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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.09.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970904018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897090401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897090401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-04
- Monat1897-09
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Li« Morgen-Lu-gabr erscheint um ^/,7 Uhr. di» Abmd-AuSgabe Wochentag» um b Uhr. vezugS-Prei- A Hw Larrptrxpedition ob« tz« km Lt^t- Hmirk und de« Vororten errichteten Lu«» Aestelle» abgeholt: vierteljährlich^>4^ . bet »wetmaliger täglicher Zustellung in» LauH schL Durch die Post bezog« für Leotschland und Oesterreich: viertel!äbrlich S.—. Direkte tägliche Kreuzbaudleubuog in« Ausland: monatlich ^tl ?.ö0. Nr-action ««ß Lrveditilm: Johanne«,affe 8. Lie lrveditio» ist Wochentag« uauaterbroche« «eSffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: Dtto Ale«»'« Emnti«. (Alfred dah«X Untversität-ftrabe S (Pauliumn), L«»i» Lösche, , Mtgarin en str. ^1, part. »nd -Snla-V^atz 7» 450. Morgen-Ausgabe. ripMr.TaMatt Anzeiger. AmlsökaLt -es Königlichen Land- und ÄNtLsgerichies Leipzig, -es Mathes und Nolizei-Äintes -er Lta-t Leipzig. Sonnabenb den 4. September 1897. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzrile nv Pfg. Reklamen unter de«RebartionSstrich (4g- spalten) SO>4, vor den Famüien nachrichte, / ^(6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis» ( verzeichnih. Tabellarischer und Aissernsatz uach höherem Tartj. / Srtra-Sei lagen (gefalzt), nur mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürderung SO—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Marge «»Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. vei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stund« früher. Anzeigen sind stets an di- Expedition zu richten. Druck und Verlag von L Pol« 1» S-ipztG S1. Jahrgang: Der Lreuzer I. Masse „Ersah Leipzig". Der in den nächsten Tagen bevorstehende Stapellauf de« Kreuzer« I. Elaste „Ersatz Leipzig" bedeutet für die Ent wickelung der deutschen Seemacht einen überaus wichtigen, typischen Abschnitt. „Ersatz Leipzig" ist der erste wirklich moderne, erstklassige Kreuzer, über welchen die deutsche Marine verfügen, ein Schiff gleichzeitig, welche- nach Abmessung, Armirung und Geschwindigkeit den höchsten modernen An forderungen genügen wird. Die Länge des gewaltigen Schiffes beträgt 120 w, seine Breite 20,40 m, sein mittlerer Tiefgang 7,SO m, da« Deplacement de« „Ersatz Leipzig" be läuft sich auf 10 850 Tonnen. Die Maschinenanlaae wird wie bei dem Panzerschiff I. Elaste „Friedrich der Große" au» drei Biercylindermaschinen mit Wafferrohrkesteln (System Dürr) bestehen. Die Maschinen sollen drei Schrauben treiben, welche dem Schiffe eine Geschwindigkeit von 19 Meilen in der Stunde bei einer Entwickelung von 13—14 000 Pferdekräften verleihen werden. „Ersatz Leipzig" bleibt in seiner Größe nur um etwa 400 Tonnen hinter unseren beiden größten Schlachtschiffen „Kaiser Friedrich III." und „Friedrich der Große" zurück. Die ersten Kielplattea zu dem Schiffe wurden auf der kaiserlichen Werft zu Kiel am 1. April 1896 gelegt und jetzt, wo man kurz vor dem Stapellauf den gewaltigen Bau de» Schiffes übersehen kann, macht sich seine imposante Maste in ihrer vollen Größe geltend. Der Bug deS Schiffes ragt 20 Meter über daS umliegende Werftterrain empor. Construirt ist „Ersatz Leipzig" ebenso wie die meisten anderen Schiffe unserer Marine von dem Chefconstructeur der kaiserlichen Marine, Wirk!. Geh. AdmiralitätSrath Dietrich. Der große Kohlen- und Theerölvorrath von 1100 Tonnen und die große Geschwindigkeit von 19 Knoten bei etwa 13 500 bis 14 000 Pferdestärken kennzeichnen das Schiff als Kreuzer; doch wird dasselbe bei dem geringen Bestand der deutschen Flotte an modernen Schlachtschiffen im Bedarfsfälle auch einen sehr werthvollen Factor für die Schlachtflotte bilden können. Sein guter Panzerschutz von 80 bis 200 mm dickem gehärtetem Nickelstahl und die schwere Armirung, die sich in der Hauptsache nur durch die geringere Zahl von 15-Centim.-Geschützen von derjenigen der neuen Panzer schiffe I. Elaste unterscheidet, machen „Ersatz Leipzig" zu einem werthvollen Zuwachs der Flotte. Für seine Verwendung als Flaggschiff eine- Kreuzergeschwaders im Auslande wird daS Schiff mit den erforder lichen luftigen und bequemen Wohnräumen auSgestattet und erhält zum Schutz gegen das schnelle Bewachsen des Schiffs- bodenS in tropischen Gewässern eine Holzbeplankung mit Gelbmetallbeschlag, sowie bronzene Steven, Schraubenböcke und Ruderrahmen. Das Gewicht dieser großen Bronzestücke, die von der kaiserlichen Werft selbst gegossen werden, wird etwa 98 000 kg betragen. Ein Steventhril von 12 000 kg Gewicht erregte auf der Kieler Ausstellung im vergangenen Jahre die berechtigte Aufmerksamkeit der Fachleute. Der Kreuzer erhält an Armirungen vier 24-om-Geschütze auf doppelter Drehscheibe, sechs 15-cm-Geschütze in gepan zerten Einzelkasematten, sechs 15-cm-Geschütze in gepanzerten Drehthürmen, zehn 8,8-em-Geschütze und zehn 3,7-ow-Ge- schütze, endlich acht 8-em-Maschinengewehre. Daneben wird das Schiff eine überaus starke Torpedo-Armirung besitzen. Die Besatzung ist auf 550 Mann bemessen. Von Interesse sind die gewaltigen Materialmengen, welche bis jetzt bereits für den Bau zur Verwendung gekommen sind. Bis zum 30. Juli deS laufenden IahreS waren in dem Schiffskörper 2655 Tonnen ü 20 Etr. verbaut. Darunter befanden sich Stablplatten im Gewicht von 1596 000 kg. Zur Ver bindung der Stahlplatten kamen zur Verwendung 336 593 kg Winkrlstahle, 197 380 kg Stahlbalken und 93 804 kg Niete. Die gewaltigen einzelnen Bronzegußstücke sind bereits oben erwähnt. Für die Holzbeplankuug sind bis jetzt verbaut 265 823 kg Teakholz. Der Kreuzer soll, wie verlautet, den Namen „Fürst Bismarck" führen und in der That wäre es ein überaus glücklicher Gedanke, daS erste für den Dienst im Auslande bestimmte Schiff, mit welchem wir im Stande sind, den deutschen Namen würdig zu repräsentiren und daS den besten Kreuzern aller anderen Nationen mindestens ebenbürtig ist, mit dem Namen deS Mannes zu nennen, der zuerst der deutschen Flagge in allen Zonen der Erde zu Ansehen und Geltung »erhoffen hat, dessen Name bei den Völkern aller fünf Erdtheile bekannt und geehrt ist, mit dem Namen unseres eisernen Kanzlers. Die Neuwahlen zum norwegischen Ztorthing. Nachdruck verbotrn. Als daS Storthing, dessen Mandatsperiode nunmehr abgelaufeu ist, vom norwegischen Volke gewählt wurde, stand der Uni o n S c o n fl i c t auf seiner Höhe. Die Leidenschaften waren überaus erregt, selbst ein Krieg mit dem schwedischen Brüdervolke schien damals nicht zu den Unmöglichkeiten zu zählen. Darüber sind nun drei Jahre hinweggegangen und die Norweger stehen vor einer Neuwahl ihrer Volksver tretung. Von der gleichen Erbitterung, wie 1894, ist heute nicht die Rede; ein CoalitionS-Ministerium leitet heute mit großer Behutsamkeit die Geschäfte deS Landes, ein Unions- comitS ist aus Vertretern der beiden Nachbarnalionen gebildet worden und befindet sich soeben auf Holmenkollen bei der Arbeit. Der UnionSconflict ist nicht mehr acut. Um so bemerkenswerther ist eS, daß die Radikalen alles daran setzen, die Unionsfrage auch diesmal zum Mittel punkt der Wahlbewegung zu machen. Neben der Ausdehnung des Wahlrechts bildet ein selbstständiges Ministerium des Auswärtigen für und in Norwegen ihre Wahlparole. Die Unionsfrage jetzt wieder zum Leitmotiv der Wahlen machen zu wollen, ist für Norwegen etwa ebenso künstlich, wie die erneute Aufrollung der Homerule-Frage bei den letzten Wahlen für England war. Aber die Radikalen fühlen, daß nur eine leidenschaftliche Aufregung der Gemüther ihrer extremen Partei zum Siege verhelfen und ihre bisherige Vier-Stimmen-Majorität in eine stattlichere Mehrheit ver wandeln kann. So hat daS norwegische Volk diesmal zu entscheiden, ob es auf weitere drei Jahre Kampf mit dem fchwedifchen Nackbarn, Kampf in der Union und um sie als den Brennpunkt seines politischen Lebens wählen will. Aus diesem Grunde ist die gegenwärtige Wahl für die inneren, wie für die äußeren Verhältnisse Norwegen- von sehr ernster Bedeutung. Die inneren Verhältnisse des Landes sind bereits seit lange durch den Fanatismus, mit dem die unionellen Diffe renzen in alle politischen Fragen hineingetragen wurden, tief vergiftet. Ist auch dieser Vorwurf des Fanatismus beiden Parteien zu machen, so hat doch vor allen Dingen die Linke sich durchgängig und im höchsten Grade unversöhnlich, gehässig und persönlich im Kampfe gezeigt. Man erinnert sich noch der Abstriche, die sie an der königlichen Apanage machte. Den Gegnern sprach sie allen Patriotismus ab; jeder maßvolle Freund der Union war für sie ein „Großschwede" und kein Norweger. Die Stockholmer Ausstellung, auf der eben jetzt Norwegens Industrie sich reiche Ehren geholt hat, wollte sie in ihrem blinden Hasse gegen Schweden nicht beschickt sehen. So ließen sich die Beispiele häufen, die nach weisen, daß unter einer radikalen Mehrheit das Land sich auf eine fanatische Parteiherrschaft und auf eine bedenkliche Lockerung des Gemeingeistes gefaßt machen müßte. Diese Lockerung hat Frithjof Nansen, als er nach mehrjähriger Abwesenheit ungetrübten Blickes die heimischen Verhältnisse anschaute, mit Schrecken bemerkt; aber seine Mahnung zur Einigkeit ist an seinen eigenen radikalen Parteigenossen spur los vorübergegangen. Aber auch für die Stellung Norwegens nach außen bin müßte ein Sieg der Linken verhängnißvoll werden. Ist Norwegen auch durch seine Lage ziemlich isolirt, so bedarf es doch eben in seinem Ringen um eine freiere Stellung in der Union der Sympathien Europas als eines moralischen Rückhalts. Wenn Norwegen die eminenten Culturfortschritte, die es seit Begründung der Union gemacht hat, durch eine selbstständigere Stellung in der Union auch politisch zum Ausdruck gebracht sehen will, so ist dies Streben berechtigt; Wenn eS aber diesen Kampf unstaatsmännisch, maßlos und unvornehm führt, so scheint eS, daß eS speciell politisch doch noch nicht zur vollen Reife gekommen ist und eS verliert unsere Sympathie. DaS ist die Gefahr, die eine radikale Herrschaft über Norwegen heraufbeschwört. Zudem ist die Forderung einer selbstständigen norwegischen Diplomatie in Bezug auf die internationale Politik nicht ohne Bedenken. Der gemeinsame Union-Minister wird immer die verwandten Interessen der beiden Nachbarvölker in erster Linie betonen; bei einer Trennung der norwegischen und schwedi schen Diplomatie würden Reibungen und schärfere Gegensätze kaum zu vermeiden sein, und Norwegen würde sich gerade dann auf das Meer der hohen europäischen Politik mit ihren Bündnissen und Gegenbündnissen hinauSgetrieben sehen, von dem sich die Linke durch ein eigenes Auswärtiges Ministerium ein- für allemal zu entfernen hofft. So wird jeder wahre Freund der Norweger — und das strebsame, kernige und hochsinnige Volk zählt in Deutschland viele Freunde — wünschen müssen, daß sie sich aus dem Banne deS radikalen Fanatismus lösen und eine Politik der Sammlung und deS Maßes einschlagen, deren Ziele eine ver söhnliche Auseinandersetzung mit Schweden, eine ernste und fruchtbare Arbeit im Innern und die Sammlung aller be sonnenen Elemente deS Landes sein muß. Deutsche- Reich. Berlin, 3. September. Die klerikale Presse scheint im Zweifel zu sein, was sie mit der Rede anfangen soll, welche Freiherr v. Hertling am Montag in Landshut gehalten hat. War es eine „scharfe Absage" an Schell, wie nicht-ultramontane Zuhörer sie verstanden haben, oder sollte die Schließung eines leidlichen Frieden- angebahnt werden, wie eS von gemäßigt-klerikaler Seite empfohlen wurde? Eine Klarstellung wäre jedenfalls erwünscht, denn inzwischen ist von deS Würzburger Theologie-Professors Schell Streitschrift über den „KatholiciSmuS al-Princip des Fortschritts" die fechste Auflage erschienen; ihr Inhalt fesselt immer weitere Kreise, und so viel ist sicher, daß die kirchen amtliche DeSavouirung dieses unbequemen Theologen mit seiner Jesuitenfeindschaft jetzt nicht mehr zu erwarten ist. Die Schrift hat zahlreichen Katholiken zu beredt aus der Seele gesprochen! Als der Reichstagsabgeordnete Frhr. v. Hertling kürzlich in einer Reihe von Aufsätzen der „Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland" die Hebung der katholischen Wissenschaft als das erste LebenSbedürfniß für das Gedeihen der katholischen Confession auf deutschem Boden bezeichnete, nachdem er sich ähnlich bereits zu Freiburg (Schweiz) auf dem internationalen wissenschaftlichen Congreß der Katholiken ausgesprochen hatte, wollte es scheinen, als stehe auch Frhr. v. Hertling seinem Alte und neue Sriefe Sismarck's Lon vr. T. Schwetschke. Geschichtschreiber der Niederlande, der auch einige Jahre Gefandter in Wien und London war. Dieser letzte Brief führt, wie die anderen, den Leser in die glückliche, lustige Jugend zeit der Beiden. Aufs Höchste erfreut über daS soeben empfangene briefliche Versprechen deS alten Freundes, ihn zu besuchen, ladet Bismarck diesen sofort nach Varzin ein. „Du bist tausendmal willkommen und doppelt, wenn Du von Deinen Damen begleitet bist, die sicherlich noch niemals einen Pommern auf dem Boden seiner Heimath ge sehen haben. Wir leben hier etwas hinter den Wäldern — Die pommerschen Götter mögen mir gnädig sein. Dir einen sonnigen (Reise-) Tag zu geben .... Meine Frau ist noch in Soden. Ich erwarte sie am 9. zurück. Sie wird gleichfalls erfreut sein, Dich wiederzusehen; Dein Name ist ihren Lippen vertraut und kam nie au» ihrem Munde ohne ein freundliches Lächeln. Du erwähnst nicht, daß Mrs. Motley Dich begleiten wird, und bei diesem Schweigen nehme ich's für ausgemacht an, daß sie eS wird, da Mann und Weib sind ein Leib." So steht die gewaltige Gestalt BiSmarck'S als Mensch und als Staatsmann vor uns in seinen Briefworten, wie in seinen Thaten; dort nur im Glanze milderer Tugenden, hier in dem blutigen Nordlichtscheine seine- durch Kriege zur friedlichen Größe unseres Vaterlandes schreitenden Wirkens. Nach all' dem hier nur angedeuteten Großen und Schönen, was die Briefe bieten, halte ich eS nicht für an gebracht, kleine Ausstellungen zu machen: weder an den Briefen selbst, denen die Nachbildungen eine- besonder- eigen artigen Lenbach'scken Pastellbildes und vier anderer charakteristischer Bildnisse BiSmarck'S auS verschiedenen Zeiten hinzugefügt sind, noch an der Arbeit des Heraus gebers. Nur eine größere Vermehrung der kurzen erklärenden Bemerkungen zu den unsere besondere Theil- nahme und Wißbegierde erweckenden Briefempfängern, vor züglich bei ihrer ersten Erwähnung, sowie zu sonstigen Personen und Ereignissen wäre wohl bei diesem Buche am Platze gewesen. Denn eS ist in seiner Eigenschaft als un erschöpflicher Jungbrunnen für den deutschen Geist zu einem dauernden deutschen HauSbuche bestimmt, da- nicht nur in die Hand von Zeitgenossen der Ereignisse und von geschicht lich Durchgebildetcn, sondern in die Büchersammluagen Aller gelangen wird, die ein Interesse an der Geschichte BiSmarck'S und seiner Zeit haben, seien sie jung oder alt, Mann oder Frau. Unserem greisen Volkshelden aber danken wir für die Gabe, die er uns in diesen Briefen wiederum geschenkt hat. Wenn ihn beim Durchblättern de» Buche« wehmüthige Empfindungen über den Verlust so mancher ihm theueren Briefempfänger, de- Vater-, der Gattin, deS Bruder», der Freunde beschleichen, so mag ihn der doppelte Gedanke trösten: einmal, daß er sie so lauge sein eigen nennen durfte, und dann, daß er auch diezenigen seiner Dahin geschiedenen, die ihre Bilder nicht selbst in die Tafel« der Geschichte zu zeichnen vermochten, durch seine Briefe de« Herzen seiner Freunde im Volke nahe gebracht hat. Möge Fürst Bi»marck, wenn di« Zeit za einer Fort setzung der Briefe über 1872 hinaus gekommen fein wird, sein Placet dazu in unverminderter Geiste«- und Kvrperfrische geben I (Schluß.) Die wichtigste Stelle al« Briefempfänger nimmt unter den männlichen Familienmitgliedern der fünf Jahre ältere Bruder Bernhard ein, der als Landrath deö Naugarder Kreise- in Pommern starb. Es dürfte im Allgemeinen unbekannt sein, wie eng die Brüder dauernd mit einander verbunden waren. Zwar berichtet Hesekiel von der wirthschaftlichen Hochherzigkeit Bernhard'- al- Jung gesellen gegen Otto und fügt hinzu, da- brüderliche Der- hältniß zwischen beiden sei immer sehr herzlich geblieben. Bernhard verrieth auch den richtigen Blick für des jüngeren Bruder- Beruf, wie auS dessen Worten an di« Schwester 1846 Hervorgeht: „Bernhard behauptet, ich sei nach Neigung und Anlage für den Staatsdienst gemacht", und Otto hatte Bernhard'» LandrathSgeschäfte längere Zeit übernommen, al» besten Gattin lebensgefährlich erkrankt war. Außer diesen früheren Thatsachen und einigen kurzen Zeitungsnachrichten über gegenseitige Besuch« der Brüder ist aber Wohl in späterer Zeit nicht- weiter in die Oeffentlichkeit gedrungen. Hier nun sehen wir au- der vom Beginn der Frankfurter Zeit (1851) bi- 1871 reichenden Auswahl von dreißig Briefen, au- denen oben eine Stelle mitgetheilt wurde, welch herzliche-, tirfgemüthliche-Band, welche verständnißvolle Theilnabme an dem beiderseitigen grmütblichen, wirthschaftlichen und politischen Ergehen die Brüder einte. Boa den Briefen mit vor wiegendem Familiencharakter bilden diese bisher noch nirgend» veröffentlichten daher die Haupterrungen schaft der neuen Ausgabe. Nicht zu vergrffen sind endlich sieben Briefe an den Vater von 1838—1845, die den Briefschreiber al« ver ständigen, gehorsamen und liebevollen Sohn de- alternden, aber »och jagdfreueigen, humoristischen und stet« „Thatsachen" in den Briefen wünschenden Vater« und al« Berichterstatter über die kränkelnd« Mutter zeigen. Aber von diesen, wenn auch psychologisch interessanten Briefe» sind nur zwei ganz neu, dir übrigen au« Schmidt'« „Schönhausen und di« Familie v. BiSmarck" entlehnt oder au« dem Bi«marck-Jahrbuche übernommen. Leider enthält di« Sammlung keinen Brief BiSmarck'« an seine Mutter. Solche würden vielleicht noch angehendere Einblicke al« di« an den Barer in BiSmarck'« geistige Ent- Wickelung in seinen jüngeren und jüngsten Jahren gestatten, da die Mutter, nicht der Vater, e« war, di« den — ihr nicht erfüllten — Wunsch hegt«, ihren Otto al« Staatsmann glanzen zu sehen. Sie dacht« dabei »ohl an da« Vorbild ihre« mit Au«zeichnuag thätig gewesenen Vater«, de« der Leipziger Gelehrten-, ursprünglich Oldenburger Kaufmann«- famme entstammende» preußischen Eabi«t«rathe» Auastafiu« Ludwig Mencken. F. v. Köpptn berichtet von der von ihre« Gatt« schwärmerisch geliebten, geistig hochgebildeten und hoch strebenden, jedoch nicht praktisch begabten Frau: „Sie führte einen sehr lebhaften Briefwechsel, besonder- mit ihren Söhnen und über dieselben". Vielleicht kommen aus diesem Brief wechsel noch einige Briefe von ihrem Sohne Otto zu Tage als Beiträge zu dem Eapitel von der geistigen Verwandtschaft großer Männer mit ihren Müttern. Auch eigene Briefe BiSmarck'S an seine Kinder würden noch zur Vervoll ständigung seine- Menschenbildes al- „achtbarer Familien vater" beitragen. Beinahe zwei Drittel sämmtlicher Briefe, wenn wir noch einige an zwei Vettern hinzurechnen, bestehen auS Briefen an Familienmitglieder. DaS übrige Drittel deS Buche« weist vorwiegend Briefe mit hauptsächlich politischem Inhalt an persönliche und politische Freunde auf. Hier nehmen die dreizehn Briefe an General L. v. Gerlach, General-Adjutanten König Friedrich Wilbelm'S IV. in den fünfziger Jahren, und sodann die zweiundvierzig an Roon seit den 60er Jahren den meisten Raum ein. Beide Brief reihen sind für die Geschichte ihrer Zeit und für den Charakter ihres Verfassers gleich wichtig. Tie Briefe an Gerlach sind dem äußerst lehrreichen und unterhaltenden Band „BiSmarck'S Briefe an den General Leopold v. Gerlach. Mit Genehmigung Sr. Durchlaucht deS Fürsten v. Bismarck, neu herauSgegeben von Horst Kohl", Berlin, Häring 1896, entnommen. Ist dem Briefschreiber schon in den Briefen an den bedeutend älteren Gerlach, einen Mitkämpfer der Befreiungs kriege, freundschaftliche „Offenheit Bedürfniß", so erst recht in den Briefen an seinen eigenen Mitkämpfer in schwerer Zeit, Roon, mit dem ihn eine „von Juaendheimweh getragene Freundschaft" verbindet. Diese Briefe sind fast ausnahmslos, gleich denen an Frau v. Armin, von dem Herausgeber nach den Originalen verglichen und im BiSmarck-Jahrbuche und sonst schon veröffentlicht. In ihnen tritt der Zug der neuen großen Zeit, aber auch oft da- schwierige Zusammenarbeiten der beiden vereinten Getreuen mit dem König Wilhelm deutlich hervor. Einige zwanzig andere Empfänger mit mehr oder weniger bekannten politischen und schriftstellerischen Namen (wie Herzog Ernst II. von Sachs«-Coburg-Gotha, Beust, Gortschakow, v. d. Heydt, v. Hatzfeldt, Treitschke, Dohm, Wagener u. A.) vervollständig« die Grupp« der Briefe von politischem Charakter. Die politische Grundrichtung BiSmarck'S, die Stärke, Klarbeit und Selbstständigkeit seine» vaterländischen Sinne», der mit zur Sittlichkeit eine» Charakter» gehört, sind vom Anfänge bi» zu Ende der Brief« di« gleich«. So schreibt er schon am 20. April 1848 tadelnd an di« „Magdeburgische Zeitung": „Ich hätte e» erklärlich gesund«, wenn der erste Aufschwung deutscher Kraft und Einheit sich damit Luft gemacht hätte, Frank reich da« Elsaß abzufordern und die deutsche Fahne auf de» Dom von Straßburg zu pflanzen" — an statt der mit deutschem Blute herbeiaefüyrten Befreiung der Pol« in Berlin, die zum Dauke dafür „die deutschen Ein wohner «iuer preußisch« Proviaz mit Plünderung und Mord, mit Niedermetzeluug u»d barbarischer Verstümmelung von Weibern und Kindern Heimsucht«". Weiter tritt er 1861 iu mehrer« Vries« uud in der erwähnt« hochbedeutsamea Denkschrift für d« König über die Lösung der deutschen Frage für «ar „nationale Vertretung de« deutschen Volkes bei der Bundes-Central-Behörde, auch für ein Zollparlament ein; und er erreicht endlich das höchste Ziel seines Ringens, nachdem „die große Räuberbande, die über unsere Westgrenzen hereinbrechen wird" (wie er 1870 an seinen Bruder nach der Kriegserklärung schreibt), durch die von seiner Staatskunst so meisterlich geeinten Deutschen unschädlich gemacht war. Zu den beiden Briefgruppen mit mehr familiärem und mit mehr politischem Charakter gesellen sich endlich noch etwa ein halbes Dutzend Briefe ganz oder hauptsächlich per sönlichen Inhalts, wie an Andrae, Prediger Geßner, Fürst Pückler, Graf Jtzenplitz, die aber alle charakteristisch für ihren Verfasser sind. Kommen wir wieder auf das Eingangs erwähnte Bild zurück: Nach allem Gesagten wird das Buch dem Leser nicht nur zu einer zeitlich aneinandergereihten Sammlung BiS- marck'scher Briefe, sondern zu einem Briefdrama etwa mit dem Titel: „BiSmarck als Briefsteller für Deutsche". Der Haupthelb des Stückes ist der Briefschreiber selbst, vierzig Briefempfängerinnen und -Empfänger treten in größeren oder kleineren Nebenrollen als mithandelnde Personen mehr oder weniger deutlich hervor, ganz abgesehen von der großen Zahl anderer geschilderter Personen; Zeitbestimmung: aus vier Jahrzehnten BiSmarck'S und aus fünf des 19. Jahr hunderts; Ortsangabe: verfaßt bei allen möglichen Lebens lagen und zu jeder Tages- und Nachtstunde in einigen sechzig Städten und Dörfern fast aller europäischer Staaten. Zwei in der Sprache Shakespeare'» geschriebene (deutsch übersetzte) Briefe an einen Jugendbekannten und an einen Jugendfreund — trotz der fremden Sprache Ergüsse echt deutscher Gefühlsweise — rahmen als erster und als letzter die ganze Sammlung eigenartig, aber passend ein: sie sind zwei Zeugnisse der durch eine gewaltige Lebensarbeit unge schwächten poetischen Jugendfrische des Herzens. Der erste Brief deS einundzwanzigjährigen Referendars liegt der Zeit noch nicht zu fern, wo der Abiturient, um der Mißgunst de- im Französischen examinirenden Lehrers zu entgehen, daS Examen im Englischen bei einem anderen Lehrer bestand, nachdem er in sehr kurzer Zeit mit eisernem Fleiße Englisch „auS dem Schall und auS der Uebung" (wie er in einem späteren Briefe entschuldigend schreibt) erlernt hatte. Der Brief ist au» Berlin (wenigstens wird die Antwort dorthin erbeten) an einen Herrn Ästley gerichtet, über den »och nicht- ermittelt ist. BiSmarck bittet, dir Erlaubniß deS Genannten benutzend, ihm auS seiner Bibliothek „Old Shakespeare'-" Richard III. und Hamlet zu leihen; er berichtet dann mit drastischen Charakteristiken über das Ergehen gemeinsamer Freunde und über da» seinige und schließt mit dem Versprechen, daß er den neuen Freund im August besuchen werde, wo sie sich dann (wie die Hexen im Macbeth) „treffen müssen In Donner, Blitz oder Regengüßen." Der letzte Brief ist von dem deutschen Reichskanzler im strbrnundfünfzigsten Lebensjahre in Varzin am 8. Juli 1872 geschrieben und, wie fünf andere, an seinen einstigen Berliner Studienfreund, den Ame rikaner I. L. Motley, gerichtet, den ausgezeichneten
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