02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.11.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971120029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897112002
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897112002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-11
- Tag1897-11-20
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Januar 1873 erklärte, daß seiner Aus. 1°rgcn. r. nicht allen: fasfung nach auf dem Recktsgcb.et der Staat über der eS sich bei so großen und weittragendeii b NuLaetrecktc Kirche siehe, so hat damit dieser Cultusminister von der tralirigen um die Frage bandelt, ob diese Plane mit dein P g Gestalt bewiesen, daß seine Auffassung um mehr als 18 Jahr- Die Landung deutscher Marinetr uppen in Estin« einerseits und andererseits die Ankündigung, daß auch eng lische, russische und amerikanische Kriegsschiffe nach der Kiao-Tschcru-Buchl unterwegs seien, um die Operationen Ver deutschen Kriegsichiffe genau zu verfolgen, läßt eS sicherlich angebracht erscheinen, nochmals zu untersuchen, wie stark die Mit welchen Ansprüchen daS Scntrum in die Wahl bewegung einzntreten gedenkt, lehrt ein Buch, das ganz kürzlich mit dem Imprimatur der bischöflichen Cen- surbehörde in Mainz unter dem Titel „Ter Zerstörungs geist der staatlichen Volksschule" erschienen ist und von einem höheren Geistlichen der Mainzer Diöcese verfaßt zu sein scheint. Bon dem Hetztone, der diese jüngste Probe klerikaler Beredtsamkeit durchklingt, nur einige Beispiele. ES heißt da: „Die Eltern werden staatlich gezwungen, der Staalsschule ihre Kinder zur körperlichen und geistigen Mißbildung zu über- antworten, und das ganze Volk muß ohnmächtig znschauen, wie der Niedergang seiner körperlichen und geistigen Krall in dem Heran wachsenden und daraus folgenden Geschlecht besiegelt wird." Der Lehrer sei als Staatsdiener das abhängigste Weseu von der Welt: „wehe ibm, wenn er sich unterfangen sollte, eine eigene und selbstständige Meinung zu haben oder gar einer solchen gemäß Schule zu hallen!" Wie sonderbar nimmt eS sich doch aus, wenn in einer Schrift aus klerikalen Kreisen eine Lanze gebrochen wird für das Princip der Jndividualisirung, für daS Recht des LebrerS, eine eigene, selbstständige Meinung zu haben! Die katholische Kirche, di hohe Schule der Unstormirnng der Geister, in ter vor Allen die Kunstfertigkeit geübt wird, selche, die selbstständig zu denken versuchen, erst in spanische Siiefeln einiuschliüreii und dann erst marschiren zu lassen, als Bertheitiger der freien . Doch das nebenbei. Das Wichtigere Gestalt bewiesen, daß seine Auslassung um mehr als 18 Jahr hunderte in der kulturhistorischen Entwickelung der menschlichen Ge sellschaft zurückgeblieben ist." Besonders bezeichnend ist folgende Stelle deö VuckeS: „Kinderraub ist ein Verbrechen, das den tiefsten sittlichen Abscheu erweckt, nicht nur, weil der Kinderräuber sich am Liebsten vergreift, was Eltern besitzen, sondern auch, weil er eine rohe Rechts vergewaltigung an einem wehrlosen Kinde verübt. Unsäglich roher aber und unsittlicher ist jener Kinderraub, der tagaus, tagein in der modernen staatlichen Zwangsvolksjchule ausgesührt wird. Christliche Kinder werden gegen den Willen ihrer Eltern in Schulen hiueingezwungen, welche nach der religiösen Ge wissensüberzeugung der Ellern die christliche Erziehung vereiteln und das ewige Heil der unsterblichen Kind erjee len gefährden. Jahrelang werden die christlichen Kinder gegen den ausdrücklichen Willen ihrer Eltern in diesen Schulen gewaltsam zurückgehalten. Und Las Empörendste an diesem staatlichen Kinderraube ist, daß er im Namen des Gesetzes, also legal, betrieben wird. Unter der Larve Les Rechtsschutzes wird das wehrlose Kind durch rohe Gewalt in seinem unverletzlichen Recht aus eine christliche Erziehung gekränkt; unter der Larve des Staatsrechts wird das göttliche Recht der Kirche auf die christliche Erziehung der ihr gehörende» Kinder durch rohe Gewalt bei Seite geschoben." Daker ergeht der Aufruf an die Eltern: „Wie lange noch wollt ihr eure Kinder diesem seelen morde rischen Wolf rin Schafspelze ausliefern?" Und in einem Schlußworte wird gesagt: „Die christlichen Eltern stellen ihre Forderungen mit dem festen und entschiedenen Entschlüsse, nicht zu ruhen, bis denselben volle gesetzliche Genüge geleistet ist, und nölhigcnfalls eher einem unchristlicheii Schulgesetze den Gehorsam rund zu ver weigern, als Lie Seelen ihrer Kinder an eine unchristliche Volks schule zu verrathen." Tas Reich als solches hat ja allerdings nichts mit der Bolksschule zu thnn und deshalb läßt sich die Parole, einem unchristlicheii Schulgesetze den Gehorsam zu verweigern, nicht zur Wahlparole bei den Reichstagswahlen machen. Aber es ist eine alte Taktik des CeniruinS, vor den Neichstagswahlen zu zeigen, was es von den Einzelstaaten verlangt, wenn es bereit sein soll, der ultramontanen Wählerschaft und ihren Candidaten ein Ent gegenkommen gegen die Forderungen der ver bündeten Regierungen anzurathen. Außer der Aushebung des Jesnilengesetzes wird den Regierungen also auch die völlige Auslieferung der BotkSfchute an „die" Kirche als Borbedingnng einer leiblich „staalS- freundlichen Haltung" der klerikalen Wählerschaft bei den Neichstagswahlen bezeichnet. Der Ton, in dem dies ge schieht, wird hoffentlich den Adressaten und besonders der preußischen Regierung zeigen, daß es ihre wichtigste Auf gäbe ist, den Einfluß des Eenlrums möglichst zu brechen und der Sammlung der staatsfreundlichen Elemente jeden Bor schub zu leisten. veS Reichstags vereinbar sind, sondern auch und noch weit mehr um die andere Frage, von wem man die Zusiiiii- mung zu den Plänen verlangt. Jetzt bat man -s mit „diesem" Reichstage zu thun, dessen innerste Natur durch sein Verhalten am 27. Mär, 1895 und sein jetziges Präsidium gekennzeichnet ist. Daß von die jein Reichstage ein sogenanntes „Flottenseptennat nickt zu erlangen sein wird, bezweifeln doch wohl jelbjt die größten Optimisten nicht — eS müßte denn sein, daß dem Een lrum ein Preis in Aussicht gestellt würde, der die größte Per stimmung in allen nichtkler.kalen Kreisen erregen mußte. L)b aber em vom jetzigen Reichstage abgelebtstes »sogenanntes Flottenseptennat" eine wirksame Wahlparole sur die.cen- wählen abgeben würbe, ist sehr fraglich. Der Perjuch konnte recht übel' ausfallen und unS aus fünf weitere Jahre nut einem Reichstage nach dem Muster deS jetzigen beglücken. Unseres Erachtens würde es sich daher empfehlen, mit der Forderung eines Flottenseptennats vor keil jetzigen Reichstag nicht zu treten, sondern lediglich die weiteren Hlotlenpluue ter Regierung in einer Denkschrift darzulegen, dann nut allen Mitteln auf den Zusammenschluß der nationalen Parteien bei den Neuwahlen hinzuwirken und das Weitere von dem Erfolge dieses Versuches abhängig zu machen, ^ebenfalls würde eine Denkschrift, die den künftigen Reichstag nicht auf Beschlüsse des jetzigen festzunageln vei jucht, den Flottengegnern weniger wirksamen Agitalionsjloff als eine Septennatsvorlage liefern und den Flollenfreunden die Arbeit weniger schwer machen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. November. Zu ihrer gestern mitgetheilten Auslassung über den dem Reichstage bei seinem Wiederzusammentritte zugebenden Reichshaushaltsetat im Allgemeinen und insbesondere seine Forderungen für Militair und Marine bringen die „Berl. Polit. Nachr." beute eine Art Ergänzung, die sich auf die „besondere Marinevorlage" bezirkst, in der nach jener Auslassung der „Sckwerpunct der Flottenfrage" liegt. Ueber den Inhalt dieser Vorlage.sagt das genannte Organ aller dings nichts, aber es bricht eine Lanze für daS „sogenannte Flottenseptennat", indem es schreibt: „Wenn gegen die Annahme eine- auf eine Reihe von Jahren berechneten Flottenbauplanes der Einwand erhoben wird, daß damit das Budgetrecht des Reichstages durchbrochen werde, so ist es zwar richtig, daß im Reiche, abweichend von preußischer Uebung, auch die Jahresbeträge der aus Anleihen zu bestreitenden Ausgaben in den Etat ausgenommen werden. Ob dieses auf einem Anträge des Abgeordneten Lasker beruhende Verfahren besonders zweckmäßig ist, mag dahingestellt sein; zur Uebersichtlichkeit des Etats tragen die in Folge dessen in Einnahme und Ausgabe durchlaufen den Posten nichts bei. Jedenfalls aber steht die Etatisirung dec Jahresrate der Zustimmung zu einem Gesammtunternehmen, dessen Ausführung sich auf eine Reihe von Jahren erstreckt, und zu den Kosten der Ausführung im Ganzen nicht entgegen, und es ist im Reiche öfters thatjächlich so verfahren worden. So ist u. a. durch Reichsgesetz vom 16. März 1886 die Herstellung des Kaiser-Wilhelmcanals mit einem Gesammtauswande von 156 Millionen Mark, von denen 106 Millionen ratenweise in den Reichshaushaltsetat einzustellen waren, beschlossen und der Reichs kanzler ermächtigt worden, die Mittel zur Deckung jenes Gesammt- bedarfs mit 106 Millionen Mark im Wege des Credits zu be schaffen. In dieser gesetzlichen Feststellung des Unternehmens und seiner Kosten ist niemals eine Beeinträchtigung des Bugdetrechts erblickt worden, obwohl damit die Bemessung und Etatisirung der Jahresraten bis zu einem gewissen Grade sestgelegt und für die Freiheit der Entschließung thatsüchlich nur wenig Spielraum ge- gebe» war. Es ist nicht erfindlich, warum das, was bezüglich des Kaiser-Wilhelm-Canals und anderer größerer Pläne ohne jede Be- sorgniß sür das Etatsrecht geschehen konnte, jetzt, wo es sich um die Turchsührung eines festen Planes für den Ausbau unserer Flotte handelt, mit den Grundregeln des Budgetrechts unvereinbar sein soll. Auch der Umstand, daß in dem Flottenplane rin bestimmter Zeitraum für die Durchführung in Aussicht genommen wird, ändert in etatsrechtlicher Hinsicht nichts. Tenn auch bei einem solchen Plane ist innerhalb der durch die Zweck- und Zeitbestimmung gezogenen Grenzen eine Beschluß fassung über die Bemessung der Bauraten nicht ausgeschlossen. Es sieht z. B. nichts im Wege, in besonders ungünstigen Jahren der Finanzlage durch knappe Bemessung der einmaligen Jahresrate Rechnung zu tragen. Der Einwand der Unvereinbarkeit mit dem Budgetrechte kann daher gegen das sogenannte Flotten sevtennat nicht erhoben werden." Es ist nicht n.öthig, auf den Unterschied zwischen dem Kaiser-WilbelmS-Canal und einem Flottenbauplane mit seinen ! Meinungsäußerung. von politischen und technischen Verhältnissen abhängenden»ist, daß für den Verfasser und seine Gesinnungsgenossen Flotten der fremden Mächte in den ostasiatischeu Gewässern sind. Englandhat in jenen Gegenden nicht weniger als 31 verschiedene Kriegsschiffe und 6 Torpedoboote versammelt, welche 24 schwerere, 181 mittlere und 305 leichtere Geschütze führen, sowie eine Besatzung von 6760 Mann tragen. Rußlands Flotte ist der Zahl nach ebenso groß wie die englische, indessen nicht so stark. Sie besteht aus 30 Schissen und Fahrzeugen, nebst 7 Torpedobooten. Auf denselben sind laut Liste 5150 Mann nebst 22 schweren, 105 mittleren und 229 leichteren Geschützen eingeschifft. Dieselbe Anzahl von Kriegs- iahrzeugen hat augenblicklich Spanien, wegen der immer noch nicht ganz beruhigten Verhältnisse aus den Philippinen, in den an grenzenden Gewässern unter dec Flagge. Es sind zusammen 39 Fahrzeuge, allerdings zum grüßten Theile nur kleine für die Küsten bewachung dienende Kanonenboote, welche nach einem Nachweise 61 mittlere und 100 leichtere Geschütze, sowie eine Bemannung von 2714 Köpfen an Bord haben. Sehr weit zurückstehend in der Sckisfszahl ist das nächsistärkste von den Franzose» unterhaltene Geschwader; dasselbe umschließt nur 7 Schiffe, welche aber zusammen über viele Geschütze gebieten, denn sie führen neben 4 schwereren und 42 mittleren 54 leichtere Geschütze, ihre Besatzung zählt 1282 Mann. Tie V e r e i n i g t e n S t a a t e n von Nordamerika entsandten 6 Schiffe, Lie eine genau ebenso starke Bemannung wie die 7 vorgenannten französischen Schisse besitzen und mit 6 schwereren, 41 initiieren und 69 leichteren Geschützen armirt sind. Die Holländer sind mit 1 Panzerschiff und 4 Kreuzern 11. Classe vertreten, auf welchen sich 6 schwerere, 56 mittlere und 68 leichtere Geschütze mit 1418 Mann befinden. Oesterreich verfügt über 2 Schiffe, die 2 schwerere, 8 mittlere und 13 leichtere Geschütze, sowie 530 Mann tragen. Italien und Dänemark haben zur Zeil kein Kriegsschiff im Stillen Leeau. Deutschland erscheint nach der Zahl und Classe seiner Schiffe erst an siebenter Stelle mit 1 Kreuzer I. Classe, 2 Kreuzern II. Classe, 1 Kreuzer III. Classe und 1 Kreuzer IV. Classe. Sie gebieten zusammeir über 8 schwerere, 62 mittlere und 22 leichtere Geschütze nebst 1811 Mann Be satzung. Die Gesammtzahl der zum Schutze nationaler Interessen in Ostasien versammelten Kriegsschiffe stellt sich zur Zeil auf 138, mit fast 1500 Geschütze» aller Größen und rund 21 000 Mann Besatzung. Der Werth dieser Kriegsschiffe in ihrem völlig ausgerüsteten Zustande mit der Munition, dem Proviant u. s. w. beträgt weit über eine halbe Milliarde Mark. Die Angelegenheit des Hanptiua«iiS LreyfuS nimmt Dimensionen an, die es nickt alS Ueberlreibung erscheinen lassen, wenn man diese Affaire dem Panama-Scandal an die Seite stellt. Besonders die Subordination in der französischen Armee erscheint iin übelsten Lichte. Wie im Jahre 1870 die französische Presse aus Wichtigthuerci die militairischen Operationen der französischen Armee verrielb, so hat die Presse auch jetzt Officiere dazu verführt, Las ihnen amtlich obliegende Stillschweigen zu brechen. Zwei Officiere haben bereits daran glauben müssen, der Commandanl des Militair-Gefängnisfes und der Adjutant deS Chefs des Generalstabes. Ter Erstere hat Jedem, der eS hören wollte, versichert, daß nach seiner Ueberzeugung Dreyfus unschuldig sei, während er doch seine Auffassung lediglich ter ihm vorgesetzten Behörde hätte kund thun dürjen. Noch schlimmer hat sich der zu strengem Arrest verurtbeilie Adjutant des Generalstabschefs benommen. Er hat dem berühmten Chefredacteur des „Jnlransigeant" Roche fort Mittheilung davon gemacht, welche Beweisstücke man gegen Dreyfus und die angebliche Dreyfus- Iclique in Händen habe. Selbstverständlich wurde all- I gemein angenommen, daß der Ofsicier von dem Chef de- Feriill-tsn. Der Page. 20) Roman von A. Hehl. Nachdruck »erboten. „Es geht so an", meinte er, „ein Werwolf bin ich nicht, wenn ich vielleicht auch einem solchen ähnlich sehe. Und dann —" er stockte eine Secunde, „es war ja Ihre Mutter, Clotilde . So, hier stehen wir an der Pforte", fuhr er nach kurzer Pause fort, „ich bin begierig, wie meine Mittel gewirkt haben." Sie waren vor dem Heldenberg'schen Hause ange- lommen; ohne lange Ceremonien eilte der Doctor die Treppe hinauf und überließ es seiner Begleiterin, nachzukommen. Zitternd vor Angst und Bangen, das Herz krampfhaft zu sammengezogen, vermochte diese nur langsam zu folgen. Zwölftes Capitel. Nachdem die gemüthliche Kaffeegesellschaft auf so unlieb same Weise gestört worden war, wollte es Lieschen nicht mehr länger im Schulhause dulden. Der Schicksalsschlag, welcher jäh über Clotilde hereingebrochen, zerstörte auch ihren seligen Traum und führte sie mit rauher Hand in die Wirklichkeit zurück. Unheimliches Grauen vor einem bevor stehenden Unglück bemächtigte sich ihrer Seele. Es trieb sie iu peinlicher Unruhe aus der Nähe des geliebten Mannes fort. „Darf ich Dich begleiten, Lieschen?" flüsterte ihr der Lehrer bittend zu, während er sie zur Treppe geleitete. „O, bitte, nein", lehnte sie ängstlich ab, „wenn das mein Vater hören würde. Wir sind schon im Gerede und dürfen vorsichtig sein", wandte sie ein. „Du hast schnell den Muth verloren, Lieschen!" „Zürne mir nicht", bat sie, innig zu ihm aufblickend. „Was auch kommen mag, zürne mir nicht." „Was auch kommen mag, sagst Du?" Sie antwortete nicht. Traurig sah er sie an, sie senkte den Blick. Ihm war, als ob sie auf dieser Stelle von ihm Abschied nähme. Er wollte reden, aber die Stimme ver sagte ihm; er versuchte ihre Hände zu fassen, doch rasch eilte sie davon und erreichte ohne Hinderniß den heimischen Boden. Sie schlich vorsichtig durch die Gartenpforte, dann längs der Mauer hin und kam unbemerkt über den Hof in die Küche, wo sie die Base mit den Zubereitungen für den Abendtisch beschäftigt fand. „Bin ich zu lange geblieben?" fragte sie ängstlich. „Gut, daß Du da bist. Dein Vater hat schon zwei Mal nach Dir gefragt", antwortete die Base. »Ich — ich kann nicht dafür", entschuldigte sich das junge Mädchen. „Weißt Du es denn schon, Frau Helden berg ist plötzlich schwer krank geworden. Eine der Mägde muß heute Abend noch hinüber und fragen, wie es ihr geht. Die arme Clotilde!" Damit hatte sie sich aus der Verlegenheit ein wenig herausgeredet, ohne die Wahrheit zu verletzen. Die betrübende Nachricht ließ die Base auf kurze Zeit alles Andere vergessen. Sie ließ sich das Nähere erzählen und war ungehalten, daß Lieschen im Schulhaus zurück blieb, sie hätte gleich mitgehen sollen, zu sehen, wo sie helfen konnte. Plötzlich faßte sie ihr ergrautes Haupt mit beiden Händen und begann in anderer Tonart: „Heute ist wieder so ein Unglückstag, an dem Alles zusammenkommt. Gehe hinauf auf Deine Stube, unter dem Nähkästchen liegt ein Brief von Hans. Ein Bedienter vom Schloß drüben hat ihn mir heimlich zugesteckt, damit er sicher in Deine Hände krmmt —" „Ein Bedienter vom Schloß, Base —?" „Will mir nicht gefallen", bemerkte diese mit unheilver kündender Miene. „Ueber unserem Hause steht eben kein guter Stern — und meine Träume — o, meine Träume!"— Als das junge Mädchen, in ihrer Stube angelangt, ein Lämpchen auf den Tisch gestellt und dann den Brief gesucht, versagte ihr fast die Kraft, ihn zu öffnen. Noch einen flehen den Blick zum Himmel, dank löste sie das Couvert und las las wieder, um sich fest zu überzeugen, daß sie kein Wort falsch aufgefaßt hatte. Hans erklärte unumwunden, das Vaterhaus würde ihm zum Zuchthaus werden, wenn man ihn zwingen wolle, dahin zurllckzukehren. Er ziehe die Vernichtung einem Dasein vor, daS für ihn gleichbe deutend sei mit geistigem Tode. Wenn sein Vater in un verantwortlicher Härte ihm befehle, ein Studium aufzu geben, daS er im Stillen längst begonnen habe, wenn er ihm wieder zumuthe, Tag für Tag Handlangerdienste in der Mühle zu verrichten, dann sei sein Entschluß gefaßt. Ehe er aber eine verzweifelte Thal begehe, wolle er noch einen letzten Versuch wagen, des Vaters Herz zu erweichen, indem er die Schwester ersuche, für ihn als Bittstellerin aufzutreten. Er lege somit Glück und Verzweiflung, Leben und Tod in ihre Hand. Der Brief entfiel ihrer zitternden Hand, der Kopf sank auf die Brust berab, die Arme hingen schlaff her nieder, die fahlen Lippen öffneten sich zu einem Stöbnen, das Auge starrte ins Leere. Wohl hörte sie mehrmals ihren Namen rufen, doch sie war unfähig, Antwort zu geben; sie vernahm ihres Vaters Schritt und blieb wie ge bannt auf der Stelle, ihr war zu Muth, als ob sie jetzt sterben muffe. Der Müller verharrte einen Augenblick auf der Schwelle, er hatte offenbar eine kerbe Rede auf den Lippen, sobald er aber seiner Tochter unsichtig wurde, hielt er das harte Wort zurück und fragte besorgt: „Bist Du krank? Du siehst aus wie eine Leiche. Was ist passirt? Was hast Du?" Liesu-en rang vergebens nach Fassung. Sie vermochte nicht zu antworten. Dem Alten wurde bange. Er um faßte sein Kind, zog es zu sich heran und forschte nach dem Grund seines verstörten Wesens. Die begütigenden Worte wirkten erlösend auf die junge Seele und sie flehte unter heftigem Schluchzen: „Rettet meinen Bruder — meinen lieben Hans — erbarmen Sie sich, Vater — stürzen Sie den Sohn nicht ins Verderben —" „Das Mädel fiebert", murmelte der Müller, „es ist kein Sinn in dem, was sie spricht —" Er führte Lieschen zu einem der Holzstühle, ging an die Treppe und rief der Base zu: „Komme Sie herauf, Lieschen ist unpaß." In die Stube zurllckkehrend, entdeckte er den am Boden liegenden Brief, hob ihn auf und las ihn. Das Näthsel war gelöst. Jakob Sturm stieß ein kurzes, rauhes Lachen aus, während er das Schreiben seines Sohnes in der Westentasche barg. „Von dem Wisch machst Du so viel Aufhebens?" wandte er sich an seine Tochter. „Der Junge ist verrückt, war sich zu lange selbst überlassen. Sei ruhig, armes Ding, ich werde Dein Brüderchen wieder zur Vernunft bringen. Bis morgen Abend ist er hier und übermorgen trägt er wieder die Mehlsäcke aus der Mühle ins Magazin, wie der letzte Knecht." „Vater! Um Gottes Willen! Was wollen Sie thun?" „Ich will morgen bei Tagesanbruch nach der Stadt fahren und den Hans heimholen. Da geht allerhand hinter meinem Rücken vor, was zum Bösen führt. Der Musjö wird faul und lüderlich." Lieschen schwankte zu dem Vater hin, schlang beide Arme uni seinen Hals und flehte ihn an: „Vater, Sie kennen Hans nicht, wie ich ihn kenne. Ich weiß es gewiß, er wird den Nacken nicht mehr beugen, wie bisher, was auch daraus werden möge. Er ist von Ihrem Blute, Vater, er hat Ihren festen Sinn geerbt. Sie können ihn ins Verderben stürzen — aber beugen können Sie ihn nicht." Mit wachsendem Staunen hörte Jakob Sturm die Rede seiner sonst zaghaften Tochter an. Nach einer kurzen Pause sagte er: „Du kannst vielleicht Recht haben, wenn Du behauptest, Hans habe meinen festen Willen geerbt, er hat aber hoffentlich auch einen Theil meiner Vernunft und meiner Rechtlichkeit dazu bekommen. Wenn dem so ist, wie ich zuversichtlich hoffe, dann wird er es mir danken, wenn ich ihn auf den rechten Weg führe . Mein Besitzthum soll nicht in fremde Hande kommen." Hier nahm die Base das Wort: „Wenn weiter kein Hinderniß im Wege steht, Vetter Jakob, dann könnte ich schon Rath schaffen. Laßt doch das Lieschen auf die Mühle heirathen und dem Hans laßt freie Wahl. Zwingt ihn nicht zu einem Geschäfte, das dem armen Jungen zu wider ist. Die Liese wird eine richtige Müllerin —" „Und Ihr habt wohl schon Einen in Aussicht, Base, der sich da hereinsetzen möchte?" forschte Jakob Sturm, die Alte unterbrechend; „das wäre eine verfehlte Hoffnung. Daß Ihr es nur wißt, heute habe ich dem Peter Groll vom Wasserhose mein Jawort zusagen lassen. So weit ist Alles im Reinen. Bis Sonntag kommt der Mann und dann wird Versprach gefeiert. Das ist's, was ich Dir sagen wollte, Lieschen, darum bin ich zu Dir heraufge- kommen." Lieschen fuhr bei den letzten Worten jäh empor und antwortete mit einer Entschiedenheit, die nicht mißdeutet werden konnte: „Ich kann das nicht hören, Herr Vater, denn ich kann den Mann nicht heirathen." Der Müller zog die Stirne kraus, seine Augen funkelten,
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