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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.08.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970824010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897082401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897082401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-08
- Tag1897-08-24
- Monat1897-08
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Größer» Schriften laut unserem Preis» verzeichnlß. Tabellarischer und Ztffernsatz uach höherem Tarts. Sptra-Beilagen (gefalzt), nur mit de» Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuag 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschluß fir Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je «in» halbe Stunde fruher. Anreisen sind stet« an di» Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig -129. Dienstag den 24. August 1897. 91. Jahrgang. „Deutsche Rechtspartei." K ES besteht bekanntlich eine Partei, die die Ereignisse von 1866 und 1871 ungeschehen machen möchte. Sie recrutirt sich hauptsächlich au« Hannover und dem ehemaligen Cur- kessen und nennt sich, vermuthlich weil sie ganz in den Traditionen der in diesen ehemaligen deutschen Bundes ländern von den Fürsten verübten Vernichtung de« vrrfassungS- mäßiaen Rechtes lebt, Rechtspartei. Da die Zerstörung Deutschlands ihr Ziel ist, hat sie diesem Namen das Beiwort „deutsche" vorangesetzt. Diese deutsche Rechtspartei hat nun dieser Tage in Frankfurt a. M. einen „Congreß" abgrhalten. Sie tritt dort immer zusammen, nach der Germuthung der „Franks. Ztg.", weil ihr der govw» looi zuzusagen scheint. Der wahre Grund ist, daß man in der ehemaligen „freien Stadt", wie auch in Nassau, in Schleswig - Holstein, eine LandeS-Necht-partei erwecken möchte, natürlich gleich falls mit dem Programm: LoS von Preußen. Diese Absicht ist auf dem Congreß offen ausarsprochen wor den. Dagegen hat man sich abfällig über den Plan der Begründung einer bayerischen BolkSpartei ge äußert. Tie passe nicht in den „Protest". Sehr erklärlich. Auch eine bayerische BolkSpartei, mag sie noch so preußenseindlich sich geberden, muß und wird auf dem Boden der bayerischen Verfassung stehen, und die Zugehörigkeit zum Reiche ist bayerisches Verfassungsrecht. Die „deutsche Rechts partei" kann in dem Bund keine Partei gebrauchen, deren oberstes Programmgesetz nicht Felonie gegen da« Reich wäre. Herr Sigl ist einer Meinung mit ihr und hat auch in der vergangenen Woche dringend zur Beschickung de« „Cvngresses" au« Bayern gemahnt. Nach dem ausführlichen Bericht der „Frankfurter Zeitung", die den — nicht nur in nationaler Hinsicht erzreactivnären — Bestrebungen dieser hannoverschen Junker und Mucker mit Behagen folgt, scheint aber kein einziger Bayer der Aufforderung gefolgt zu sein. Ueberhaupt war die Versammlung nur „etwa sechzig Köpfe" stark. Aber rin vollzähliger großstädtischer RohrsperlingSconveut hätte nicht mehr schimpfen können, als diese fünf Dutzend. Es wurde einfach Alle« schlecht gemacht, was in diesem armseligen deutschen Reiche existirt und geschieht. Vor Allem natürlich Fürst Bismarck, dann die ganze Gesetzgebung der letzten dreißig Jahre — „jedes Gesetz eine Ohrfeigt", meinte ein Redner. Dafür können freilich die Paragraphen der Gesetze nichts. „Denn", so erklärte der Mann, als er aus das „durch und durch zerstörerische" Bürgerliche Gesetz buch zu sprechen kam, „die Einheitlichkeit ist an sich ein Uebel, selbst wenn der Inhalt des betreffenden Gesetzes keinen Ein wand bedingt." Tas Civilstandsgesetz aber wurde als eines der Gesetze hervorzehoben, die auch ihrem Inhalt nach ver rucht seien. Dieses Unheil wenigstens war gewiß nicht vom genius loci Frankfurts eingegeben. Die Demokratie kann sich aber nicht" beklagen, auch ihre Theaterrequisiten fanden Verwendung: der Militarismus, die uferlosen Flotten pläne und, wie schon erwähnt, der BiSmarckhaß. In allen Reden aber klang, vorn, hinten und in der Mitte, die Anklage wegen „RecktSbrucbS" vor. RechtSbruch ist in den Augen der Welfen aber nur, waS 1866 geschehen ist. Die Wiener Congreßacte, bei denen Hannover profitirte, haben gerade so gut neue« Recht geschaffen, wie der Prager Friede und die völkerrechtlich unanfechtbare Angliederung der Länder von, wie schon erwähnt, im eigenen Staate Rechtsverletzer gewordenen Fürsten. Aber das thut nichts. Alle«, WaS sich vor 1866 zugetragen, war Welt geschichte, 66 aber ist Gewalt. Preußen hat auch, etwas „historische" Auffassung muß natürlich dabei sein, thöricht gebandelt. E« ist jetzt mit dem übrigen Deutschland der Willkür Rußlands preisgegeben, weil eS, Preußen, „seinen eigentlichen Beruf einer germanischen Militaircolonie auf slawischem Boden aufgegeben". Das wäre ein wunder schöner Vorwand für die LoSreißung von Rheinland und Westfalen gewesen — wa« konnten diese Provinzen der West- lichrn „Militairgrenze" nützen? — wenn e« 1866 nach den Wünschen und Hoffnungen de« Königs Georg gegangen wäre. Nach den Resolutionen deS Frankfurter CongrcsseS wird aber Remedur geschaffen werden. Die Wiederherstellung von Hannover und Kurhefsen, für welches letztere aber noch eine Dynastie gesucht wird, sowie eine Wiedervereinigung mit Oesterreich, wozu etwas untere- Donaugelände zu kommen bat, ist — in Frankfurt — beschlossene Sache. Dann wird Oesterreich mit den Deutschen, „denen man", wie Herr v. Schele meinte, „nicht übergroße Sympathie entgegen bringen darf", während „die Bedrückung, der die Tschechen ausgesetzt sind, sehr schwer ist", fertig werden. Außerdem muß mit der Wilhelminisch-Bismarck'schen Orientpolitik gründlich gebrochen und die Türkei zerstört werden. Rußland darf aber, Herr Redacteur Hopf-Melsungen will rS partout nicht haben, nichts davon abbekommen. Elsaß-Lothringen will der Congreß auf Vorschlag de- Herrn Hopf bei dem in seinem Sinne umgestalteten „Deutschland" lassen, und da- ist nett von ihm. Herr Hopf al- „der Historiograph der Rechtspartei", der von preußischer Geschichtsfälschung spricht, hätte doch lieber nicht sagen sollen, daß ohne Preußens Hegemonie gelüste und im Bunde mit Oesterreich die Reichslande leichter hätten zurückgewonnen werden können. Es ist längst unumstößlich sestgestellt und wird von dem soeben erschienenen Werke des württembergischen Generalmajors Pfister aufs Neue bestätigt, daß Preußen in den Jahren 1814 und 1815 im Verein mit Württemberg Alles daransetzte, um Elsaß und Lothringen für Deutschland — nicht für Preußen! — zurück- zugewinnen. Oesterreich aber ließ den Plan durch den Kaiser von Rußland zum Scheitern bringen. Es wollte gleich diesem Frankreich nicht schwächen. Die „historische" Behauptung de« Herrn Hopf ist aber noch lange nicht das Dümmste und in seiner Verlogenheit Verächtlichste, WaS in diesem Welfen-Conventikel vorgebracht wurde. Deutsches Reich. * Berlin, 23. August. Im Anschluß an unsere Be merkungen über die Vorschläge Deutschlands betreffs der griechischen Finanzcontrole wird uns noch ge schrieben: In den in Kopenhagen zusammenlaufenden Familien beziehungen soll augenblicklich sehr merkbar das englische Interesse über da- russische dominiren, eben weil England griechenfreundlich ist und der Petersburger Hof augenblicklich nicht. Das hellenische Abenteuer dieses Frühjahrs soll übrigens von dem 79jährigen König Christian persönlich gemißbilligt worden sein; indeß bekanntlich kommt eS am Oeresund weit weniger auf ihn, als auf die 80jährige Königin an. Die Bedrohung der Dynastie durch den VolkSunwilltn im Fall einer rinzusührenden europäischen Finanzcontrole aber ist ein echt neubellenischer Humbug, der zum Tbeil wohl nicht einmal dem Athenischen Hofe unan genehm ist. Man hak sich auch im Frühjahr bei dem thörichten Angriffskriege den Mächten gegenüber mit einem „Volkswillen" gerechtfertigt, der außer bei den Agenten des internationalen Radicalismus höchstens in den hauptstädtischen Kaffeehäusern existirte. Die neugriechische BolkSmasse selbst ist ebne Be arbeitung durch gewerbsmäßige Agitatoren politisch noch gar nicht interessirr; vollends nach diesem KriegSausgang aber würde der Athenische Hof wahrscheinlich die überwiegende Volksmeinung für sich haben, würde er diesem Terrorismus der hauptstädtischen Müßiggänger einmal eine nachdrückliche Lection zukommen lassen. Aber freilich kann eS dem Hofe gefallen, sich als von der „VolkSströmung" bedroht darzustellen, um auf diese Weise die Verantwortung für gewisse politische Unverantwortlichkeilen von sich fortzubringen. Ein Staat, der seine internationalen Finanz verpflichtungen unter dem Vorwande mangelnder Mittel uner füllt läßt, und dann für daS Geld gegen die Warnungen von ganz Europa «inen Angriffskrieg fuhrt, spielt ganz natur gemäß um seine unabhängige Existenz. Und wenn da« Spiel gegen ihn ausfällt, dann hat er das Recht zur eigenen un- controlirten Finanzwirthschaft eben eingebüßt. Sentimentale Erwägungen sind dort ganz gewiß nicht am Platze. Ein großer europäischer Krieg ist ein so furchtbares Ereigniß und bringt eine so unabsehbare Menge von Interessen in Gefahr, daß man sich wohl dagegen sichern darf, sie jeden beliebigen Augenblick durch da« Gelärm einer Hand voll Handwerks- Politiker in einem balbcivilisirten Staate bedroht zu sehen; eben die europäische Finanzcontrole wird für die Zukunft der- zleichen Unzuträglichkeiten verhüten. Ohnehin haben die üngsten Vorgänge in Sofia der Welt wieder gezeigt, was von dem politischen und moralischen Zustande dieser kleinen Balkanvölker zu halten ist. Wenn auch durchaus nicht König Georgios mit dem Fürsten Ferdinand persönlich auf die- elbe Stufe gestellt werden soll, kennt man doch zur Genüge die Beziehungen früherer neuhellenischer Staats männer mit dem Klephtenthum der Grenzgebirge. Es ist dieselbe Art von Regimentsführung mit Hinter hältigkeit und Gewaltthätigkeit, wie die jüngst in Sofia der Menjchheit vorgefübrte. Dieses Klephtenthum aber von den neuhellenischen Politikern auf die Handhabung der in Europa contrahirten Staatsschulden sich auSdehnen zu lassen, besteht ür den Welttheil durchaus kein Anlaß. Am komischsten wirkt bei dieser Gelegenheit wieder das Eintreten der englischen Presse für die finanzielle Selbstständigkeit de« hellenischen Volkes. Als ob nickt der erste Hellenenkönig gerade durch das beständige rücksichtslose Hineinreden der Engländer in die griechischen Angelegenheiten bei seinem Volk entwurzelt worden wäre. Mit Recht wird auch auf Egypten und die dort von England angewandten Gewaltmittel verwiesen. Die Finanz controle, welche jetzt in Griechenland eingerichtet werden soll, wäre ohne jedes Blutvergießen durch eine einfache solidarische Erklärung der Mächte in Alben durchzuführen und läge nicht nur im Interesse der Gläubiger Griechenlands, sondern wesentlich auch im eigensten Interesse des griechischen Volke-, das Jahr aus Jahr ein um die Hälfte der Summen be trogen wird, die es als Abgaben leistet. Aber eben diese europäische Solidarität taugt der englischen Politik nichts und nach den gescheiterten Versuchen continentaler Friedensstörung durch Armenien, Kreta und Thessalien sucht sie jetzt in der Frage der griechischen Finanzcontrole ihren Haken einzuhängen. * Berlin, 23. August. In den „Berl. N. N." lesen wir: „Die „Germania" setzt allabendlich einen großen Schwamm in Bewegung, um die ihr sehr unbequeme Erinnerung an die Rolle, die Herr Windthorst in den kritischen März tagen von 1890 gespielt Hal, von den Tafeln der Ge schichte wegzuwischen. Freilich, es will nicht gelingen. Die „Schles. Volksztg." eilt dem Berliner CentrumSblatt zu Hilfe, indem sie an eine Rede erinnert, die der Abge ordnete Or. Porsch am 3. Januar d. I. in Glatz gehalten, und worin er in Bezug auf den Abgeordneten Windthorst gesagt hat: „Er hat es noch erlebt, daß der gewaltige Riese, der in der That große, aber auch rücksichtslose Staatsmann Bismarck, der als ein Allmächtiger erschien gegenüber dem Abgeordneten Windthorst, daß dieser aus seiner politischen Macht scheiden mußte. Ich erinnere mich noch, wie er mir bewegt erzählte an demselben Tage, an dem er mit dem Fürsten Bismarck seine letzle Unterredung hatte: „Ich komme von dem politischen Sterbebette eines große» Mannes." Eine Aeußerung, die wohlthuend absticht von den Auslassungen der „Hamburger Nachrichten" auch dem todten Windt- horst gegenüber." Wenn Herr Windthorst, woran ja kaum zu zweifeln, diesen Ausspruch wirklich gethan hat, so wird damit die Rolle, die er in der großen Zntrigue zum Sturze des Fürsten Bismarck gespielt hat, nur um so deutlicher in die Erscheinung gerückt." 6. ll. Berlin, 23. August. (Privattelegramm.) Ueber die socialdemokratischc Glasarbeiter-(Genoffcnschafts-)Hüttc bei Bergedorf ist der Concurs eröffnet. Die Geschäfts- antheile der Genossen sind völlig verloren. o. vromberg, 22. August. Der „Ostd. Pr." wird aus Strelno geschrieben: ^,Als am letzten Vergnügen des deutschen Turnvereins am Schluffe einer Ansprache das Hoch auf den Kaiser auö^ebracht wurde, blieben vier junge Polen, welche ziemlich spät daS Vergnügungslocal be treten hatten, sitzen, infolge veffen im Saale Unruhe ent stand. Dir Betreffenden wurden schließlich aus dem Locale gewiesen, und am nächsten Tage wurde der Staatsanwalt schaft davon Mittheilung gemacht." * Posen, 22. August. Man wird sich erinnern, daß vor einiger Zeit die Eisenbahndirectionen in den Ost provinzen Verfügungen erlassen haben, nach welchen die Beamten und Arbeiter im Dienste deutsch sprechen sollten. Da diese Verfügungen dauernde Geltung haben, Feuilleton. Das Adlernest. Bon Björnstjerne Björnson (Lhristiania). Nachtruck verboten. Endregard war der Name eine- kleinen Dörfchen- in Norwegen, da« einsam, zwischen großen Felsenmauern ein geschlossen lag. DaS fruchtbare und flache Plateau, auf dem cs erbaut war, wurde von einem breiten Strom getbeilt, der vom Gebirge herab kam und sich ziemlich in der Näbe deS Dorfe- in einen See ergoß. Eine« TageS war auf diesem See in einer Barke der Mann erschienen, der sich al- erster im Thale angesiedelt hatte. Er hieß Endre, und di» jetzigen Einwohner de« Dorfe« stammten von ihm ab. Einige be haupteten, daß er eine« Morde« wegen sich in diese Einöde habe flüchten müssen und daß alle Leute deS Orte-, seine Nachkommen, au« diesem Grunde so düster auSsähen. Andere dagegen meinten, daß daran die hoben Felsenmauern schuld seien, die selbst am Iohanni-tage, dem längsten de« Jahre«, den Sonnenstrahlen schon nach fünf Uhr Abend« nicht mehr gestatteten, in da« Tbal zu dringen. Ueber diesem Dorfe nun hing am höchsten Puncte eine schroffen Felsen« ein Adlernrst. Alljährlich konnte man be obachten, wenn da« Weibchen zu brüten begann: doch noch niemal« batte Jemand bi- zu dem Neste hinaufklettrrn können. Der Adler schwebte häufig über dem Dorfe und raubte bald ein Lamm, bald eia Zicklein; einmal packte er sogar ein kleine« Kind und trug e« fort. Daher fühlte man sich auch durchau« nicht sicher im Dorfe, so lange die mäch tigen Vögel ihr unzugängliche« Nest bewohnten. Unter den Bauern ging die Sage, daß e« vor langen Zeiten einmal zwei Brüdern im Dorfe gelungen sei, da« Nest zu erreichen und eS zu zerstören. Aber jetzt war Niemand mehr im Stande, da- Gleiche zu thun. Wenn zwei Leute sich im Dorfe trafen, so sprachen sie von dem Adlrrnest und sahen in die Luft. Man wußte, zu welcher Zeit de« Jahre« die Raubvögel zurückgekehrt waren, auf welchen Punct de« TbaleS sie sich niedergelassen, wa« sie wieder Schlimme« angerichtet hatten, und welcher kecke Mensch zuletzt bei dem Versuche gescheitert war, bis zu ihnen hinauf zuklettern. Sobald die Jungen des Dorfe- gehen konnten, übten sie sich im Baumklettern und stiegen auf die Felsen, damit sie eine- Tage- zu dem Nest gelangen und e« den beiden Brüdern gleich zerstören konnten. Zu der Zeit, von der hier die Rede ist, hieß der kräftigste Bursche des Dorfes Leif. Er stammte nicht von Endre ab und hatte krause Haare und kleine Augen. Er liebte Kraft übungen und di« Spiele aller Art. Seit seiner frühesten Kindheit rühmte er sich, daß er früher oder später zu dem Ablernest gelangen würde. Die alten Leute meinten freilich, er hätte sich lieber nicht so laut rühmen sollen. Aber diese Reden gerade reizten ihn nur noch mehr, und ohne da- Alter abzuwarten, in dem er seine volle Kraft erlangt hätte, unternahm er r« eine- TageS, den Adlerfetsen zu er klimmen. Da« war an einem schönen Sonntag-morgen zu Beginn de« Sommer«; die jungen Vögel im Neste konnten erst kürzlich au-gekrochen sein. Eine zahlreiche Menge batte sich aus die Kunde von Leif'« Wagniß hin am Fuße de« Felsen versammelt. Die Alten meinten „nein", die Jungen „ja". Doch Leif, der niemals auf Andere zu hören pflegte, wartete nur darauf, bi- auch da- Weibchen da- Nest verlassen hatte. Dann erkletterte er mit ein paar Sätzen einen Baum, der mehrere Fuß von der Erde weg au- einer Felsspalte wuchs und ont seinen Besten an dieser entlang zu ranken begann. Unter seinen Füßen lösten sich kleine Steinchen loS . . . Die Kiesel und die Erde fingen an zu rutschen . . . Ringsum herrschte feierliches Schweigen; und man hörte nicht- weiter, als daS unaufhörliche dumpfe Grollen deS Stromes von der Stelle her, wo er sich in den See ergoß. Die Felswand ward immer steiler und steiler. Oft hielt sich Leif lange Zeit mit einer Hand fest und suchte mit dem Fuß einen neuen Stützpunkt, den er nicht sehen konnte. Viele der Zuschauer, namentlich der Frauen, wandten sich mit Grauen ab und erklärten, der tollkühne Mensch hätte nie einen solchen Wahnsinn gewagt, wenn er seine Eltern noch hätte. Aber Leif fand immer wieder einen Stützpunkt und suchte einen anderen, bald mit der Hand, bald mit rem Fuß. Da plötzlich versagte ihm der Fuß den Dienst. Leif glitt au- — — gewann aber da« Gleichgewicht wieder und setzte seinen Weg fort. Die unter ihm standen, hörten sein keuchen de- Athcmbolen. Nun erhob sich ein großes junges Mädchen, da- abseits auf einem Steine gesessen hatte. Sie hieß Dagmar und man wußte von ihr, daß sie sich schon als Kind mit Leif verlobt batte, obwohl er nicht den Familien de« Dorfe« angehörte. Nun streckte sie beide Hände zu ihm empor und rief: „Leis! — Leif! . . . Warum tbust Du das?" Alle Welt wandte sich nach ihr um; ihr Vater näherte sich ihr, doch sie erkannte ihn nicht, so starr waren ihre Blicke nach oben gerichtet. „Steig' herab, Leif", siebte sie weiter. „Thu' e« meinet wegen, die Dich liebt! Da oben hast Du nicht« zu ge winnen!" Man sah, daß er zögerte . . . Eine Minute oder zwei hielt er inne, — dann begann er entschlossen weiter zu klettern. Seine Hand und sein Fuß waren wieder fest. Doch er war offenbar schon müde, denn er rubte sich öfter« aus. Ein großer Stein löst« sich unter ihm und polterte werden sie in gewissen Zwischenräumen wieder zur Kenntniß der Betheiligten gebracht. Trotzdem scheinen namentlich die Arbeiter dagegen zu verstoßen, aufgehetzt durch großpolnische Agitatoren. Es ist deshalb verfügt worden, daß bei der dritten Uebertretung der betreffende Arbeiter zu entlassen ist. Darüber regen sich polnische Blätter gewaltig auf. Soll die Eisenbahnverwaltung im Osten vielleicht nur polnische Beamte anstellen, damit die Arbeiter, die ja sämmtlich die deutsche Sprache beherrschen, polnisch sprechen können? Von anderen Gründen ganz zu schweigen, wo bliebe da die Einheitlichkeit der Verwaltung? (Schles. Ztg.) * Breslau, 23. August. (Telegramm.) Fürst Hugo zu Hohenlohe-Oebringen, Herzog von Ujcst, ist, der „Schles. Ztg." zufolge, heute früh auf Schloß Slawentzitz gestorben. (Wiederholt.) * Paderborn, 21. August. DaS „Wests. Volksblatt" schreibt: In auswärtigen Blättern wird al« Ursache des Ausbleibens des Kaiser« in der Senne angegeben, daß dort die Diphtherilis ausgebrochen sei. ES sind in der That einige Fälle einer Krankheit, die Diphtberitis sein kann, vorgekommen, und dieser Umstand dürfte zu dem Entschlüsse mitgewirkt haben. Wir glauben aber nach unseren Infor mationen der Wahrheit näher zu kommen, wenn wir hervor beben, daß daS auf der Nordlandreise bekanntlich verletzte Auge de« Kaisers noch der Schonung bedarf und nach Ansicht der Aerzte der bei trockener Witterung in der Senne stark auftretende Staub von ungünstiger Wirkung auf die Vollendung der Heilung gewesen wäre. * Hamm, 22. August. Vor einigen Tagen fand hier eine große Versammlung deS Bundes der Landwirthe statt, deren Berathungen vertraulich blieben. DaS Ergebniß der selben liegt jetzt in einem Aufruf vor, in dem es u. A. heißt: „Wir, die unterzeichneten Wahlkreis«, Kreis- und Hauptgruppen- Vorsitzenden des Bundes der Landwirthe in Westfalen, stellen hier durch als absolut salsch fest, Laß zwischen unseren Berufsgenossen im Osten und uns trennende Gegensätze bestehen. So wenig wir eine einseitige B-vorzugung der landwirthschaftlichen Interessen auf Kosten anderer Berussstänbe begehren, ebenso sehr müssen wir ver langen, daß nicht andere Berufsstände einseitig auf Kosten der Land- wirthjchast bevorzugt werden. Ueber diese Linie hinaus verlaugeu wir nicht«. In dem harmonischen Zusammenwirken aller pro ductiven Stände erblicken wir eine sichere Bürgschaft für die Größe und Wohlfahrt unseres Vaterlandes. Wir wollen daher eintreten für den Schutz der nationalen Arbeit, für alle productiven Stände, für den gesammten Mittelstand, für den Handwerker wie für den ehrlichen Kaufmann und den reellen Handel, namentlich auch für unsere heimische Industrie." Es scheint aber doch recht viele Landwirthe in Westfalen zu geben, die nicht glauben, daß sich die obigen, wenig agrarisch klingenden Darlegungen mit dem Bundesprogramm decken, denn der Aufruf fährt fort: „Vor einer für die Landwirth- schast so wichtigen Zeit bitten wir die iu unserer Provinz maßgebenden landwirthschaftlichen Vereine, die zurück haltende Stellung oder die unberechtigten Vor- urtheile aufgeben zu wollen und in eine wohlwollende, zustimmende zu unserer Vereinigung im Bunde umzuwandela." -s- Halle a. T., 23. August. Der osficielle Bruch der hiesigen Buchdrucker mit dem socialdemokratischen Gewerkschaft «- cartell ist jetzt erfolgt. Es handelte sich um die bekannte Streitig- seit der Buchdrucker unter einander in der Tariffrage, in welcher auch die hiesigen Buchdrucker sich gegen das Vorgehen de- Herrn Gasch in Leipzig erklärten. Der Au-schluß der Loriffreunde au« dem Leipziger Gewerkschaft-cartell gab den hiesigen Buchdruckern Anlaß, die Sache in öfsentlichen Versammlungen zu besprechen und Protest dagegen zu erheben, daß das hiesige Gewerkschaft-cartell dem Herrn Gasch gestattete, seine Sach« vor ein Forum des Gewerkschaftscartells zu führen. Die Folge davon war, daß sich das Gewerkschaft-cartell in seiner Mehrheit für Gasch und Genossen erklärte. Der Versuch der hiesigen Buchdrucker, die Angelegenheit in einer öffentlichen Versammlung unter Hinzuziehung der Vertreter der Gewerkschaften zu erörtern, glückte nur zum Theil, La der Vorsitzende des Gewerkschaftscartells, der Redacteur de- hiesigen „BolksblatteS" Adolf Thiele, zu der Ver sammlung absichtlich nicht eingeladen hatte. Der weitere Versuch der Buchdrucker, dos Gewerkschaft-cartell zu einer bestimmten Er klärung darüber zu veranlassen, daß die Buchdrucker auf dem Boden der modernen Arbeiterbewegung stehen, mißglückte ebenfalls, denn da- Gewerkschaft-cartell ging über da« Gesuch der Buchdrucker zur Tage-ordnung über. Da- Letztere thaten nun di» Buchdrucker Wie ein düstere- Vorzeichen die Fel-wand herunter. Alle, die bi- dahin noch unten gestanden batten, schickten sich jetzt auch an, fortzugehen, und erklärten, den Anblick nicht langer ertragen zu können. Eben rastete Leif mit der rechten Hand umher, um sich weiter zu ziehen. Da Dagmar sah eS deutlich — glitt seine Hand ab. Er hielt sich noch mit der anderen fest, doch auch diese gab nach „Leif!" schrie daS Mädchen so laut auf, daß ihre Stimme sich an der Wand de- Felsen- brach und alle Anderen auch aufschrien. „Er fällt!" riefen Alle wie au- einem Munde, und Manner und Frauen streckten die Arme nach ibm au«. Er fiel in der That und riß den Sand, die Steine, die Kiesel mit sich fort; er fiel und fiel immer schneller. Alle wandten sich ab, um nicht- mehr zu sehen, dock sie hörten ein dumpfe- Krachen — dann ein starkes Aufschlagen, wie von einem fallenden Klumpen feuchter Erde. Als sie endlich den Muth hatten, hinzublicken, da lag Leif zerschmettert, unkenntlich entstellt, an der Erde. Da« junge Mädchen war ohnmächtig zusammengesunken, und ihr Vater trug sie auf den Armen fort. Die jungen Männer, die Leif zu dieser tollkühnen That getrieben batten, wagten weder ihn zu berühren, noch ihm Beistand zu leisten, ja, sie sahen ihn nicht einmal an. Die Alten mußten da« allein thun, und der Aelteste s-gte, währeud man ibn aufhob: „ES war unsinnig! .... Aber", fügte er, zu dem Nest aufblickend, warnend hinzu: „eS ist trotzdem gut, wenn e« etwa« giebt, da- so hoch steht, daß Niemand e« erreichen kann."
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