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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.01.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970126027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897012602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897012602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-26
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Die alte Taktik der Socialdcuiokratie, Unmögliches zu fordern, um nach Ablehnung dieser Forderungen den Arbeitern Vorreden zu können, die bürgerlichen Parteien batten kein Herz für das arbeitende Volk, das deshalb die jetzige Gesellschaftsordnung zerschlagen müsse, ist selten so klar zu Tage getreten, wie in der gestrigen Sitzung deS Reichstag» bei der Fortsetzung der ersten Berathung der Novelle znm UnfallversicherungSgesetze. Und gerade der socialdemokratische Redner, Herr Grillenberger, war cs, der diese Taktik am schärfsten illustrirte, indem er sie zuerst bestritt und dann zur Anwendung brachte. Seine Partei, bebauptete er, habe nicht deshalb gegen die Ver sicherungsgesetze gestimmt, um sie dann schlecht macken und m den Augen der Arbeiter discreditiren zu können, sondern weil die Gesetze durch ihre Unzulänglichkeit die Arbeiter hätten erbittern müssen. Und trotzdem verlangte er eine noch weitere Ausdehnung deS Unfallversicherungsgesetzes, als die Vorlage sic vorsieht, und erkannte dadurch einen Segen des Gesetzes a». Um aber diese Anerkennung nicht zur Wirkung auf die „Genossen" kommen zu lassen, kritisirtc er die Novelle „in Grund und Boden". Er wollte eben um jeden Preis verhüten, daß dir Arbeiter sich sagen: „Ein unbelegteS Butterbrod ist immer noch besser als gar keines". Erfreulich war e-, daß gerade der klerikale Abg. Hitze, der sonst nicht selten an der Seite socialdemokratischer Redner zu finden ist, die socialdemokratische Taktik einer scharfen Kritik unterwarf nnd Herrn Grillenberger zurief: „Das grobe nationale Werk unserer Unfallversicherung hat sich im Großen und Ganzen bewährt. Ihre Bedeutung haben die Socialdemokraten auch dadurch anerkannt, daß sie jetzt nachträglich ihr ablehnendes Votum zu begründen verjnchen. (Rufe: Nein! und Gelächter bei den Socialdemokraten.) Wenn es nach den Social» demokraten gegangen wäre, hätten die Arbeiter die Millionen Entschädigungen, die bisher ausgezahlt sind, nicht erholten. (Lebhafter Beifall. Gelächter bei den Socialdrmokratcn und Ruse: Viel mehr hätten sie bekommen!) Ja, wenn Sie die Majorität gehabt hätten. (Beifall. Lachen und Unterbrechungen von den Cocialdemokraten.) Herr GriUenbcrger, versuchen Sie doch, mit den Majoritätsparteien Gesetze zu machen. (Beifall und Gelächter.) Sie finden zum Schluß immer einen Angel» punct, wo Sie «infetzen und gegen ein Gesetz stimmen, obgleich auch Sie es alS einen bedeutenden Fort» schritt anerkennen. (Gelächter.) Das haben Sie sogar beim Bürgerlichen Gesetzbuch fertig gebracht, wo man es noch dis zum letzten Tage für unglaublich gehalten hatte. Wenn es aber nachher heißt, das Gesetz abzuschaffen, wie bei dem Javalidengesetz, dann wehre» Sie sich mit Händen und Füßen dagegen. (Lebhafter Beifall. Lärm bet den Socialdemokraten.) Also Ihre »ach» herige Haltung steht immer im Widerspruch zu Ihrer Abstimmung. 2bO Millionen Entschädigung sind thatsächlich gezahlt worden. (Zurufe: 1250!) Den capitalisirten Werth will ich jetzt gar nicht rechnen, aber das ist doch auch schon eine ganz anständige Somme. Also, Sie hätten doch, meine Herren Socialdemokraten, wirklich Ursache, zu sagen: eS ist etwas für dir Arbeiter geschehen! ES ist wirklich besser, als wenn Sie einfach Alles in Grund und Boden kritisiren, so daß Sie sich nicht wundern dürfen, wenn es dann schließlich einmal Hecht, die Arbeiter sind doch nicht zusriedenzustellen, und wenn man dann einen Still stand i» der Socialresorm eintreten läßt." Freilich zwingt dieser Vorwurf gegen die Socialdemokratie au» deni Munde eines klerikalen Redners zu der Frage, wie seine Partei eS mit ihrem Gewissen vereinbaren kann, bei Wahlen gelegentlich socialdemokratische Candidaten zu unter stützen und dadurch zum Erstarken einer Partei beirutragen, die durch künstliche Schürung von Unzufriedenheit die Umsturz neigungen fördert und eine wachsende Gefahr für das Vaterland heraufbeschwört. Liegt der Grund dieser klerikalen Wahltaktik vielleicht darin, daß der Ultraniontanismus seine Herrschaft über die Gemüther gleichfalls nur durch Wieder holung unerfüllbarer Forderungen, wie die der Wiederher stellung der weltlichen Macht ves Papstes, also durch künst liche Schürung von Unzufriedenheit aufrecht zu erhalten vermag? Die erneute Einbringung der sogenannten lex Leiure (zur Bekämpfung der llnsittlichkeit) durch die Centrums- fraction hat, da vorläufig überhaupt nicht abzuschen ist, wann der Antrag zur Verhandlung kommen wird, vor allen Dingen zu der Frage nach vcm Anlaß zu diesem Vorgehen geführt. Der unwillige Bescheid aus dem Centrumslager beweist, wie unbequem diese Frage empfunden wird. Und in der Tbat, rS hat eben kein besonderer Anlaß dazu Vorgelegen. Die Vorkommnisse, welche vor fünf Jahren dazu rietben, etwas eilig die „Klinke der Gesetzgebung" zu ergreifen, obgleich die Erfolge einer strafferen Handhabung der Sittenpolizei abgewartet werden konnten, haben sich nicht erneut. Nach dem Verlauf der CommissionSberathungen über das darauf eingebrachte Gesetz bat sich die Regierung begreiflicher Weise veranlaßt gesehen, das zweifelhafte Ergebniß als „Material" zurückzulegen und weiter über die Sache zu arbeiten, mit der ernsthaften Absicht, im geeigneten Momente dem Reichstag die Sache wieder vorzulegcn. Hätte sie die Commissionsvorschläge, welche jetzt da» Centrum als „seinen" Antrag gegen die Un- sittlichkeit sich zu eigen macht, als eine werthvolle Vorarbeit angesehen, dann hätte sie diese sicher nicht drei Jahre lang ruhen lassen. So weiß auch das Centrum weiter nichts zur Begründung seines Vorgehens zu sagen, als daS verbrauchte Wort: „Es muß etwas geschehen." Für eine parlamentarische Action kann dieser Grund aber nur dann als vollgiltig betrachtet werden, wenn eine geordnete Erledigung der weit dringlicheren, bereits vorhandenen und schon angekündigten Arbeiten der Session verbürgt ist. Und das ist nicht der Fall. Die erste Vorbedingung ist ja nicht einmal vorhanden: die erforderliche Präsenz. Nicht einmal diese vermag das Centrum trotz seiner führenden Stellung in der gegenwärtigen Präsidialmehrheit zu beschaffen. So hätte am letzten Schwerinstag, wo „Anträge aus dem Hause" zur Beratbung kamen, das Haus sicher sehr viel würdiger auSsehen können, wenn alle die Herren dagewesen wären, die „rühmlicdst abwesend" unter den Antrag ihre Namen gesetzt hatten. Daraus erzieht sich, daß die ganze Initiative weiter nichts ist als ein „Kolophoniumblitz", um auch die dunkle „ideelle Seite" der klerikalen Reichspolitik einmal leuchten zu lassen. Und da diese Seite nicht di« stärkste des Klerikalismus ist, so sehen wir vorläufig keinen An laß, uns über kunstfeindliche Erfolge klerikaler Sittlichkeits reformer schon jetzt zu beunruhigen. In Frankreich hat die Nachricht, daß Graf Rurawjew auf Befehl de« Zaren nach Paris kommen, dort achlund- vierzig Stunden weilen und mit Fanre sowohl wie mit dem Ministerium MSline in Verkehr treten werbe, eine sehr freudige Erregung dervorgerufen. Wir wissen eigentlich nicht reckt, warum. Daß Rußland und Frankreich in den meisten politischen Angelegenheiten Zusammengehen, ist eine seit Jahr und Tag bekannte Tbatsache. Daß für diesen Zweck eine persönliche Fühlung zwischen den leitenden Staatsmännern erwünscht ist, versteht sich von selbst, und nicht minder ver steht eS sich, daß der neu ins Amt tretende leitende Staatsmann nicht abwarlet, bis ihm sein älterer College aus dem befreundeten Reiche einen Besuch macht, sondern zuerst diesem seinen Besuch abstattet. Der Zar bat also, wenn er den Grafen Murawjew nach Paris entsendet, damit keineswegs etwas Ungewöhnliches angeordnrt; er wird aber seine freundschaftliche Handlungsweise vielleicht bereuen, wenn er liest, daß em angesehenes französisches Blatt aus dem Besuche folgert, der russische Selbstherrscher wolle nicht eher politische Entschließungen fassen, als bis er sich der Zu stimmung FrankrcickS vergewissert habe. Er wird daraus ersehen, daß den Franzosen Liebenswürdigkeit sehr leicht zu Kopfe steigt; sonst würbe» diese nicht aus Freude über die ibnen erwiesene Aufmerksamkeit so rasch vergessen, daß die französische Politik im russischen Fahrwasser segelt und nicht umgekebrt. Es wird nun für die Franzosen eine kleine Ernüch terung sein, daß der russische Minister nack seiner Rückkehr aus Paris dem deutschen Kaiser seine Aufwartung machen wird. Bei dieser Gelezenbeit dürfte er wohl auch mit den deutschen leitenden StaatSmänneun Fühlung nehmen. Die Franzosen werden also daraus ersehen können, daß die Freundschaft zu Frankreich den Zaren keineswegs veranlaßt, die Nücksickt auf Deutschland außer Acht zu lasten. Wenn sie allerdings daraus eine Beruhigung schöpfen sollten, daß der Pariser Besuch deS Grafen länger und intimer sein dürste, als der Berliner, so hieße es Vogel-Strauß-Politik treiben, wenn man sich der Richtigkeit dieser Ansicht verschließen wollte. Der Unterschied in der äußeren Form des Besuches zeigt allerdings zugleich den Unterschied in dem inneren Berbältniß Rußlands u Deutschland und zu Frankreich. Das aber ist ja eine eststchende Tbatsache seit langer Zeit, und man kann Rußland die engeren Beziehungen zu Frankreich als zu Deutschland nicht verübeln, weil eben Frankreich der russischen Politik so gut wie unbedingt Heerfolze leisten kann nnd gern leistet, während Deutschland in erster Reihe auf seine Bundesgenossen Rücksickt nehmen muß und selbstverständlich auch nimmt. Berücksichtigt man diese Thatsachen, so wird man in der größeren Intimität und Herzlichkeit deS Besuches in Paris nichts Beunruhigendes finden, man wird im Gegen- theil aus dem Besuche in Berlin mit Recht folgern können, daß der Zar ein freundliches Berhältniß zu Deutschland auf recht erkalten will. Am ruhigsten von den Pariser Blättern beurtheilt der „GauloiS" die Reise Murawiew'S nach der Seine. Er schreibt nicht unzutreffend, in Wahrheit gleiche die Reise wahrscheinlich jener pflichtgemäßen Rundfahrt, die der neuernannte Procurist eines HanvlungShauseS bei den hauptsäcklichsten Kunden macht, und wenn dem „GauloiS" bekannt gewesen wäre, daß Murawjew's Rückreise über Berlin führt, so würde er wohl auch mit der Vermuthung zurück gehalten haben, die Pariser Reise des Grasen sei in aus wärtiger Beziehung wahrscheinlich ein Pendant zu der Berliner Reise deS Grasen GoluchowSki. Die demnächst in Venedig zusammentretende inter nationale Sanitätsconfereuz, welche über Maßregeln zur Abwehr ver Pcstgefahr berathen soll, wird von allen europäischen Regierungen beschickt werden. Je weniger dar- Wesen der Pestseuchen bis jetzt in wissenschaftlich befriedigender Art ergründet worden ist, desto mehr kommt darauf an, daß man sich in Venedig über eine wirksame Prophylaxe einige. Da Europa in neuerer Zeit von Pestiiivasioneii, unter denen es im Mittelalter so vielfach zu leiden hatte, glücklicher Weise verschont geblieben ist, so stehen Aerzte und SanitälSpolizei vor einer völlig neuen Situation, die mit der durch die Cbolera geschaffenen zwar eine gewisse Aehnlichkeit besitzt, aber die Frage einstweilen offen läßt, ob die Anwendung analoger Abwehrmethoden auch von analogen Erfolgen begleitet sein werde. Der als hervorragende mebiciniscke Autorität Frankreichs bekannte vr. Brouardel ist der Ansicht, daß die Wissenschaft, wenn der Ansteckungskeim erst einmal nachEuropa verschleppt sei, wenig Mittel zu seiner Bekämpfung habe. Das Heilserum, dessen Anwendung die McrtalitätSziffer von 80 Procent auf weniger denn 10 Procent ermäßigt habe, sei nicht zwischen beute und morgen herzustellen; sei doch über ein Vierteljahr vergangen, ehe die Erzeugung des Diphtberieheilserums den Bedürfnissen des Verbrauchs genügen konnte, und dabei hatte man es doch keineswegs mit einem epidemisch auflretenven Uebel zu tbun. Bei einem Ausbruch der Pestseuche werde man ganze Cubikmeter Heil serumS nöthig haben, und zur Zeit sei davon so gut wie nichts vorhanden. Die Hauptsache bleibt also, daß der Peslkeim über haupt fern gehalten wird. Von früher her ist festgestellt, daß die Verbreitung der Pest ausnahmslos auf dem Wasser wege erfolge, hiernach würden also die aus dem Seewege nach Europa gelangenden indischen Provenienzen auf das Sorgfältigste zu controliren sein. Die Wahrscheinlichkeit, bei Handhabung einer rationellen Prophylaxe einer Verseuchung unseres Wclttheils durch die Pest vorzubeugen, wird um so größer, wenn cs sick bestätigen sollte, daß die Einpfänglichteii Europas für asiatische Sruchenkeime Dank der allgemeinen Verbesserung der sanitären Zustände deS Abendlandes in neuerer Zeit überhaupt abgenommen hat. Je länger die Unthätigkeit der Derwische vor Agordat dauert, desto unheimlicher wird den Italienern zu Muthe, zumal da die drahtliche Verbindung mit Kaffala unterbrochen ist. Man legt sich immer beklommener die Frage vor, ob das Derwischcorps vor Agordat am Euer nicht blos ein Vorhang sei, hinter dem sich daS eigentliche Drama, die Wiedereroberung KassalaS durch die Mahdisten, abspielen soll, wohl gar schon abgespielt habe. Diese Befürchtung geht vermuthlich zu weil, aber nicht ganz unwahrscheinlich ist es, daß die zehntausend Derwische, welche die italienische Colonialarmce bei Agordat festhalten, wirklich nur die Vorhut eines größeren, vielleicht von O-man Digma geführten MahdistenheereS sind, das die Bestimmung hat, Kaffala mit stürmender Hand zu nehmen. WaS inzwischen an der Südgrenze der Colonie, am Mareb vorgeht, ist noch immer nicht recht klar. Am vorigen Dienstag ist rS, wie Ra» Alula selbst an den ita lienischen Commandanlen in Adiqualü gemeldet hat, zwischen dem Ra» und Ago» zu einem Gefecht gekommen, in deni dieser geschlagen und getödtet, Ras Alula leicht verwundet SO) Fererlletsn. Die Nixdorss. Roman von Hermann Hriberg. Nachdruck verbot»». Nachträglich war'- ihr eingefallen, das Rudolf'» Abwesen heit ihren Plänen sogar förderlich sei. Sie fand Zeit und Gelegenheit, sich nach der Commode umznsehen. So hatte sie dieser Gedanke erfüllt, daß ihr erst, als sie oben angelangt war, einfiel, daß die Rumpelkammer verschlossen sein werde, daß sie also Pieck nach dem Schlüssel fragen müsse. So eilte sie denn wieder hinab, ließ Pieck kommen und theilte ihm unter einem gleichgültigen Vorwanve ihre Wünsche mit. Rudols'S Kammerdiener aber zuckte bedauernd die Achseln. Alle Schlüssel zu solchen Gelassen: Weinkeller nnd BorrathS- räume, bewahre der Herr Graf selbst auf. Nach kurzem Ueberlegen beschloß Jsabella, sich dennoch wieder hinauszubegrben. Früher war die in Frage stehende Abseite nicht von Brettern, sondern von Latten umkleidet gewesen! Vielleicht war dies noch der Fall, und sie konnte wenigstens sich überzeugen, daß die Commode noch vor handen war. Bon der ersten Etage führte vom Corridor zur Rechten eine breite Treppe zu de», Schloßboden hinauf. Ti« bestieg Jsabella, betrat dl« mit gewaltige» Scbornsteinhälsrn und vielen Verschlägt» versehenen großen Räum«, ließ den Blick umhrrschweisen, da allerlei Brettergerüinpel unter dem Dache stand, unv begab sich endlich an den Ort, an dem, unbeachtet und staubvergeffen. Da- verborgen sein sollte, was auf die nächsten Geschick« der Familie Rixdorf »inen so umwälzenden Einstuß ausüben konnte. Ja, die öaltenverschläg« waren noch vorhanden wie früher und fl« gestatteten einen Einblick. In buntem Durcheinander stand dort alle« Mögliche zu sammen; ein alter viereckiger, gestickter Wandschirm neben einem altmodischen, kupfernen Theesesiel, hohe, steife Lampen und zusammengeschnürte Bündel, Zeitungen neben einer zer brochenen Vase. Aber auch drsecte, breitlebnige Stühle, weiß angestrichene Gartentische mit gebogenen Beinen und andere alte Möbel waren vorhanden und unter diesen auch — di« Commode. Obschon ziemlich weit zurückgestellt, sah man doch ihre anmuthig geschweiften Formen und mattglänzenden Bronze- beschicige deutlich hervorschimmern. Ein schier lebenbergendes Wesen schien dem alten Möbel innezuwobnen. So dünkte es vielleicht Jsabella, während sie — machtlos vor der verschlossenen Tbür verharrend — yinüberschaute. So vor einen vielleicht großen Sckatz gestellt zu sein und ihn nicht erreichen können, daS war Qual! Endlich trat sie zurück und wandte sich, um noch vor ihrem Hinabsteigen eine Umschau über daS Land zu gewinnen, der Hinterfront des Gebäudes zu. Ueberau, wädrenb sie dahin schritt, Staub, Staubgeruch und Mörtel. Wiederholt ging ihr Fuß über kleine, gelbe Häufchen, die die Holzwürmer aufgewühlt hatten. Einmal gab ein morsch gewordene« Brett schier beängstigend nach. Nun aber stand sie vor dem Bogenfenster und schaute hinab in den Park. Ein wundervoller Anblick! — Aber auch «twaS, daS Jsabella überraschte und beschäftigte, erschien vor ihrem Auge. Martha Witt wanderte in einem der Fichten- wege auf und ab. Wenn sie an« Ende gelangt war, kehrt« sie wieder um. Und so fort, ruhelo«! Offenbar erwartete sie Rudolf'S Rückkehr. Ein Gefühl de« Mißbehagen« be mächtigte sich Jsabella'«. Martba Witt blsuchte ihren Onkel auf Steinhorst! Sie kam zu ihm! Und doch wurde sie wieder irre. De« Mädchens Ruf war tadellos. Plötzlich kam ihr der Gedankt, t« sei etwa» Außerordent liches geschehen; da» habe sie hergeführt. Zuletzt ward« Jsabella zur Gewißheit. Und Nähere« zu erfahr««, weil'« auf Jam»«' Angelegen- heilen von Einstuß sein konnte, drängte Jsabella stürmisch. Rasch entschlossen nahm sie den Weg zurück, stieg dir Treppen hinab, eilt» durch di« Flüaelzimmer zur Rechten und stieg, al« sie da« neben dem Speisrsaal liegend« Gartenzimmrr erreicht hatte, di« Treppe in den Park hinab. Von ihrem unruhigen Gefühl getrieben, nahm Jsabella direct den Weg nach der Fichtenallee. Daß Martha lieber nicht angesprochen sein wollte, vermuthet« sie, e» war ihr sogar zweiselloS, aber sie wünschte au« verschiedenen Gründen, st " der Tochter de« Förster» zu nahen. Sie wollte sowohl erkunden, wa« an den Gerüchten sei, die über sie und Rudolf sich im Umlauft befanden, al« auch verhindern, daß Martha ihr bei ihren Plänen in den Weg trrte. Al« Jsabella ihr Ziel erreicht hatte und im Begriff stand, in den Tannengang einzubiegen, sah sie Martha, tirfherahl gebeugt, auf einer dort stehenden Bank sitzen. So verloren in ihren Gedanken war sie, daß erst daS Geräusch der Schritte der sich Nahenden sie aufscheuchte. Al« sie aber da« Auge emporscklug und Jsabella erblickte, fuhr sie rasch und mit allen Anzeichen der Verwirrung empor. „Ich war oben im Schloß und sah Sie beim Hinunter- schauen hier im Park, Fräulein Martha!" Hub Jsabella zuvorkommend an. Ich bin hergefahren, um meinen Onkel zu sprechen. — Wie geht'« Ihnen? Wa« hat Die nach Steinhorst geführt?" Zunächst hatte Martha die größte Mühe, ihre Befangen heit abzustreifen. Nickt« konnte ihr ungelegener sein, als einem Mitglied der Rixdorfschrn Familie heute in Stein horst zu begegnen. Dann aber von einem plötzlichen Gedanken erfaßt, veränderten sich ihre Mienen, und sie sagt«: „Sir fragen mich, WaS mich herbeigeführt hat, Comteffe. Ach! Leider nicht» Gute«! Ich bin sehr, sehr unglücklich, unv da ich so unerwartet Sie treffe — darf ick Sie um einen Rath angehen? Sir waren stet« so gütig gegen mich, daß ich die Hoffnung habe, Sie werden einem armen Mädchen deshalb nicht zürnen, Sie werden ihr gewähren, worum sie Sie bittet — Nach dieser bewegt hervorgestoßenen Einleitung berichtete sie, was geschehen war, erklärte, daß sie, da Rudolf nicht auf Strinborst gewesen, Vie Nacht bei der Frau de« Verwalters im Flugsander Vorwerk zuaebracht, und ergänzte mit dem Ton starrsinniger Entschlossenheit, daß fte nicht wieder in daS Hau« ihre« Vater« zurückkehren, sondern, gleichviel, wie die Welt darüber urtheiltn werde, sich nunmehr unter Rudolf'« Schutz stellen und bei ihm bleiben wolle. „Ich kann mir Vorsteven", schloß sie, „wie auch Sie, Comteffe, über Ihre« Herrn Onkel« Neigung zu mir denken Aber Sie stehem ich weiß r«, nicht aus den, engherzigen Standpunkt, daß ich seiner nicht würdig, weil ich eine BUraer- liche bin. Sie seben in dem Menscken nur den Menschen, und deshalb schätzen, lieben und verehren Sie auch alle, die Sie wirklich kennen, die nicht nach dem äußeren Anschein urtkeilen." Martha brach ab, und eine Weile besann sich Jsabella. Sie sah still, mit ernstem Blick vor sich hin, al« ob skr Alle« erwäge, wa« immer zu erwägen sei. Dann ergriff sie mit festem Ausdruck der Bedrückten Hand und sagte: „Ja, Martha, ich will thun, WaS Sie wünschen, unter einer Bedingung. Ersten- geben Sie unter allen Um ständen die Absicht auf, jetzt hier auf Steinhorst zu bleiben. kämpfe, .So Streifen Sie ab, was der Zorn geboren hat, was nur durch ihn in Ihrer reinen Seele Wurzel fassen konnte! Gedenken Sie Ihres Rufes als Mädchen, und nehmen Sie auch die Rücksicht auf uns, in deren Kreise Sir als Mitglied eintreten wollen! Sodann: Macken Sie mich einst nicht verant wörtlich, daß ich Ihnen Vorschub für Ihre Entschlüsse ge leistet babe. Es gehört eine starke Selbstverleugnung dazu, einen Mann, wie meinen Onkel, zu hcirathen, neben ihm ein langes Leben dahin zu gehen. Ich möchte noch jetzt in Sic dringen, — Sie werden mich nicht mißverstehen, Martha — Ihren Schritt reiflich zu überlegen. Ich kenne Rudolf seit meinen Kinderjabren. Es ist schwer, mit ihm zu leben! Dock davon noch später. Zunächst bitte ich Sie, sich sofort zu e»t fernen. Ich sinne darüber nach, wohin Sie gehen können. Ick weiß im Augenblick nickt» Bessere«, al« daß Sie die Nacht bei dem alten Timm in Eutin bleiben. Inzwischen rede ick mit Ihrem Vater, und so Gott will, ziehen Sie, mit ibm versöhnt, bald wieder in Ihr eigenes Heim ein." Während bei den ersten Sätzen der letzten Rede Marthas Züge sich glücklich ausgehellt hatten, verfinsterten sie sich bei den Schlußworten. Und dann sprach sie nach kurzen,, endem Besinnen: a! Alle« soll nach Obren Wünschen geschehen, Comteffe. und haben Sir innigsten Dank für Ihre Güte. Aber was meinen Vater anbetrifft, so bitte ich mich von jeder Brr pflichtung zu entbinden. Ich habe gelobt, daß ich den ersten Schritt zu ihm nicht thun will und sollte ich darüber zu Grunde gehen. Zu Furchtbare« hat er mir angethan! Ihre Vermittelung aber ist ein solcher Schritt! Sie werden sagen, daß ich keine Milde verdiene, wenn ich so unversöhnlich meinem eigenen Vater begegne. Aber vergegenwärtigen Sie sich, wie er mich behandelt hat. Die Sittenreinheit seiner eigenen Tochter hat er in Zweifel gezogen, ihre Ehre an- getastet. Da« vermag kein weibliches Herz zu vergessen — dem Baker -- am wenigsten!" Ihrem ersten Impuls folgend, wollte Jsabella Ein wendungen erheben. Aber sowohl ihr einsichtsvolle» Nach empfinden al« auch kluge Besonnenheit hielten sie ab. Sie konnte ja im Stillen ohne des Mädchen« Wissen handeln! So beschloß sie, und deshalb sprach sie in einem Martha befriedigenden Sinne. Es blieb nur noch der Ort zu verabreden, an dem sie sie nach der Begegnung mit Rudolf in ihrem Wagen auf- nehmen sollte. Während sie noch darüber verhandelten, war e« Jsabella,
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