Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.02.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189702210
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- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18970221
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18970221
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-02
- Tag1897-02-21
- Monat1897-02
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- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.02.1897
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Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Ertrs-Beilage»! lgrsalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, pbae Postbesvrd.rung »i vO.—, mit Postbeförderung ^ 70.—. Ännalimeschluß fiir Anzeigen: Abeud-Auägab«: LormittagS 10 Uhr- Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde frühen. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polr ja Leipzig. 84. Sonntag den 21. Februar 1897. Sl. Jahrgang Aus -er Woche. 2- wäre wirklich wenig erbebend, wenn sich an dem winzigea Griechenland noch ein zweites Mal die Regel bewahrheiten würde: . wer keck ist und verwegen, kommt vielleicht noch besser fort." Besser nämlich, als bei Vergleichung der eigenen Kräfte und derjenigen der gegenüber- stehenden waffenstarrenden Großmächte. In ihrer Schulden- affaire haben die „Hellenen" — nach Fallmerayer gebührt den Neugriecben dieser Name nicht — die westeuropäischen Colosse ungestraft am Bart gezupft; gelingt e« wieder, so wird man mit triftigerem Grunde, als Beust nach Sedan getban, sagen dürfen: „TS giebt kein Europa mehr". Wir Deutschen haben am meisten Ursache zu dem Wunsche, endlich Tbaten zu sehen, denn unsere Regierung hat bereits zwei Erklärungen abgegeben, beide unter Berugnahme auf ihre Würde, und wenn solchen Blitzen kein Donner folgte, so könnte man an Kolo phonium denken. Steht, und da- ist doch das Aller wahrscheinlichste, England als Anstifter hinter Griechen land, so wird dadurch die Nothwendigkeit einer Repression deS Fneden-bruche- noch um so stärker. Denn wenn dem kleinen Griechenland gegenüber die Ehre enaagirt ist, so haben wir gegen Großbritannien außer der Ebre auch ein Macht nteresse zu wahren. Es kann der deutschen Politik nicht förderlich sein, beispielsweise auch in Südafrika nicht, wenn energisch klingende Kundgebungen von ibrer Seite, die unbeachtet gelassen werden, ohne fühlbare Folgen für die Herausforderer bleiben. Berlin hat seine „landwirthschaftliche Woche" hinter sich, eine alljährlich im Februar wiederkehrende Reibe von Versammlungen, die dadurch scharf in zwei Gruppen geschieben werben, daß die einen die Landwirthschaft vorzugs weise auf technischem Wege »u heben suchen, während die andern eS sich zur Hauptaufgabe gestellt haben, durch Agitation Einfluß auf die Gesetzgebung zu erlangen. Zu den Gesellschaften der letzteren Art gehört außer dem Bunde der Landwirthe die Bereinigung der Steuer- und Wirthschafts reformer, die seit langer Zeit nur einmal im Iabre von sich hören läßt, eben in der Februar-Versammlung, die aber übertönt wird von der Generalversammlung deS Bundes. Das Publi cum braucht sich auch nur für diese Versammlung zu interessireo, denn die „Reformer" verlangen dasselbe wie sie, nur in ge dämpfterem Tone. So ist auch beuer wieder gefordert worden: „erfolgreiche Abwebr des UeberangebotrS auslän dischen Getreides", also der Antrag Kanitz oder etwas Aehn- licheS; ferner die Währungsreform, die Gleichstellung der Pfandbriefe mit den staatlichen Schuldverschreibungen bei der Lombardirung durch vie NeickSbank, sowie recht aben teuerliche Maßnahme» zur weiteren Verbilligung des RealcreditS. Während diese Herren ihre Forderungen nach staatlicher Hilfe formulirten, hat das preußische Herrenbaus, eine ganz überwiegend aus Grundbesitzern zusammengesetzte Körper schaft, wieder den Beweis geliefert, daß das vom Staate zur Heilung wirthschaftlicher Schäden gehandbabte Messer unter Umständen rin zweischneidiges Instrument ist. Wir baben schon darauf bingewiesen, daß die Erörterung der StaNel- tarife für Getreide die unversöhnlichsten Gegensätze zu Tage gefördert und dargethan hat, daß der äußerste Osten mit einer geradezu naiven Ungenirtbeit nachbarliche Interessen mit Küßen treten möchte, wenn eS ihm zum Vor theile gereicht. Die bestehenden Staffeltarife (bis Berlin) schmerzen schon in Brandenburg, vielleicht auch in Pommern die Landwirthe, weshalb Herr von Levetzow durchaus verständlich ist, wenn er sagt: entweder gar keine Staffeltarife, oder solche von Grenze zu Grenze. Herr Graf Udo zu Stolberg aber ist anders gesonnen. Er meint, der Westen könne sich „das Bißchen Staffeltarife" schon gefallen lassen. So spricht der Arzt wohl zu dem Kranken, den er einer Operation unterziehen will. Nur daß der Arzt seinen Lohn für die Heilung des Patienten beansprucht, die Herren aus dem Osten dagegen sich mit der Verwundung für ihre gesetzgeberische Mühewaltung bezahlt machen möchte». Der Reichstag war in der vergangenen Woche beschluß fähig, hauptsächlich deshalb, weil das Centrum bei der Ab stimmung über das Margarinegesetz den sonst ständigen Absentismus der großen Mehrzahl gerade seiner Mitglieder nicht zu Tage treten lassen durfte. Vielleicht war auch mancher Gesetzgeber begierig, Herrn Ahlwardl wieder zu sehen. Mit dieser Vermuthung ist es nun vollkommen ernst. Die Skandalsucht hat im Reichstag weit um sich gegriffen und Herr Richter hat ihr in Bezug auf die Person des Ablwardt allsogleich Rechnung getragen, indem er gewalt sam, ohne eine Spur von politischem Anlaß, den Mann in die Debatte zog und auch richtig einen für den Reichstag beschämenden Auftritt herbeitüdrte. Dabei kann diese Zierde deS Parlaments nur von der Liebe zum Skandal gelockt worden sein, denn — sonst sind Erwägungen dieser Art bei Herrn Richter ja sehr mäßig — so dumm ist doch wohl kein einziger Jude, daß er lediglich deshalb für eine Partei und ihre Easse wählen, bezw- zahlen werde, weil sie sich zur Beschützerin der Juden gegen einen Ahlwardt aufwirft. cllambrs s'umuss und Herr Richter ist ihr Lustigmacher. „Uebermorgen", so prophezeiten wir am Mittwoch, wird das Cent rum sich wieder auf daS Geschäftsinteresse besonnen haben und die als dem Bauernfang gleichwertbigen „Handwerkerfang" gebranvmarkte Hand- werkS-Interpellation der Conservaliven gut heißen. Und so geschah es auch richtig, Herr Hitze segnete, was die Centrums- leitungTagS vorder batte verfluchen lassen. Geschäftsleute müssen eben gewandt sein. Mitte März also, diese Gewißheit ist daS Ergebniß der Interpellation, wird man daS Opfer deS Intellektes, daS einige Bundesregierungen zu bringen entschlossen scheinen, in seiner endgiltigen Gestalt kennen lernen. Daß es vom Reichstage nicht wohlgefällig angenommen wird, weil eS für vie Einen zu viel, für die Andern zu wenig enthält, ist eine andere, tröstlichere Gewißheit. Umgekehrt scheint es nach den vorgestrigen Erklärungen des Ministers v. Hammer stein im preußischen Herrenbause, als ob die ReichStagS- mehrheik für daS verschärfte Margarinegesetz den Regie rungen obsiegen würde. Dem „Hannov. Courier" wird zu dem Proceß der „Deutsch. Tagesztg." aus Berlin geschrieben: „In der Verhandlung ist sestgesiellt worden, von wein die seit» samen Gerüchte über den angeblich hintertrirbenen Be- such des Zaren in Friedrichsruh ausgegangen sind. Der hiesige Vertreter eines Leipziger Blattes hat die Geschichte zweimal, in einem Restaurant und in einer Gesellschaft, erzählt, wie er hinzulügt, um seinen Zuhörern eine Dummheit auszubinden. Dies« Dummheit hat in der Folge Herrn Manke zu seiner vermeintlichen Heldenthat begeistert, die wieder dem verantwortlichen Redacteur des leitenden agrarischen Blattes der Reichshauplstadt zwei Monate Gcfängniß eingetragen hat. Zur Hebung des Ansehens der Presse im Allgemeinen tragen solche „Dummheiten" „dieser" Presse leider nicht bei. Aber wer schon einmal sich solche Preßdummheiten leistet, der sollte wenigstens soviel Selbstkritik üben, daß er nicht über „Preßkreibereien" des Auswärtigen Amtes schilt. Wie man sieht, habe» Preßtreibereien und Preßdummheiten in der Regel eine und dieselbe Quelle." Durch diese Mitthcilung wird eine Lücke ausgefüllt, die in dem den Blättern zugegangenen Berichte Verwunderung und Bedauern erregte. Deutsches Reich. U Berlin, 20. Februar. An dix Nachricht von der Ent sendung der „Augusta Victoria" in die kretischen Gewässer hat sich vielfach der Ausdruck des Bedauerns und der Verwunderung geknüpft, daß Deutschland bei einer so wichtigen Action, wie sie jetzt im Orient sich abspielt, nur durch dieses eine Schiss vertreten ist, während die anderen europäischen großen Staaten zumeist stärkere Seekräfte zur Stelle haben. Dieses Bebauern ist gerechtfertigt; wenn aber daran die Bemerkung geknüpft wird, daß in unseren Häfen Kreuzer über Bedarf zurückgehalten würben und daß wir wobl in der Lage wären, mit einer stärkeren Macht bei Kreta aufzutreten, so zeugt diese Behauptung von unzureichen der Krnnlniß der wirklichen Verhältnisse. Unsere Kreuzer- flotte ist thatsächlich nicht stark genug, um mehr als diesen einen Kreuzer in die orientalischen Gewässer entsenden zu können. Es erhellt dieses mit unzweifelhafter Klarheit, wenn man sich die Verwendung, welch« unsere Kreuzer zur Zeit sinken, vergegenwärtigt. Es befinden sich die Kreuzer „Irene", „Prinzeß Wilhelm", „Arcvna" bei der Arenzerdivision in Ostasien. „Seeadler" und „Condor" befinden sich in Ostasrika, „Cormoran" ist in Ostasien, „Falke" unv „Bussard" kreuzen in den australischen Gewässern; „Sperber", der von Westafrika beimgekehrt ist, befindet sich in Reparatur unv „Schwalbe" wird in Reserve gehalten, um im Notbfalle eines der vorgenannten Schiffe zu ersetzen. Tie in der Heimatb noch befinbiichen Schiffe „Alexanvrine", „Olga", „Marie", „Sophie" („Freya" ist schon gestrichen), sowie „Geier", die erwähnten „Schwalbe" unv „Sperber" sind gänzlich ungeschützte Kreuzer, welche nirgends zur Verwendung gelangen können, wo Gewaltmaßregeln notbwendig werden können, wo es sich um Machtentwickelung bandelt und Widerstand er wartet werden kann. Deshalb ist an eine Verwendung solch un geschützter Kreuzer im Auslande überhaupt nicht mehr zu denken, dieselben können nur zu Ausbildung«- und dergl. Zwecken herangezozen werden. Im fiebrigen sind alle diese kleinen vorgenannten KriegSsabrzengs auch noch wegen der geringen Besatzung, welche ja event. auszuschiffen sein möchte, füx solch: Zwecke, wie sie hier in Frage kommen, durchaus ungeeignet Der einzige Kreuzer, welcher in Betracht komme« konnte, wäre die „Gefion", welche drbeim ist und z. Z. Heizer aus- bilbet, um das erforderliche Personal für den Sommer zu haben. Das ist aber auch der einzige Kreuzer, den wir zu Hause baben, falls irgend etwas passiven sollte. Man wird unter diesen Umständen zngeben müssen, daß di« Marine- Verwaltung eben nicht mehr Schiffe nach Kreta «iztsefiden konnte; sie hat eben nicht mehr zur Verfügung- Und sp wird es bleiben, so lange die Verstärkung unsrer Marine ein frommer Wunsch bleibt. (D Berlin, 20. Februgr. Auf dem Kriegsschauplatz der liberalen Verbrüderung sind die Operationen zum Stillstand gekommen: als rühmlos Besiegter verläßt Herr Nickert, als „voll unv ganz" „Unentwegter" verläßt Herr- Richter das Schlachtfeld, und während daS „Berl. Tagebl " in einem „Das Scheitern der liberalen Einigung" siüpr- schriebeo n Leitartikel wehmülhig den „so jäben Abschluß" betrauert, begrüßt ihn eine öffentliche Versammlung des frei sinnigen Wahlvereins im zweiten Berliner ReichstagSwahl kreise mit einem kräftigen „Bravo!" Der unbefangen« Chronist aber erinnert sich des berühmten Raupach'schen Wortes: „Ich wußte wohl, es mußte so verlaufen" —, und schließt Pie Berichterstattung über den freisinnigen Verbrüderphgskampf mit der Mitlbeilung deS nachstehenden, von der freisinnigen Vereinigung ausgehenden Manifestes: „Die Vertrauens männer der beiden freisinnigen Parteien hielten gestern im Reichstag eine Sitzung ab. Erschienen Ware» für die freisinnige Volkspartei die Herren Eugen Richter, Fischbeck, Ilr. Schneider und Hugo Sachs, für djr freisinnige Ver einigung die Herren 1>r. Bartl,, Hrpyiel und Pp. Pachuicke. Von der freisinnigen Vereinigung wurde folgender Antrag vorgelegt: „Wir beantragen: Die Parteileitungen beider fteisiqnigen Richtungen wollen eine öffentliche Erklärung folgenden Inhalts erlassen: „Wir empfehlen unseren Partei- und Gesinnungsgenossen, bei den kommenden Reichstagsivahlen — unter thuntichller gegen seitiger Rejpectirung des gegenwärtigen Fractionsbefitzstandes — in allen Wahlkreise», wo »in ernsthafter Kampf gegen das Agrarier, thum io Frage kommt, sich auf einen gemeinsam»» Caudi- dateo zu vereinigen und diesen daun mit vereinten Kräften nach drücklich zu unterstützen." Herr Richter lebnte Namen- der Vertraurn-manner der freisinnigen Vplkspartei unter Bezugnahme auf den früheren Schriftwechsel diesen Antrag rundweg ab; seine Freunde könnten sich, wie auf keine allgemeine Erklärung, so auch auf diese Erklärung nicht einlassen. Er empfahl dagegen: Provinzen weise die Verhältnisse der Wahlkreise zu erörtern und im Einvernehmen mit den Wählerschaften festzustellen, wieweit Einigungen schon jetzt vorhanden sind. Dies werde sich voraussichtlich für niedrere Provinzen, in denen die Agrarier in Betracht kommen, alsbald ergeben. Soweit Gegensätze übrig bleiben, würde die mög lichste Ausgleichung derselben bei der Verschiedenheit der in Betracht kommenden Verhältnisse nur individuell sich erzielen lassen. Die Vertrauensmänner der freisinnigen Bereinigung FrrriHet-n. Die Canarienvogel-Hecke. Bon F. Clemens. Nachdruck verboten. Zu einem traulichen Heim gehört auch ein Canarienvogel, der wie kein anderer seiner gefiederten Genossen eS vermag, unsere Wohnung zu beleben und unser Gemütb zu erbeitern. Wo der schmetternde Gesang deS goldgelben zierlichen Burschen ertönt, da verklärt sich unwillkürlich das Auge deS Natur freunde-, da schwindet dem Hagestolzen das wehmüthige Ge fühl seiner Verlassenheit, da jauchzt das Herz deS KindeS, und der Familienvater vergißt für den Augenblick seine quälenden Sorgen. Dürfen wir den gelben Sänger, ob gleich er au- fernem Lande stammt, dock unser nennen wie kaum einen anderen Vogel. Längst vergessen bat er seine warme üppige Heimatb, unsere Wohnstube ist sein Heim geworden, wo er seine Kindheit, seine Jugend und sein Alter als unser allzeit munterer, treuer und zärtlicher Freund zubringt. Wir bereiten ihm seine Wiege, wir pflegen sorgsam den zarten Sprößling, verwöhnen ihn mit Liebkosungen und Leckerbissen und graben ihm endlich trauernd sei» Grab unter der lauschigen Linde im HauSgarten. Alle anderen Vögel berauben wir ihrer schmerzlich vermißten Freiheit, wenn wir sie im engen Käfig eingeschloffen halten und sie zwingen, un- im Zimmer trübe Gesellschaft zu leisten — den Canarienvogel allein dürfen wir ohne Gewissensbisse zu unserem Hausfreunde machen, denn er kennt die Freiheit nicht, er vermag die Rauhheit deS Klima« nicht zu ertragen, ja er hat eS nicht einmal gelernt, von Zweig zu Zweig in Hüpfen; die Gewohnheit nennt ja der Vogel wie der Mensch seine Amme, und der letztere ersetzt ihm längst die Genoffen schaft der Kameraden. Schon im 16. Jahrhundert bat di« Einführung u»d Haltung deS CanarienvogelS begonnen, ursprünglich ist er, wie schon sein Name besagt, auf den kanarischen Inseln zu Hause, wo er sich hauptsächlich vom Samen de- Canarien- grase- ernährt. Der wilde Stammvogel ist etwa- kleiner al< der veredelte Nachkomme, auch ist er oben mehr grünlich gefärbt, während die Seiten schmutzigweiß sind und große braune LängSstecken baben. Sorglich versteckt baut er sein Nest in Birn- oder GranatbLume, sowohl in Gärten al- in« Freie; in dasselbe legt er End« Märr oder Anfang April seine drei bis fünf blaßgrünlichen, rothbraun gefleckten zierlichen Eier. Hu fangen ist der Wildling leicht, die Zähmung erfordert schon längere Zeit, auch ist der Bimel sehr weichlich und geht meist an Krämpfen zu Grunde. Durch Vererbung und An passung ist es gelungen, nach und nach eine große Mannig faltigkeit in den einzelnen Arten zu erzielen, vor Allem kommen für un» in Betracht die vorzüglichen Harzer Vögel, welche nicht nur dauerhafter sind, sondern auch au«gezeichnere Brut- und GesangSsähigkeiten entwickeln. Die englischen Norwich- vögel von hochrotber Farbe seben zwar prächtig auS, der Gedanke aber, daß das Zustandekommen dieses schönen Ge fieders lediglich durch planmäßige und fortgesetzte Fütterung mit Cayennepfeffer erzielt wird, muß dem wahren Natur freunde die Freude daran verleiden. Ist die Wartung und Pssegc eines gutsingenden Männchens schon lohnend genug, so giebt es kaum ein reizvolleres Ver gnügen, als die Selbstaufzucht junger Vögel. Um fick diesen Genuß zu bereiten, bedarf es weder kostspieliger Anlagen und Vorbereitungen, noch ausgedehnter ornitbologiscber Kenntnisse, vorausgesetzt natürlich, daß man die Züchtung nicht als Ge werbe unv aus Grüuven der Gewinnsucht betreiben will. Lust und Liebe zur Sache, Eifer und Gewissenhaftigkeit in der Abwartung und die Kenntniß der wichtigsten Pflege- und Futterbedingungen sind hinreichend. Jeder Liebhaber kann sich ohne viel Aufwand von Zeit und Mübe daS liebliche Schauspiel einer Vogelwiege bereiten, wir können versichern, daß er sich durch die erhaltene Anregung, Belehrung und Unterhaltung tausendfach belohnt finden wird; irgend welche Unbequemlichkeiten oder gar Schmutz und Unsauberkeit sind nicht mit einer derartigen Institution im kleinsten Maßstabe verbunden. Nur die Geduld darf man nicht verlieren, wenn nicht gleich auS der ersten Brut etwa- wird; wer gut aufpaßt und fleißig nachforscht, wird bald Erfahrungen sammeln. Die beste Zeit zur Hecke ist der Frühling. Wenn die linden Lüste erwachen und Tag und Nacht säuseln und weben, also Anfang April, da ist eS auch Zeit, dem Canarien vogel sein bescheidenes Heim einzurichten und auSzustatten. Wer auf ein warmes, zugfreie- Zimmer hält, mag auch schon früher anfangen uud die Vögel bereit- im Februar zusammen- thun. Am besten nimmt man daS Hähnchen, da« man im Hause hält (wenn e» nicht zu alt oder jung oder kein allzu theurer GesangSvogel ist) und gesellt ihm ein oder zwei Weibchen zu, die mau überall billig bekommen kann. Um tbeure Vögel wäre eS für den Anfänger schade, ein billiger stämmiger Habn ist selbst dann vorzuziehen, wenn sein Ge sang nickt allen Anforderungen der Kunst entspricht. Dem Atter nach ncbme man am besten Vögel, die mehr al- ein oder zwei Iabre zählen, aber nicht zu alt sind: man sehe auf glatte-, scbö»es Gefieder, da schlecht befiederte Vogel »och kahlere Junge erzeugen, sowie darauf, daß sie nicht zu fett sind, da zu fette Weibchen beim Eierlegen meist erkranken. Nestpärchen darf man ebenfalls nicht einsetzen, auch sollen Vögel von hochgelber Färbung schwächlicher al- bunte und strohgelbe sein nnd mehr Weibchen erzeugen. Ueberbaupt nimmt man gern da- Weibchen alter, da man in diesem Falle mebr Hähnchen erzielen soll. Der Käfig muß etwa «o cm lang und ca. 40 bi- 50 om breit und dock sein, will man zwei Weibchen nehmen, so muß der Kässg »livdestenS einen Meter lang sein und in der Mitte eine Scheidewand mit verschließbarem Schlupfloch haben. In letzterem Falle setzt man da- Hähnchen zuerst zu dem einen Weibchen und hält daS Flugloch so lange verschlossen, bi- dasselbe zu brüten begonnen hat, dann läßt man daS Männchen zu dem anderen Weibchen, und hat auch dieses Eier, so öffnet man da- Flugloch überhaupt, so daß daS Männchen zwischen beiden Abtbeilungen nach Belieben bin und berfliegen kann. Der Bauer muß unten einen Scbicb- kasten zum Zwecke bequemer Reinigung baben, und mit elastischen Sprungbölzchen verseden sein, die so angebracht sind, daß die Nester und Futtergeschirre leicht erreicht werden können. Die Nester (man kauft am einfachsten die in jeder Vogelhandlung vorräthigen Geflechte) befestigt man im Hintergründe oben zu beiden Seiten des HeckkäsigS, doch sorgsam, daß sie fest halten und sich nicht bewegen. Der Boden des Bauers wird mit trockenem Vogelsand bedeckt, zwischen die Stäbe eine Sepia schale» die man bei jedem Vogelbändler erhält, befestigt und in einer Ecke deS Käfigs von Zeit zu Zeit eine Messerspitze Salz bargeboten, dessen Genuß, so unbedeutend auch davon eingenommen wird, den Tbiercken sehr förderlich ist. Auch ein paar Stückchen gelöschten Kalk kann man in den Käfig werfen. Es versiebt sich, daß die größte Reinlichkeit am Platze sein muß, koch büte man sich, die Vögel allzusebr zu stören. Der Käfig muß einen rubigen Platz erhalten, wenn möglich, mit der Front nach Osten, jedenfalls nicht greller Sonne oder Zug auSgesetzt. Tie Thiere müssen ungestört, doch nicht der Controle entzogen sein. Bei der Einsetzung der Vögel verfährt man zweckmäßig so, daß man daS Männchen einige Tage früher einsetz«, damit der Gatte und Vater seine Oberherrschaft behaupte. Erst dann giebt man Madame hinzu, erwarte jedoch nicht die sofortige Aufführung einer ehelichen ZärtlichkeitSscene. Mitunter giebt es Kampf auf Tod und Leben, bevor die Vögel sich verstehen, man reiße sie also nickt gleich aus einander, sondern warte rubiz sechs bis acht Tage. Erst wenn dann keine Versöhnung erfolgt, sckreite man zur Trennung, in der Regel dauert es jedoch nicht so lange, bis di« bisherigen Gegner nach dem Recept des echten Frauen- romanS auS erbitterten Feinden zärtliche Freunde werden. Gleichgiltigkeit von Anfang an ist dagegen ein schlechteres Zeichen. Zur AuSsütterung deS NesteS giebt man Charpie orer weiße Kälberhaare. ES ist ein reizvoller Anblick die Vögel bei dem Ausbau de- Neste- zu beobachten, Ha in der Regel mehrmals angelegt und wieder zerstört wird, bi« die Zeit des eigentlicken LegeproceffeS beranrückt. Dann stattet da» Weibchen daS Nestckea besonder« sorgfältig au« und beginnt nun mit dem Ablege» der niedlichen Eier, meist vier an der Zahl, die es während dreizehn Tagen bebrütet. Nach Ablauf dieser Zeit kommen die Jungen zum Vorschein, an fangs nackt, blind und bäßlick, aber mit jedem Tage sich ver schönernd und vervollkommnend. Man sieht sie ordentlich wachsen. Sofort nach AuSschlüpfen der Jungen verzehren die Alten die überflüssig geworbenen Eischalen oder ver schleppen sie in eine Ecke deS Käfig«. Zehn Tage bedeckt die sorgsame Vogelmuttrr ihre der Wärme dringend bedürftigen Kleinen, nur zum Fressen uud Erholen zuweilen sich Zeit nehmend. Rührend ist die zärtliche Besorguiß der Alten um ibre Kinder, Männchen und Weibchen verfüttern sich erst das Futter, bevor sie die Jungen damit atzen. Natürlich muß für paffendes Futter Sorge getragen werden, es genügt durchaus nicht, die Vögel in der Hecke mit dem üblichen Mischfutter abzuspeisen. Mau kocht an jedem zweiten Tage ein frisches Hühnerei recht hart (wem eS nicht darauf ankommt, der nimmt noch besser täglich ein frisches Ei, besonder« an heißen Sommrrtage», da di« verab reichte Atzung immer ganz frisch uud gut sein muß), schält das Dotter heraus und wiegt oder reibt den für eine ein malige Fütterung bestimmten Tbeil desselben auf einem peinlich sauber gehaltenen Brettchen, um ibu darauf mit sorgfältig gequetschtem Sommerrübsen zu vermischen. Hanf und Canariensamen halte man fast ganz auS der Hecke fern. Rübsen und Ei werden zu gleichen Theilen genommen, auch kann man jedes Mal noch etwas fein pulverisirteS VogetbiSquit hinznfügen. Dieses Weichfutter verabreicht man bis zum AuS- lcblupfen derIunaen täglich zwei Mal, nach dem Ausschlüpfen drei Mal, Morgen«, Mittag- und am Spätnachmittag. Außerdem giebt man noch in em besonderes Gefäß trockenes Futter, Rübsen mit ganz wenig Canariensamen gemischt. Täglich eine kleine Prise frischer Ameisenpuppen werden von den Vögeln gern genommen, dagegen muß man mit der Grün- sütlerung vorsichtig sein, sobald die Jungen das Nest ver lassen baben, überbaupt ist hier Mäßigkeit am Platze. Daö zur späteren Verwendung zurückgrlegte Ei bewabre man kübl und trocken auf, Trinkwaffer reiche man täglich zweimal, doch lasse eS vorder im Zimmer stehen, damit eS die Tempe ratur desselben annehme. Dieselbe Vorsicht gebrauche man hinsichtlich de« Badewasser-, daS nur an warmen Tagen gegeben werden darf. So lange die Jungen noch ungeschickt sind, lasse man letzteres lieber fort, da sie leicht in den Bade- naps fallen. Die alte« Vögel halten da- Nest sorgfältig rein, sowohl von Milben (soweit die« in ihrer Macht liegt^ al- von den AuSwurfSstoffeu der Jungen. Nie sucht da- Weibchen, wenn e« sich gebadet hat» da- Nest wieder auf, oh« vorher sein Gefieder peinlich zu trocknen. Am 18. oder 18. Tage ver lassen die jungen Vögel da« Nest, »nd schon einige Tage später fangen die Häbnchen an, sich bemerkbar zu machen. Mit dem Fresseulernen dauert e« jedoch noch einige Zeit. Inzwischen schreiten die Alten hereil- zum Au«bau des zweiten NesteS, nach der dritten Brut trennt man lieber die Vögel, vor Allem, wenn e« sich um junge Exemplare handelt. Der Zeitpunkt, wenn die Jungen entfernt werden muffen, ergiebt sich von selbst. Jedenfalls warte man, bi« sie voll kommen selbstständig sind, sie gedeihen um so besser, je langlr sie in Gesellschaft der Alten und in den gewohnten Verhält nissen bleiben.
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