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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.12.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-12-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931211020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893121102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893121102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-12
- Tag1893-12-11
- Monat1893-12
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Ob er aber seine Mitschuldigen nennen wird, ist bei der sanalische» Verstocktheit solcher Äkcnschc» noch zweifelhaft. gerade diese sanalische Vcrstockt- btil aber legt der gcsamnitcn, von dem Anarchismus bedrohten bürgerlichen Gesellschaft und ihren berufenen Schützern die Kxbt auf, eS nicht bei der Bestrafung der einzelnen Ver brecher bewenden zu lassen, sondern die ganz: Brut in ibrcn .Heble» aufzusuchcn und ibr die Wege abzugraben, ans denen sie valcr friedliche Menschen mit ihren Mordiiistriimenlcn sich drangt. Ter französische Minislcrrath ist denn auch gestern bereits unter dein Vorsitz Casimir Pcrier'S z»- sanimcngetretci:, um über zu ergreifende legislative und »bin,n istrative M a s; re gcln zum Schutze der bürgerlichen Gesellschaft gegen anarchistische Attentate zu berathcu. Aber leider ist cS recht fraglich, ob auS diesen Berathunzen viel Er sprießliches herauSkomml und ob die beschlossene» Maßregeln mit ernster Consequen; dnrck,gcfübrt werden. Mit Recht schrieb die „Köln. Ztg." unmittelbar nach dem Eintreffen der ersten Nachricht über daS neue Attentat: „Frankreich ist bis jetzt, der freien StaalSfori» de-S Lande! M Trotz, der bevorzugte Schauplatz anarchistischer An- schlage gewesen, der Tynannlschrecken des vorigen Jahres, als die sraaMi'che Bourgeoisie unter dein Zeichen der Furcht vor Ravachol und Genossen stand, ist noch unvergessen. Damals hatte Frankreich von dem Anschlag in dem Hotel der Fürstin von Sagan am r9. Februar bis zu der schrecklichen Explosion in der Aue de! Bons MisailtS sechs größere Dynamit-Attentate aufzuweiscn, die alle von Anarchisten auSgingc». Tie allgemeine Ent rüstung und Angst ries alsbald eine Masse von Anträgen und Vorschlägen wach, mit denen der Anarchismus be» lampst werden sollte, als aber der erste Schrecken sich gelegt hatte, kam man nach endloser Berathung nur zu kleinlichen Maß- regeln, die nicht fruchtete» und dazu gut waren, in Vergessenheit zu gerochen. Jetzt, nachdem die anarchistische Mordbande in der zese-gebcnden btorperschait der Republik selbst ihre Besuchskarte > ^gegeben hat, wird für eine zeillang wieder die Bekämpfung des tlurchioinus die erste Stelle dcr Tagesordnung cinnclnncn; aber ^ eS bleibt abznwartc», ob dcr Erfolg diesmal besser se/a wird." Je weniger man aber von dem jetzigen Frankreich allein eine nachhaltige Bekämpfung des Anarchismus zu erwarten berechtigt ist, um so ernstlicher müsse» die Regierungen alter »»deren Culturstaateu daraus bedacht sein, aus ihren Ge bieten die umfassendsten VorlchrungSniaßrcgeln zu treffen und kurch internationale Abmachungen auch Frankreich zur Konsequenz zu nötbigc». Tic „Nene Fr. Pr." hält zwar von selchen Abmachungen nichts; sic schreibt: „Moralischer Wahnsinn — das ist Alles, was sich über dicke Giftblülhe des Jahrhunderts urthei'.cn läßt. Was zur Be- lämpsung dieser Krankheit vorgekebrt werden kan», das habe» die Staate» zumeist schon vorgckchrt, und dcr Nutzen, den Manche von internationalen Vereinbarungen gegen die Anarchisten sich vcr- iprechen, ist sehr probicmalilch, da auch ohne solche Verträge der Anarchismus a!s eine gemeinsame (tzeiahr aller Länder anerkannt ist und die Sichcrhcitsbehöidcn dcr verschiedene» Staaten einander in dcr Bekämpfung desselben nntcrslüycn. Immerhin solgt an« dieser Natur des Anarchismus das Eine Tröstliche, daß er nicht geeignet ist, zur ttebcrzengung größerer Menge» zu werden, und Lader in seiner (.«ciährlichkeit begrenzt ist. Tie Menschheit wird den Anarchismus übersiehe», wie manche cnberc Krankheit; sie wird, soweit cs möglich ist, die einzelnen Verbrecher strafen und im klebrigen, wie die französische Kammer — darüber zur Tagesordnung übergehe»." Aber mit dieser optimistischen Ansicht steht die „N. Fr. Pr." so ziemlich allein. Ihre Hinfälligkeit ergiebt sich schon Feiiillstsi». Leben um Leben. NI Roman in zwei Bänden von M. Gerhardt. Nachdruck verböte». (Fortsetzung.', Hildegard, ans deren Schultern das Schwergewicht dcr bänslichen Pflichten lag, fand erst bei der Besweerung Zeit, an dem Beisammensein im Familienkreise lbeiizunebiiien. Da saß sie denn, müde und abgesvannt, seitwärts und sak dem zärtlichen Gekose dcS verlobten Paares, da- sich im Schatten der riesiigen WcibnachtSlanne vor Beobachtung sicher glaubte, mit seltsamen Gesüßten zu. Nichts von dem, was andere Mädchen Glück und Liebe .Ulmen, ist ihr Begcbr. Aus bimmetbobcm Felsengrab, un- irrcick'bar sür Menschenhand, da wächst ibr Glück, eine seltene, icslbarc Blume, unter ewigem EiS und Schnee. — Unadbängig re» Zeit und Raum und allen sinnlichen Bedingungen, ein rein seelisches Band ist eS, daS sic mit dem angcbctetcn Nanne vereint. Heute aber verzcbrt sie sich in siebcrbeißer rehnsuckl »ach ihm. Nicht nach einem Wort, einem Brief, I nein elenden Gcdankcnschatlc», nein, »ach ibm selbst, seiner I ürpcrlichcn Gegenwart, seiner greifbaren Nabe! —Ach, nur Ina — ein einzig Mal »och an seiner Brust sich au-weincn I dürfen wie damals an, S«! — Nur einmal ilm an« Her; Ilrücken, vergeben an seinen Küssen, dahinschmelzen an der IKlammengluth seiner Liebe! — I Seil jenem Brief au« Heidelberg batte Rolofs nicht Idieder geschrieben. E« war, als sei dir Spur seine- Dasein« Id.« aus die Erinnerung erloschen — nick'! einmal sein Name Ivorte in Gravclischkcu mcbr laut. Hildegard batte daS I:»pier getragen — eS sollte »nd durfte nickt ander« sein. Ilstr in dieser Nackt weinte sie, als muffe ibr da« Her; »treiben, und flüsterte seinen Namen mit leidcnsaftlicken Klagen Dar beißen Liebe-Worten gemischt vor sich hin und wachte Inibtlc« und schlaflos den Morgen berau. I Am ersten Feiertag wurde eine große Mittagstafel gedeckt. iLulkemar und Bcrtba waren gekommen. Heinz stellte sich Im, auch Richard s Eltern waren geladen. I Vater Markwale, den die Freude über seine Kinder aus ffemer gewobntcn Rüde gebracht und der sick weniger als sonst überwacht sab, hatte sich schon gestern Abend nicht ent darauS, daß dcr Anarchismus infolge seiner unzureichenden Bekämpfung bereits zur „Ueberzeugung" einer nicht geringen Menge geworden ist und sicherlich zur Ueberzeugung einer »och größeren Menge werten wird, wenn der Verbreitung dcS Giftstoffes nicht die denkbar engste» Grenzen gesetzt werden. Es bandelt sich daher auch nicht allein um eine möglichst geschlossene Bekämpfung der bereits znm Anarchis mus „bekehrten" Menge, sondern um eine schärfere Ucber- wachung Derjenigen, deren verderbliche Lehren und Hetzereien den Boden düngen, auS dem der Anarchismus immer aufs Neue heranwächst. Wir können daber dcr „Magdcb. Ztg." nur beipslichten, wen» sie am Schluffe eine« Artikels über daS Attentat in dcr französischen Deputirtcn- kaiiimer sagt: „Tie Frage, die schon neulich auigeivorscn wurde, drängt sich mit verschärsier Gewalt aus und wird nicht ruhen, bis sie Beant wortung gefunden hat, die Frage: Wie lange die gesittet» Welt sich noch dem Wahnwitz einer Handvvll Ver worfener preisgebe» will? Und die andere Frage: Wie es zu verhindern ist, daß diese entsetzliche Verirrung nicht immer weiter um sich greife? Unaufhörlich dal d>e Sociatdemokratie den unverständigen Massen gepredigt, daß die heutige Gesellschaft »ichtS sei als ei» wüstes Durch einander von Gemeinheit, List und Lug »nd Trug. Jahrzehnte lang hat sie das Evangelium verkündet, daß sie berufe» sei, die Armen nnd Bedrängte» und um ihr Glück Betrogenen zu einer besseren Ordnung der Tinge hinübcrzusühren, nnd mit größerer »»d geringerer Deutlichkeit hat sie zu versiehe» gegeben, daß dies Glück nur auf dem Wege der Gewalt den jetzigen Macht habern zu entreißen fei. Was Wunder, wenn dies« Lehre in beschränkten und snnaiiichen Köpfe» den Gedanken zur That werben läßt, denen die ewigen Vertröstungen aus den „nahen Kladderadatsch" zu lange währen oder die in dcr behaglichen Bourgcoisexistenz, die sich die Propheten des neuen Glauben« einer »ach dem andern gegründet haben oder gründen, sobald sie eine Fnljrerrolle erlange», eine Bestätigung ihres Argwohnes erblicken, daß sie selbst von ihren Führer» bereits wieder betrogen worden sei»? Socialdemokratie und Anarchismus sind ans demselben Stamm gewachsen, und e« wird nicht gelinge», den Anarchismus zu beseitigen, ohne zuvor die social» demokratische Bewegung überwunden zu haben." Höchst gespannt ist man allenthalben auf die heurige Sitzung dcr französische» Depntirtkntammrr. Bekanntlich batten die sranzösischen Socialistcu die Absicht, daS Cabinet Tupuy über den Ausstand der Bergleute im Depar tement PaS de Calais zu intcrpellire». Doch trat Herr Tupuy zurück, bevor sie ibrcn Plan zur Ausführung bringen konnten. BaSly und seine Freunde haben nun auf ein andere« Mittel gesonnen, die TiScussio» über jene Frage bcrbriznsübrcn. Sic wollen beule beantragen, eine Unter such u n g S c o m m i s s i o n von llllodcrS »Mitgliedern zu ernennen. „Wir hoffen", schreibt daS „Journal des DöbatS", „daß die Kammer dicscSAnsiiinen obneZögern verw irst, denn derAuS- stand im PaS de Calais bat genug Unglück hervorgcrnscn und stellenweise sogar die öffentliche Ordnung beeinträchtigt. Er bat außerdem bewiesen, wie leicht die Arbeiterbevölkerniig den Worten der sogenannten Führer Gcbör schenkt. Erreicht wurde durch den AuSstand nur daS Eine, nämlich die Nieder lage der Ausständigen. Würde eine UntersuchungScommission aus den Schauplatz dcS kaum beendeten AuSstandS geschickt, so wäre dies das sicherste Mittel, einen neuen bervorzu- rusen. Dies wünschen allerdings vielleicht die Socialistcu, aber die Majorität der Kammer wird ihnen hoffentlich nicht willfahren. UcbcrdieS könnte sich dcr AuSstand dann vielleicht noch weiter auSbreiteu, als über daS Gebiet der Departements PaS de Calais und Nord, und zwar obne den geringsten Profit. Wenn cS eine Industrie gicbt. deren Einrichtungen genau bekannt sind, so sind eS sicherlich die Bergwerke. Darüber existiren sehr genaue halten können, heimlich von den verbotenen guten Dingen zu schlecken, für die er früher „sein Leben gelassen". Er klagte Morgens über Kopswcb und Schwindel, ließ sick aber doch nicht abhalten, znm Frühstück von der frischen Wurst und Sülze zu essen, die Niemand so wundervoll zu bereiten verstand, al« sein Lieschen, und später bei Mischung dcr AnanaSbowle den Vorsitz zu sübrcn, wobei cs ohne häufiges und reichliche» Kosten nickt abging. Bei Tisch beobachtete Hildegard ängstlich sein bochgerölbetcS Gesicht nnd daS Zittern seiner Hände. Sie setzte sick »eben idn. und er schmollte gutmütkig, ob sie ibm nickt das Kindcr- lätzchcn vorbindcn und ihn füttern wolle, täsckelte dann ihren Arm und nannte sie: „Mein gute«, liebe« Töckterchcn" — mit zärtlichem, aber unklarem Blick und stammelnder Rede. Als der Braten gereicht worden, schlug er an sein Gla«: er batte schon immer vor sich binmurmelnd eine Ansprache an das Brautpaar vorbereitet. Aber nach den ersten Worten vertagten ihm Sprache und Gedanken. Er stotterte und lallte, wurde blanroth im Gefickt, schwankte nnd wäre zu Boten gestürzt, wären nickt Hildegard von der einen, Oskar von der anderen Seite stützen» berziigrsprungen. DaS Fest war gestört. Herr Markwald lag in schwerer Bewußtlosigkeit in den Armen seiner Kinder. Er wurde in einen Lehnstuhl gesetzt, kalte Umschläge auf seinen Kops ge legt und nach dem Arzt geschickt. In Schreck und Aufregung umstanden ihn Frau und Kinder, seinen röchelnden Atdem- zügen lauschend, in seinen verglasten Auge» ein Zeichen wiederkebrenten Bewußtsein« suchend. Nach einigen Stunden schien er etwas zu sich zu kommen, sein Blick verlor die lodtenbaste Starrbeit, der zitternde, seitwärts gezogene Munk schien sprechen zu wollen, konnte aber keinen Laut bilden, die Glicrer waren gelähmt. Mit dem Au«druck jammer voller Hilflosigkeit hob sich sein Auge zu dem Hildegard-, die ibn umschlungen hielt »nd sich über ihn neigte. „Vater, lieber Vater, wa« willst Du'? Wa« suchst Tu? WaS kann ich tbun?" Seine Augen irrten tastend umher, seine Lippen bewegten sich bebend, lautlos. ,.O«kar, liebster Vater? Hier ist er." Aber eS war nickt L-kar, den er suchte, sondern Alma. Mehr füklend, ahnend, al« verstehend, la« Hildegard ibm die Gedanken an« den Augen. Alma trat herzu und drückte ihre warmen Lipren aus Stirn unk Dange de- Vater«. Richard wurde gerufen, er umschlang seine Braut, kniete mit ihr zu Füßen de« Gelähmten — Sterbenden nieder. Und dessen Statistiken. Erst ncnerding« bat Clemcnceau dem Parlament eine solche vorgelegt. Handelt cS sich jedoch »m die „Natioiialisation" dcr Bergwerke, d. b. um ihren Ucbcrgang in den Besitz de« Staate«, einer der Hauptartikcl dcS socialistischcn Programms, so liegt eS auf der Hand, daß die Bergleute dabei nichts gewinne» können. Wenn die Kammer die Sophismen dcr „Rationalisatoren" disculircn will, so mag sie cS thu», aber eine monate-, ja vielleicht jabrelanz dauernde „Untersuchung" cinznleitcn, ist nicht nöthig und wird sicherlich die Geinüther nur erregen und bei jener armen Bevölkerung nur eitle Hoffnungen »ud gefährliche Ent täuschungen erwecken." ES wird sich nn» zeigen, ob die Radicalcn auS de» Vorgängen am Sonnabend, bei denen auch sie bedroht waren, genug gelernt haben, um den socialistiscken Antrag zu verwerfe», oder ob ihr Haß gegen das neue Ministerium weit genug geht, um ihnen eine Unter stützung dcS Antrags zu ermöglichen. Seit einiger Zeit sind in der deutsche» Presse Gerüchte aufgetaucht, wonach demnächst ein allgemeines Verbot de« Tragens von (-rtra-Uniformen für Ünterossicierc und Ma »lisch asten erfolgen soll. Irgend eine Bestätigung hat die Nachricht bisher nicht gesunden, aber die schädlichen Wir- kungen »lachen sick, der „Köln. Ztg." zufolge, in der Tuch- industrie bereits bemerkbar. ES laufen bei den Firmen, die Militairtuche seiner Art Herstellen und vertreiben, Briese seiten« der Kundschaft ein, in denen auf da« Gerücht Bezug genommen und milgcthcilt wird, daß man die für Einjährigcn- und Rcc,ulen Uniformen bezogenen und bestellte» Tuche nur unter Vorbehalt annekmen könne. Welche Schädigung für die Geschäfte daraus erwächst, läßt sich leicht er messen. Allerdings ist bereits früher einmal dieses Gerücht ausgetreten, ohne nachher verwirklicht zu werden, trotzdem har sich aber der Aachener Tuchfabrikantcnverein, kessen Mit glieder vielfach durch ein solches Verbot schwer getroffen würden, wie das genannte rheinische Blatt berichtet, veran laßt gesehen, einen Ausschuß ciuzusetzen, der sich ausschließ lich mit der Angelegenheit befassen nnd bei den Ministern Kkiegeä >vd icS Handel« Vorstellung»« erheben soll. Dadurch, das, von jeher in dcr deutschen Armee da« Tragen von Extra-Uniformen gestaltet gewesen ist, hat sich eine Industrie entwickelt, die keineswegs in ihrer Bedeutung unterschätzt werden darf. So bestehen in Aachen allein sechs große Tuch fabriken, welche zusammen nahezu 2000 Arbeiter beschäftigen und die zum größten Tbeil sogenannte Militair-Feintuche Herstellen. Ferner gicbt cS mehrere mit diesen Fabriken in Verbindung stehende Färbereien »nv Spinnereien und dann neck einige alte, angesehene Tuchgroßhandlungen, die fast ausschließlich Militair-Feintuche vertreiben. Auch andere Orte, so Bischofswerda, Kamen;, Kirchberg, SauprrSdorf, Werden, Kettwig, Grimberg i. Schl.» Brandenburg, Görlitz, Sagan, Soran u. s. w., wo große Fabriken der Militair-Fcintuck-Branche vorhanden sind, würden in schwere Mitleidenschaft gezogen. Hat dock schon die thcilmeise Einschränkung des Tragens von Extraunisormen durch darauf bezügliche Verbote einzelner RcgiiiielltScoinman- dcure i» der Tuchindustrie sich sübibar gemacht. So heißt cS in dem letzten Jahresbericht der HandclS- und Gc- wcrbekanimcr zu Zittau über das GeschäftSerzebniß der Tuch- industric in Kamen;: „Ein fernerer Wunsch ist daraus gerichtet, daß beim Militair da« Tragen eigener Sachen in feinerer Waare in jedem Regiment wieder ausdrücklich gestattet werde". Aber nicht allein die Tuckbranchc, die Waffen (Solingen'». Knops- (Lüdenscheid), Mililair-Effccten-Branche (Berlin und Dreödenl würden schwer zu leiten haben. Die deutsche Tuch-Industrie ist dadurch, daß ihr dcr amerikanische Markt fast ganz ver loren ist, schon schwer genug geschädigt, als daß es nom eine- Blick bekam einen Schimmer von Glanz, die Unrube schwand aus seine» Zügen, der Anflug eine- Lächelns voll Zufrieden heit erhellte sie. Als der Arzt kam. erklärte er die Gefabr für den Augen blick gehoben, doch stände zu befürchten, daß der Anfall sich in den nächsten Tagen wiederholen würde, und dann müsse man auf daS Schlimmste gefaßt sein. — Im günstigsten Fall könne man aus eine Gnadenfrist von einigen Monaten, vielleicht selbst einigen Jakren rechnen. Ans Hebung der Lähmungen nicht mehr. Neuntes Capitel. Antonie Roloff saß in ibrcm Empfang-zimmer, ihr gegen über Professor Wenveli», ein wcißköpsiger Herr mit scmen faltigen Züge», zurücktretendem Kinn und pcrgamentartiz ver gilbter Haut. Eine mit lateinischer Schrift gedruckte Bro schüre lag zwischen beiten auf dem Tisch. „Ick begreife cS nickt", sagte sie. „Auf Conslicte war mein Mann gefaßt. Er bat, zu meinem Leidwesen, mit vollem Bewußtsein Genossen und Autoritäten den Fehdehand schuh bingeworfen. Warum bekämpft man ibn aber nickt mit ebrlickcn Waffen? — Bis jetzt ist Freund und Feind fern geblieben. DaS Buck ist eilig und glcickgiltia abgctkan worden, kaum so viel Beachtung bat man ibm geickenkt, wie irgend einer alltäglichen Erscheinung." Dcr Professor hüstelte und läckeltc. „In der That merkwürdig — und sebr verletzend für Roloff." „Er nimmt eS zum Glück nickt schwer", antwortete Antonie stolz. „Er ist, glaube ick, sebr zusrirdcn, nickt durch ärgerliche Controvrrsen in dcr Verfolgung seiner Ziele gestört z» werten. Ein bedeutendes Buch blickt sick schon Babn. ES würde mir nur leid tbun, wenn meines Manne» Freunde sich selbst um den Rubm gebracht batten, scharfsichtiger al« Andere zu sein." „Beredete Freundin, erlauben Sie. daß ick —" „Nickt Sie, Herr Professor", siel Antonie liebenswürdig ein. „Wie würde ick in Ihrer Gegenwart solch' ein Wort Sie konnten sick nicht einverstanden erklären und wollten nicht al« Gegner austreten. Da- verstebrn wir und wissen Ihr Schweigen vollständig zu würdigen." „Aber e« sind mehrere in meiner Lage, verehrte Freundin." „MaH sein» aber die entschiedenen Widersacher, warum greisen ne nickt essen an? Tbun sie e«, so werden sich auch Kampfgenossen finden." „Gewiß, gewiß, rin kritische« Für und Wider. daS den Gegenstand von allen Seiten in« Licht stellt; Wahrheit unk 87. Jahrgang. Erlasses auS dem Baterlande selbst bedarf, um ihr ein weiteres Absatzgebiet völlig zu entziehe». Und noch ein anderer Plniet kommt in Betracht. In allen Garnisvnstädten giebt es neben den Iliiisormfabrikcn eine große Anzahl fleißiger, tuchtiger Handwerker mit vielen Gesellen, die hauptsächlich von der Soldatenkundschast lebe». Auch diese Leute würden durch da» Verbot dcS Tragens von Extraunisormen in ihrem Erwerbe scbwer geschädigt werden. Mit militairischen Gründen läßt sich eine derartige Maßnahme schlechterdings nicht recht rrtige». Sicherlich ist eS nicht statthaft, daß etwa ein Ei» jäbrig-Frciwilliger die Erlaubniß, eigene Sachen zu tragen, derartig m ißbrailcht, daß er als unisormirter Gigerl einher- stolzirt. Dies zu Verbindern, kann aber den Vorgesetzten nickt schwer fallen. Ei» „Appell im Extraanzug" ge nügt, »m die Betkeiligtcn darüber auszuklären, ob »kr Extraanzug „vorschriftsmäßig" ist oder nicht. Vor schriftswidrige Uniformen oder Unisormstücke werden um sv eher auSgcmcrzt werten können, je leichter für die Vorgesetzten in diesem Falle die Controle ist. Daß der allgemeine Dienst durch die Extrannifornl leide, daß derjenige im Dienste weniger tüchlig sei, dcr außer Dienst eigene Sachen trägt, wird im Ernste Niemand behaupten wollen. Dir kennen Regimenter, in welchen den Einjahrig-Frei willigen das Tragen dcr Extrauniform außer Dienst nickt nur gestattet, sondern sogar empfohlen war, ohne daß darum die dienstlichen Anforderungen auch nur im Geringsten in irgend einer Beziehung berabgemindert worden wären. Der einzige Grund, der für die Abschaffung dcr Ertrauniform mit einigem Reckt geltend gemacht werden könnte, ist der Hinweis auf die Ersparniß für die Eltern. In manchen Fälle» werden diese in der That den Fortfall der Extraunisorin als eine Erleichterung begrüßen; in den meisten Fällen aber wird mau die Ausgabe für Extra sachen deswegen ruhig mit in Kauf nebmcn, weil dieser Aufwand im Vcrbältziiß zu den Gesammtkostcn dcr militairischen Dienstzeit geringfügig ist. Entstammt aber die geplante Maßnahme der preußischen Krieg-Verwaltung wirklich dcr Sorge um Ken Geldbeutel der Eltern militairpstichtiger Söhne? Mau wird diese Frage iu vielen Kreisen verneinend beantworten und der Meinung zuneigen, cS sei in erster Linie darauf abgesehen, den socialen Abstand zwischen Ofsicieren und Mannschaften äußerlich schärfer als bisher hcrvortrcten zu lassen. In Lefterrcich sind die Landtage für den 19. und den 28. d. MlS. eiilbcrufen. Zu den Landtagen, die erst am 28. zusammeiitretcn werden, zählt auch der böhmische. Mau ersieht also bierauS, daß cö sich bei der Einberufung diese« Landtage- knapp vor JabrcSsckluß nur darum bandelt, da« Provisorium sür da« LandcSbudget beschließen zu lassen. Freilich ist anzunebincn, daß auch dieser Anlaß von den Czechcn nicht unbenutzt gelassen werden wird, ihrer Gegner schaft gegen daS iie»c Eabiner Ausdruck zu geben. Allein die Partciencoalition wird voraussichtlich auch auf die Gruppi- rung und die AbstimmungSverdältnissc im böhmischen Land tage zurückwirkcn, und da die böhmische Adelspartei, wenn sie dem EoalitionSgedaiikcn nicht untreu werten will, mit dcr deutsch liberalen Partei auch im böhmischen Landtage Zu sammengehen muß, so ergiebt sich hieraus von selbst, daß sich die Czcckcn einer Majorität gegenüber befinden. UcbrigenS hat man es bisher seit dem Sturze des CabinetS Taaffc vermieden, auf die böhmische AuSgleichSsrage zu sprechen zu kommen: die Frage ist also »och offen, ob diese Angelegenheit auch unter der neuen Regierung dieselbe Rolle spielen werde, wie unter dem abgetretenen Cabinct. Eine grundsätzliche Acndcrung i» dcr Auffassung der böhmischen AuSgleichSsrage bei dcr d ents ch liberalen Partei ist selbstverständlich auS- Jrrtblim ausdcckt — WaS kann dcr Autor Bessere- wünschen? — Mir ward das leider auch nicht zu Thcil. Und anstatt dessen nun diese bösartige, bo-arlige Beschuldigung. Ich bin empört, verehrte Freundin. Empört und tief betrübt. Vcr- sönlickeS sollie in dcr anständigen Kritik niemals zu Wort kommen. Dieser — Herr scheint über Ihre Familicnverhältniffe genau insormirt" „Die sind ja sein Gebcimniß. Doctor Munke drängte sich in Bonn sebr an meinen Mann heran, — Sie kennen ja Roloff. Munke war ihm unsympathisch nnd er ließ ibn das füblen." „AK so. ab so!" rief dcr Professor. „Da haben wir ja die Veranlassung." „Und die Widerlegung wird nicht schwer sein." „Sicherlich, Rolvss muß ungesäumt erwidern. DeSbalk brachte icb ihm daS Pamphlet — und deshalb wagte ick, Sie ins Vertrauen zu sieben, verehrte Frau. Sic müssen Ihren Einfluß brauchen, Ibrcn unbegrenzten Einfluß — Roloff darf nickt zu stolz sein — den gemeinen Gehässigkeiten dcr Anklage gegenüber —" „Sagen Sie lieber: dcr verleumderischen Erfindung gegen über, Herr Vroseffor. Denn die ist dock daS Schlimmste!" „Hm -- Einndung — da- Tbatsäcklicbe, meinen Sie —?" Der Prcscssor räuSpertc sich nnd ließ eine bedeutiingSvolle Pause cinlrctcn. Antonie streckte ihre Hand nach dcr Broschüre aus und zögcrle, die Augen betroffen ans ihr Gegenüber geheftet. „Ich will Jbnc» nur gestehe», verehrte Freundin, ich er schrak selbst, als ick Roloff'S Buck las", Kob Dentelin wieder a». „Sic keimen ja meine unbegrenzle Verehrung sür Ibrcn tkenren verstorbene» Valer, den ick Freund nennen durste. Roloff stand ibm natürlich viel näbcr — sein Schüler, sein Sobn, so zu sagen. WaS dankt er nicht Alle» dem alten Herrn!" „Aber Herr Professor, Sie wollen dock nickt sagen — ?" „Roloff muß sich kessen nickt voll bewußt gewesen sein. Die Schrislcn seines Schwiegervater» sind ihm nicht so gegen- wärtia gewesen wie mir, der ich —" „Sic glauben wirklich, daß mein Man» —?" „Daß er ganz schonungslos mit dem Hauptwerk Ihre- ValerS umgebt — mit der wisscuschaitliche» Richtung, zu deren Hanrlvertretern Professor Wildem aebörte — aber liebe, verehrte Frau. Sic keinie» doch Roloff s neue- Buch'?" „Ich habe darin gelesen. Aber flüchtig, fürchte ich. — Und e- ist mir in keiner Weise anszefallcn." (Fortsetzung folgt)
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