheiralbung mir einem Protestanten ebenso die Erlaubniß gebe, wie er sie ihrer Cousine zur Verheirathung mit dem Prinzen Waldemar von Dänemark rrlbeilt habe, testen Söhne protestantisch erzogen würden. Trotz ikrer kniefälligen Bitten bade ibr indessen der Papst kein Zugeständniß machen wollen, worauf sicb der Herzog von Clarence mit der Prinzessin Man von Teck verlobt habe. Die naheliegende Parallele mit der Nachricht von der Verlobung der Prinzessin Helene mit dem Grcßsürsten-Thronfolgcr zicbl der „Figaro" nun freilich nicht. Er meldet nur, daß sic nach Egvpten abgrreist sei, um dort den Winter zu verbringen und sich für daS neue Lebe» vorzubcreile», da» ihr bcocrstebc. DaS läßt abrr erratben, daß sic Entschlüsse zu fassen haben wird, ohne damit diesmal einer harten Beurtheilnng dcS Papstes zu begegnen. Denn wenn es auch überirieben war, Leo Xlll. al ben eigentlichen Urheber »nd Schöpfer des russisch-französischen Einvernehmens binzustellen, so weiß man doch, wie viel ihm an besten Ausrcchtcrbaltniig »nd Befestigung gelegen ist. So scheint cs denn kemoswegS unmöglich, da» derselbe Mann, der seine Zustimmung zu der Vermählung der Prinzessin von Orleans mir dem zukünftigen Könige vo» England ver sagte, obwohl sic sich diescrbalb keinem Rcligionsmcchsel zu unterziehe» batte, vielleicht sogar nicht« dagegen baden wirk, daß die Prinzessin zur griechischen Religio» Über tritt. Erfolgt dir Vrrlobung mit seiner Einwilligung, so ist auch klar, daß ihm die W iedcrrinfübrung der Monarchie in Frankreich und ein festes Bündniß zwischen dem zarische» Rußland und dem mon archische» Frankreich als Ziel vorschwebt, dessen Er reichung auch da» Opfer des UebertriltS einer katbolischen Prinzessin zur griechischen Kirche wenb ist. Da die „Köln. BolkSzeirung" bestimmt versichert, daß dir Verhandlungen über die Verlobung in Kopenbagcn zum Abschluß gelangt seien und daß ihre Veröffentlichung bevorstehe, so wird man ja nicht lange mehr im Zweifel bleiben können. Welche Rolle Frankreich in der päpstlichen Politik schon lange gespielt hat, wird beute von de» „Hamb. Nachr." durch eine böchst interessante Mitlbeilung dargelczt. die wahrscheinlich aui den Fürsten Bismarck zurückzuführcn ist. Daö Blatt schreibt nämlich: „Daß cS sich bei der Annahme deS Uiisehlbarkeits-Togmas durch das römische Concil vom Jahre 1870 weniger um eine kirchliche Angelegenheit, u.v darum gehandelt Kat, die Mach» des Papslthums sür Frankreich gegen das Protests»- tische Deutschland nutzbar zu machen, ist bekannt. Aehnliches wiederholt sich jetzt unter veränderten Umständen. Das alte Wort Oest» üci per Iraoeas hat noch immer seine Giltigkeit: die französische» Bationnctte werden nach wie vor als weltliche Grundlage der römüch-katholischen Kirche betrachtet. Dieser Sachlage gegenüber ist es von Fnteresse, daß Emile Lllivier, der bekannte Minister Napoleons III., kürzlich in einer Unterredung mit einem römische» Berichterstatter des „Figaro" ge- äußert hat, man habe rS ihm, Lllivier, zu banken, wenn das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit vor dreiundzwan zig Jahren habe proclnmirt werden können; denn Gra; BiSmarck, Graf Beust, Lord Elarendon und eine mächtige französische Partei hätte» daS begonnene Werk durch Auslösung des EoncilS zu hindern versucht. Tost Emile Lllivier in dieser Weise setzt di« wahre Bedeutung des JnsallibilitätSd ogmuS und seiue eigene Bcthriligunq an der Sache offen bekennt, ist doch sehr spaßdast." So spaßhaft das Sclbstbckenntniß Lllivicr'S gerade jetzt ist, so ernsthaft sind dir Betrachtungen, zu denen diese»' Bekenntniß die deutschen Politiker anregl. Denn eS gehl aus diesem Bekenntniß mit aller Klarheit hervor, daß jede keutsche Unterstützung der päpstlichen Macht unseren Nachbarn jenseits ter Vogesen zu Gute kommt. Meldungen zufolge, die aus Belgrad nach Sofia ge langt sind, bat König Alerander von Lerbten vor einigen Tagen mehrere hochgestellte Officiere zu sich berufen unt mir ibnen, insbesondere mit den Obersten Mostilsch und Sreljkowitsch, welche der liberalen Partei zuneigen, die Frage der Bildung einer Mililair-Regieru ng be- prochcn. Der König soll hierbei geäußert haben: „Wenn alle Stricke reißen, werde ich auch daS zu tb»n zenötlsigt sein" Die beiden Obersten erklärten hieraus lberkiiiiriinmcnd, sie seien nickt in der Lage, dem Könige die Bildung einer Militair - Regierung anzuratkrn, da eS äußerst gewagt wäre, die Armee in den Kamps der Parteien bineinzuzerren. Oberst Mosiitsch fügte noch hinzu, er glaube nickt daran, daß Officiere von einiger Bedeutung sich zur Tbcilnabnic an einem solchen Ministerium hergeben würden, da nach den Erfahrungen, die man bisher gemacht habe, keiner die Verantwortung werde übernehmen wollen. Risttlsch habe sich ja gleichfalls in einer Notklage befunden, als er im vorigen Jahre, um Ordnung in die Verwaltung zu bringen, die Liberalen an» Ruder berief. Die Mitglieder dieser Regierung Kälten damals in der reinsten patriotischen Absicht die Narwalen r» bezwingen versucht und seien dann diesen ans Gnade «»d Ungnade auSzelicsrrt worden. Diese Aeußerungen der Obersten sollen aus den jungen König einen liefen Eindruck gemacht haben. Erscheint aber, als ob die rrlrcmen Rakicalcn von den Versuchen dcS Königs, für die Eventiialilälcn der Zukunft vorzusorgen, Kcnnlniß batten, den» sie beginnen sich bereits gegen den König zu wenden, und ei» Blatt wie der offieiöse „Odjek" fand cS kürzlich für nölbig, de» Köniz auf das Schicksal des Fürsten Cusa unk des Königs Otto von Griechenland anfinerksam zu machen. Anspiclcnd auf die Confrrenzen des Königs niit Oxposiiionsniäniiern, uieinl das radicalc offieiöse Blatt, die „Politik der Hinte»lkllren", die unter Milan zu Ehren ge langt sei, spuke abermals herum. Bei Beurlheilung der zwischen der britischen Regie rung und der Negierung der südafrikanischen Republik abgeschlossenen Convention über die Abtretung Swazilands an letztere legt man in den politischen Kreisen England» das Hauptgewicht aus die Artikel IV und V, welche den in Swaziland wobnüastc» britischen Unterthanen und unter gewissen Bedingungen überhaupt allen dort ansässigen Wcißcn die Bürgerrechte der süd afrikanischen Republik zusichcrn, sowie aus Artikel IX, durch welchen den BoerS der Bau einer durch Swazi land führenden Eisenbabn ohne specicllc Erlaubniß der britischen Regierung untersagt wird. Man zielt sich der Hoffnung bin, daß die beiden erstgenannten Artikel den vorbereitenden Schritt zur politischen Gleichstellung der britischen mit der Boer-Bevölkerung im gesaininten Gebiet der südafrikanischen Republik bilden werden, so daß dann die Anglisirung des Transvaals und die scste Ver knüpfung desselben mit den britische» Colonien Südafrikas nur noch eine Frage der Zeit sein würde. Durch Artikel IX wird vorläufig, solange noch ein Antagonismus zwischen der Republik unk den, britischen Südafrika be steht, kor ersteren die Möglichkeit benommen, sich eine eigene Verbindung niit dem Meere zu schassen und sich dadurch von den britischen Babnc» und der im Ban begriffenen Tclagcabahn, aus deren Erwerb die Regierung der Capcvlonie immer noch hofft, unabhängig zu machen Indem man so brilischcrseitS die Möglichkeit weiterer Co» ccssioncn in der Hand behält, glaubt man die Eiiirerlcibuiig der südafrikanischen Republik in da- britische Südafrika Zug um Zug herbeifüdren zu können. AuS diesem Grunde bat man auch in eonservattven Kreisen von ernstlichem Wider stände gegen die Abrretung Swaziland« an die BoerS ab- geseken. Deutsches Reich. * Vrrlin, ll. Decembcr Die „Voss. Ztg." hatte berichtet, daß bei der preußischen Regierung die Absicht besteht, die Universitätsstädte zu den Kosten der Universi«ät»-Poli- tlimken deranzuriedeii. Die« wird der „Nat.-Ztg." als irrtbünilich bezeichnet. Die Polikliniken sollen nach wie vor uneiilgcltlich sein und wie biSker a»S Unwersitäl«-, resp. slaaUiche» Mittel» uiilerbalten werden. E« bandelt sich viel mehr um dieErwägiing der Frage, ob eS der Billigkeit entsprechen würde, wenn die Slädle, denen die Universität«-Kliniken, wie z. B. i» Berlin die EharitS rc., bis zu einem gewissen Grade ein städtische» Krankenhaus ersetzen, deshalb einen Beitrag zur Unterhaltung der Kliniken — nicht der Polikliniken — gebe» sollten. Diese Frage ist vor Jahres srist im Abgeordiicteiihause vom Abg. v. Evnern zur Sprache gebracht worden. Tkatsackc ist es allerdings, daß mehrere außerpreußische Universitätsstädte Deutschland«, wie Leipzig. München, Straßburg, mit dem Beispiel von Beiträgen vorangcgangen sind, und daß die französischen Universitätsstädte für ihre medicmischc» Faculläten große Aufwendungen machen. So hat die Stadt Pan« innerhalb der letzte» zwanzig Jabre mehr als 2? Millionen Francs dafür bewilligt, obwohl dort schon die. städtischen Krankenhäuser — wa- in Berlin nickt der Fall ist — den klinischen UnterrichlSzwecken dienen. Die» erklär! eS, daß auch bei unS ähnliche Erwägungen vorliegen; allein von diesen biS zu einer GesetzcSrorlagr durfte noch eine weile Strecke sein. WaS Berlin betrifft, so würde zu einem solchen Gticycnlwurf der jetzige Zciipunck, wo die Verhalt nisse der Cbarilö den Gegenstand vieler Klagen Hilden und bei ihr erhebliche Veränderungen bevorsteden, möglichst wenig geeignet sein. Und in den anderen UniversitäiSstädten sind die Verhältnisse so mannigfach geartet, daß eine gleichmäßige Heranziehung zu Beiträgen erhebliche Schwirrigieuen haben dürste. — Nach verläßlichen Informationen de« „Hamb. Corr." berubt die Meldung, der Kaiser habe sich nach der Parate ,n Hannover zu den zur Reitschule commandirten Osficiercn auch über die Vorgänge im Hannoverschen Spieler proceß geäußert, lediglich ans naheliegenden Combi- na tion en. — Den Eisenbahn-Anleihen kann bekanntlich in Preußen bis jetzt kein dingliche» Recht beigelegt werden; sie stehen niit den übrigen Schulten deö UnlcrnednicnS in gleichem Range. Die daraus erwachsenden, oft erörterten Unzuträg- lichkeilen mache» sich insbesondere in der Gegenwart gellend, die dem Kleinbahn wesen eine rrhöble Aufmerksamkeit widmet. Die Unzulräglichkeiten haben innerhalb der Staats regicrung zu eingehenden Erwägungen und i» Folge derselben z» dem Entschlüsse geführt, wenn möglich, schon in der nächsten Laiitlagöscssion einen Gesetzentwurf einzubringen, welcher die Formen und Wirkungen einer Verpfändung von Eisenbahn-llnternehniungen für Anleihen zum Gegenstände haben wird. Tie Vorlage ist in ihren Grund zögen, wie der „Aclionair" erfährt, bereits zwischen dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten und dem Justiz Ministerium vereinbart und der Entwurf selbst beim Justiz Ministerium in der Ausarbeitung begriffen. Ferrillrtsir. Leben nm Leben. 841 Roman in zwei Bänden von M. Gerhardt. Nachdruck rilbcir». (Fortsetzung.) Der kleine Otto erkletterte jubelnd daS Wäglein und er oberte bettelnd die Leine. Sicwcrt drückte mit seiner braunen Hand die weiße schlaffe, fleischige de» älteren Herrn. Seine weißen Zähne blinkten vergnügt unter den dunkeln Bartwcllen hervor. „Das Biest schafft was, he?" meinte er, nach der Loco- mobile deutend. „Und der Roggen schüttet nicht so schleckt, wie ich gefürchtet batte. Haben eben inspicirt. Roloff und ich. Sie kennen doch meinen Schwager, Herr Markwald?" Roloff stand auf Hildegard'» Seite und hielt ihre Hand. Seine Augen strahlten freudig in die ihren. „Ich wußte nicht, daß Sie hier sind, Herr Professor", stammelte sie in einer frohen Aufregung, die ihren Herzschlag verdoppelte. „Erst seit gestern", erwiderte er. „Ein ganz schneller Ent schluß. ES sollte eine Schweizerreise werden, aber da« Wetter war so „ngünstig. Da gab ein Brief von Schwägerin Iva den Ausschlag." „Wie geht e- in Dannenberg?" fragte Siewert, während die Begrüßungen über Kreuz vervollständigt wurden. „O viel besser", antwortete Hildegard. „Bertha darf seit einigen Tagen aufstehen. Doctor Rost hat sie außer Ge fahr erklärt." ,,Na, Gott sei Dank!" sagte Siewert. „DaS hat eine Weile gedauert." „Fünf Wochen beinahe." „Jetzt wird'S hoffentlich rasch vorwärts gehen. Und die Frau Nachbarin ist nock immer dort?" wandte sich Siewert an Herrn Markwald. Der nickte wiederholt. „Die bat waS durch gemacht!" brachte er in seiner schleppenden, mühseligen Redeweise vor. „Tag und Nacht auf den Beinen, all die Zeit. Eine Schwester Kaden sie auch dort. Und da» Alle» — Alles — wofür? um Ult für den — sür den betrunkenen — Herrn von Götz au und Kind »mdringcn — um «in Haar — um ein „Jawohl, himmelschreiende Tollbeil; — soll ihm aber schwer nachgeben, dem Herrn Schwiegersohn — soll ein ganz anderer Mensch geworden sein." Hildegard nickle. Anfanqs wich er nicht von Bertha'S Lager; aber sie wollte nur Mutter um fick dulden. „Herr Gott, waS mag der Götz glücklich sein, das der Kleine mit dem Leben davongekommcn ist!" sagle Sicwerl. „Eigentlich ist« wie ein Wunder." „Und die Krämpse bleiben seit acht Tagen auS", berichtete Hildegard. „Jetzt hoffen wir, daß das arme Kind ganz ge sund wird." Sie war allSgestiegen, stand bei den Herren und suhlte in stiller Glückseligkeit Rolofj'ö Augen auf sich rubcn. Wie lange war eS der, seit sic nicht so bei einander ge standen! Waren sie denn Beide noch die nämlichen? In ihrem beklommenen Schweigen lag etwa» Zagendes, Tastende- — elwaS wie Erschrecken und Hochgefühl, sich einander lurch anderthalb Jahre der Trennung nicht entfremdet, sondern genähert zu finden. Jetzt war cS nickt mehr der hochverehrte Beschützer und Lehrer, der dem führerlosen Kinde gegenüber stand, sondern der Man» dem Weibe. Das war unvermittelte, von Aug' zu Aug' offenbarte Erkcnntniß. ,Herr Nachbar", sagte Siewert, „WaS meinen Sie, wollen wir 'mal näher heran, die Locemobile arbeite» sehen? Kommen Sie, ich gebe Ihnen den Arm, da»» wird sich » macken. Herr Markirald schüttelte lächelnd den Kopf. ,^Hier über den Graben, Nachbar Siewert? Ne, da thun meine Beine nicht mit." „Sie bleiben im Wagen, versteht sich. Ta« wollen wir schon kriegen. Vorwärts, Otto! Tie Leine stramm, Schlingel!" Siewert führte die PonicS am Halfter über de» Graben und ging da»» »eben dem Wägelchen her, da« gemächlich, in großem Bogen, niit verschiedenen länger» Besichtigung-- und UnicrdaltungSpausen die Runde um die Lacoinobile machte. Bon den blauen Blumensterne», die zwischen Graö und Kraut zu den Füßen der beide» Zurückgebliebenen am Weg rain blühle», glitt Roloff « Auge an der im Weißen MiltagS- licht vor ihm stehenden Mädwengrstalt a»fwärlS. von kein Saum des schlichten kunkcln Rocke», der schmalen, von der Sonne goldig gebräunlen Hand, welche den Handschub ab- gcstrrist batte, der Kellen Wollenblouse, die den schlanken Ober körper zwanglos »mschloß und sich uni dir Wölbung de- Busen- leicht spannte, bi« zu dem braunen Lockenhaar, da« unter dem runbm Ttrohhut hervorquoll, der warm bräunlichen Wanze und dein Auge voll Lickt und Leben. Ter Icicktc dunkle Flaum über den srischrothen, lieblich geschwellten Lippe» gab drin feingcsorniten, charaktervollen Kops einen energische» An-druck. Sic hatte Alle» abgestrcist, waS etwa von städtischer AllerweltSzierlickkeit an ihr Kasten geblieben, war wieder ein Naturkind, ein Landmätcben geworren. Diese Erntcselter, diese grünen Wirsen, dieser weite dunstige Horizont, der blaue Himmel, LaS Lerchengetriller, — das gehörte Alles zu ibr, zu der blühenden, Herdfrischen Jungfräulichkeit ihres Wesens. „Ach, cS ist schön hier!" sagte Roloff, wie au» befreiter Brust ticz ausatbniend. „Mir ist, al» hätte ich zum ersten Mal Ferien, seit meiner Studentenzeit. Ich habe mich w maßlos, so unvernünftig in« Freie gesehnt, gerade hierher, nach der alten Heimalh, wo eS noch wahre unverfälschte Natur giebt. Der lange Winter, die St»benl»ft, die engen Straße», der gelehrte Tratsch »> den Hörsäie» — ,ck war krank davon, e» lag ans mir wie rin Alp, ich ertrug« kaum noch." „Sie sehen recht angegriffen auS, Herr Professor", sagte Hildegard besorgt. In der Tbat, der erste Eindruck jugend licher Spannkraft, den sie von ihm empfangen, war Täuschung gewesen, daS batte sie schon bemerkt. Seine Farbe war gelblich bleich, die Augen lagen tief, dir blaue» Aeterchen an den Schläfen schimmerten stärker als sonst durch die blasse Haut, seine Haltung war etwa- zusamniennesunken. Müdig keil und Nervosität sprachen deutlich a»S jedem Zuge seines Wesen«. „Ein bischen überarbeitet, nicht der Rede werth", crwitcrtc er mit sorglosem Achselzucken „Meine Frau machte sich natürlich überflüisige Gedanken, behauptete, ick müßie Gebirg-- lnft haben, steckte sich hinter nnsern braven Hausarzt, al« >ck mich nicht fügen wollte. Ich wußte ani besten, waS mir notk that, aber ich war miickiscb und sie hätten mich überstimmt — ebne den Succur» von Schwägerin Jda." Sic gingen neben einander den Rain entlang. „Und Ihr Buch?" fragte Hildegard. „Ist e- vollendet? Wird eS gedruckt?" „In den nächsten Wochen wird der Anfang gemacht", erwiderte Roloff mit ausblitzenden Angen. Der erste Band wird noch in diesem Jabre fertig. Der zweite — ia, an dem ist kaum der erste Federstrich getban. Zu dem seblt noch so gut wie Alle« — Studien, Vorarbeiten. Irgendwie muß ich r» möglich machen, Griechenland und den Orient zu be reisen — Indien, Cblna, Peru. Da« läßt sich leider wedrr beute noch morgen auSführen. Von hier a»S muß ich nach Heidelberg, wo eine archäologische Versammlung tagt, und gebe dann wohl nach München, Wien, Venedig, wo eS Hand scbriste» giebt. von welchen ich Einsicht ncbmen muß." „Ach, Sie denke» schon wieder an die Abreise!" ries Hildegard bestürzt. Roloff blieb sieben und wandte fick ganz ibr zu. DaS Wort vkislog ibm auf der Lippe. Beiden stieg das Blnl heiß in Slirn und Wangen. „Denken — ich denke gar nicht", versetzte er mit einer Stimme, an« der eö wie verhaltener Jubel klang. „Denken ist cunvidrig, ganz und gar schädlich. WaS fragten Sie auck nach dem dummen Auch? Ta- ist abgctkan, daS bat mich lange genug zum Cclaven gemacht. Jetzt bin ich frei, lebe in den Tag hinein — ach, nur leben, da sein, um zu leben, Hildegard! —" Sie gingen aus einem schmalen Diescnpsad, dann zwischen Soiiiiiierseltcrn, die auch schon der Sense entgezenreifren. Hildegard zog rin paar langgrannige Gerstenbalme au- dem Boden und zeigte dem Proseffor Narben und Verstümmelungen, dir ein Hagelschlag zurückgelasien. „Sie haben sich zur Landwirthin ausgebildet, Fräulein Hildegard, wer hätte solche Talente bei Ihnen gesucht?" bc merkte er neckend. „Nickt wahr?" gab sic lachend zurück. „Die Nothwendig- keil ist eine gute Lehrmeistern,." „Eine barte", fügte er ernsthaft hinzu. „Ach. eiu Kind vom Lande bat sich ja eigentlich nur auf taS zu besinnen, was eS von jeder vor Augen gehabt. Muß ick es nickt als ein großes Gluck betrachten, daß mein un nütze« Leben jetzt Zweck und Inhalt bat?" „S > c wollen von unnützem Leben sprechen, Sie mit Ihren zwanzig Jahren?" rief Roloff erregt. „Mein Gott, sind wir denn nur BcrbraiichSmaterial sür den Bedarf Anderer, der Familie, der Menschheit meinetwegen! — Sind wir nicht Einzelwesen, Ecnzclwelten, um unserer selbst willen da, ist r« nicht genug, wenn die Andern theilnebmen an unserm Dasein, sich sonnen an unscrni Feuer? — Wie ick Sie kenne — und ich glaube, Sic gut zu kennen, Fräulein Hildegard — ist Ibr jetzige« Leben ein täglicher, stündlicher Kamps gegen Ihre iniierste Natur. Ihre Begabung liegt nicht nach der praktffchea Seite hin " 'Fortsetzung folg« )
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite