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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.08.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970806029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897080602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897080602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-06
- Monat1897-08
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Größere Schriften laut unsere» PreiS- verztichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Laris. lsxtra-Beilagen (gesalzt), nur mit de» Morgen-Ausgabe, ohne Poskbesörderunz, SO.—, mit Postbesörderung 10.—. Annahmeschluß sür Anzeigen: Abend»Au-gab«: vormittag» 10 Uhr. Btorgrn»Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stund» früher. Anzeige« find stet- an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 387. Freitag den 6. August 1897. 81. Jahrgang. Die Anleihen der Gemeindeverbande in Preußen. Li Wiederholt sind die Grundsätze, nach welchen bei der staatlichen Genehmigung kommunaler Anleihen verfahren wird, erörtert, und mit Genugthuung ist gerade in den letzten Jahren einer straffen preußischen Finanzverwaltung beobachtet worden, wie von den staatlichen Aufsichtsbehörden streng darauf ge halten wird, daß solche Anleihen auch wirklich nur zu gemeinnützigen Zwecken ausgenommen werden und zugleich eine entsprechende Verzinsung und Amortisirung der auf genommenen Gelder verbürgt wird. Und mit Recht; denn staatliche und kommunale Finanzkraft bedingen sich gegen seitig, und eine geordnete Staatsverwaltung ist auf die Dauer nicht möglich, wenn der Neigung, vorübergehende oder fast ausschließlich der Gegenwart dienende Anlagen durch Ueber- wälzung der Kosten derselben auf die Schultern deS Nach wuchses zu ermöglichen, innerhalb der Gemeinde zu weit nachgegeben wird. Aber nicht nur von diesem Gesichtspunkt sind die Anleihen der Communen zu betrachten. Gerade im Gegensatz zu den Staatsanleihen, welche zumeist für solche Zwecke in Betracht kommen, die keine wirthschaftliche Rentabilität gewähren, dienen Gemeindeanleihen, man kann sagen in der Regel, Anstalten solcher Art, welche wie Gasanstalten, Wasserwerke, Markthallen, Canalanlagen, Schlachthöfe unmittelbaren wirthschaftlichen Be dürfnissen entsprechen und auch Ueberschüsse zur Verzinsung und Tilgung gewährleisten. Insofern spiegelt sich in den Zahlen der kommunalen Anleihen auch die kulturelle Hebung der Bevölkerung und ihrer Lebenshaltung wider, welche einer kühn vorgebenden, schöpferischen Technik und den durch sie hervorgernfenen gemeinnützigen Bedürfnissen zu danken ist. Bisher lagen nur über die Schulden der Städte und Landgemeinden genauere Gesammtnachweisungen vor; über die der Provinzen und Kreise fehlten sie. Immerbiu ließ sich auch in diesen Verbänden deutlich eine Steigerung der Schuld beträge erkennen. Diese Lücke ist nun ausgefüllt durch Berech nungen, welche von 1832 bis 1895 reichen und die Gesammt- summe der von den preußischen Gemeindeverbänden bi» zu diesem Jahre einschließlich aufgenommenen Anleihen auf den erheblichen Betrag von fast 2 Milliarden Mark beziffern. Es ist interessant, zu beobachten, wie diese Anleihen zunehmen. Im AnfangSjabr 1832 sind eS 600 000 im Jahre 1895 hingegen 75,5 Mill. Mark, 1896 wiederum 49,4 Mill. Mark. Das niedrigste Jahr war daS Jahr 1844; damals betrug die Gesammtsumme 25000 Die höchste IahreSsumme fällt auf 1874 mit 128,8 Millionen, welche annähernd auch im Jahre 1890 erreicht wurde. Diese Summen, welche von Kaehler auf Grund einer von ihm veranstalteten Sammlung aller einschlägigen Privilegien berechnet worden sind, vertheilen sich wie folgt auf die verschiedenen Gemeinden: Zwei Drittel der Summe tragen die Städte; auf Berlin entfallt fast ein Drittel. Zumeist sind dann an den Stadtanleihen die Städte im Rheinland betheiligt, was zum Tbeil bei der dort in der Regel sehr schnell erfolgenden Verwerthung aller für commu- naleZwecke verwerthbaren culturellenErrungenschaften begreif lich ist. Verhältnißmäßig wenig Stadtanleihen entfallen auf die Regierungsbezirke mit vorwiegend landwirthschaftlichen Ver hältnissen. Die Landgemeinden vermeiden gewöhnlich Schuld aufnahmen durch Ausgabe von Inhaberanleiben; ihre Ver schuldung ist aber auch nicht gering; sie wurde 1883/84 auf rund 100 Millionen Mark geschätzt. Ein Sechstel der Zwei milliardenschuld entfällt sodann auf die Provinzialcorpora- tionen; etwas mehr als ein Zehntel, nämlich 202 Millionen Mark, auf die Kreise; von diesem Betrag waren allein 75 Millionen Mark in den beiden Provinzen Ost- und West preußen ausgenommen. Bemerken-werth sind schließlich die Ausführungen über die Verzinsung und Unterbringung dieser Anleihen, auch inso fern, als sie eine» Fingerzeig geben, wie weiter für die Ent lastung ländlicher Bezirke gewirkt werden kann. Verzinst wird die Hauptmasse der KreiSanleihen auch jetzt noch mit 4»/, und 4 Proc.; die Städte haben seit 1886 schon allgemeiner auch Anleihen zu 3»/, Proc., das Jahr 1896 hat die An fänge zu einem Ueberzange auf 3 Proc. gebracht, jedoch sind zu 4 Proc. noch 1893 z. B. im Regierungsbezirk Arnsberg und Düsseldorf Anleihen in größerer Zahl aus genommen. Die Convrrsionen gehen bei den Kreisen nur in langsamem Tempo vor, bei den Stadtanleihen bat seit 1886 die Herabsetzung deS Zinsfußes auf 3»/» Proc. fast alle höher verzinslichen Anleihen ergriffen. Der Durchschnitts- EmissionSbetrag beträgt für die Provinzial-Anleihen 8 Mill. Mark, für die Städte-Anleihen einschließlich Berlin 2 Mill. Mark, ausschließlich Berlin 1'/» Millionen Mark, für die Kreise 328 000 und für die Landgemeinden 900 000 Die genannte Schrift schlägt nun vor, da erst bei einem Emissionsbetrage von mindestens 3 Millionen Mark die Vortheile der Schuldaufnahme durch eine Anleihe zur vollen Entfaltung kämen, den Communalcredit zu centralisiren. Ein Centralinstitut sollte im Betrage der übernommenen Anleihen Communal - Obligationen auf eigenen Namen, aber für Rechnung der schuldneri schen Corporationen anSgeben, die dafür erlöste Valuta an diese abführen und die Verzinsung und Tilgung auf Grund der regelmäßig von diesen einzuzahlenden Beträge besorgen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 6. August. Alljährlich, und zwar einige Monate vor dem social demokratischen Parteitage, wird de» „Genossen" von ihren Führern ein Kötzer vorgeworfea, an dem sie sich festbeißen sollen. DaS geschieht zu dem Zweck, ihren Blick von den sehr kritikbedürfligen Zuständen innerhalb der Partei- wirthschaft selbst abzulenken und sie vergessen zu machen, daß — trotz der Prophezeiung Bebels: der „große Kladderadatsch" werde im Jahre 1898 eintreten — keine Aus sicht auf die Herstellung des ZukunftSstaateS in absehbarer Zeit und auf den Genuß der Freuten desselben vorhanden ist. Den früheren Ködern: Was ist StaatSsocialiSmus? Streiks und BoycottS; Control-Marke; Bebel-Schippel-Streit; Social demokratie und Kunst, ist in diesem Jahre gefolgt die Frage der Betheiligung an den preußischen Landtags wählen. Abgesehen von denjenigen Agitatoren, die au- Ehrgeiz sehr gern und unter allen Umständen ein Landtagsmandat an nehmen und dabei über die mit dem Landtagsmandate ver bundenen 15 Diäteu sich hinwegsetzen würden, ist Wohl ursprünglich von keiner Seite die Frage ernst genommen worden. Nunmehr scheint aber doch die optimistische, das heißt die von der Betheiligung an den Landtagswahlen sich Erfolge versprechende und deshalb die Betheiligung empfehlende Seite die Oberhand zu gewinnen; tritt doch selbst Carl Kautsky, der Nedacteur der „Neuen Zeit", in dieser Wochenschrift jetzt dafür rin. Durch die Wablbetheiligung sei zu erreichen: Schwächung der politischen Macht des Iunkerthums, Er oberung von Mandaten, Erweiterung deS Kampf- und Agitationsgebietes und Inscenirung des Kampfes ums all ¬ gemeine Wahlrecht zum Landtag. KautSky stellt in Aussicht, daß die Landtagswahl nicht den Abschluß, sondern vielmehr nur den Ausgangspunkt einer großen Be wegung bilden werde, die sich naturgemäß gegen das Drei- classenwahlsystem richte. Hübsch ist daS ZugeständnlßKautSky S, daß heute in der socialdemokratischen Partei der Agitator mehr ausschlaggebend sei als der Politiker, und daß daS Proletariat (soll heißen: die Socialdemokratie) allein heute noch nicht stark genug sei, praktische Politik zu treiben; eS könne vielmehr Erfolge nur erzielen im Verein mit anderen, ihm nahestehenden Classen. DaS Fernbleiben der Socialdemokraten von der Wahlagitation würde bedeuten: einige Sitze mehr für die Conservativen und erhöhtes Prestige für die Frei sinnigen, also Stärkung der Regierung im Landtage und der Freisinnigen im Volke. Die Wiesbadener Wahl sei in dieser Hinsicht lehrreich. Der Beschluß der Wahlenthaltung, den nicht politische Einsicht, sondern Aerger über die schlechte Behandlung durch die Freisinnigen eingegeben, habe nicht diesen, sondern den Socialdemokraten geschadet; die Freisinnigen könnten jetzt die Stimmen der social demokratischen Mäkler, die auf sie entfallen seien, für die eigenen ausgeben, es scheine, als hätten sie mit eigener Kraft gesiegt. Einen ähnlichen Triumph würden sie, die Socialdemokraten, den Freisinnigen bereiten, wenn sie den preußischen Landtagswahlen fern blieben.— In Karls ruhe haben, wie gemeldet, die Socialdemokraten mit dem bürgerlichen RadicaliSmuS in einer Weise pactirt, die sogar nach der Ansicht eben dieses und des socialen RadicaliSmuS dem gemäßigten Liberalismus zu Gute kommen wird: die Herren Socialdemokraten Haden von drei Karlsruher Mandaten zwei für sich beansprucht und das dritte den demo kratischen Verbündeten überlassen. Der Karlsruher „Freisinn" macht in Folge dessen nicht mit, die „deutsche Volkspartei" aber, so versichert mit komischem Pathos die „Franks. Ztg.", „wird trotzdem mit rührigem Ernst in den Kampf ziehen." Wenn Herr Richter nicht über ebenso viel Altruismus ver fügt wie die KarlSruber Demokraten, wird er seine Hoffnung auf socialdemokratische Unterstützung bei den preußischen Landtagswahlen wohl erheblich herabstimmen müssen. Oder sollten die preußischen „Genossen" ungleich bescheidener sein al- die badischen? Ein erbauliches Bild deutschen NationalgcfühlS im Aus lande liefern zwei im Revactions-Brieskasten des „Ost asiatischen Lloyd" aus dem Leserkreise deS Blattes ab gedruckte Zuschriften. In der einen heißt es: „Die englischen Festtage liegen hinter uns. Schanghai glich einer Feststadt; nicht allein die Engländer haben in hervor ragender, hoch anzuerkennender Weise das Fest ihrer Nation be- gangen, auch andere Nationen, und nicht zum Mindesten die Deutschen, haben an den Beranstoltungrn thrilgenommen und dadurch gewiß nur der Pflicht der Höflichkeit genügt. Es war nur natürlich, daß die deutschen Häuser am Bund sich in Flaggen- und Guirlandenschmuck warfen, weil nur so diese Haupt- srststraße ein einheitliche- ununterbrochenes Festkleid erhalten konnte; es war nur eine achtungsvolle Ehrung sür die englische Nation, daß das deutsche Consulat, ebenso wie die übrigen Eonfulate, am Abend in buntem Lichterglanze erstrahlten und es war ebensalls nur eine Ehrung sür unsere englischen „Kriegskameraden", daß unsere beut>che Freiwilligen-Compagnie auf die an sie ergangene höfliche Einladung hin sich an der von den Engländern veranstalteten Parade betheiligte. Auch der deutsche Club durfte wohl ein festliches Kleid anlegen, zählt er doch eine Reihe Engländer zu feinen Mit gliedern. — Unser fernes Vaterland feierte vor Kurzem erst durch ein dreitägiges Fest die hundertjährige Wiederkehr des Geburtstages Wilhelm'» l., und jenes Fest war daheim zum Mindesten ein ebenso großes als die jetzigen englischen Tage. Freilich haben Wir hier im deutschen Club diesen deutsch-nationalen Tag durch eine Abendunterhaltung begangen, das deutsche Consulat zeigte seine Sonntagsflagge (die etwas größer ist, als die gewöhnliche) und auch vom deutschen Club herab wehte eine einzige deutsche Flagge; aus dem Fluß lagen vier geschmückte deutsche Hausboote (wir haben deren etwa zehn I) und in der Ferne waren zwei oder drei Handels dampfer unter Flaggenschmuck zu erblicken. Da- aber war Alles! Nirgends war sonst eine bescheidene deutsche Flagge zu sehen, ohne jeden sonstigen Schmuck standen die Deutsche Bank, das Consulat, der deutsche Club und ferner unsere großen deutschen Geschäftshäuser da, — nicht eine einzige Flagge hatten letztere übrig. Ein deutsche- Geschäftshaus, welche- ziemlich versteckt liegt und deshalb kaum die Verpflichtung hatte zu flaggen, aber trotzdem am letzten Dienstag stolz eine englische, eine österreichische und eine deutsche Flagge hcraussieckte, — konnte es sich diesen Schmuck am 22. März nicht auch leisten?! Es konnte ;a nicht die Rede davon fein, die Straßen in derselben Weise aus zuschmücken, wie dieses die Engländer schon allein vermöge ihrer Ueberzahl fertig gebracht haben, aber konnten nicht jene deutschen Häuser, das Consulat, der Club, die Deutsche Bank, die jetzt sich nicht genug im stolzen Schmücken thun mochten, am 22. März wenigstens einen bescheidenen Abglanz ihre- jetzigen Fest gewandes anlegen? Kaisers Geburtstag feiert nur das Consulat durch reichen Flaggenschmuck, die deutschen Häuser aber, die sich jetzt eifrig am englischen Feste betheiligten, kommen an unserem Feste überhaupt nicht aus den Gedanken, nur eine einfache deutsche Flagge auszuhüngen. In Hongkong haben deutsche Firmen sür die englische Feier große Beträge gespendet, darum hatten sie wohl für unseren 22. März nur ein kleines Sümmchen übrig.^ DaS ist schon erbaulich genug. Aber die Sache wird, be merkt die „Tägl. Rundschau" treffend, noch lieblicher, wenn man die zweite Zuschrift beranzieht. Der Einsender der obigen Zeilen ist in echt deutscher Harmlosigkeit von einer Pflicht der Höflichkeit gegen die Engländer dermaßen durch drungen, daß er eS ganz natürlich findet, wenn wir ihre Feste mitfeiern. Wie aber unsere geliebten Vettern über diese unsere Ergebenheit denken und — quitliren, das zeigt die zweite Einsendung, die so lautet: „Eine englische, hier erscheinende Zeitung hat e» nicht unterlassen können, die Jubiläumsfeier dazu zu benutzen, in einem Gedichte den deutschen Kaiser zu schmähen, und dadurch die Deutschen, ich nehme an, auch die Angehörigen anderer Nationen, mit denen wir zusammen leben, aufs Tiefste zu beleidigen." Daß die Herren Engländer sich an der deutschen National feier betheiligen sollten, haben wir nicht erwartet. Daß sie die Betheiligung der Deutschen an dem englischen Festtage mit einer Schmähung des deutschen Kaisers beantworteten, ist roh und brutal, aber die Deutschen im Auslande mögen daraus die Lehre entnehmen, daß sie die eigene Ehre und die von Kaiser und Reich durch selbstbewußtes und zurück haltendes Auftreten anderen Nationen gegenüber besser wahren, als durch würdelose, falsch verstandene — Höflichkeit. Tie Entsendung türkischer Schiffe nach Kreta ist zwar osficiell dementirt worden — sie sollen (man weiß freilich nicht zu welchem Zwecke) Ordre nach Sigrion und Mytilene haben —, aber nach der ganzen Haltung der türkischen Diplomatie in der letzten Zeit, nach der Ernennung Dschevad Paschas zum Militairgouverneur von Kreta und den mehr fachen ossiciösen Verlautbarungen türkischerseitS, daß die Pforte entschlossen sei, an das Zugeständniß der Autonomie der Insel sich nicht zu binden, kann eS keinem Zweifel unter liegen, daßeine Landung türkischerTruppen beabsichtigt war. Sie ist nur unterblieben, weil die Admirale die einmüthige Erklärung abgegeben haben, sie würden der Ausschiffung ottomanischer Truppen Gewalt entgegensetzen. Jedenfalls war es von der Pforte höchst unklug, daß sie im letzten Momente sich den Frirttletsir» „Harmonieen". 9j Roman von A. Fischer-Löher. «llk «echt« Vorbehalten. Renate dachte, daß in dem Gesicht der Tante wenig genug von der großen Freude zu lesen war. „Du wirst eS errathen haben", fuhr dann die Gräfin fort. „Titus Schwarzenberg hat sich mit Clarisia verlobt." Einen Moment herrschte tirfeS Schweigen nach dieser Mittbeilung. Endlich erwiderte Renate: „Ja, Tante. Ich wußte eS. ES zog die beiden vom ersten Sehen zu einander." Die Gräfin räusperte sich. Sie blickte verstohlen seitwärts auf die Nichte. Ein unerklärlicher Charakter war sie doch! Die Nachricht ließ nicht die leiseste Veränderung an ihr wahrnehmen. Ihr ganze- Aussehen bewahrte dir Ruhe gleichmüthiger Seeleu- stimmung. Tbat eS ihr wirklich keinen Augenblm leid, den schönen, stattlichen Mann, ganz abgesehen von seiner Anwart schaft auf da- Majorat, eine Andere bevorzugen zu sehen? „Onkel Lotbar und ich haben Clariffa sehr lieb und heißen Titus' Frau gern willkommen." „Ich glaube e» Euch, Tante. Sie wird Dir rin liebe-, anschmieaendes Töchterchen werden. Sie ist eia überau sanftes Wesen." „Gewiß, gewiß, ein liebe« Töchterchen", sagte die Gräfin und nickte einige Male mit dem Kopfe, al- sie vergeben- auf eine andere Aeußerung der Nichte wartete. E- saß der Gräfin etwa- Andere- im Herzen, worüber sie gern Klarbeit grbabt hätte. ES half nicht«, sie mußte direct darauf lo- gehen, um e- zur Sprache bringen zu können. Renate blieb verschlossen. „Dir gegenüber will ich ehrlich sagen, daß ich immer noch an Dich gedacht habe, wenn iw mir eine Gemahlin de- Fürsten vorstellte", fing sie endlich an. „Ich kann mich darum in die andere Thatsache nicht im Handumdrehen bineinsinden. Einer alten Frau, wie ich bin, wird ein Gedanke ordentlich zum Freunve, von dem man nicht gern läßt. War eS denn gar nicht mvglick, daß Du und TituS un- unseren Herzen-wunsch erfüllten?" „Nein, eS war nicht möglich", kam eS schroff au- Renate's Mund. Langsam erhob sie sich dabei von der Bank. Sie war wieder Trotz und Abwehr in jedem Zuge ihres Gesichtes. Die Gräfin bereute ihre auS mütterlichem Herzen herau- gestellte Frage. Ihre Nichte war wirklich wenig liebenswürdig. Doch im Augenblick bemerkte sie, daß sich eine heiße Röthe über den Hal« und die Wangen Renate's bi- in deren Stirn ergoß, ein Zeichen höchster seelischer Erregung an ihr, wie die Gräfin ganz genau wußte. WaS focht Renate an? — Da- herbe Nein war doch rigenthümlich gewesen. Der Zug von Wehmuth um ihren Mund verschärfte sich. Wie war doch Alles so ganz ander», als eS hätte sein können I Und warum nur? Sie wußte jetzt ganz genau, daß ihre Nichte selbst litt und natürlich da- nicht zugestand. Da» wäre auch ganz überflüssig gewesen, da die Verlobung de- Fürsten That sache war. Ob e« wohl mehr Renate's Eitelkeit al- ihr Herz kränkte, verschmäht zu sein? „Du willst wohl gehen und Clariffa aufsuchen?" sagte die Gräfin. Renate nickte leicht. Etwa- unsicher blickte sie auf dir Tante. Dann kam plötzlich eine Angst über sie. Sie beugte sich herab, erariff die Hand der Gräfin und berührte sie mit ihren heißen Lippen. „Vergiß über Deinen neuaewonnenrn Kindern Deine herbe Nichte nicht, Tante Luisa. Ich bitte Dich herzlich." „Gott soll mich bewahren. Du, «ine echte Eberstein, glaubst solchen Unsinn doch nicht im Ernst", brauste di« Gräfin leicht auf, um ihre eigene Rührung zu bemeistern. Jetzt lachte Renate schalkhaft auf. „Ich danke für die Zurechtweisung. Da- ist sonst gegen meine Natur." Dann ging sie davon. „Sie muß es wissen", murmelte die Gräfin hinter ihr her. Mit der Beharrlichkeit eine- Frauenwuosche», der sich schwer mit entgearogesrtzten Thatsache» befreundet, fügte sie ür sich hinzu; ,,E« wär« mir doch zehnmal lieber, wenn au Stelle Clarissa'« Renate die Braut de» Fürsten wäre." Zehnte- Capitrl. Di» Hochzeit de- Fürsten Schwarzenburg mit Comtessr Clarissa Falkenstein batte im Herbst stattgefunden. Gleich nach der glanzvollen Hochzeit-frier hatte sich da» junge Paar auf Reisen begeben und blieb sehr zur Freude der Gräfin Eberstrin den Winter über im Süden. Der Brautstand war der Gräfin nicht sonderlich gut be kommen. Sie hatte dabei die Nolle der Brautmutter über nehmen müssen, und daS batte bei Clarissa's Mangel an Entschlußfähigkeit und bestimmten Wünschen inbetreff ihrer AuSstattungSangelegenheiten der Gräfin mehr Arbeit bereitet, al- diese vertragen konnte. Clarissa's Tante hatte behauptet, nichts davon zu ver sieben; so war der Gräfin allein Alles zugefallen. Zum Glück hatte sich ihre Nichte Renate als recht brauchbrr er wiesen. Sie war praktisch und umsichtig, wo die Braut einfach unbrauchbar war, und hatte doch auch viel Geschmack. Immer wieder war die Tante mit der Nichte zur Stadt gefahren und hatte mit Renate ausgewählt und die Bestellungen an die Kaufleute mit ihr durchgesprochen. Renate's Urtbeil war in den meisten Fällen ausschlaggebend geworden, ohne daß e- sonderlich zur Sprache gekommen wäre. Dadurch hatte sich die Gräfin gewöhnt, die Ansicht der Nichte einzuholen, wenn sie einen Rath brauchte. Sie waren sich bedeutend näher getreten, ohne daß eS ihnen beiden selbst zum Bewußtsein kam. Nur dachte die Gräfin noch häufiger mit Bedauern daran, daß nicht Renate, sondern Clariffa in daS Schloß ihren Ein zug halten werde. Sir konnte nicht davon loSkommen, besonder- seitdem sie ihrer Nichte so viel näher getreten war. Und dann kam noch etwa- Anderes hinzu, was ihre Freude an der Aussicht, mit dem jungen Paar später zusammenzuleben, merklich dämpfte. Clarissa war ihr al» Braut denn doch zu indifferent gegen Alle- gewesen, was um sie her vorging. Sie war einzig und allein in ihrer Liebe zum Fürsten ausgegangen. DaS war schließlich langweilig geworden. Ein gewisse- Intrresse für die übrige Welt, mit der man zu leben batte, ließ sich auch von einer Braut erwarten; hoffentlich änderte sich Clarissa als junge Frau, sonst würde e- wenig ergötzlich hier in, Schlosse werden. Die Gräfin baute auf die Einsicht de» Fürsten, daß er seine Frau für die Forderungen deS Alltagsleben« wieder zu interessiren verstehen würde. Zu ihrer Erholung war di« Gräfin nach der Hochzeit auf einige Mocken nach Bozen gegangen, wohin Renate ihr bereitwillig gefolgt war. Zu Weihnachten war sie wieder in Eberstein gewesen, während ihre Nicht« mit einer Gesell schafterin und im Anschluß an Verwandt, ihrer seligen Mutter zuerst nach Paris gegangen war und sich nun an der Riviera aushielt. ES war recht still um die Gräfin. Der Märzschnee lag noch zwischen den Parkbäumen, aber um die Schloßecken beulte cs wie Frühlingssturm. Sie stand am Fenster ihres Boudoir- und schaute über die weiße Fläche, aus der große braune Grasflecken her vorblickten. Ja, es thaute, und mit dem Frühling kam ihr das Be- dürfniß nach Leben um sich herum. Sie fühlte sich wieder ganz rüstig und frisch. Der ruhige Winter mit der gleichmäßigen Abwechselung von Dinergästen und Whistabenden hatte ihre Nerven wieder vollständig in Ordnung gebracht. Aus diesem Gefühl heraus dachte sie, daß eS nun wohl an der Zeit wäre, daß daS junge Paar in sein Heim einzöge. Fünf Monate waren für eine Hochzeitsreise genug. Wie sich die Beiden über ihr Heim freuen wurden! Alles war fertig darin bis auf die BegrüßungSguirlanden. Seit einigen Wochen ließ sie die Räume zuweilen durchheizen, um ihnen die behagliche Temperatur zu geben, die man in zum ersten Male bewohnten Räumen leicht vermißt. Doch auch Renate konnte nun wieder heimkommen, zumal da ihr Vater seit einigen Wochen ernstlich krank war. ES war ihr das zwar mit Absicht brieflich als sehr unbedeutend dar gestellt wordeu, aber es war doch besser, sie kam heim. Die Gräfin hatte sich viel um den kranken Schwager persönlich bekümmert. Es batte sie heute nur der Sturm zurückgebalten, sonst wäre sie sicherlich mit ihrem Gatten zum Krankenbesuch ,n die Stadt gefahren. Der Sturm griff ihre Kopfnerven an, sie durfte sich ihm nicht ohne zwingende Nothwendigkeit aussetzen. Da e« mit dem Schwager leidlich ging, war sie zu Hause geblieben. Sie war ganz allein im Schloß, ihre Gesellschafterin war auch in die Stadt gefahren, um einige nothwendige Besorgungen zu machen. Wie eS draußen stürmte! Die Parkbäume schüttelten ihre kablen Aeste, und von den Steineichen raschelte braune-, verschrumpfte« Laub zu Boden. Und doch zwitscherte hier und da, wenn die Sonne flüchtig durch da- Gewölk brach, ein Vogel auf, kleine voreilige Lerchen und Meisen. Die Gräfin öffnete behutsam einen Fensterflügel und sog etwa» frische Luft ein. Ah, e- war doch etwa» Wunderbare- ia der Frühliag-luft.
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