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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.08.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970803025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897080302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897080302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-03
- Monat1897-08
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Nnzeigen-PretA die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg» Reclamen unter dem RedactionSstrich (4gm spalten) 50^, vor den Familiennachrichte» (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsafs nach höherem Tarif. Extra-veilagen (gefalzt), nur mit de» Morgen»Ausgabe, ohne Postbesörderun(> 60.—, mit Postbeförderung 70.-^ Itnnahmeschluß für Anzeigen: Ab end »Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Akorge»-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richte«. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. August. Ein Theil der deutschen Presse, und darunter leider nicht einflußlose Zeitungen, haben die Meldung von der Kündigung des Handelsvertrags mit England mit Beben ausgenommen. Daß England in einem Zollkrieg mit Deutschland auch nicht wenig zu riskiren habe, ist von Vielen gar nicht, von Anderen in so de- und wehmüthigem Tone den transcanalösen Freunden unterbreitet worden, daß diese die Vorstellung gewinnen könnten, die deutschen Lüfte von Mülhausen bis Memel seien mit Wehgesckrei erfüllt. Mit um so größerer Genugthuung muß es erfüllen, daß die „Hamb. Nachrichten", das Organ des Fürsten Bismarck und der Geschäftswelt der ersten deutschen Handelsstadt, den englischen Entschluß mit Worten des Selbstgefühls und Selbst vertrauens hinnimmt: „Wir sind wirthschaftlich genügend er starkt, unsere Schifffahrt und unser Handel haben Kraft und Initiative genug, um gegebenen Falles auch einen Kampf im Welthandel aufzunehmen." So zu sprechen ist richtiger, würdiger und auch zweckdienlicher, als sich den Engländern in einer wie durch ein besudeltes Kleidungsstück ver ursachten Stellung der Kampfunfähigkeit zu präsentiren. Wenn unsere wenigen Manchesterleute und Englandschwärmer sich betreten zeigen, so ist das noch begreiflich. Haben sie sich doch den Briten als uneigennützige Priester vorgestelll, die dem Freihandel huldigen, nur weil dieser der wahre Gott ist, und nicht wegen der Einkünfte des Levirats. Verwunder lich aber ist eS, daß zunächst schutzzöllnerische Organe allen Halt verloren zu haben scheinen. Es war ja doch kein Ge heimnis, daß die Besorgniß vor dem deutschen Wettbewerbe den Freihandelsgedanken in England mehr und mehr verdrängte und daß die dortigen Regierenden sich der neuen Bewegung nicht entziehen. Durch die „maclo"-Bill bat der englische Freihandelsmantel ja schon vor Jahren an seiner fleckenlosen Weiße Schaden gelitten, und das Gesetz, welches die Einfüh rung von Gefängnißerzeugnissen verbietet — im preußischen Abgeordnetenhause ist Vie vollkommene Grundlosigkeit der hierauf bezüglichen englischen Klagen wiederholt dargethan worden — hat Niemand in Deutschland als etwas Anderes denn als einen Vorwand für schutzzöllnerische Pläne angesehen. Eine Umkehr, wie von England beabsichtigt, vollzieht sich langsam, und heute denkt man dort wohl noch nicht an einen autonomen Tarif, wahrschein lich noch nicht einmal an einen von dem gekündigten irgend erheblich abweichenden Handelsvertrag. Die jetzige Maßname dient zunächst dem Plan der Bildung einer Zoll vereinigung mit den Eolonien. Diese aber ist natürlich nur als Vorbereitung eines Großbritannien einschließenden „größer britischen" Schutzzollgebiets gedacht, denn mit dem Project eines „Reiches" wird in erster Linie ein wirthschaftlicher Zweck verfolgt, nämlich die gegenseitige Bevorzugung der Ausfuhr des Mutterlandes und der Colonien. Die Kündigung des Handelsvertrages mit Deutschland und Belgien ist keine Üeberraschung, und noch weniger kann sie Bestürzung er regen. Im Gegenthcil. Die deutsche Industrie, die jetzt ein osficielles Warnungssignal vernommen bat, wird von nun ab mit der verhältnißmäßig nahen Möglichkeit einer Erschwerung der Ausfuhr nach England und allen seinen Colonien rechnen und allmählich dem bevorstehenden Zustande sich anpassen lernen. ES müßte denn sein, daß England in dem neuen Vertrag, über den zu verhandeln eS sich bereits erboten hat, also vom 1. August 1898 an, Zölle gebunden sehen möchte. Das ist an sich nicht wahrscheinlich, und wenn England doch schon jetzt daran denken sollte, so wird eS keine Lust zur Festsetzung erheblicher Zölle haben. Denn ein schroffer Ucbergang träfe Großbritannien härter als Deutschland, dessen Industrie — das ist ja eigentlich der Grundschmerz der Eng länder — im Aufsinden neuer Absatzquellen der britischen weit überlegen ist. Der Vicepräsidenl deS preußischen Staatsministeriums hat sich bekanntlich geweigert, die Eingabe des Bundes der Land- wirthc auf die Richtigkeit ihrer thatsächlichen Angaben zu prüfen. DaS bedauern wir nur um der Regierung willen, denn daß das Elaborat der Herren v. Ploetz und Genossen statistisch unhaltbar ist, konnte auch ohne Zuthun des Reichs kanzlers und des preußischen Landwirthschastsministers nach gewiesen werden. Die „Bank- und Handelszeitung", die be kanntlich ein agrarisches Blatt ist, setzt die Widerlegung der statistischen Angaben des Bundes fort. Nach der Eingabe standen zur Verfügung: 1889/91 für 47 Mill. Menschen 94 Mill. D.-Ctr. 200 Icx per Kops 1892/95 „ 51 „ „ 116,5 „ „ --- 228 „ „ „ 1896 „ 52,5 „ „ 137 „ „ -- 261 „ „ „ Diese Zahlen sind nach der „Bk. u. Hdlsztg." falsch; es muß heißen: Es standen zur Verfügung: 1889/91 f. 49,24 Mill. Menschen 84,74 Mill.D.-Ctr. ---172 lcx p.Kops 1892/95 - 51.09 » - 106,40 » . --208 » » » 1896 »52,66 - - 114,68 » . --217 » » » Die Eingabe hat nämlich ganz vergessen, die Aussaat von dem „zur Verfügung des Consums" stehenden Ernte-Ertrag abzu ziehen. Man kann doch unmöglich das zur Aussaat nothwendige Getreide als für den Brodbedarf per Kopf verfügbar hinstellen. Danach fällt die Argumentation der Eingabe, daß „die Steigerung der verfügbaren Menge Getreide nach Abschluß der Handelsverträge auf den enormen Betrag von 261 lcg pro Kopf eine Ueberslußeinfuhr darstcllt, die wesentlich durch die Zollermäßigungen und durch das Börsenspielgeschäft hervorgerufen worden ist und durch Vie bereits die entsprechen den Mengen inländischen BrodkorneS des Absatzes beraubt und zu Futterzwecken in die Viehställe gedrängt worden sind", in sich selbst zusammen. Ferner weist die „Bk.- u. Hdls.-Ztg." nach, daß die Eingabe für das Jahr 1896 das aus Deutsch land exportirte Getreide als mit für den Inlandsverbrauch verfügbar hinstellt, daß es „unwahr" ist, wenn sich die Eingabe für Annahme deS Ernteertrages von 1896 zu 110 Millionen Doppelcentnern auf eine in der amtlichen Statistik gegebenen Schätzung beruft, daß der definitive Ernteertrag von 1896 sich auf 102,40 Millionen Doppel- centner stellte, daß die Prämisse der Eingabe, der Brod- bedars pro Kopf der Bevölkerung sei „bekanntlich" auf 180 kg zu berechnen, falsch ist, da eine normale Steigerung deS Bedarfs sich stetig vollzogen hat; daß „hiernach die sachlichen Motive der Eingabe ausnahmslos auf falscher Annahme und falschem Zahlenmaterial beruhen." — Die „Bank- und Handelsztg." schreibt dann weiter: „Als Handels- und Fachzeitung haben wir eS für unsere Pflicht gehalten, unrichtigen und irre führenden Ansichten enkgegenzutreten, zumal da Vie Gefahr für die deutsche Landwirthsch ast vorhanden ist, daß auf Basis der Angaben der Eingabe die Getreidepreise imInland ganz ungebührlich unterDruck gehalten werden. Den Ertrag der 1896er Ernte giebl die Eingabe viel zu hoch, die Aussichten für die 1897er Ernte viel zu günstig an; die Getreide-Einfuhr wird zu hoch, der Inlands- Consum viel zu niedrig berechnet, die Läger überschätzt, kurz alle Angaben sind nicht nur falsch, sondern so gewählt, daß dieselben den deutschen Lanbwirthen wesentlich Schaden zufügen können. Gegen derartige einen großen Erwerbs stand in Deutschland schwer schädigende Statistik müssen wir ganz entschieden Protest ein le gen." Die böhmische Krise spitzt sich immer mehr zu. Di- Tschechen thun es den Deutschen gleich an Protesten und Demonstrations-Kundgebungen und mobilisiren ebensallS auf der ganzen Linie. Eine Abordnung des Executiv-ComiteS der j'ungtschechischen Partei überreichte (wie mitgetheilt) am Sonnabend dem Prager Statthalter einen ungemein scharf gefaßten Protest gegen die „Verfolgung" der Tschechen in dem sogenannten geschlossenen deutschen Sprachgebiet. Derselbe ist nichts mehr und nichts weniger als eine erneute offene Kriegs erklärung gegen das Deutschthum in Böhmen bezw. in ganz Oesterreich. Ebenso einigte sich das Comitä dahin, eine Deputation an den Grafen Badeni zu entsenden unv den selben um Schutz für die tschechischen Minoritäten zu ersuchen. Weiter wollen die Tschechen mit Rücksicht auf die gegenwärtige politische Lage den Zusammentritt der permanenten parla mentarischen Commission der Rechten in Wien betreiben, damit die Vorarbeiten für den Fall der Einberufung des Prager Landtages und des Reichörathes rechtzeitig in Angriff genommen werden können. In der zweiten Hälfte des September soll eine Versammlung aller tschechischen Abgeordneten stattfinden. Man wird jung tschechischerseits eine Denkschrift erscheinen lassen, enthal tend die Darlegung der politischen, nationalen und sprach lichen Verhältnisse der Deutschen und der Tschechen „in den Ländern der böhmischen Krone", sowie den „Nachweis", daß noch immer die Tschechen und nicht die Deutschen benach- theiligt werden. Zum projectirten tschechischen Städtetag in Prag am 5. September wird der Prager Stadt rath im Einvernehmen mit dem jungtschechischen Executiv- Comitv alle Abgeordneten der tschechischen Nation ohne Unterschied der Parteistellung einladen. Gleichzeitig beginnen die Südslawen energische Rüstungen gegen vaS Deutsch thum. Vorgestern fand in Laibach eine Besprechung sämmt- licher slowenischer ReichsrathSabgeordneten, sowie der kroatischen ReichsrathSabgeordneten IstrienS statt, in welcher die allgemeine innere Lage erörtert und ins besondere zu den aktuellen slowenischen und istrisch- kroatischen Angelegenheiten Stellung genommen wurde. Die Slowenen beschweren sich über die „Unterdrückung der Slawen und die Protegirung der Italiener", sowie über das „System der Liebkosung der deutsch-nationalen Verbort- heit". Die Haltung der Südslawen ist ungemein bezeichnend zu einer Zeit, wo Graf Badeni einen Ausweg auS den böh mischen Schwierigkeiten zu finden sich bemüht. Die Süd slawen sind ebenso wie die Iungtschechen bestrebt, den Ministerpräsidenten in den heftigsten Kampf mit den Deutschen der Alpenländer und den Italienern des Küstenlandes zu treiben, so daß ihm schließlich jeder Rückzug unmöglich wird. Noch bezeichnender aber ist die Haltung der Polen, die sich urplötzlich auch darauf besinnen, daß sie schon lange schweres Unrecht von den Deutschen erleiden und Zurücksetzung er fahren. Auf dem schon kurz erwähnten in Mosty bei Teschen abgehalteuen polnischen Parteitage wurden zwei Resolutionen für angenommen erklärt. Die erste enthält eine entschiedeneAuf- forderung an die Regierung entsprechend anzuordnen, daß alle Gerichts- und Staatsämter, welche inmitten der polnischen Bevölkerung Schlesiens fungiren, mit der Bevölkerung in Wort und Schrift in polnischer Sprache verkehren, alle polnischen Zuschriften, Eingaben, Gesuche polnisch beantwortet, von allen unter der polnischen Bevölkerung amtirenden Gerichts- und sonstigen Staats ¬ beamten vollständige Kenntniß polnischer Sprache verlangt werde. Die zweite Resolution verlangt Verstaatlichung des polnischen Privatgymnasiums in Teschen sowie, daß das Schulwesen unter der polnischen Bevölkerung Schlesiens den Bedürfnissen dieser Bevölkerung angepaßt würde. Mau sieht, das Beispiel der Tschechen hat bei allen Slawen Nach ahmung gefunden. Im nächsten Jahre haben ebenso wie in Deutschland auch in Frankreich allgemeine Wahlen stattzufinden, die ebenso wie in Deutschland, diesmal von besonderer Bedeutung sein werven. Es wird sich in Frankreich darum handeln, ob die gemäßigte republikanisch-conservative Majorität bestehen bleibt, oder ob sie von einer radical-socialistischen Mehrheit abgelöst werden wird. Um der Möglichkeit deS "Sieges der Radikalen vorzubeugen, scheint man zu einem wohlbewährtcn Mittel greifen zu wollen, nämlich zu der Besetzung der Präfek turen mit „zuverlässigen" Männern. Diesem Plane stimmt der „Figaro" begeistert zu. Er meint, man dürfe als Präfekten nicht solche Männer im Amte belassen, die zwischen Radikalen und Gemäßigten hin- und herlavirten, sondern man müsse an ihre Stelle Männer setzen, die eifrige und ehrliche Ver treter des socialen Widerstandes seien. Unter „socialem Widerstande" versteht der „Figaro" den Widerstand gegen jede sociale Gesetzgebung, insbesondere gegen eine Entlastung der wirthschaftlich Schwächeren, zum Beispiel durch eine gereckte Steuerreform. Der „Figaro" fährt fort: Die Operation (d. h. die Neubesetzung der Präfectenstellen) muß wissenschaftlich bis auf den Grund durchgeführt werden, im Nothfalle mit Brutalität; von dieser Reinigung würde» die Wahlen abhängen. Der „Figaro" erinnert daran, wie Constans, der energischste Minister des Inneren unter der 3. Republik, seinerzeit vor den Wahlen alle Präfecten habe zu sich kommen lassen und wie er ihnen bedeutungsvoll gesagt habe: „Geben Sie sich Mühe, mich nicht zu ent täuschen, dann werde ich mich Ihnen gegenüber auch nicht versagen." Das Blatt ermahnt den gegenwärtigen Minister des Inneren Barthou, es seinem Vorgänger nachzuthun. Derartige Vorschläge wagt man in dem republikanischen Frankreich zu machen und was noch schlimmer ist, sie werden wahrscheinlich auch ausgeführt werden. Was würde man wohl sagen, wenn in Deutschland ein solcher Vorschlag gemacht würde? Zwei Parteien, Regeneradoren und Progressisten, theilen sich seit Jahren in die Regierung Portugals. Im Februar dieses Jahres hatte das Regeneradoren-Cabinet Hintze- Ribeiro nach vierjähriger Willkürherrschaft gründlich ab- gewirthschaftet. An ferne Stelle trat daS Progressisten- Ministerium Luciano de Castro. Das neue Cabinet stellte sich den Cortes nicht vor, sondern löste sie auf. Die Wahlen fielen natürlich nach dem Sinne der angeblich liberalen Regierung aus, und am 15. Juni wurden die Cortes mit einer Thronrede wieder eröffnet, welche ein reichhaltiges inneres Programm entwickelte und vor Allem Mittel zur Sanirnng der schlechten Finanzen Portugals vorschlug. Im Vor anschlag werden die Einnahmen mit 52 865 Contos (1 Conto — circa 4000 Francs), die Ausgaben mit 55 563 ContoS beziffert, so daß sich ein Fehlbetrag von 2697 ContoS ergiebt. Dieser soll durch außerordentliche Einnahmen von 2830 Contos wettgemacht werden, woraus sich schließlich ein Ueberschuß von 132 ContoS ergeben würde. Die außerordentlichen Einnahmen sollen ausschließlich durch neue Anleihen unter Verpfändung der letzten der Re gierung noch gebliebenen Hilfsquellen beschafft werden. Hier- Feurlleton. „Harmonieen". 6s Roman von A. Fischer-Löher. Alle Rechte Vorbehalte». Mit einem Seitensprunge war der Fürst herangesprengt, allem andern Beistände zuvorkommend. Er sprang auS dem Sattel und hatte im Nu den Fuß der Gestürzten frei gemacht. Dann kniete er neben der ohnmächtigen Comtesse nieder. Er hob ihren Kopf behutsam in die Höhe und untersuchte, ob dieser vom Fall eine Wunde erhalten hatte. Seine tastenden Finger zitterten in nervöser Erregung, und ein Auf- athmen hob seine Brust, als unter der Berührung Clarissa die Augen öffnete. „Gott sei Dank! Wie fühlen Sie sich, Comtesse? Haben Sie Schmerzen?" fragte er, nachdem er ihr forschend in die Augen gesehen. Clarissa Falkenstein rührte sich nicht. Ihre Augen hingen stumm an dem leicht erkennbaren Ausdruck von Angst in dem Antlitze des Fürsten, das sich über daS ihrige neigte. „O, mir ist wohl", kam eS dann leise über ,hre Lippen. Ein neuer OhnmachtSanfall schloß gleich darauf wieder ihre Augen. Als sie wieder zu sich kam, lag ihr Kopf tief in Comtesse Renate'« Schooß, und ihr Rücken wurde von einem Paar starker Arme hoch gehoben. „Endlich", hörte sie Renate sagen. „Bitte, rühre Dich nicht, liebe Clarissa! Erst sage uns, ob Du irgend welche Schmerzen verspürst." Die Arme, die sie hielten, gaben nach. Jetzt lag sie ganz in Renate'S Schooß. Einen Augenblick schaute Clarissa verständnißloS auf die umstehenden Freunde. Dann kam ihr erst die Erinnerung dessen, was mit ihr vorgegangen war. Sie schüttelte den Kopf. „Ihr braucht nicht anzunehmen, daß ich krank geworden und deshalb vom Pferde gefallen bin", rief sie. „Ich batte nur nicht Acht auf meine „Hella", die plötzlich vor einem Lberbäogenden Zweige scheute. Ich bekam einen Stoß und verlor darüber das Gleichgewicht, weil ich nicht aufgepaßt hatte. Der Schreck und der Fall haben mich nachher betäubt, weiter ist eS nichts. Mir fehlt wirklich nichts", fügte sie noch einmal hinzu. Um den Beweis zu liefern, versuchte sie sich zu erheben und stanv bald aufrecht auf den Füßen, gestützt auf den Arm deS Fürsten. „Können Sie gehen?" fragte dieser. Sie nahm ihr Reitkleid zusammen und versuchte einige Schritte zu machen. Renale beobachtete dabei ihr Gesicht und bemerkte sofort, daß sich eine Schmerzempfindung darin ausprägte. Sie hielt den Fürsten, der weiter schreiten wollte, an. „Das geht nicht, Clarissa hat Schmerzen. Dir thut der Fuß beim Auftreten weh!" wandte sie sich an Clarissa. „Mein dummer Fuß muß sich verrenkt haben. Vielleicht wird es bester, wenn ick wirklich einige Schritte gehe." „Das Gegentheil würde der Fall sein", behauptete der Fürst. „Glauben Sie reiten zu können, Comtesse?" „Gewiß, ganz gut. Mir fehlt wirklich weiter nichts." Sie hatte kaum ausgesprochen, als des Fürsten Arme sie umschlangen und emporhoben. Er trug sie die kurze Strecke bis zu ihrer „Hella". Sie hatte den linken Arm um ihres Trägers Nacken ge legt und schaute auf sein unbedecktes Haupt hinab. DaS glänzend schwarze Gelock bewegte sich leise von ihrem raschen Äthern, der darüber binstrich. Wie magnetisch angezogen, verwandte sie keinen Blick davon. Eine wunschlose Ruhe war über sie gekommen und hielt jede Bewegung an ihr ge fangen. Wie ein entzückender Traum legte eS sich um ihre Sinne, sich von den Armen dessen getragen zu wissen, dem ihr Fühlen und Denken seit Wochen galt. Sie erwachte erst aus diesem traumhaften Wonnegefühl, als der Fürst ibre leichte Gestalt in den Sattel hob. Ohne zu wissen, was sie that, nur einem übermächtigen Drange folgend, neigte sie ihren Kopf tief herunter, daß ihre Lippen fast die Spitzen seine« Weichen Bartes streiften. Des Fürsten dunkle Augen bohrten sich in die ihrigen. Er hatte kaum den leisen Hauch ihres Mundes verspürt, als ihn ein namenloses Entzücken vom Scheitel bis zur Zehe durchzuckte. Gaukelten ihm die Sinne etwas vor, oder hielt er wirklich ein Weib in den Armen, das sich der innersten Empfindung scheu und unbewußt und doch warmblütig zugleich hingab? Er konnte ihre Augen nicht sehen. Clarissa hatte die Wimpern tief auf die heißen Wangen gesenkt. . » Ihre Hand tastete unsicher nach dem Zügel, während sie sich im Sattel zurechtrückte. Er löste jedoch ihre Finger wieder von dem Zügel, als sie ihn endlich hielten, und griff selbst nach ihm, während er in ehrerbietiger Huldigung seine Lippen auf ihre Hand drückte. Kaum, daß Clarissa saß, waren auch alle anderen Reiter in den Sätteln bis auf den Fürsten. Er schritt, Clarissa's „Hella" führend, neben dieser einher, während einer der anderen Herren deS Fürsten Pferd am Zügel nahm. Die Cavalcade setzte sich langsam wieder in Bewegung. Siebentes Capitel. Das Majorat Eberstein war eine Erbschaft, deren Erbe zu sein schon an sich mit Stolz erfüllen mußte. Ein Mann wie der Fürst wurde um so mehr von dieser Anwartschaft beglückt, als er im Stande war, die Groß artigkeit und Vollkommenheit des ganzen Betriebes der Güter zu würdigen. Hier hatten sich Geist und Thatkraft der Besitzer seit Generationen zu einem Werke von imponirenber Größe ver einigt und etwas Mustergiltiges geschaffen. Graf Lothar Eberstein war ein Großgrundbesitzer von gediegener Fachkenntniß. Alle Zügel des weiten Besitzes waren in seiner Hand vereinigt, aber seine Hand zerrte nicht an ihnen. Sie hielten sie locker, um jedem Gliede seine freie Bewegung zu lassen, sobald es sich in da« Getriebe des Ganzen mit Sicherheit «ingesügt hatte. Pächter, Verwalter, Förster und Züchter nahmen bereit willig den Rath deS Grafen Lothar an, weil er einen durch dachten Einwand ebenso bereitwillig gelten ließ. Es war eine durchgeführte monarchisch-constitutionelle Herrschaft im Kleinen, in der Alles gedieh. Dazu kam die Ertragsfähigkeit deS Ganzen, der fette, lehmige Boden, auSgebreitete Wiesencomplexe für große Rinder- und Pferdezucht und ein üppiger Bestand an Hoch- und Niederwald, Brennereien und Fabrikanlagen mit muster- giltigen Gebäuden. Der Fürst ritt und fuhr jeden Tag mit dem Grafen Lothar in dem großen Besitzthum umher. Bis in die entlegensten Winkel drang deS Grasen beauf sichtigendes Auge, und der Fürst fand täglich Gelegenheit genug, seiner vollen Bewunderung lebhaften Ausdruck zu geben. Die beiden Männer verstanden sich bald. Zwischen ihnen wuchs von Tag zu Tag das Gefühl der Zusammengehörigkeit durch die Uebereinstimmnng ihrer Ansichten. Graf Lotbar gewann die Ueberzeugung, daß in des Fürsten Händen daS Eberstcin'sche Majorat auf gleicher Höhe erhalten bleiben würde, und den Fürsten erfüllten des Grafen um fassende Kenntnisse mit Ehrfurcht. Das Schloß Eberstein selbst paßte in seiner wuchtigen Würde vorzüglich zu den großen Ländereien, die eS umgaben. ES war nichts Spielendes, nichts Zufälliges an dem ganzen Bau, kein Thürmchen, kein Erker oder vogelnest artiger Balcon. Es war ein breit hingelagerter Renaissancebau mit reichgegliederten Fanden und einem Säulenportal — der steinerne Ausdruck eines grundfesten, klar durchdachten Herrschergedankens. Die beiden Seitenflügel des Schlosses bildeten mit dem Hauptgebäude ein längliches Viereck, welches die vierte offene Seite einem vom Park umgebenen Teiche zukehrte. Der hof ähnliche Mittelraum zwischen den Seitenflügeln war zu einer Blumenterrasse umgeschaffen, den eine Sandsteinbalustrade zu beiden Seiten einer Freitreppe von einer zweiten, in den Teich hineingebauten Terrasse trennte. Auf dieser Blumenterrasse in einem lauschigen Eckchen saß Clarissa Falkenstein und hatte den angegriffenen Fuß auf eine Fußbank gestreckt. Unweit von ihr lehnte Renate Eberstein an der Balustrade mit einer Falte zwischen den feinen Brauen. Zwischen den beiden Comtessen war seit geraumer Zeit kein Wort getauscht worden. Clarissa hielt die Augen niedergesenkt und betrachtete ihre weißen, schlanken Hände, die sie müßig im Sckooße hielt, und Renate beobachtete sie dabei, ohne daS jene eS gewahr wurde. „Sie ist wieder nichts als sensiv", dachte Renate. „Ich möchte wissen, ob Clarissa überhaupt an etwas Bestimmtes denkt oder sich nur von allgemeiner weicher Stimmung ein lullen läßt. Sie lebt recht oft in einem solchen indifferenten Seelenzustande, der den lieben Mitmenschen als ein Ausdruck gcheimnißvoller Innerlichkeit vorkommt. Was man nicht heranSbringt, kann man bineinlegen, Clarissa hält still. Da bin ich weit unbequemer mit meinem streitbaren Wesen. Ich lasse mir nichts aufdrängen, ich bin eine Melodie, Clarissa ist nur Begleitung, die allerdings an ein Dutzend Melodien sich anpassen und dabei wohlklingend bleiben kann. Darum ist Clarissa auch brauchbar, ich bin's nicht. Fürst Schwarzen-
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