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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.02.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970205024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897020502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897020502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-02
- Tag1897-02-05
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Daß die gestrige Berathung des Reichstags über den socialdemokratischen Antrag auf gesetzliche Einführung des achtstündigen Arbeitstags etwas Anderes als die Be schwichtigung der aus „Thaten" drängenden unzufriedenen „Genossen'" zur Folge haben werde, haben die Antragsteller sicherlich selbst nicht erwartet; wahrscheinlich haben sie es nicht einmal gewünscht, da sie über die Consequenzen, weiche da- einseitige Vorgehen Deutschlands auf dem Wege der gesetzlichen Beschränkung der Arbeitszeit für die Concur- renzfähigkeit der deutschen Industrie auf dem Weltmärkte und damit auch für die deutsche Ardeiterwelt baden müßte, nicht im Unklaren sein können. Von größerer Trag weite als diese Plenardrbatte ist vielleicht daS Ergebniß einer gestern abgebaltenen Sitzung der konservativen Fraction deS Reichstags, in der an Stelle des Abg. v. Manteuffel der Ada. v. Levetzow zum Vorsitzenden gewählt wurde. Mit dieser Wahl ist die Führung der Partei durch Herrn v. Manteuffel, die nach Beseitigung de» Herrn v. Helldorf im Jahre 1892 begann und daS Tivoliprogramm und die Verbindung mit der extremen Agraragitation zur Folge hatte, durch eine andere abgelöst worden. Aeußerlich wird diese Ablösung mit der Arbeitsüberbürdiing des Freiberrn v. Manteuffel molivirt, der als Vicepräsident des Herren hauses und als LandeSdirector der Provinz Brandenburg zu sehr in Anspruch genommen sei, als daß er die Führung der conservativen ReichStagssraction noch länger aus sich nehmen könne. Und wenn wir uns recht erinnern, so hieß es schon damals, als Frhr. v. Manteuffel Nachfolger des Herrn v. Levetzow als LandeSdirector von Brandenburg wurde, daß damit sein Rücktritt von seiner führenden Stellung in der conservativen Partei eingeleitet sei. Motivirt nun aber auch wirklich die Arbeitsüberbürdung des Herrn v. Manteuffel dessen Rücktritt, so motivirt sie noch nicht die Wahl gerade des Herrn von Levetzow, der als maßvoller Politiker bekannt ist und schon durch seine conciliante Art sich vortheilhaft von Herrn v. Manteuffel unterscheidet. Gerade diese Wabl erweckt die Hoffnung, baß künftig ein günstigeres Berhältniß zwischen der conservativen ReichStags sraction und den Fraktionen der deutschen Reichspartei und der Nationalliberalen sich berauSbildcn werde, ein Ber hältniß, das durch die nicht nur sachlich, sondern auch äußerlich immer schroffer werdende Art, mit der Herr v. Manteuffel die immer schärfer hervortrctenden Schwächen seiner Politik decken zu müssen glaubte, wesentlich gelitten bat. Zunächst wird man freilich abwarten muffen, ob Herr v. Manteuffel wirklich, wie im Reichstag verlautet, nun auch anS der Centralleitunz der conservativen Partei, dem sog. Elferausschuß, ausscheidet. Freihändler und extreme Agrarier erleben zu gleicher Zeit und in derselben Sache bittere Enttäuschungen. Die Einen wollten die Industrie zu sich herüberziehen und verbreiteten deshalb ein Märchen von der Abneigung der Regierenden gegen Fortsetzung der Handelsvertragspolitik. Die Anderen gedachten zu ihren Zwecken die ganze Landwirthschaft in Gegensatz zur Industrie zu bringen und gaben deshalb eine Handelsvertragsparole aus, von der sie glaubten, sie würde das ganze AuSfubrgewerbe zur Mobilisirung gegen die Landwirth- schüft drängen und diese damit der Vertdeidignng durch Berufs agitatoren bedürftig machen. Die eine wie die andereSpeculation ist gänzlich fehlgeschlagen. Die Industrie hat so wenig wir der Reichskanzler der „Nationalzeitung" den Gefallen ge- than, den Grafen PosadowSky mißzuverstehen, und mit den Angriffen auf den preußischen Landwirthschaftsminister, mit dessen Befehdung als der eines von den Agrardemagogen trotz aller Complimente noch immer bitter gehaßten Mannes eie „Entschiedenen" wieder einmal einen Beweis ihrer Klugheit gegeben baden, wird eS auch schon wieder still und stiller. Herr v. Hammerslein hat in der Thal auch nichts gesagt, waS ihn als Gegner künftiger Handelsverträge erscheinen lassen könnte. Nach dem stenographischen Berichte hat er daran erinnert, daß er gegen den „materiellen Inhalt" der bestehenden Vertrage vor deren Abschluß Be denken erhoben habe. Nun, dieser Inhalt, namentlich der deS Vertrags mit Oesterreich, ist aucki sehr bedenklich, und das ist soeben wieder anerkannt worden von dem G e n e r a l s e c r e t a i r des Centrumsverbandes deutscher Industrieller, Herrn Bueck, der am Mitt woch in einer Telegirtenversammlung deS Verbandes erklärt bat: „einzelne Handelsverträge hatten sich allerdings nicht besonders bewährt, die anderen aber, und namentlich der mit Rußland, seien außerordentlich werthvoll"". Der deutsch-russische Vertrag ist aber bekanntlich derjenige, vor dessen Abschluß sachverständige Industrielle dem amtlichen deutschen Concessionseifer in die Arme gefallen waren, wäh rend der deutsch-österreichische mit seinen gloriosen Stipula tionen, wie z. B. der über die „Zulassung" Schwarzwälder Uhren in Oesterreich, soweit die „diesseitigen" Interessen in Betracht kommen, ausschließlich den Stempel der damaligen deutschen Regierung trägt. Der Centralverband deutscher Indu strieller ist die bedeutendste großgewerbliche Interessenvertretung Deutschlands und Herr Bueck wird von Gegnern unserer Partei mit Vorliebe manchesterlicher Neigungen beschuldigt. Es verlohnt sich deshalb, näher zu betrachten, WaS dieser Mann unter dem lauten Beifall der Bernssgcnossen über das Berhältniß von Industrie und Landwirthschaft ausgesprochen bat. Er ließ die Uebertreibungcn der Berufö-„Agrarier", die zumeist nicht Landwirtbe sind, und die Zweideutigkeiten des Herrn Grafen Limburg-Stirum nicht unverurtbeilt, aber die Nothlage der Landwirthschaft ist von ihm unumwunden anerkannt worden, und zwar nicht unter „platonischen" Liebeserklärungen Herr Bueck stellte mit Recht fest, daß Deutschland ohne Bindung der Getreidezölle keine Handels verträge, wenigstens keine werthvollen, abschließen könne. Aber „der Schwerpunkt liegt in der Höhe des gebundenen Zolles". Hier aber, so fuhr Herr Bueck fort, sei der Punct, wo die Industrie vielleicht zur Rettung der schwer gefährdeten Handelsverträge zu einer Verständigung mit der Land- wirthschafl, wenn auch nicht mit dem wüsten Agrarier thum, gelangen könnte. Die Handelsverträge könnten unter der Bedingung eines erhöhten Getreidezolles, wenn es die Verhältnisse der Landwirthschaft unbedingt erfordern, erneuert werden, und in dieser Beziehung glaube er con- statiren zu können, daß die Industrie einen Wider spruch nicht erheben würde! Der Staatssecretair v. Boetticher, der der Versammlung beiwohnte, sprach dieser im Namen der Regierung den Dank dafür aus, daß sie den Appell des Herrn Bueck, der Land» wirlbschaft das bisher gezeigte warme Herz auch ferner zu bewahren, mit Beifall begleitet hätte; das sei die „richtige Poltitik", und in der Tdat darf man sagen, daß bei dieser Zusammenkunft von Vertretern einer bestimmten Erwerbsgruppe der Gedanke der Harmonie der Inter essen von Landwirthschaft und Industrie einen Triumph gefeiert bat, der um so höher zu veranschlagen ist. als er zeitlich mit parteipolitischen Versuchen zusamnienfiel, deren Zweck die Zerstörung jener Harmonie ist und die leider auch von einigen gedankenlosen nicht radikalen Zeitungen Unter stützung erfahren hatten. Um den Schmerz der dem Grasen PosadowSky als Verfolger erstandenen Organe grenzenlos zu machen, erklärte sich Herr Bueck auch mit der Ausstellung eines neuen specialisirten autonomen Zolltarifs einverstanden; „die Ab sicht, unseren Tarif besser auszugestalten, sei dock nur mit Freude zu begrüßen". So peinlick diese Erklärungen den Freunden der Parole „hie guet bürgerlich-socialdemokratisch" sind, so fatal sind sie mit ihrem der Landwirthschaft ent gegenkommenden Inhalte den Agrardemagogen, die mit der Breslauer Losung „keine Bindung von Zöllen" Geschäfte zu machen hoffen. Das Organ deS Bundes der Landwirtbe schweigt sich denn auch über Herrn Bueck'sRede vollständig aus. Es ist erfreulich, daß Präsident Krüger der für Trans vaal im höchsten Maße verletzenden UnterhauSrede Chamberlain's sofort die treffende Antwort hat folgen lassen. Wie ernst der Präsident der südafrikanischen Re publik die durch Chamberlain's neuliche Philippika geschaffene Lage ansieht, zeigt die Schärfe des von ihm angeschlagenen Tones. Krüger ist grundsätzlich ein Mann des Friedens, wie er schon des Oefteren durch Worte und Thaten bewiesen hat. Wenn nun ein solcher Mann in seiner verantwortungsreichen Stellung seine „ernste Mißbilligung" über das Be streben Chamberlain's, die sogenannten Uitlander- beschwerden mit dem Raubzuge Iameson's zu ver quicken, außspricht, so läßt daS auf einen Zustand sehr hoch gradiger Animosität schließen, denn das angeborene Phlegma des niederdeutschen Volkscharakters ist dem Gebrauch starker Ausdrücke in der Regel abhold und macht davon nur in den Fällen eine Ausnahme, wo ihm infolge einer längere Zeit fortgesetzten systematischen Aufreizung der GeduldSsaoen zu reißen droht. Noch ist dieser letzte kritische Moment bei Krüger nicht eingetreten, denn wie er selbst erklärt, hat er stets allen seinen Einfluß ausgeübt und übt ihn noch aus. um den Raffenhaß in Südafrika zu mildern» aber das Gesäß seiner Langmuth ist bis an den Rand gefüllt und ein einziger Tropsen kann eS zum Ueberlaufen bringen. Die neuesten auS Pretoria telegraphirten Erklärungen deS Präsi denten Krüger können Herrn Chamberlain keinen Zweifel darüber lassen, daß die letzten Ziele seiner auf die Uillanderfrage basirlen Südafrikapolitik (Majorisiren der Boeren durch das Britenthum auf dem Wege parla mentarischer Gesetzgebung) von den Boeren vollkommen durchschaut werden und daß Krüger nicht gesonnen ist, in die ihm von Chamberlain mit seinen Uitlander- forderungen gestellte Falle hineinzugehen. Was wird Herr Cbamberlain thun? Seine Position vor dem parla mentarischen Untersuchungsausschuß mag so sorgfältig arrangirt sein wie nur irgend möglich, gegen den Präsidenten Krüger ist sie schon jetzt unhaltbar ge worden. Was daher auch aus der Thäligkeit jenes Aus schusses hervorgehen mag, es wird auf die Politik der Re gierung in Pretoria nickt den geringsten Einfluß üben, höchstens daS Mißtrauen noch verstärken, mit dem man dort auf das Gebühren der Chamberlain, Rbodes und Genossen blickt. Und die Consequenzen werden nicht ausbleiben. In die Erscheinung treten dürsten sie, wenn Cecil Rhodes nach Südafrika zurückgekehrt sein wird. Wie der „Temps" meldet, soll sich der Chef der Nubas von Mossi (Hinterland von Dahomey), dessen Hauptstadt Wagadugu ist, der französischen Autorität vollständig unterworfen haben, nachdem Lieutenant Voulet, der zur Expedition des Capitains Destenave gekört, in Wagadugu sich festgesetzt hatte. Wie indessen die „Post" hört, lehnt der größte Tbeil von Mossi es ganz ent schieden ab, sich unter französische Herrschaft zu stellen. Wenn die Franzosen sich dort wirklich festgesetzt haben, könne das nur aus Grund einer Verständigung mit kleinen Häuptlingen ge scheben sein; schwerlich aber würden die Franzosen in dem weiten und wenig erforschten Gebiete von Mossi überhaupt ernstliche Schritte thun, um sich dort dauernd festzusetzen. Auffallend ist übrigens, wie die „Post" hervorbebt, daß die Franzosen, wenn sie für eine Verbindung vonDahomey mitMossi schwärmen, übersehen, vollständig vergessen, daß Deutschland sckon im Zabre 1889 mit Len wichtigsten der dort in Betracht kommenden Landschaften Verträge geschlossen hat und außerdem durch die Expedition Or. Gruner's alle Lücken glücklich auszusüllen in der Lage gewesen ist. Wenn Frankreich sich so großen Nutzen von einer Verbindung zu Lande zwischen der Elfenbeinküste und Dahomey über Mossi verspricht, so wird es auf die Karawanenstraße jenseits des Nigers in der Wüste Sahara zurückgreifen müssen, d. h. vorausgesetzt, daß dort nicht wieder die englische Niger Company An sprüche ,zu erbeben im Stande ist. Im Uebrigen dürften Handel und Verkehr im Hinterland von Dahomey und Togo kaum je auf dem genannten Wege irgend welche Bedeutung erlangen; denn die Waaren sind nicht einmal im Stande, die Kosten des Transports zur Küste zu tragen. Vielleicht werben diese Erwägungen den Franzosen in ihrem Schmerz getäuschter Hoffnung etwas zum Trost gereichen. Das Ministerium Ca novas hat sich nun doch veranlaßt gesehen, die Grundzüge der für (?uba geplanten Reformen bekannt zu geben, obwohl der Aufstand auf der Insel noch nicht unterdrückt ist. Diese Reformen erscheinen ihren Grundzügen nach als ziemlich ausgiebig bemessen, man wird aber die Bestimmungen im Einzelnen kennen lernen müssen, um zu beurtheilen, ob nicht die Ausführung der Reformen die anscheinende Liberalität ihrer Grundzüae zu nicht« macht. Die Bestimmungen beziehen sich auf die RegierunaSgewalt, auf die politischen Rechte und auf die wirthschastlichen Verhältnisse. WaS die Regierungsgewalt anbetrifft, so hatte der Vertrauensmann der kubanischen ge mäßigten Politiker, der Marquis Apezteguia, auf eine stricte Durchführung der Trennung von Militairgewalt und Civilgewalt hinzuwirken gesucht. Dieser Wunsch wird an scheinend nicht m Erfüllung gehen; denn an der Spitze der Regierung soll ein Generalgouverneur, zweifellos ein hoher Militair, stehen. Ob gerade ein Militair geeignet ist, die Gegensätze zu versöhnen, ist doch noch sehr die Frage. Die politischen Rechte sollen anscheinend recht beträchtlich sein. Es soll nicht nur eine bedeutende provinzielle und städtische Selbstverwaltung eingeführt, sondern es soll sogar eine Art von Parlament eingerichtet werden und zwar anscheinend nach dem Schema, das eben in Württemberg beseitigt werden soll, nämlich theils vom Volke gewählte Vertreter, theils sogenannte privile- girte. Was die letzteren anbelangt, die 2/z xer Versammlung bilden sollen, so wird man wohl vermuthen können, daß aus ihre Wahl die spanische Regierung einen bestimmenden Ein fluß haben wird. Indessen könnte diesen der Regierung er- Ferrrttets« In der Irre. 3j Novelle von M. v. Oertzen. Nachdruck vkrboten. Julian ließ May's Hand sinken, die er in der seinen gehalten. „Du hier!" sprach er nicht ohne Verwirrung. Werde nicht so roth — Du hast eben gehört, wie man uns bekämpft und besiegt — wünsche Dir nur auch einen so ge horsamen Gatten, wie ich sein werde —" „O nein", sagte Resa mit Emphase. „Nein fragte Julian gedehnt. DaS Scherzen verging ihm — Resa'S Augen waren ibm unbequem. „Und warum „nein"", wenn ich fragen darf?" „Weil ich keinen Mann will, der gehorsam ist. weil ich keinen Mann mag, der mir Alles zu Willen thut . . . und weil ich so tiefen Nespect vor einem Mann habe, wie er zum Beispiel da vorkommt" — sie deutete auf das Nansen werk —, „daß mir der Atbem vergebt und ich an ibm empor- blicken möckte und ihn bewundern — und wenn einer, durch dessen Kopf und Herz eine ganze Welt gegangen, mich an- sehen würde — der sollte mein Herr sein!" Jnlian verschränkte die Arme. Er war leicht erblaßt. „Unpraktische, deutsche Schwärmerei", murmelte May. „Du zählst mich also nicht zu jenen Bevorzugten?" „Ich habe nicht an Dich gedacht." „Ab . . . Dennoch, wenn Du einst lieben wirst, Resa — so wirst Du eS crsadren, daß die Liebe nicht um der guten Eigenschaften willen liebt —" „Ich werde nicht lieben", sagte sie ruhig. „Und wenn Du heirathen wirst", warf May ein. „Heiratbest Du auS Haß?" „Nein. Aber an- Achtung." „Ob?" „Aus Verehrung — Sympathie — oh, nur nicht auS Liebe!" Sie schüttelte sich und wandte sich ab. „Wesbalb nickt?"' fragte Julian eigensinnig. „Weil sie schwül ist, wie zu viel Jasminduft — und die Menschen verändert —, so daß sie lauter merkwürdige Dinge sagen und thun, die man nicht begreift." May brach in Lachen au». „Sehr schmeichelhaft. Wo Haft Du Gelegenheit gehabt, die Liebe zu studiren, Resa?"" „Ich mag eben alles Kühle und Ruhige — die Hitze ver setzt mir den Athem." „Nun, das Leben wird lehren, wer recht hat", sagte Julian. „Was mich betrifft, so höre: In Allem giebt es einen Anfang, einen Höhepunkt und ei» Ende — nur in der echten Liebe nickt. — Die ist wie Wein: Wenn er neu ist. schäumt er und ist süß — später wird er firn, klar und stark. So traue ick cs mir zu ... . wenn der Wein firn ist und May die Meine, so mache ich dennoch eine deutsche Hausfrau aus ihr!" „Eine deutsche Hausfrau — aus mir —?" sagte May schneidend. „Ja, ich traue mir's zu", wiederholte Julian. Eine andere Sprache aus ihm — und May erschrak. „Sentimentale Redensarten", murmelte sie. „Nein, Lebensfragen", sagte Julian. Eine schwere, drückende «stille trat ein. Endlich näherte Resa sich der Thür. „Ein moderner Mensch", sprach May mit funkelnden Augen. „Es ist bejammernswerth — ein sechzehnjähriges Mäcchcn, und verachtet die Liebe, und will aus Nespect eine Ebe eingehen — da kann man ja seinen Geschichtslehrer oder Onkel beiratben." „Besser Achtung ohne Liebe, als Liebe ohne Achtung", sagte Julian. Resa wandte sich noch einmal. „Ich versiebe nichts davon — Jeder denkt sich seine Empfindungen, bevor er sie fühlt." Julian und May waren allein. Da umschlang sie leiden schaftlich seinen Hals und legte die Lippen an seinen Mund, in halbem Kusse flüsternd: „Laß Dir die Liebe zu mir nickt rauben, Julian — und thust Du auch Alles für mich — ist der Preis nicht königlich?" Sie richtete sich stolz auf. „Gebe ich mich nickt ganz Dir, mit Leib und Seele? WaS willst Du uoch? Außer mir?" Die Härte seines Sinnes schmolz. Thor, der er war! Hatte sie nicht reckt? Was wußte dies arme, blaffe Kind von Liebe? Dies Weib wußte, waS Liebe war — und daS war — sein Weib. Inzwischen klopfte Resa an die Zimmerthür ihres Vater». Selten nur wagte Jemand, da» Heiligthum zu betreten, wo der alte Herr sich eine kleine Welt für sich geschaffen. DaS geschah nur, wenn ein außergewöhnliches Ereigniß die Be wohner der Burg Horst in Aufruhr versetzte. Zum Beispiel bei Iulian'S Verlobung. Da war Frau v. Willow io das kühl verhangene Zimmer gestürmt und hatte mit lauten Worten den Einsiedler aus seiner Ruhe gerissen, ohne zu bedenken, daß man im Dunkeln immer nur leise sprechen sollte. Von jenem Tage an konnte Herr v. Willow eine leichte Nervosität nicht überwinden, die sich verstärkte, sobald ein Schritt sich näherte. „Herein!" rief er, halb gereizt, und Resa schlüpfte ins Zimmer, wie ein freundlicher Schatten. „Wünschest Du etwas?" „Nein, Papa; ich möchte nur gern ein bischen ruhig bei Dir sitzen, wenn Tu erlaubst." „Gewiß. Kind! Aber ich fürchte, Du wirst Dich lang weilen — hier ist nichts, was junge Damen erfreuen könnte — und ich lese ganz still. Doch bleibe immerhin." Er lehnte sich in seinen Sessel zurück und nahm das Buch wieder vor. Resa saß auf einem Stuhle im Hintergründe und betrachtete ihn. Welch' ein Friedensbild! Lautlos alles um ihn — außer halb dieses Zimmers Helligkeit und Lärmen — hier Dämme rung und Stille. Ein einziger Lichlfunke tanzte auf dem weißen Kopf — Resa seufzte. Warum saß ihr Vater hier allein? Warum flüchtet er in die Einsamkeit, um nur dann sich stören zu lassen, wenn er gar nicht anders konnte, und wenn Mama zu ihm kam, um „den guten Papa zu be sorgen ?" Hier fanden sich seine kleinen Schätze, Andenken, Er innerungen, Silbouetten aus der Studentenzeit, ganz alte, vergilbte Photograpbien, auf denen sanfte Jünglinge, die rechte Hand im Busen steckend, unter gewellten Haaren in die Welt schauten — Bilder von einem langzezogenen Ge bäude, dem feuchten, früheren Herrenbaus von Burg Horst, und endlich auch die Mama als Braut» lächelnd, rosig, — und sie selbst als Kind, mit langen Spitzenhöschen. „Papa!" Herr v. Willow schrak auf. Er hatte die Anwesenheit seiner Tochter vergessen. „Papa, Ihr habt Euch geliebt, die Mama und Du, als Ihr Euch beiratbetet, nicht wahr?" „Sehr, liebes Kind. Der alte Herr seufzte leise und legte die Hand über die Augen. „Weshalb meinst Du?" „Ob — ich fragte nur so." Wiederum Stille. Man hörte unten im Hofe Frau v. Willow's Stimme Befehle auStbeilen. „Schließe das Fenster, Resa. Man vernimmt so deutlich das Getriebe." Im nächsten Augenblicks fühlte er eine Weiche Hand auf seinem Kopfe. „Papa, soll ich mit Dir Schack spielen? Oder kann ich sonst etwas für Dich thun? Nein, schicke mich nicht fort . . ."" Nach wiederum zwei Minuten waren Beide in ihr Spiel vertieft. Als das „Iammerglöckle" zur Mittagstafel läutete, be traten sie selbander den Speisesaal, Resa, noch erhitzt vom eifrigen Schachkampse und etwas hastig, denn die Anderen waren schon da. „Grundgüliger. Resa, sieht man Dich endlich? Wo hast Du die ganze Zeit gesteckt?" „Ich habe mit dem Papa Schack gespielt." „Ah, hm", sagte Frau v. Willow. „Das ist ja hübsch, indessen wäre cs wohl praktischer gewesen, Du hättest Deine Garderobe besichtigt und in Ordnung gebracht, denn sie ist in einem deplorablen Zustande!" Niemand antwortete auf Frau v. Willow's Bemerkung über Resa's Kleid. DaS Brautpaar lenkte wieder die all gemeine Aufmerksamkeit auf sich, und Man crlwb sich bald, um aus dem Sopba ihre Kopfschmerzen zu pflegen. Herr v. Willow rieth milde zu Kamitlenlhce: Julian, sehr besorgt, suchte ibr mit Kölnischem Wasser zu helfen. „Lieber Julian, lbu' mir den einzigen Gefallen »nd geb' — ich muß versuchen, einzuschlafen. Jedes Wort thut mir web . . Sic schloß die Auge» und ließ die Hände mit einer Bewegung völliger Erschlaffung ans die Decke sinken, die Julian über sie gebreitet. Er verließ das Zimmer auf den Zehenspitzen. Kaum war er gegangen, so zog May ein Buch der „Tauchnitz- Edilion" und ein Säckchen Pralines hervor und begann zu lesen und zu esse» — bisweilen gähnte sie — eine summende Fliege störte sie — und in der Hitze des Nachmittags färbten sich ibre Wangen purpurrotb. Faul und wohlig dehnte Mav die Glieder und schlummerte ein weniA — und laS wieder. Julian, sich langweilend, besuchte pfeifend, die Hände in den Hosentaschen, seine „Tarantella" im Stall, klopfte ihr gnädig den Hals, schenkte dem Knecht eine Cigarre und zündele sich selbst eine Cigarette an. Rauchend stolperte er über die müden Ranke» am Wege, körte die Grillen zirpen und im WirthschastSbvfe das Stampfen der Buttermaschine. Auf seinem Schlenvergange traf er Resa, die — vier- blätterige Kleeblätter suchte.
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