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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.09.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970917024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897091702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897091702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-17
- Monat1897-09
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Abend-Ausgabe ripMcr TaMM Druck und Verlag von L. Polz in Lkip^g- 91. Jahrgang. 175. Freitag den 17. September 1897. Socialdemokratie 216,55 F-uillstsn er ?roä. 8k»r. I03I0 128 62 ISS 80 127,SL> Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Nh«, di« Abeod-Autgabr Wochentag» um b Uhr. »55.50 232.50 «5,— der frcisiittiigcn ging, ist wenig herrührende oder Lutiix. I 77^ >sr. ä. Lilläsu 59 ».) loo.so v/oo 103,7S 100,20 83,60 58,— 72,70 85.50 87,30 114,— 133.10 101.10 88.2S 3'., 102 40 185,10 181,75 126.60 87.75 172.80 182,50 186,40 186,— 1< 3,90 118.60 72,60 737,— 605,- »u -Vieo a-rr. um 8t.-kr. t« cNsu .Xol. So. «ul» «ar. >.ui. >d-kr oiüc 'riol. ».-Lr. p.-L.- VIII >0tN« l ÜLllii ack» o,ie>. t» 0,11). - .Uooroli»»" : uxk»v»o (IS1)> >»" von 8»m »u. X-o. ?o«r <i«r Xw«ric»ll- Ännutsmeschlul; für Anzeigen! Ab end-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Vri den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anreisen sind stets an di, Expediti»» zu richten. tostd. nd. >u»Id iulNu Ion >nt Uelä Ledaction und Erpe-itio«: 2ohanne»«nfse 8. Di, Expedition ist Wochentag» ununterbrochen »0sfu,t von ftüh S bi» Abend» 7 Uh«. Ar«z*ige«»Pr,1- die S gespaltene Petttzeile SO Pfg. Nerlamrn unter dem Redactionsstrich (4g» spalten) üO^j, vor den Familiennachrichte» (6 gespalten) 40^. Grötzere Schriften laut unserem Preis verzeichnis). Tabellarischer und ZissernfaD nach höherem Tarif. 137.— 1S8.V0 5^72^ 118.75 47.50 S.Ü2>. 58.72-, 127>« 111.50 292 — Filiale»: ktts klemm'» Sorttm. (Alfred Hahn). Universitätsstraße 3 (PauUnum), LouiS Lösche, katharir.nistr. 14, pari, und Königspla» 7. 275.50 S420 104,25 101,— 226.50 210.50 431,— 80.00 146.80 283.50 118.50 133.75 188.10 244.50 181 SO 156.— 207.50 228,— 231,— 251.50 71.— 145.10 108.10 Berlin ist nicht Deutschland, auch für die nicht. lieber den Nürnberger Parteitag Bolkspnrtci, der am Dienstag zu Ende zu sagen. Dürftige, von Herrn Richter doch von ihm cenfurirte Berichte versagen Dem, der sich ein Bild von der Leranstaitung machen möchte. Immerhin ist etwas BciiicrkcnSwerthes in die OesscnUichkcit gedrungen und zwar — was seine Bedeutung erhöht — nicht durch sondern gegen Herrn Richter, der vielmehr eine Eizählung vortrug, welche den Der Es und das hinsichtlich des Verhaltens der VolkSvartei zu anderen Parteien bei den Wahlen. Der geschäflsführende Central- ausschuß der Partei, d. b. Herr Richter, batte — Wohl hauptsächtlich im Hinblick auf die Freisinnige Vereinigung — für den etwaigen Fall eines Zusammengehens, das sich aber nach den Vorschlägen kaum hätte ereignen können, wahre Brennus - Bedingungen ausgestellt. Vom Parteitag ist aber daS caudinische Jock von Grund aus zerstört worden. Nach der Absicht Nichtcr'S sollte in Wahlkreisen, wo die Volkspartci keine Aussichten bat, andere „nahestehende Par teien", sofern sie schon im ersten Wahlgange die Unterstützung der Volkspartci wünschten, nm diese Hilfe erst „ersuchen" müssen. Und die Unterstützung hätte nur insoweit gewährt werden dürfen, als die ankere Partei zu einer gleichen Unterstützung der Volkspartei in bestimmten anderen Wahlkreisen sich verpflichtete. Die Parteileitung hat die Bedingung der Bittstcllerei gestrichen und ebenso die genannte Verpflichtung. Jetzt heißt es nur noch, die Unter stützung in bestimmten anderen Wahlkreisen als Gegen leistung solle „angestrebt" werden. Für die Unterstützung durch die Volkspartci in Wahlkreisen, wo diese im ersten Wahlgang ausgefallen ist, war von der Central-Parteileilung ebenfalls die Bedingung der Unterstützung eines Stichwahl- candidatcn der Volkspartei in einem anderen Kreise auferlegt worden. Gleichfalls gestrichen. Endlich ist die obligatorische Zuziehung der Ecntralleitung zur Verhandlung mil anderen Parteien über Unterstützung ohne Gegenleistung beseitigt worden. Es ist auch nicht, wie Richter vorgcschlagen hatte, lediglich daS Gesammtinteresse der Partei, sondern auch die „Herbeiführung volköthümlicher Wahlen" ins Ange gefaßt. Die „Freis. Ztg." gleitet über diese gewichtigen Aenderungen leicht hinweg, um sagen zu können, die Anträge der Parteileitung seien einstimmig angenommen worden. Die Berechtigung dieser Behauptung erhellt aus dem Vorstehenden. Mit der Ein stimmigkeit bat cö allerdings seine Richtigkeit. Herr Richter bat sich nämlich gefügt und seine Anträge preisgegeben. Es muß der Einigung jedoch ein hartnäckiger Kampf hinter den Eoulissen vorauszegangcn sein. Denn die Anträge über daS Verhalten zu anderen Parteien wurden, als sie an die Reihe gekommen waren, von der Tagesordnung abgesetzt und erst am Schlüße der Verhandlung wieder ausgenommen. Die an genommenen Anträge ans „Beseitigung aller Schroffheiten" waren von Süddeutschland ausgegangen. Die Freisinnige Vereinigung freut sich natürlich des für sie über Herrn Richter erfochtenen Sieges. Ob er einige praktische Be deutung erlangen wird, steht dabin. Noch fraglicher ist es, ob die leise Absage an die bisherige reine Fractionspolitik der Volkspartei, wie sie aus den Abänderungsbeschlüssen deö In einem den Tcntsch-Böhmen außerordentlich freund lich gehaltenen nordböhmifchen Briefe der bekanntlich scharf deutsch - nationalen „Tägl. Rundscb.", dessen Verfasser Voraussicht, daß ter politische Sieg in dem gegen wärtig auögefochtenen nationalen Kamps auf Seite der Deutschen sein wird, läßt ein aufrichtiger Freund unserer StammeSgenossen jenseits des Erz- und Riesengebirges eine ernste Mahnung an diese ergehen, welche die aufmerk samste Beachtung verdient. Er geht sehr richtig davon aus, daß über den endgiltigen Sieg im Kampf zwischen den Tschechen und Deutschen nicht ein voraussicht liches politisches Uebergewicht, sondern die sittliche und wirt hschast liche Stärke der Völker entscheidet, weist darauf hin, daß der Tscheche ungeheuer anspruchslos, in Haus und Familie übertrieben einfach lebt, daß ihm kein Lohn, keine Arbeit zu schlecht ist, daß er eine bedeutende Anpassungs fähigkeit und die Fähigkeit, Vorhandenes schnell sich anzu eignen, besitzt, u. s. w. und fährt dann fort: „Wcm ist nun das deutsch-böhmische Volk ähnlich? Wir können es unS nicht verhehlen: Gleich einem Menschen, der durch Familie und Herkunft immerdar im Besitz dessen gewesen, was Andere mit vieler Mühe sich erkämpfen mußten, ist das deutsche Volk in Böhmen entartet und hat so manche deutsche Tugend in ödem Protzenthum verloren. Ter Deutsch- böhme ist vielfach trüge und schlaff. Es fällt ihm nicht ein, geringwerthige, gering bezahlte Arbeit zu thun, eher arbeitet er überhaupt nicht. Deshalb ist eS in manchen Gegenden ungeheuer schwer, irgendwelche Nrbeitslcute und Tage- löhner zu hohen Löhnen zu erhalten. So giebt es z. B. in einer Stadt von 2000 Einwohnern nur einen einzigen Menschen, der es nicht unter seiner Würde hält, mit Holzsägen und -Spalten sich ein reichliches Brod zu verdienen. Der Hopsenhandel, der in früheren Jahren und Jahrzehnten oft einen wahren Goldregen ins Land brachte, hat Las Volk verwöhnt. Es Hal über dem Börsenspiel des HopsenbaueS verlernt, den Werth ordentlicher, solider Arbeit zu schätzen. Tic Folge solch spielenden, aber auch unsicheren Gelderwerbs ist ein Scheinwejrn, das überall sich breit macht. Alles mitmachen, nirgends zurückbleibcn, heißt die Parole, und um den Schein zn wahren, leben nun viele Familien weit über ihreVerhältnsse. Ein gesunder, einfacher, kräftiger Mittelstand fehltin Nord böhmen eigent lich ganz. In allen Ständen aber herrscht eine Genußsucht — die rechte Ergänzung zu Arbeitsscheu und Trägheit —, die Jedem ausfallen muß, der von Deutschland aus nach Nordböhmen kommt. ES lebt sich wohl recht gemiithlich und heiter unter einem so der- gniigungSlustigen Völkchen, das zu Geselligkeit immerdar Zeit hat. r kr. 216.25 Ix. 214,30 karr — - Anzeiger. ÄMlsvtatt des Hömgkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Aathes und -Zocizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Namen „Ungcnauigkcit" weitaus nicht mehr verdient. Parteiführer wußte wohl, warum er „relvuchirte". galt, eine Niederlage zu verbergen, die er, vermuthlich er allein, erlitten bat, und an dem Punctr, wo er am empfindlichsten ist: or al. Götzendienst. Ilj Roman in zwei Theilen von Woldemar Urban. Nachdruck »erboten. Ein Schritt knirschte nicht weit von ihnen auf dem KieSsande, der Camilla anffabren machte, und indem sie sich von Victor losriß, rief sic ihm noch eilig in: „Ich baue auf Dich, Victor, auf Dein Wort, wie aus Deine Ehre!" dann lief sie davon, scheu und flüchtig wie ein Reh und war in wenigen Sekunden zwischen den Parkbäumen ver schwunden. Graf Victor sah ihr nach, so lange noch ein Band, ein Kleidersaum zu sehen war, dann verließ er nachdenklich Park und Hotel und betrat den Boulevard, der zum Casino führt. In mannigfacher Hinsicht gab ihm daS heutige Zusammen treffen mit Camilla zu denken; denn trotz ihrer zärtlichen Hingabe, trotz ihrer rührenden Bitten war sie doch von einer gewissen, bestimmten Entschlossenheit gewesen, die er früher niemals an ihr wahrgenommen. DaS beunruhigte ihn. Sonst hatte er sich nach derartigen Zusammenkünften in allerlei süßen Träumen vom zukünftigen Glücke gefallen, wenn Das oder Jenes so oder so sein würde, wenn er an der Bank gewonnen, oder wenn Camilla wirklich „de" EourcelleS hieße — lauter fromme Wünsche, die ibn aber nickt abhielten, von einem Glücke an der Seite Camilla'S zu träumen, das ihn immer außerordentlich zufrieden mit sich und der Welt machen müßte. Heute aber war das ganz ander», heute süblte er sich unangenehm berührt. Er hatte sich hinreißen lassen, Versprechungen zu machen, die er un möglich halten konnte. Allerdings würde Fran CourcelleS ihrer Tochter morgen früb anSeinandersetzen, warum er nur so und nicht anders bandeln konnte, aber dennoch bereute er cs, al» voreilig das Versprechen gegeben zu haben. Wenn sie dann erfuhr, daß er trotzdem bei de Melida'» Diner gewesen — und sie würde da» bestimmt erfahren —, so war bei ihrer hochgradigen Aufregung, bei ihrer jugendlich stürmischen Leidenschaftlichkeit irgend ein unangenehmer Eclat unbedingt zu befürchten. Gras Victor machte eine unwillige Bewegung, an solche Eonsequenzen wollte und mochte er nicht denken. Er zog, viel geträumtes Glück, echtes, gefühlsinniges Menschenglück, wie viel stilles Hoffen und Sehnen, wie viel wahre Größe und Edelmuth der Menschheit wurde da von den feinen Lackschuhen der Herren und den knappen, weißen Atlas- fchuhen der Damen zu Boden — in den Staub getreten! Denn drei Viertel von allen Denen, welche da die Treppen des Hotels de France binaussticgen und die Säle des Herrn de Melida füllten, führte der Egoismus, die Sucm nach Glanz und Reichthum, die Spekulation in ihrer wüstesten Ausartung dahin. Ter Eine wünschte seine Tochter an den Mann gebracht zu haben, der Andere wollte seinem Sohne zu einer Frau verhelfen, der Tritte hätte gern ein setteS Amt erzielen mögen, eine lncrakive Verbindung oder ein rentables „Geschäftchen" — Alle, Alle geblendet vom Götzendienst, der dort das Glück sucht und zu finden glaubt, wo eS sich brüstet und wo eS glänzt. Allein der Aufwand, z. B. für die Parfum», welche durch alle Räume dufteten, verschlang die Unterhaltungskosten für mindestens Dutzende von Bauern oder Arbeiterfamilien. In seinem kleinen, mit brauner siedcrtapete ausgescblagencn Salon lag Herr de Melida auf einer Chaiselongue. Er schien etwa» ermüdet; denn die dicke, schwere Figur drückte sich tief in das mehr zierliche al» solide Möbel, und die dicken Augenlider überdeckten die etwas schwerfälligen Augen fast ganz. Nur hin und wieder ertbeilte er seinem Sccretair, Herrn Delornie, ein Zeichen mit ter Hand oder schrieb mil Bleistift rasch und flüchtig eine Bemerkung auf die Briefe, die dieser ihm zur Durchsicht reichte. „ApropoS", sagte er plötzlich und richtete sich ein wenig auf, „haben Sie sich, wie ich Ihnen sagte, hier an. Orte nach dem Grafen zu Kreuz erkundigt?" „Zu Befehl, Excellenz", antwortete Herr Delormc devot. „Nun also — wie lebt er, was treibt und was lhut er? Ist er ordentlich?" „Ich werde mir keineswegs erlauben, darüber ein Urtbeil abzugeben, Excellenz, sondern Ihnen nur mittbeilen, wa» ich als cxacte Tbatsacben über Graf zu Kreuz erfahren habe." „Also vorwärts!" „Zunächst ist cs Tbatiache, daß dieser Edelmann an der Spielbank große Summen verloren bat." „WaS beißl große Summen"? „Excellenz — für Graf zu Kren; große Summen, denn ist ruinirt." „Wit — wa»? Er hat nicht»?" Parteitage» herauSklingt, die Wege des Herrn Richter auch nur um ein Geringes verrücken wird. Die „Voss. A" ließ sich zwar aus Nürnberg schreiben, der Parteitag habe sich unverkennbar „verjüngt", was „bei aller Hochachtung vor den bewährten Kämpen" ein günstige» Zeichen sei. Richtig ist jedenfalls so viel, daß der diesjährige Parteitag stärker als irgend einer seiner Vorgänger beschickt war. Daß aber Herrn Richter, wenn er in Berlin in altgewohnter Weise schaltet, künftig Schwierigkeiten auS der Partei bereitet werden könnten, ist doch nicht recht zu glaube». Es müßte denn fein, daß die tiefe Verstimmung im Lande der Fracliou der VvlkSpartei bei den nächsten Wahlen einen ganz bedeutenden Zuwachs an neuen Mitgliedern brächte. Es ist so viel am guten Geiste des Volkes gesündigt worden, daß ein solcher Erfolg selbst dieser verknöcherten Partei nicht als ausgeschlossen betrachtet werden darf. In Nürnberg haben denn auch fast alle Redner auf die am reichlichsten fließenden Quellen der Unzufriedenheit als auf Hoffnungsstützen der Demokratie hingewieseu. Unsere Negierenden könnten auS den Verband lungen Nützliches lernen — wenn sie lernen könnten. Politische Tagesschau. * Leipzig, 17. September. E» wird heute berichtet, daß die nächsten Reichstags- wählen nicht erst in der zweiten Hälfte des Juni, sondern schon im April 18S8 stattsinden wurden, und der „Hannov. Courier" und die „Kreuzzeitung" mahnen infolgedessen die nationalliberale, bezw. konservative Partei, mit den Wahl vorbereitungen zu bcginnon. Das müßte allerdings, wenn die Meldung sich bestätigen sollte, sehr bald geschehen, da in diesem Falle kaum mehr als ein halbes Jahr für die Vorbereitungen übrig blicke. Die frühere Anberaumung der Wahlen würd< die Auflösung des gegenwärtigen Reichstags notbwendig machen, da sein Mandat erst Mitte Juni erlischt. Diese Maßregel würde sich aber sehr wohl mit der Rücksicht auf die Interessen der landwirthschaftlichen Bevölkerung rechtfertigen lassen, für die allgemeine Wahlen gerade in der Zeit res ersten WiesenschnillS und dicht vor der Noggencrnie höchst unbequem und nachtheilig sein würden. Selbstverständliche Voraussetzung einer Auflösung würde allerdings sein, daß der gegenwärtige Reichstag den Etat rechtzeitig erledigen kann, also entweder zeitig einberufen wird, oder nur ein geringes Maß von gesetzgeberischen Arbeiten neben dem Etat zur Er ledigung erhält. Bedenkt man, wie Vieles in der letzten Legislaturperiode erledigt werden sollte und wie wenig that- sächlich erledigt worden ist, so wird man keinen allzu großen Kummer darüber empfinden können, wenn die Dauer der nächsten Session abgekürzt wird. In die socialdcmokratischcn Gewässer kommt raschere Bewegung; der für Anfang October in Hamburg eingesetzte Parteitag wirst seine Schatten voraus. Wir haben schon vorgestern einen Auszug aus dem Berichte veröffentlicht, den die Parteileitung wie alljährlich schriftlich erstattet hat, es verlohnt sich aber, noch Einiges daraus nachzutragcn, was, ebne daß dies den Verfassern des Berichtes sonderlich an genehm sein könnte, Bedeutung für gewisse Tagessragen besitzt. So hat z. B. der „Vorwärts" in einer seiner letzten Ausgaben zu Spenden für die ausständigen englischen Metallarbeiter dringlich aufgefordert. Was aber hat der Bericht der Parteileitung über englische Bei träge für den Fonds des Hamburger Hasenstreiks zu vermelden? „Das Ausland betheiligte sich mit 69 529 darunter England mit 35 254 .L" Bedenkt man, daß die englischen Gewerkschaften mit Millionen rechnen, und er innert man sich, daß der Hamburger Ausstand von dem Eng länder Tom Mann angezcttelt worden ist, so erscheint die Unterstützung der englischen Verführer noch nicht als ein „Butterbrod"! Von Len 34 000 des gesammtcn „ver einigten Proletariates aller Länder" gar nicht zu reden. Solche Summen geben Berliner Socialdemokraten für parteigehciligte Lustbarkeiten an einem Sonntag auS. Noch etwas unangenehm „Actuellcs" aus dem Rechenschafts bericht, da» auch mit Ham bu rg zusammenhängt. Die „classen- bewußte Arbeiterschaft" der Seestadt wird von der Partei leitung höchlich belobt und dieser Tugend der Hamburger wird cs zugeschrieben, daß die „Genossen" im Reiche für den Hafen- erbeiterstreik außerordentliche Opfer gebracht haben — un gefähr anderthalb Millionen Mark. Daun heißt eS von der „Maifeier": „Der beseelendeGedanke der Maidemonstration lat fest und unausrottbar in den Herren auch der deutschen Arbeiter Wurzel geschlagen." Mit dieser Phrase vergleiche mau die gestrige Meldung, derzufolge eine socialdemo- Vptra Beilagen (gefalzt), nur mit bei Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderunz 60.—, mit Postbrsürderung 70.—. Bezug-Preis D» A» -auptqpebttto« ober du t» Gta-t» t«trl n»d du Vororte« «richteten Aut» aabestellrn abgeholt: vierteljährlich^ 4.bO, bet zweimaliger ttiglichrr Zustellung in» Hau» L.bO. Durch die Post bezogen für Deutschland «nd Oesterreich: vierteljährlich . Direcn tägliche Krruzbandirnduag - tu» Ausland: monatlich üill 7.S0. IX. Al» die Stunde heranrückte, die für den Beginn des Diners bei Herrn de Melida angesetzt war, entwickelte sich in und vor dem Hotel de France eine verwunderliche Lebhaftigkeit. Wagen ans Wagen rollte heran, und durch die teppichbelegten, blumengescbmückten Treppen und Gänge dcfilirten in bunter Reihenfolge die Gäste des Weizen- königS: alte würdige Herren mit OrdenSstcrnen und -Bändern, ergraute Würventräger von Staat und Stadt» junge duftige Damen in mehr oder minder gewagten Toi letten mit rauschenden Schleppen und in einem LuxuS, der Wohl mehr als einmal in schreiendem Widerspruch mit den verfügbaren Mitteln stand, junge Herrchen, die ihre matten verlebten Mienen nach Möglichkeit belebt und durch allerlei Farbeneffecte und Toilettenkünste verjüngt hatten, dazwischen die naiv-neugierigen Gesichtchen der Damen aus der Fremdencolonie von Monte Carlo, die nicht einseben mochten, warum sie sich nicht auch einmal eine solche exotische, südamerikanische Herrlichkeit ansehen sollten, dann die RouöS des Pflasters von Monte Carlo, zweifelhafte Existenzen, die aus fragliche Weise jedenfalls in den Besitz einer Einladung gelangt waren, Helden der Spielbank, die sich ihren täglichen Unterhalt durch verzweifeltste Art an den Spieltischen er- jobberten und sich mit Vorliebe als „Beamte" einfübrten — kurz, eine Gesellschaft, wiesie eben nur das ans allen Gesellschafts elementen zusammengewürfelte Publicum der Riviera auf weisen kann» alle jedoch selbstverständlich in eleganter Empfangstoilette: die Herren im Frack, Claque-Hut, weißer Cravatle und weißen Handschuhen, die Damen ausgeschnitten mit Handschuhen ä la bmScko bis an die Oberarme hinauf und meterlangen Schleppen, welche sie oft mit einer fast herausfordernden Grazie auf dem Arme trugen. In Monte Carlo ist nur Der verloren, welcher keinen Frack mehr bat, sagt man im Allgemeinen, aber auf Denjenigen, der mit dem Leben und Treiben des kleinen Ländchens nicht näher vertraut war, mochte die Tischgesellschaft dcS Herrn de Melida immerbin einen impcsanlen Eindruck machen. Der äußere Schein, dieser Götze, dieser Moloch der Neuzeit, welcher so viel Segen, Glück und Behaglichkeit auf dieser Welt in seinen unersätt lichen Rachen icklingt, er feierte hier seine eminentesten Triumphe. Wie viel Thränen alter Mütter, verlassener Frauen, darbender Familien, wie viel Kummer und Notb von Eltern, Geschwistern und Kindern mochten an den Diamanten, an dem ToilettenlnxuS, der da über Corridor und Treppen geschleift wurde, hängen! Wie auf dem Boulevard dahinschlendernd, eine Cigarette hervor, die er dann mit einer gewissen Hast aufrauchlc, als ob ihn das zerstreuen könnte. Vor dem Iuwelierladen, in dem er vor einigen Tagen seine Cravattennadel veräußert hatte, kielt ein Wagen, und gerade in dem Augenblicke, als Graf Victor an dem Laden vorübergehen wollte, trat Herr Delornie, der Sccretair des Herrn de Melida, auS demselben, um in den wartenden Wagen zu steigen. Graf Victor zog unwillkürlich den Hut und grüßte mit großer Höflichkeit, fast Freundschaftlichkeit, obgleich er Herrn Delorme nur flüchtig kannte. Der Sccretair dankte, aber mit einer derartig küblen, geschäftsmäßigen Reserve, daß es dem Grafen Victor unmittelbar aussiel. Zunächst war er überrascht, dann aber empört darüber. Wie? War er. nicht mehr Graf Victor zu Kreuz? Und batte ein Angestellter irgend eine» Gutsbesitzers aus Süd amerika keine Veranlassung zu einem höflichen, entgegen kommenden Gruß? Wer war denn überhaupt dieser wunder liche Herr Delorme, daß er eine so vornehme Gleichgiltigkeit affectirte, wenn ihn ein Graf zu Kreuz eine« Grußes würdigte? In der ersten Aufwallung hätte Graf Victor den Herrn wahr haftig zur Rede gestellt, wenn dieser nicht schon in seinem Wagen davvngerollt wäre. Dann aber fragte sich, etwas ruhiger geworden, Graf Victor, WaS wohl der Setretair im Laken des Juweliers zn thun hatte! Haben die Beiden vielleicht von dem Anleihcgeschäft gesprochen, das er mit dem Juwelier abgeschlossen? Würde dieser indiscret genug gewesen sein, um davon zu sprechen? Bei dieser Frage legte sich die Er regung des Grafen Victor ganz bedeutend, und Herr Delornie erschien ihm mit einem Male wieder in einem besseren Lichte. Er nahm sich vor, dem Herrn von nun an sehr freundlich zu begegnen, dessen Art und Weise nun einmal vielleicht so war, wie er es eben gesehen, den man aber gelegentlich wohl brauchen konnte und von dessen Freund- oder Feindschaft unter Umständen sehr viel abhing. Daß Graf Victor sich von diesem Gedankengange in eine erhobene Stimmung versetzt füblte, konnte man keineswegs behaupten, im Gegen- tbeil, die Concessionrn, die er in dieser Weise einem simplen Angestellten zubilligcn mußte, bedrückten ibn peinlich, und wer ibnl nock vor vier Wochen gesagt hätte, daß er einmal einem Herrn Delorme Complimente machen würde, den hätte er entschieden weidlich auSgelacht. So weit war eS nun mit ihm schon gekommen, solche Fortschritte batte der Götzendienst, dem er sich immer mehr und mehr hingab, schon in ihm erzielt. >o >ik ö outall 136,80 iso Ii»»I ct»«i kratische Versammlung in Hamburg, dem „classenbewußten", fast einstimmig den Antrag angenommen hat, der Parteitag möge die Forderung einer allgemeinen ArbeitSruhe am 1. Mai fallen lassen. Der Bericht verräth trotz jener Phrase, WaS man schon wußte, Laß nämlich der „Weltfeiertag" der deutschen socialdcmokratischen Parteileitung eine arge Verlegenheit ist. Er kann seine Freude darüber nicht verbergen, daß der 1. Mai im nächsten Jahre auf einen Sonntag fällt. Da kommt man doch für ein Jahr über die Blamage des NichtfciertagcS hinweg. Der Bericht bescheinigt aber nicht nur der officicllen Socialdemokratie unabsichtlich Verkehrtheiten, auch die beiden konservativen Fractioneu in Preußen und die dortige Negierung erhalten ein kaum willkommenes Zcngniß ihrer staatsmännischen Besonnenheit. Nachdem er Uber Saalabtreibnngcn u. dgl. ge klagt, fährt der Bericht fort: „Je mehr den Genossen die Agitation in Versammlungen erschwert wurde, desto mehr wandten dieselben der Verbreitung der Presse und der Verbreitung von Druckschriften,Flugblättern rc. ibr Augenmerk zu." Daß die Vcreinsgesctznovelle die an Wirksamkeit die Agitation in Versammlungen weit über treffende — aber dort unbehelligt gebliebene — publicistische Propaganda sehr erheblich fördern würde, ist den Herren v. d. Necke und v. Zedlitz oft genug gesagt worden. Jetzt erhalten sie die Bestätigung aus socialtemokratischcm Munde. Um auf die Bewegung im socialdcmokratischen Lager zurück- zukommcn, so ist sie neuerdings belebt worden durch Ver- laminlnngcn, die am Dienstag in den sechs Berliner NcicbS- tagöwablkreisen stattgefunden haben. Der Zweck war die Wahl von Dclegirten für den Parteitag, denen, wenn dies auch nicht überall ausgesprochen und gelegentlich sogar als unzulässig bekämpft wurde, imperative Man date hinsichtlich deö HauptpunctcS der Hamburger Tages ordnung, der Frage der Betbeiligung an den preußischen Landtagswahlen, übertragen wurden. Die Stimmung in den Berliner Massen ist der Bctheiiigung offenbar un günstig. Sie haben dabei, was nicht in allen Differenzpuncten der Fall ist, Herrn Singer auf ihrer Seite, der in seinem — dem vierten — Wahlkreise entschieden gegen die der „Ebre und Würde der Partei" widerstreitende Betheiligung loöging. Er meinte, die Agitation müsse immer schärfer auf die NeichS- tagswahleu conccntrirt werden. Der Reichstag müsse eine andere Zusammensetzung erfahren und „nach durchgreifenden gesetzgeberischen Maßnahmen die Hände so lange auf den Beutel halten, bis der Bundesrath gefügig wird und den angenommenen Gesetzen zustimmt." Die Drohung ist für uns nicht erschrecklich, La die Socialdemokratic schon bisher „die Hand auf dem Beutel" hält, indem sie das Reichsbudget grundsätzlich nicht bewilligt. Der Parteileitung mag die Gegnerschaft Singer'S in der Wahlbetheiligungsfrage aber- recht unbequem sein; Berlin hat er, wie schon bemerkt, hinter sich. Bebel, Auer, „der wunderlich gewordene alte Sattler geselle", und andere Freunde der Betheiligung bekamen wegen „ihres bedenklichen Schrittes nach rechts" böse Worte von „Genossen" zu hören; einer derselben bemerkte unter stürmischer Zustimmung, die Freisinnigen wären tböricht, wenn sie nicht dieselben Candidaten in denselben Bezirken auch als Reichs tagscandidaten aufstcllten, wo sie zum Landtage candidirt hätten. Da könnte eS dazu kommen, daß die Freisinnigen alle die schönen Dinge aufzäblten, die sie für das Volk durch setzen wollten, und daß socialdemokratiscke Referenten den Wählern rathcn müßten, jenen Leuten nicht zu glauben, die sie ihnen vorher bei der Landtagswahl als geeignete Männer empfohlen hätten. Das klingt gar nicht „so uneben". Aber ov» rkstt. »elüe »dörs«: kiau, u. III rssd. :r<1sd issud iou ?rssv. ovu Idslw ktr-ä Islctr. ferdb. issiid. K8t-z Trust. i.-ksS. isrxv. 245,— xsdoro 157,— : 160,05 >«v xsärücllt. 431 — 86>i. 63>!» 2I-. 87 28»." 4^ tortd. ksc. — onsst«« 100^ ntlo 606.50« Hetisu 3250 t I 21.60 llt 1'» vierer Sesti- Ir suxekotsu. tiU. 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