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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.08.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970814019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897081401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897081401
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-14
- Monat1897-08
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Gröbere Schriften laut unserem Preis« verzrichniß. Tabellarischer und Zisterasatz uach höherem Lar«. Extra-veilagen (gefalzt), nur mit de« Morgen - Ausaabt, ohne Postbrsörderung ^l vO.—, mit Postbeiörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Margen-Ansgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und verlas von E. Polt i» Leipzig 411. Sonnabend den 14. August 1897. 91. Jahrgang. Ein vernünftiger Franzose. 0. Pari», 12. August. Eine der interessantesten Erscheinungen der Pariser Journalistenwelt ist I. CornSly. Er ist Chefredakteur des royalistischen „GauloiS" und vertritt dort wie in seinen Sonntags-Artikeln in der „Tribüne libre" de» „Malin" einen mit Humor gewürzten Standpunkt deS gesunden Menschenverstandes, der sich von den pedantischen Leit artikeln der gemäßigten Blätter und den blinden Hetzereien der radikal - srcialistischen Presse gleich günstig abbebt. Während der Russenlage deS vorigen Jahre» wirkte seine beitere Ironie, mit der er die Ereignisse von hoher Warte herab glossirte, geradezu befreiend. Man sah, e» gab doch noch Männer in Frankreich, die nicht nur nüchtern zu denken, sondern anch zu schreiben wagten. Ebenso klar und verständig war sein Standpunkt in der griechisch türkischen Frage. Auch jetzt hat er für die wieder einmal dem Siedepunkte sich näbernde Russenliebe und für die immer seltsamere Blütben zeitigende Vergötterung de» Staatsoberhauptes die richtigen Worte gefunden. Leider können wir seinen „1.6 Respect" überschriebenen, schon einmal kurz erwähnten Artikel nur auszugsweise wiedergeben. „Seil erklecklicher Zeit wiederhole ick", so beginnt Cornely, „ohne leider für meine Meinung viele Anbänger zu gewinnen, daß die russische Freundschaft, das russische Einvernehmen, die russische Allianz, wie Sie wollen, einen viel größeren Einstuß auf unsere innere als auf unsere „internationale" Lage hat. In dieser Ehe hat man sich die gemeinschaftlichen Einkünfte und Erwerbungen getheilt. Rußland, der Mann, der praktische Theil, hat sich die äußeren Vortbeile reservirt. Frankreich, bas mit seiner zarten Einbildungskraft und seiner Reizbarkeit die Frau darstellt, bat die inneren Vortbeile in Beschlag ge nommen. So sagt man uns, daß wir seit Toulon, Kronstadt, Paris — man ist gezwungen, Städlenamen sür VertragSbalen und Festprogramme für diplomatische Protokolle einzusctzen —, daß wir seitdem in Europa eine riesige Figur machen und daß wir für den Fall eines Angriffs auf uns nicht mehr allein wären. Das sind alles Geschichten für Dummköpfe. Ter äußere Einfluß einer Nation mißt sich nach ter Folge richtigkeit ihres diplomatischen Austretens, die auf sicherer Basis mit ihr zu verhandeln erlaubt, und nach der Anzahl der Menschen, Pferde und Kanonen, die sie in» Feld stellen kann, wenn man sie schwer beleidigt. Rußland kann uns keine auswärtige Politik geben, denn diese hängt von unseren Ministern ab; unsere Minister aber sind wieder von unseren Abgeordneten abhängig, die Abgeordneten von den Wählern und diese endlich von ihren Kneipwirthen. Rußland hat unsere militairischen Kräfte nicht um einen Mann vermehrt, unsere militairischen Kräfte, die in Folge der Entvölkerung zu stetiger Abnahme verurtheilt sind. Und was den Scherz anlangt, der darin besteht, uns durch die russische Unterstützung gegen Angriffe zu sichern, so finde ich ihn schlecht und unziemlich. Kein Mensch in Europa denkt daran, uns anzugreifen. Wenn wir unü zu frieden mit unserem Geschick erklärten und für immer darauf verzichteten, das zurückzufordern, wa» man uns ge nommen hat — ich werde mich büten, das anzurathen —, so könnten wir unser Heer abschaffen. Da also für uns der einzige Grund, so furchtbare Rüstungen aufrecht zu erhalten, die Hoffnung ist, eines TageS wieder in Straß burg einzuziehen, und da Rußland nicht im Geringsten Lust hat, uns bei diesem Unternehmen zu unter stützen — denn alle Welt in Europa und wir selbst haben I Angst vor dem Kriege und rüsten nur zur Aufreckterhaltung I des Friedens —, so ist der Friede für unS nicht sicherer mit dem russischen Bündniß als ohne da- russische Büntniß, und diese» also nach außen hin sür unS von recht geringem Nutzen." Wer da weiß, wie sorgsam man in Frankreich einerseits die Legende aufrecht erhält, daß da» Vaterland von dem kriegslustigen Deutschland stets bedroht sei, und wie geflissent lich man andererseits die Hoffnung auf eine Unterstützung Rußlands bei der großen Revanche nährt, wird den Muth dieser offenen Worte nicht unterschätzen. Die nun zunächst folgenden Auseinandersetzungen Corn-ly'S über den inneren Nutzen der russischen Freundschaft sind von geringerem Interesse. Sie habe eine gewisse Stabilität der inneren Politik herbeigeführt, die man seit Langem schmerzlich ver mißt habe. Denn wann hätte wohl ein Ministerium den wütbendsten Angriffen fünfzehn Monate lang siegreich wider stehen können? Vor Allem aber habe sie den Respekt vor dem StaatSoberhaupte in Frankreich wieder eingefübrt. CornSly führt nun einige Ereignisse von der letzten Reise deS Präsidenten auf, die allerdings stark an „russische Zustände" erinnern, und fährt dann in folgender ergötzlichen Weise fort: „Besonder» aber beweisen die von den Pfarrern und Bischöfen vor dem Präsidenten gehaltenen Ansprachen, daß die Ehrfurcht wieder aufkommt. Ein Pfarrer hat zu ihm gesagt: Sie werden in uns stet» gehorsame und ergebene Unterthan en finden. Und die beiden Bischöfe, die ihn an geredet haben, scheinen sich verabredet zu haben, ihn „uugusts" zu nennen. Man hätte glauben können, daß sie sich im Vornamen geirrt und August mit Felix verwechselt hätten. Keineswegs. Der Zusammenhang stellt den Sinn her: „Ihre erlauchte Person", „Ihre erlauchte Familie". BiS dabin nannten die Republikaner ihren Präsidenten, wenn sie ihm schmeicheln wollten, „hochgeachtet" oder „verehrt", aber „erlaucht" hatte noch keine Verwendung gefunden. Ich batte mich seit einiger Zeit gewöhnt, den Herrn Präsidenten der Republik den „göttlichen Faure" zu nennen. Ich bin ein wenig voraus, er ist nur erst „erlaucht". Die Göttlichkeit kommt erst nach Petersburg. Nach Petersburg, wenn er auf seinem weißen Schnurrbarte einen selbstherrlichen Schimmer nntbringen wird, wirk man sich Alle« erlauben können. Man wird an die lebensläng liche Präsidentschaft, an die Erblichkeit denken können. Warum nicht?" Natürlich schließt der Royalist CornSly daraus auf das Wiedererstarken des monarchischen Gefühls in Frankreich. Lassen wir ihm diese Freude. Dem ehemaligen „Gerber" aber gönnt er selbstverständlich diese königlichen Ebren durchaus nicht. Und so schließt sein Artikel mit der sehr spöttischen Reflexion: „Wir sehen da einen Menschen mit Gewalt aus seiner natürlichen Umgebung herauSgerissen und in ein Bereich der Ebren, der festlichen Veranstaltungen und de» Umgangs mit Souveränen versetzt, für daS er nickt die geringste Vor bereitung empfangen hat. Vom wissenschaftlichen Stand punkte aus müßte er verrückt werden. Wenn er bei Sinnen bleibt, so muß entweder die Wissenschaft Pleite macken oder — er muß einen erstaunlich guten Magen besitzen. Wünschen wir ihm den guten Magen." Deutsches Reich. Berlin, 13. August. Eine vom Wiener Finanz ministerium ausgehende Veröffentlichung über den Ertrag der Verbrauchsabgaben in Oesterreich - Ungarn ist eine werth volle Unterlage für die vergleichende Betrachtung der Be- lastungsverhälknisse jenseits und diesseits der schwarz gelben Grenzpfähle. Die Getränkesteuern belasten drüben und hüben die Bevölkerung fast gleichmäßig. Oesterreick- Ungarn vereinnahmte (brutto) auf den Kopf seiner Bevölkerung vom Branntwein etwa l fl. 50 kr., vom Bier l st., zu sammen 2 fl. 50 kr., Deutschland erbebt vom Branntwein mehr (3 ^), vom Bier weniger (etwa 80 im Brausteuer- gebiet), zusammen 3 -ck 90 oder etwa denselben Gefammt- belrag wie Oesterreich-Ungarn. Von Salz und Zucker zusammen sind die Abgaben ebenfalls ziemlich dieselben; nur daß auch hier Oesterreich-Ungarn daS unentbehrliche Nah rungsmittel Salz doppelt so hoch belastet wie Deutsch land (1 fl., Deutschland 80 ^s), während wir beim Zucker den höheren Belastungssatz anwenden (etwa 2,30 gegen 1 fl. in Oesterreich). Zuletzt kommt aber der unausgleichbare Unterschied bei der Belastung des Genußmittels Tabak; in Oesterreich wird durch das Monopol vom Kopf der Bevölkerung über 3 fl. ausgebracht, in Deutsch land unter der Herrschaft der Gewichtsteuer etwa 1,20 Es wird nicht überflüssig erscheinen, hier noch anzumerken, daß Oesterreich soeben die Einkommensteuer und Vermögens steuer nach dem Vorbild der preußischen Gesetzgebung bei sich einführt, also auch in dieser Hinsicht seinem Steuerzahler nichts nachläßt, was diesseits getragen wird. * Berlin, 13. August. Ein Centralverband pol nischer Gewerbetreibender soll, wie schon kurz ge meldet, für ganz Deutschland, mit dem Hauptsitz in Berlin, in nächster Zeit inS Leben treten. Diese neue Or ganisation des polnischen Handwerk», eine Vereinigung sämmt- sicher polnischen Gewerbe- und Handwerkervereine, wird praktisch geschäftlichen wie nationalen Zwecken dienen. Neben dem Zusammenschlüsse der polnischen Handwerker gegenüber ihren deutschen Concurrentcn soll die beruf liche Ausbildung durch Handwerker-Fortbildungsschulen, Reisestipendien, Bibliotheken rc. gefördert, gleichzeitig auch von Verbands wegen eine Vermittelung beim Einkauf von Rohmaterialien, wie beim Vertrieb der fertigen Waaren ausgeübt werden. Der Centralverband zerfällt in die ein zelnen Localv'reinigungen polnischer Handwerker, die sich wieder nach Berufszweigen in Sektionen gliedern. Auf Grund der materiellen Vorlheile, welche dec Verband seinen Mitgliedern zu bieten verspricht, hofft man, auf eine starke Betbeiligung der Gewerbetreibenden polnischer Nationalität auch in den deutschen Städten rechnen zu können. Mit der Propaganda für die neue Organisation ist bereit» in der ReichShauptstadt begonnen worden; es haben gemeinsame Berathungen der polnischen Handwerker und Industriellen Berlin» staltgefunden, in denen man sich entschieden für die Sonderorganisation de» polnischen Hand werks aussprach. Auch eine Zeitung, die de» Interessen des Verbandes dienen soll, wird in Berlin herauszegeben werden. — An der Rührigkeit der Polen bei der Förderung ihrer nationalen Interessen können die Deutschen sich ein Beispiel nehmen. * Berlin, 13. August. In trostlosem Zustande befindet sich nach dem „Deutschen Wochenblatt die Usambara- Eisenbabn nach Schilderungen eines Augenzeugen. Die Usambara-Eisenbabngesellsckaft habe es bisher nicht weiter als bis zur Fertigstellung von 41 Kilometern Bahnstrecke gebracht und in unverantwortlicher Weise viel Geld ver schleudert, indem sie große Bahnbofsanlagen machte, einen Palast als Directionsgebäude hinstellte und auch die Stationsgebäude im Innern unglaublich tbeuer baute. Dagegen wurden die gröbsten Constructions- fehler in der Anlage des Bahndammes verübt, die Wasserdurchlässe vergeßen oder zu eng angelegt, so daß die erste tropische Regenzeit den Damm an verschiedenen Stellen unterspülte und durchbrach. Gegenwärtig liege der traurige Torso der Bahn, anstatt bis Korogwe nur bis Mubesa vollendet, kaum benutzbar da, und der Gesell schaft sei nach Verausgabung von 2^'r Millionen der Aihem ausgegangen. Die Bahu sei ein höchst betrübendes Zeichen für den deutschen Unternehmungsgeist. 40 lrm Eisenbahn seien unter den ostafrikanischen Verhältnissen ein Unding. Keine Karawane und kein Eingeborener werde eine solche Strecke benutzen, die man mittels Fußmarsch in N/, Tagen zurücklegen könne. Alles dränge auf die Vollendung der Tveilstrecke wenigstens bis Korogwe hin. Doch höre man noch immer nichts Bestimmtes von der Wiederaufnahme des BahnbaueS. 6. H. Berlin, 13. August. (Privattelegramm.) Der Kaiser wird heute Nachmittag mit der „Hohenzollern" in Kiel eintreffen und morgen von dort abreisen. (Indem wir diese Meldung ans dem größten Tbeile der Auflage des letzten Abendblattes wiederholen, bemerken wir, daß nach den bisherigen Meldungen der Kaiser in Danzig landen wollte. Red.) (-) Berlin, 13. August. (Telegramm.) Der Magistrat beschloß heute, dem gestrigen Beschluß der Stadt verordneten zuzussimmen, wonach für die durch das Hoch wasser Geschädigten in Deutschland statt einer halben eine ganze Million Mark bewilligt werden. Die Summe wurde sofort dem Central-Comitö überwiesen. — Ueber da» Befinden deS beurlaubten StaatSsecrrtairs des Auswärtigen Freiherr» von Marschall sind in den letzten Wochen nur selten Nachrichten hierher gelangt. Privat meldungen au» Baden entnimmt die „Magdeb. Ztg", baß er anch bi- in die letzte Zeit hinein noch Actenstücke aus Berlin nachgesandt erhalten und erledigt habe. Man darf daraus jedenfalls entnehmen, daß in dem Befinden des Freiherrn von Marschall keine Verschlimmerung eingetreten ist. — Der Verein zur Förderung deS Deutschtbnms in den Ost marken tbeilt in der „Ostmark" mit: Durch die Zeitungen geht die Notiz, daß aus unserem Stipendien- s on d S Studirende unterstützt werden sollen, die an der Aus- breitungtes Deutschthums in den Ostmarken arbeiten wollen. Diese Meldung beruht auf einem Irrthum. Der im vorigen Jahre begründete Stipendienfond« bat den Zweck, lediglich bäuerlichen Wirtben, Handwerkern, Gewerbetreibenden, Kaufleuten durch Gewährung von Stipendien den Besuch von Fach- und technischen Schulen zu ermöglichen. Die Gewährung von Unterstützungen an Angehörige der ge lehrten Berufsarten zum Besuche rein wissenschaftlicher Lehranstalten ist dagegen durch die Statuten grundsätzlich ausgeschlossen worden. — Ueber die Miquel'sche Politik der Sammlung urtheilt die „Corresp. d. Bund. d. Landw." recht adsprechend. 1 Diese Parole habe Niemandem zu Leide, aber auch F-uiH-tsn. Eiserne Logenbrücken. Von Robert W. Dahn» (Stettin). Nachdruck verboten. Durch die kürzlich erfolgte Einweihung der Riesenbrücke, die zwischen Solingen und Remscheid die tiefgeschnittene Schlucht des Wupperthales überspannt, ist im Bau eiserner Brücken wieder einmal ein neuer „Record" geschaffen. Die Anwesenheit des Prinzen Friedrich Leopold und der ihn begleitenden preußischen Minister bei der Einweihung dieses erstaunlichen Verbindungsgliedes im deutschen Eisenbahnnetz war gerechtfertigt, denn es handelt sich nickt nur um einen „Record" in den geometrischen Verhältnissen und in den Leistungen der Ingenieurbaukunst, sondern in erster Linie um einen neuen Fortschritt de- Bestreben», Geschmack und Harmonie in die anfangs so ungefüge Technik des EisenS hineinzutragen. In der neuerbauten Eisenbahnlinie Solingen-Remscheid, die die bisher etwa 50 km betragende und gegen 3 Stunden Fahrzeit auf Secundairbahnen erfordernde Schienenverbindung beider Stätte auf ihrer Länge verkürzt, ist die Brücke über da« Wnppertbal daS wichtigste und kostspieligste Glied. Um die starken Niveauunterschiede zwischen Solingen, Rem scheid und dem Wnpperspiegel, die im Ganzen über 300 m betragen, bis zur Möglichkeit eine- Normaleisenbabn-Betriebes berabzumindern, mußte man sich entschließen, da- Flußthal weil über den Spiegel zu kreuzen. Die kühnen Brücken- constructionen, die sich bei LevenSau und Grünenthal über den Nord - Ostsee - Canal spannen, und die, um die großen Seeschiffe ungehindert passirea zu lassen, eine bisher in Deutschland unerreichte Höhe über dem Wasserspiegel er hielten, bekommen neben dieser Hockbrücke einen zwergen haften Anstrich, denn sie erbebt sich 2^/, Mal höher als zene über dem Boden ihre- Tbale». Da» schönste aller Brücken systeme, aber auch gleichzeitig bei bedeutenden Längen daS schwierigste in der Ausführung, dasjenige der Bogendrücke, ist auch hier angewandt. Die Baueinrichtunzrn, die getroffen werben mußten, um die gewaltige Construction mit voller Sicherheit und unter der m Wirklichkeit erreichten Schonung von Menschenleben glücklich durcbzuführrn, sind bewuoderuna-- würdig und einer Schilderung Werth. Zuvor aber werfen wir einen Blick aus die bedeutendsten unter den früher er bauten Bogendrücken, deren Constructionrn für diese neueste, kühnste und schönste als Muster dienen konnten. Die von Eiffrl, dem bekannten Schöpfer des gewaltigen TburmgebäudeS in Pari», vor gerade zwanzig Jahren vollendete Maria-Pia-Brücke über den Duero bei Oporto war die erste der großen modernen Bogendrücken und ist lange Zeit die größte geblieben. Ihre Spannweite beträgt 160 m, und 62 m liegt ihr kolossaler Bogen, 10 m mehr ihr GleiS über dem Spiegel de» Strome». Eine von demselben Constructeur 1884 vollendete Brücke bei St. Flour in Frankreich überspringt mit einem gewaltigen Satz von >65 m vaS Grabithal, und 150 w spannt der Bogen einer 1889 gebauten Brücke über die Sckluckt der Adda bei Paderno. Auch die amerikanische Technik, so wenig Werth sie sonst auf Schönheit legt, hat ia der jüngsten Zeit eine Bogendrücke von ähnlicher Spannweite, die bei St. Louis den Mississippi überschreitet, nach Plänen von Eads ge schaffen. Deutschland endlich, wo man früher bei Bogen drücken dir Weite von 100 w nicht zu übersteigen pflegte, besitzt seit 3 Jahren in den beide» oben erwähnten Brücken über den Nord-Ostsee-Eaoal zwei herrliche Bauwerke, von denen da- eine hinter der Turrobrücke wenig zurücksteht, das andere aber sie an Spannweite übertrifft. Nun zurück zur Riesenbrücke von Müngsten, wie das kleine in den Ufrrrand der Wupper eingesprengte Dörfchen beißt, nach dem man die Kaiser-Wilhelm-Brücke während ihrer Bauzeit zu benennen pflegte. In sieben Oeffnungen, deren Gesammtlänge beinahe ^/, ill» erreicht, überschreitet die Brücke da- ganz« Thal der Wupper, mit ihrem Gleise dessen oberen Rand haltend. Zwei Sockel und sechs stählerne Pfeiler, 25, 45 und S5 w hoch, führen den Bau in seck- Iahren von 30—45 m Spannweite bi» über den mittelsten und tiefsten Theil der Schlucht. Die längsten Pfeiler haben ihre Sockel, die 40 Fuß im Geviert messen, noch immer 30 m über der Sohle des Thales, wo ihre Ouadermassen, tief in den Abdang gesprengt, sich zwischen den Wipfeln grüner Waldung verstecken, während dieStahltbürmr, nack oben sich rasch verjüngrnv, wir mäcktig« Domspitzen au» dem Blättrrdack hervorbrechen. Noch höhere und näher zusammen gerückte Pfeiler wagte man in dem tiefsten, den Ueber- sckwemmungen ausgesetzten Tbril der Schlucht nicht zu er richten, und so blieb nur übrig, die ganze Mittelöffnung durch einen Bogen von 170 m Weite zu überwölben, dessen Scheitel lO7 w »der 340 Fuß über dem Spiegel der Wupper liegt. Es war keine leichte Arbeit, die gewaltige Last de- Mittelbogens ohne Stützen und Rüstung in den schwindelnden freien Raum der Mittel öffnung hineinzufügen. Die beiden Füße des Bogens wurden innig mit den Sockeln der beiden höchsten Thürme verbunden und bilden mit ihnen gleicksam ein einziges Stück. Sie liegen also gleich den Pfeilersockeln bereits 100 Fuß über der Thalsoble, und von ihnen au» galt es nun ohne jede äußere Stütze 85 m weit in den freien Raum und gleichzeitig 65 m nach oben vorzudringen: Dann mußten sich die Endpuncte beider Constructionshälften in schwindelnder Höhe über der Thalsoble begegnen. Oben war die Fahrbahn bereit- über den seitlichen Pfeilern bis zu der klaffenden Oeffnung des Mittelbogens sertiggestellt, gewaltige Krahne waren hier bart über dem Rande des Abgrund» aufgestellt und reichten den unten klebenden Arbeitern Stück für Stück der Eisenconstruction hinunter. So schob sich der imposante Bogen, mäcktig ansteigend, Meter um Meter in den leeren Raum der Miltelöffnung vor, ohne eine andere Stütze zu finden al- die hinter ihm liegenden, ge waltig verankerten Sockel. Obwohl die letzteren durch das mächtige Gewicht der 200 Fuß hohen Pfeiler, die darauf lasten, noch stärker beschwert werken, so war doch vorauS- rusehen, daß die, schließlich bis gegen 10 000 Ctr. wachsende Last der frei schwebenden Bogeuhälften zuletzt daS Ueber- gewicht bekommen und Sockel und Pfeiler gleichzeitig gegen die Mitte überkippen würden. Bier kolossale Drahtseile, von denen jedes einzelne im Nothfall zur Sicherung ausgereicht hätte, hielten deshalb jeden Bogenfuß in seinem unteren Tbeile fest und verankerten ihn mit der entsprechenden Thal wand. Um diesen mächtigen Troffen, an denen nun die ganze Sicherheit deS Bauwerk- hing, wiederum eine ent sprechende Sicherung zu geben, wurden in die steilen Fels wände 40 m lange Stollen getrieben; an deren Ende eine große Arbeit-kammer in den härtesten Fel- gesprengt war und die Verankerung der einzelnen in ihre Litzen aufgedrehten Seil« enthielt. Hier wurden diese, von großen Stabiblöcken fest eiugehüllt, in einzelne Löcher des Felsen» vrrgofsrn. Erst al- die beiden Bogenbälften sich in dem riesigen Scheitelgelenk der Brückt begegneten, wurde diese Drahtseil-Verankerung wieder gelöst. Weil vorauSzuseben war, daß sich dabei die beiden Schenkel de» Bogens be trächtlich senken, und die aus ibrem Sockel rubenden mitt leren Thürme gleichfalls um etwa« gegen einander neigen würden, so trug man auck diesem Umstand von vornherein Rechnung. Beide Thürme wurden beim Beginn deS Baue« um soviel schräg gestellt, wie sie sich voraussichtlich beim Schluß de» Bogen- gegeneinander senken mußten, und so stand während der ganzen Bauzeit ihr quadratischer Fuß nur mit der äußeren Kante fest auf seinem Sockel, während die Innenkante in der Luft oder vielmehr auf den Stempeln einer Reibe von hydraulischen Pressen schwebte. Unter dem Zug der Stahltrofsen von einer und dem wachsenden Druck des sich anschließenden Bogens von der anderen Seite schwebten die Pfeiler länger als ein Jahr wie riesenhafte Akrobaten auf einer Kante ihres Sockels, bis sie sich beim Schluß deS Bogens endlich senken durften und nach Ent fernung der Pressen verankert wurden. Das ganze Gewicht der Brücke beträgt rund 5000 Tonnen, und da ihre Kosten sich auf über 2^/r Millionen stellen, so betragen sie auf jedes Kilogramm der Eisenconstructionrn reichlich 50 Pfennige. Die Maschinenbau-Actien-Gesellschaft Nürnberg, die schon durch die prächtige Bogendrücke bei Grünenthal sich ein bleibendes Denkmal gesetzt Kat, wird ihrem Ruse durch diese neue Ausführung weitere Anerkennung verschaffen. Nicht lange aber wird die Riesenbrücke von Müngsten die weitestgespannte des deutschen Reiches und der Erde bleiben, denn schon im nächsten Jahre soll die neue Rbeinbrücke bei Bonn sie durch die Länge ihres ungeheuren MittelbogenS er heblich übertreffen. Bei den Entwürfen dieser neuen Straßen brücke, die den Strom der Deutschen zwischen Bonn und Beuel überschreitet, war die Herstellung einer möglichst großen Mittelöffnunz für die Schifffahrt und die Rücksicht auf eine schöne, künstlerische Form gleich maßgebend. Tie von der GutehoffnungShütte im vorigen Jahre begonnene und bereits stark geförderte Brücke sollte ursprünglich neben zwei kleineren Seitenöffnungen nur einen Mittelbogen von 150 m erhalten. Die Rücksicht auf die Symmetrie hat aber bei der einseitigen Lage der SckifffahrtSrinne dahin geführt, eine Mittelöffnung von 195 m zwischen zwei seitlichen Bogen von je 100 io Länge zu wählen. Trotz seiner flachen Wöl bung steigt der schöne, von 50 m hohen Thürmen flankirte Mittelbogen reichlich 40 m über den Spiegel deS Rheine« empor. Schlanke Bänder halten die Fahrbahn an ihm auf gehängt, und flacker und wuchtiger schließen sich ibm die beiden kleineren Seitenbogen mit ihren Brückenköpfen an. Die Hochbrücke bei Grünenthal, die Kaiser-Wilhelm Brücke im Bergischen Land und bei Bonn die stolzeste aller Rhein- brücken werden alSdann die schönsten Denkmale der Eisen- architektur ia Deutschland sein.
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