02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.06.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970622025
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- LDP: Zeitungen
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-06
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Sirötzere Schrift«» lant »usrrem PrZs- verzrichaiß. Dabellarischer und Ztssergsatz aach höherem Tarif. Vitra-Beilagen (gefalzt), na« mit d^ Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürderunil 60.—, nist Postbesörderuag 70.-^ Annahmeschlu- für Anzeigen: Abend-AuSgabe: vormittag« 10 Uhr. ZHorg«n-Au-gabe. Nachmittag« 4Ubr- Bei den Filialen und Annahmestellr» l« ein» halbe Stuude früher- Anteilen sind stet« an di« Erdeditiaa zu richte». Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. 313. Dienstag den 2?. Juni 1897. Sl. Jahrgang. Die parlamentarische Lage. Reichstag und Abgeordnetenhaus treteu heute nach mehr al« dreiwöchiger Pfingstpaus« zur Wiederaufnahme ihrer Arbeiten zusammen. Der Reichstag hat di« dritte Berathung der Handwerkervorlage zu Ende zu führen, die vor Pfingsten zuerst mit einer mühsam erhaltenen Beschlußfähig keit um einige Schritte gefördert wurde, um dann in einer hoffnungslosen Beschlußunfähigkeit stecke» zu bleiben. Das Abgeordnetenhaus hat zunächst die von der Verfassung vor geschrieben« Abstimmung über die Beschlüsse der dritten Lesung dir Vereinßgesetznovell« zu wiederholen. Als der Reichstag vertagt wurde, geschah eS nicht aus schließlich deshalb, weil man die dritte Lesung der Hand- werkervorlaas nicht zu Ende führen konnte. Die aus gesprochene Absicht der Centrumsführung, in Rücksicht auf die damals bereits zu erwartenden Veränderungen in der Regierung sich die Gelegenheit zu wahren, zu diesen Ver schiebungen Stellung zu nehmen, gab den Ausschlag dabei. Diese Veränderungen in der Regierung haben nun be gonnen: zum Abschluß sind sie nicht gelangt und welchen Verlauf sie nehmen werden, steht vor der Hand dahin. Neu besetzt ist bisher ausschließlich das Reichsmarineamt, Admiral Holtmann bat den erbetenen Abschied er halten und in Contreadmiral Tirpitz bereits eine» Nach folger, der indeß zunächst auf fast ein Vierteljahr in Urlaub gegangen ist. Noch unbesetzt ist das Staatsfecretariat des Reichs post amt es, obwohl seit dem Hinscheiden Stephan'S schon eine geraume Zeit vorübergegangen ist und es doch nahe liegen mußte, einem so großen und wichtigen Ressort möglichst bald den Leiter zu geben. Sodann ist inzwischen das Reichsversicherungsamt frei geworden und damit die Aufgabe bervorgetreteu, auf den gleichfalls so außerordentlich verantwortungsreichen und von dem früheren Präsidenten so erfolgreich verwalteten Posten eine Persönlichkeit zu setzen, welche in den bisherigen Traditionen die Pflege des socialen Ausgleichs fortführt. Noch im Besitz ihrer Aemter sind die Staatssecretaire deö Auswärtigen Amtes, des Reichsamtes des Innern und deS ReichsjustizamteS, Aber mit Sicherheit steht auch hier daS Ausscheid«» des Herr» von Boetticher zu erwarten und ob Frhr. von Marschall und Or. Nieberding noch lange ju ihren Aemtern verweilen werden, wird vielfach bezweifelt. So trifft der Reichstag alles im Fluß; nach welcher Richtung er seine übrigens angezweifelte Autorität geltend machen will, ist bej der Zerrissenheit der Parteien und der Disharmonie selbst der gegenwärtigen Präsidialmajorität ein Näthscl. Daß durch eine Stellungnahme des Reichstags unter diesen Umständen irgend ei» Moment der Beruhigung in die Zerfahrenheit der Gesammtpolitik hineingetragen werde» könnte, ist aus geschlossen; man müßte es denn schon als beruhigend auf fassen, daß vor dem Lande, wenn auch ohne Aussicht auf irgend ein positives Ergebniß, die Besorgnisse ausgesprochen werden, welche weite Kreise erfüllen. Die Situation in Preußen ist im Vergleich zum Reich« klar; die einzige Veränderung, die in Aussicht zu stehen scheint, ist die Neubesetzung des Vicepräsidiums im preußischen Staatsministerium. Der jetzige Inhaber dieser Stellung war wegen der Fülle seiner Aufgaben in seinem Specialressort, dem Reichsamt des Innern, nicht in der Lage, einen besonderen Einfluß über sein« Einzelstimme als Mitglied des Staatsministerium« hinaus geltend zu machen, und wäre ihm wirklich Zeit genug geblieben, seinen Einfluß zu erweitern, so hätte die Unselbstständigkeit seiner Natur ihn davon abgehalten. Viel mehr Zeit als ihm wird freilich dem Kinanzminister I)»', Miguel, wenn er das Vicepräsidium übernimmt, auch nicht bleiben und da er überdies schon jetzt als Finanz minister einen bedeutenden Einfluß im Ministerium ausüben kann, so wird dieser Einfluß durch die llebernahme des Vice- präsidiumS nicht viel größer werden, wenn Herr v. Miguel nicht p«r Krone gegenüber eine selbstständigere Stellung dadurch er hält, daß er für «in klares Regierungsprogramm die Zu stimmung de« Königs erlangt. Die Frage, um die es sich für da« Preußische Abgeordnetenhaus handelt, ist also viel ein facher als die, vor welcher der Reichstag steht. Und da überdies die Aufgabe, vor deren Lösung es sich be findet, die Erledigung der BereinSgesetznovelle, nur im Zusammrnhange mit der politischen Gesammtlage behandelt werden kann, so bat da« Abgeordnetenhaus allerdings die Pflicht, nicht nur offen die Frage nach dem Stande ter inner politischen Verhältnisse zu stellen, sondern auch die weitere Frage, welche Beruhigung Uber eine zielbewußte, von jeder Ueberraschung sich fr«i haltende, jedem Radikalismus wider strebende und alle nationalen Kräfte zu gemeinsamem, ge ordnetem Zusammenwirken in freiheitlicher Weiterentwickelung der bestehenden Einrichtungen zusammenfassende Regierung den Wählern aus der Session heimgebracht werden kann. Daß ein wesentlicher Umstand dabei die Erledigung des Vereinsgesetzes selbst ist, steht nach de» Erörterungen und Kundgebungen der letzten Woche außer allem Zweifel, wenn auch Niemand behaupten wird, daß die Behandlung dieses gesetzgeberischen Vorschlag« für den Staatskörper eine mehr als symptomatische sei. Die Abstimmung ist die von der preußischen Verfassung vorgeschriebene Wiederholung der Beschlüsse der dritten Lesung, und diese Wiederholung voll zieht sich, wie die Geschäftsordnung sagt, ebenfalls in den Formen der dritten Lesung. Soll sie abschließend sein und soll nicht eine erneute Wiederholung »ach dreiwöchiger Paus« nytbwendig werden, so müssen sich die Beschlüsse nicht n»r inhaltlich, sondern auch im Wortlaute genau Lecken. Weil die Berathung die Form der dritten Lesung mit GeneraldiScussion, Specialberathung, Gcsamml- abstimmung nnd Abänderungsanträgen hat, so ist auch auf der anderen Seite weder sachlich noch formell das Abgeordnetenhaus verpflichtet, die Beschlüsse der dritten Lesung sich anzueignen: es kann sie auch verwerfen. Aus drücklich ist in den Beschließungen des Abgeordnetenhauses über die Bedingungen der wiederholten dritten Abstimmung bei Verfassungsänderungen darauf hingewiesen worden, daß auch dies dem Abgeordnetenhaus« frei stehen muß, da von Wesentlicher Bedeutung für die nochmalige Abstimmung die Erfahrungen sein können, welche durch die im Verlaufe der drei seit der erstmaligen Abstimmung verflossenen Wochen gewonnenen Wahrnehmungen aufgenötyigt werden. Was die Stellung der nationalliberalen Fraktion anlangt, so hat die seit jenem Tage verflossene Zeit erwiesen, daß die Vertreter der Fraktion vollständig auf dem richtigen Wege gewesen sind, als sie mit aller Entschiedenheit gegen die Behandlung deS politischen Vereins- und Versammlungs lebens nach dem Schema deS Frhrn. v. d. Recke Einspruch er hoben; daß die diesem Verstoß ergebene und officiöse Presse nicht im Stande gewesen ist ihre Ausstreuung, die Partei stünde nicht hinter ihrer parlamentarischenVertretung.auch nur mit einer einzigen beacktenswerthen nationalliberalen Stimme zu belegen; daß nn Gegentheil, wo solche Stimmen laut geworden sind , sie weiter drängten und an die Fraktion des Abgeordnetenhauses das Ersuchen gerichtet haben, bei der Wiederholung der Ab stimmung die ganze Vorlage abzuweisen. Unseres Erachtens hängt die endgiltige Abstimmung von den Eindrücken ab, welche die Haltung der Regierung und der Rechten gewinnen lasten in Beziehung aus die Entschließungen des Herrenhauses, daS in wenigen Tagen und dann nach drei Wochen nochmal« abzustimmen hätte. Und i» dieser Hinsicht steht außer Zweifel, daßdieRegierung bisher jedeAndeutungdarüberuuterdrückt hat, ob sie die Beschlüsse desAbgeordnetenhauses auch im Herrenhause annehmbar finmu würde, wie bisher auf der Reckten außerallem Zweifel steht, daß ihre Gesinnungsgenossen im Hcrreubause sich flrr die Wiederherstellung der Regierungsvorlage, wenn nicht gar dxr conservaliven Formulirung, bemühen werden. Bleibt eS dabei, dann ist die Ueberweisung der Vorlage an da« Herrenhaus aussichtslos, denn die Formulirung des Herren hauses würde im Abgeordnetenhaus« abgewiesen werden. Unter diesen Umständen wirft sich, so wünsckenswerth eS wäre, die Minderjährigen von politischen Versammlungen und Vereinen in einer Weise fern zu halten, welch« dies« Bethätigung politischen Interesses nicht gefährdet, die Frage auf, ob angesichts des Umstandes, daß man dieses Ziel doch nicht erreicht, es räthlich ist, weitere Wochen ins Land gehen zu lassen, die nur zu Verdächtigungen der nationalliberalen Politik ansgenutzt werden. Wie dies« Frage beantwortet werden wird, bangt, wie gesagt, hauptsächlich von den Er klärungen der Negierung ab. Politische Tagesschau, * Leipzig, 22. Juni. lieber den Stand der RtgierungS-UmbildungSpliin» liegen neue Nachrichten von irgend welcher Bedeutung heut« nicht vor. Die „Kreuz ztg" schreibt zwar, der Rücktritt der Staatssecretaire Or. v. Boetticher und Freiherr v. Marschall dürste in absehbarer Zeit erfolgen; über den Nachfolger des letzteren stehe »och nichts fest, es sei aber wohl anzunehmen, daß er dem Kreise der im auswärtigen Dienste erfahrenen Diplomaten angehöreu werde. DaS Gerücht vom Rücktritt der Minister Freiherr von der Recke und Brefeld sei ganz unbegründet, ebenso die Meldung, Minister v. Boetticher werde Oberpräsident von Schleswig- Holstein werden. Für diesen Posten sei nach wie vor der frühere Minister des Innern p. Köller in Aussicht genommen. Daß Herr v. Boetticher später ein Oberpräsipium erhalte» werde, dürfe wohl als selbstverständlich angenommen werden. Aber auf besondere Informationen sind diese Angaben schwerlich zurückzuführen. Hinter der bereits im heutigen Morgenblqtte mitgeiheilten Auslassung der „Norddeutschen Allgem. Ztg." über den Wirkungskreis, der dem Fürsten Hohenlohe Vorbehalten bleiben soll, kann man mancherlei und braucht man gar nichts zu vermuthen. Wahrscheinlich ist das „Entresilet" entstanden, weil der von einigen Blättern ge brauchte und gerade jetzt recht ungeschickt gewählte Ausdruck, Per Fürst wolle sich aus den „Alten theil der auswärtigen Politik" zurückziehen, einem diensteifrigen Mitarbeiter des freiwillig-gouvernementalen Blattes anstößig erschiene» ist. Es ist ja richtig, daß der Reichskanzler, wenn erst ein neues, von dem bestehenden abweichendes Stell vertretungsgesetz geschafft wird — und daran scheint mau nicht zu denken —, formell auf einen gewissen Einfluß auf die inneren Angelegenheiten nach dem Staatsrecht gar nicht verzichten darf. Uebrigens hat sich auch Fürst Bismarck wiederholt jener Wendung von dem Zurückziehen auf den Altentkeil bedient, ohne daß er dabei an einen Rücktritt vom Reichskanzlerposten und etwa an die U«b«rnahme des StaatssecretarjatS des Auswärtigen Amtes gedacht haben kann. Die Frage betrifft indeß nur den „Schlauch" und nicht den „neuen Wei»", der dem Reiche angeblich cr«d«»zt wkrden soll, nicht das „Programm". Diese« Wort hat auch der Kaiser in seiner Bielefelder Rede gebraucht, und es wird, wie di« beide» jüngsten Ansprachen des Monarchen überhaupt, in der Presse ziemlich häufig cymmentirt. Neuerdings war es nicht mehr Brauch, kaiserliche Reden zum Gegenstände der Erörterung zu macken. Nur der Byzantinismus und die Demagogie schlosse» fick von dem üblich gewordenen Schweigen aus, Wir für unser» Tb«il s«h«n keinen Grund, von der namentlich in der nationalliberalen Presse geübten Geflogenheit abzugehen, Ei» „Programm" wollte der Kaiser in Bielefeld offenbar nicht «ntwick«ln. Dafür sind sein« dort ausgesprochenen Gedanken zu sehr von unmittelbaren, localen, Eindrücken beeinflußt und por allen Djngen zu aphoristisch. Eine wichtige Stelle der Rede entzieht sich sogar völlig der B«urih«ilung. Der Kaiser sagte, er habe auf dem Sparrenberg Rath gepflogen. E« ist nicht erkennbar, mit wem. Die Vermuthung richtet fick «us begreiflichen Gründen auf Geheimrglh Hinzpeler und auf Pastor v. Bodelschwingb, sie kann aber nach Kew«» Richtungen hi» fehlgehen. Wenn man schon in den kaiserlichen Worten über ein Programm einen Zusammenhang mit den geplante» Neuerungen such«» will, Io war« dieser Zusammenhang unseres Erachtens in dem besitzanzeigenden Fürwort« zu finden: „Mein Programm". Vielleicht soll damit gesagt s«in, daß auch »ntex selbstständigeren Persönlichkeit«», als si« den Monarchen bisher -ls Minister umgeben haben, die Politik ausschließlich von der Kron« bestimmt werden soll. Zur Reise »e» Präsident»» Kaur« «ach Petersburg schreibt die „Köln. Ztg.": „In deutsche» Blüttir» finden wir di« Mitteilung, Präsident Kaur« werd« auf s«in«r Peters burger Reise nicht in Kopenhagen «inkebre», Am dänischen Hofe soll man Bedenken gegen seinen Empfang in Hinblick auf Deutschland habe»; von hochstehender Stile soll dort das Wort gefalle» sein, daß der Weg von Pari« nach Peters burg »ickt unvermeidlich über Kopenhagen führ«. Wir möchten diese Mittheilung nicht ernsthaft nehmen, denn einerseits möchten wir nach unserer Kenntniß der Dinge annehmen, daß sie jedenfalls die Stimmung am dänischen Hofe falsch darstept; anderersiit« möchten wir hervorheben, daß Deutschland njcht das allergeringste Interesse daran bat, de» Gegenbesuch de« Präsidenten Faure ju Petersburg, den Höflichkeit und Schick lichkeit nothwendig machen, irgendwie zu beeinträchtigen. Deutschland hat nicht den geringsten Anlaß, eine Iammer- Niiene aufzusetzen, wenn der Präsident in Petersburg ebenso glänzend «mpfangen wird, wie in Paris im vorigen Jahre der Zar und die Zarin, und «brnsowenig hat Deutschland ein Interesse daran, dem Präsidenten Kaur« eine» glänzenden Empfang bei feinen Gastfreunden in Kopenhagen zu miß gönne». Wir halten «S im Gegentheil für selbst verständlich, daß dex französisch« Präsident dort mit allem Pomp«, die seiner hoben Stellung gebührt, empfangen wird." Nach unserem Empfinden, das sich mit dem Welter Kreis« begegnen dürste, bat die deutsche Prrsse fick schon zu viel mit der Reise des Präsidenten der französischen Republik nach Rußland befaßt. Uns kann «S völlig gleichgiltlg sein, welchen Weg Herr Faure einschlägt, ob er über Kopenhagen geht oder nicht, ob er «in Zusammentreffen mit dem d«ulfchen Kaiser vermeiden will oder nicht. Wie Frankreich zu uns Zwei Frauen. L4j Roman von F. Marion-Trawsord. ria-truck veri»tm. (Schluß) Wäre Greif weniger plötzlich eingetreten, so würde Rex wahrscheinlich die Pistole mit seiner gewohnten Gelassenheit au« der Hand gelegt und seine Absicht verschoben haben, bi« sein Bruder wieder das Zimmer verlassen hatte. Greif aber war ganz unvermuthet auf ibn loSgefpruugen, und Rex wußte augenblicklich, daß sein Vor haben entdeckt war und er eS entweder gleich ausführen, oder e« aufgeben und sich darin fügen müsse, wie ein Irrsinniger behandelt und beständig, Taa und Nacht beobachtet zu werden. Hilda, die das durch daS Handgemenge verursachte Geräusch gehört hatte, aber nicht ahnte, daß ein Kampf stattfand, näherte sich der offenen Thür in der Voraussetzung, die beiden Manner verfolgten irgend ein Thier, daS durch einen Zufall in das Zimmer gelangt war. Gerade als sie auf der Schwelle stand und Greis und Rex wüthend miteinander ringen sah, Greis sich anstrengend, dem Bruder die Pistole zu entreißen, Rex bemüh», sie auf sich selbst anzulegen, hörte sie eine leise zornige Stimme, die sie nicht erkannte. Sie klang beinahe wie daS Knurren eine« sich zornig auf bäumenden wilden Thiere«. Rex gelang r« nicht, sich Greif'« zu erwehren. „Laß mich los!" rief Rex in tiefem, bebendem Ton, „laß mich los, Mensch, ich liebe Deine Frau, und deshalb will ich sterben." Mit einem gewaltigen Ruck bekam er seine Hand frei und den Kopf niederbeugend, drückte er die Pistole auf sich ab. Die Kugel hatte einen anderen als den von ihm beabsichtigten Weg genommen. Sir war krachend durch den Spiegel geflogen. Die Waffe war Rex entrissen worden, aber nicht durch Greif'« Hand. Hilda hatte die Größe der Gefahr erkannt und sich in der fchicksal«vollrn Minute in den Streit gemischt, gerade rechtzeitig, Rex vor einer gefährlichen Verwundung, wenn nicht vor dem Tode selbst zu retten. Sie batte sich de« Revolver« bemächtigt, nicht ohne sich der Möglichkeit auözusetzen, selbst von dem Schuß gestreift zu werden. Rex gab sofort jeden Widerstand auf. Zwischen dem Aerger, daß er gezwungen worden war, seiner Absicht zu entsagen, und dem Entsetzen, Hilda beinahe in demselben Augenblick an seiner Seite zu sehen, als er ihrem Gatten gestanden hatte, daß er sie liebe, war ihm keine Kraft mehr geblieben. Nach dem Aufgebot der äußersten Anstrengung in dem moralischen und physischen Ringen waren ihm die qualvollen Worte entschlüpft. Für wenige Sekunden hatte er seine Selbstbeherrschung völlig verloren, dann aber kam die Ueberlegenheit seiner Natur wieder zur Geltung. Er stieß Greif's Hand sanft zurück und machte einige Schritte zur Thür. „Du kennst jetzt mein Geheimniß", sagte er mit ruhiger Würde, die ihn mit einem fast verklarenden Schimmer überstrahlte. „Ich erbitte mir nur die Gunst, allein bleiben zu dürfen." „Ich werde Dich nickt einen Augenblick verlassen", begann Greif, aber Hilda untrrvrach ihn. Sie kam zu Rex, legte ihre Hand auf seine Schulter und blickte ihm in die Augen. „Ist eS wahr, daß Sie mich lieben, Horst?" fragte sie ernst, während Greif verwundert dreinschaute. „Ohne Ihre Dazwischenkunft wäre ich mit diesem Geständniß auf den Lippen gestorben", antwortete Rex, „ja, ich liebe Sie." „So leben Sie um meinetwillen!" bat sie, ihm die Hand reichend, die ihn gerettet batte. „Um Ihretwillen?" Rex wiederholte di« Worte, al- ob er sie kaum verstände. „Ja, meinet- und seinetwillen", antwortete Hilda, auf Greis deutend. „Mit dieser Sünde gegen ihn im Herzen? Nein, daS will ich nicht. Es wäre da« Leben eine« verräther«. Nein, ich kann, ich will nicht." „Sie sollen und Sie werden e«", sagte Hilda mit jener sieghaften Ueberzeugung, die ihr da« Bewußtsein ihre« macht vollen Einflüsse« verlieh, den sie schon mehr al« ein Mal in ihrem Leben erprobt hatte. „Nur rin Mann, der zu sterben versucht«, ist in einem solchen Falle Werth, zu leben. Wissen Sir, was mein Gatte Ibnen ist?" „Ich weiß e« besser al« er. Ich habe e« längst gewußt." „Nicht besser als er oder ich. Wir haben da« Geheimniß heute erfahren." „Sie kennen e-I" rief Rex in höchster Ueberraschung. „Sehen Si« auf di«s« Asch« hier am Boden, da« ist Alles, was ich davon übrig gelassen habe, und doch kennen Sie es! Nein, das ist unmöglich." „Wir wissen, daß Ihr Brüder seid", sagte Hilda, seine Hand ergreifend, die er ihr nur widerstrebend überließ. „Zwischen uns Dreien giebt es kein Geheimniß mehr." „Und Sie wissen, daß ich Sie liebe, daß ick meine« Bruders Frau liebe, und dennoch wollen Sie, daß ich lebe?" „Ja", rief Greif, der noch kein Wort gesprochen hatte. „Ja, ich will, daß Du lebst, daß Du mit uns lebst, und daß Ihr einander von ganzem Herzen liebt, wie ich Euch Beide liebe." Rex starrte erst seine» Bruder, dann Hilda an, erhob die Hand und bedeckte die Augen. „Ich verstehe, ich begreife nicht", sagte er mit leiser Stimme. „Weil ich Alle- verstehe und begreife, spreche ich so", ant wortete Greif mit wehmülhigem Ernst, „weil ich weiß, daß kein eclerer Mensch als Du auf Erden athmet, weil e« nur eine Hilda auf Erden giebt, und sie ist mein, wie ich ihr gehöre." „Du bist kein irdische« Wesen, mein Bruder", rief Rex. „Du solltest meinen Tod wünschen." „Wenn Du ein Anderer wärest als Rex, vielleicht, da Du aber bist, was Du bist, wünsche ich, daß wir Drei un« nie von einander trennen." „Nie!" wiederholte Hilda. „Ab, Horst, siehst Du nicht, daß Du auch mein Bruder bist, sühlst Du nicht, daß ich Deine Schwester bin, und sollten Geschwister wie wir zur Trennung verurtheilt werden?" „Ich kann e« nicht sagen", antwortete Rex, „wenn Ihr von mir verlangt, daß ich lebe, kann ich Euch nur da« von meinem beben geben, wa« mir davon geblieben ist. Ihr kennt mick jetzt. Ihr wißt da«, worüber ich selbst mir erst gestern Abend klar wurde und wa« ich heute al« Geheimuiß mit mir in« Grab genommen haben würde. Wenn ich in Euren Augen so viel weniger niedrig dastehe al« in den meinigen, wenn Ihr auf mich sehen könnt, ohne mich zu ver abscheuen, wenn Ihr an mich denken könnt, ohne mich Ver- rätber zu nennen, so gehört diese« Leben Euch. Wollt Ihr wissen, wie das Alle« so gekommen ist? Ich liebte in einem Traum. In sckattenbasten Gebilden meiner Phantasie machte ich mich zum Vater Hilda'«, gab ich ihr eine längst verstorbene, von mir über Alle« geliebte Mutter. Ich unter hielt mich mit einem Sckatten, ich liebte einen Schatten, und dieses Geschöpf meiner Träume wurde Hilda immer ähn licher, so ähnlich, daß, al« ich gestern meinen Blick auf sie warf, ich wußte, ich müsse ohne Verzug sterb«». Der Sckatten, dem meine Huldigungen gegolten batten, war die Frau Dessen, für den mir kein Opfer zu fchwrr gew«sen wäre, meiues einzigen Freundes, meine« einzigen Verwandten, meine« einzigen Bruder«. Und wenn I^r mich nicht daran gebindert hättet, wäre ich selbst jetzt ein Schatten, aber mein Leben gehört hiuforl Euch, thut damit, wa« Euch gut dünkt. Nickt um unerträglichen Ovalen zu entfliehen, wollte ich sterbe», nicht weil ich fürchtete, durch Wort oder Thal das Siegel zu brechen uud zu zeigen, was in mir vorging. Ich wollte nur die Welt von einem Elenden befreien, der keine Kraft hatte, zu leben." „Mehr Kraft als ich, oder mancher Bessere als ich", sagte Greif, seine Haud auf des Bruder« Schulter legend. „Sei vernünftig, Greis", antwortete Rer. „Ücberlege aut, was noch zu erwarten ist, ob Du Dich stark genug fühlst, Dir selbst und mir zu vertrauen. Um mich, für mich bin ich nicht besorgt. Ein Druck meines Finger«, ein kurzes Geräusch, und Du bist mich sür immer loS. Im Tode liegt eine Bürgschaft, die daS Leben niemals zu gewähren vermag." „Sprich nicht mehr vom Tode, lieber Horst", bat Hilda. „ES ist kaum ein Jahr und wenige Monate her, seit zwei Brüder und eine Frau, drei Personen wie wir, einander gegenüberstanden, wie wir, und vielleicht durch ihre Thaten und durch ihren Tod den Tod aus unserem Pfade räumten. Sprich nicht mehr von« Tode, hier, wo ein anderes Dach uns beschützt, wo wir andere Namen führen, als jene. Lass' dieses HauS ein Haus deS Leben« sein, wie jenes eins des Todes war, die Heimalh ehrlicher Liebe, wie jene- die Heimath des VerratheS war, die Stätte des Frieden«, wie jene« die Stätte gewaltsamer Thaten. Die Stunde de« bösen Ber- bängnisse« ist vorüber, von heute an beginnen die Tage ohne Furcht und ohne Schrecknisse. E« war in der Thal der entscheidend« Augenblick in dem Leben dieser drei Personen, und nachdem Hilda gesprochen hatte, verharrten sie Alle in längerem Schweigen. Die Ge danken, die ihre Worte in dem Geist der beiden Männer bervorgerufen hatten, führten ihre Erinnerung zu den Vor gängen in Greifenstein zurück, und sie konnten nicht umhin, anzuerkennen, daß «ine gebeimnißvolle Aehalichkeit zwischen ihrer Geschichte und der Geschichte jener Entschlafenen bestand. Wie Rieseneck und Greifenstein Halbbrüder gewesen, waren eS Greif und Rer, wie ihre Väter eine Frau geliebt, so liebten sie Beide Hilda; wie da- ält«r« Brüdrrpaar ohne di«
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