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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.03.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-03-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980317028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898031702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898031702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-03
- Tag1898-03-17
- Monat1898-03
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Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzeichnib. Tabellarischer und gissernsatz nach höherem Tarif. Extra »Beilagen (gefalzt), nur mit dq> Morgen - Ausgabe, ohne Postbesörderunz' 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Lbend-AuSgabr: vormittag» 10 Uhr. »Sorge»-Ausgabe: Nachmittag» »Uhr. v«i den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anreisen find stet« an die Erprditio» zu richten. Druck und Verlag von S. Pol» in Leipzig Donnerstag den 17. März 1898. 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 17. März. Da» Klotteugesetz ist unter Dach — das ist das Ergebniß der gestrigen Berathung der Budget-Commission des Reichstags, in der auch die Deckungsfrage, die ohnehin nur für überängstliche Gemüther vorhanden war, in be friedigender Weise gelöst wurde. Wenn nun auch die'Oppo sition gegen daS Gesetz, je näher der definitive Abschluß rückt, sich in erregten Ausbrüchen Luft schäften wird, so ist ein günstiger Verlauf der weiteren Berathungen im Plenum selbst dann nicht mehr zweifelhaft, wenn außer den bayerischen Mit gliedern deS Centrums noch einige andere hartnäckige Angehörige Lieser Fraction auf ihrem ablehnenden Standpuncte verharren. Die Aufgabe, die den verbündeten Regierungen durch das Verlangen der Commission gestellt war, sic möchten sich steuerlich in gewisser Beziehung für den Fall verpflichten, daß die Stenerkraft des ReickeS zur Deckung der Mehrausgaben für die Flotte nicht ausreicken sollte, war schon an sich schwierig, weil sie mit dem Grundsätze jeder Politik in Ein klang gebracht werden mußte, niemals eine Verpflichtung zur unbedingten Vornahme oder Unterlassung von Staats akten zu übernehmen, da die Politik ihre Aufgaben nicht wählt, sondern empfängt. Dazu kamen die eigenartigen Bersafsungsverhältnisse des Bundesstaates in Betracht, die jedem Bundesmitgliede volle staatliche EntwickelungSfrciheit verbürgen, die nicht beeinträchtigt werden darf, nur nm einer „Möglichkeit" vorzubeugen, die außerhalb jeder Be rechnung liegt. Der Weg, den die verbündeten Negierungen zu beschreiten beschlossen haben, falls wider alles Erwarten das Flottengcsctz wirklich die Erhöhung bestehender Steuern nothwendig machen sollte, der Weg nämlich, daß dann jede Üinzelregierung für sich die stärkeren Steuerkräfle heran zieht, bedeutet somit ein Entgegenkommen, das nicht nur verfassungsmäßig außerordentlich weit geht, sondern auch auf das Ueberzeugendste beweist, wie sebr allen Bundesstaaten daran gelegen ist, dem dringenden Bedürfnisse deS Reiches gerecht zu werden unter weiser Verständigung mit allen in gleichem Maße betheiligten einsichtigen VaterlandSfreunden und unter Fernhaltung jeder Beunruhigung nack innen und außen. Mit Recht schreibt heut« die „Nat.-Lrb Corr.": „Schon jetzt kann man sagen, daß der nunmehr feststehende schöne Erfolg nicht erzielt worden sein würde, wenn die ganze Vorgeschichte dieses FlotlengesetzeS und seine parlamentarische Der- tretung nicht von dem Grundzuge beherrscht gewesen wäre, daß, wenn Vertrauen beansprucht wird, zuvor Vertrauen ge sammelt werden muß, und daß dann zum Segen deS Vaterlandes selbst bei ausgesprochensten Gegensätzen gewirkt werden kann, wenn ein loyales Bestreben, die Sonderwünsche dem Gemeinwohl nach- zustellen, in allen Puncten der loyalen Mitwirkung sicher bleibt. So hat die Reichsregierung zielbewußt auf dem Gebiete derauSwärtigen Politik gesammelt, so hat die Vertretung deS Reichsmarineamts vorbereitet und vertheidigt, stets sachlich und fest. Und so konnte, Lau» auch das Vorgehen der nationalliberalen Parteiführung die sich fest auf den Boden der Vorlage stellte, als noch manche Zweifel bestanden, der parlamentarischen Behandlung den glück lichen Auftact geben, so daß sich wiederholte, was beim Bürgerlichen Gesetzbuch der Fall war: daß unbeschadet aller vrincipiellen Gegensätze, die auch unverwischt weiter bestehen bleiben sollen, daS Werk, da- den Lebensbedürfnissen des Reiches gerecht wird, zu Stande kam, indem die Führung der nationalliberalen Partei zusammen wirkte mit Len Führern des Centrums, welche trotz der bekannten Schwierigkeiten in ihrer Partei bereit waren, dem Reiche zu geben, was des Reiches ist. Wir haben die Hoffnung, Laß die Behandlung im Plenum Les Reichstags ebenso verläuft, so daß nicht nur die Wehrkraft des Reiches zur See gesichert wird, sondern auch im Auslande das Bewußtsein erneut werde, wie stark und gefestigt das Reich dasteht. TaS hieße dem deutschen Volke die neue Stärkung der Wehrkraft doppelt schenken." Heule bereits wird in der Budgetcommission die zweite Lesung der Vorlage beginnen, die schwerlich längere Zeit in Anspruch nehmen wird, so Laß möglicher Weise, wenn die inneren Schwierigkeiten im Centrum nicht verzögernd wirken, das Flottengcsetz noch vor Ostern definitiv erledigt werden kann. Dem Plenum des Reichstags, daS im Lause seiner gestrigen Sitzung wenigstens beschlußfähig wurde, gelang es infolge dessen, die zweite Berathung der Militatrstrasproccft- ordnnng trotz der zahlreichen socialdemokratischcn und volks parteilichen Anträge um mehrere Paragraphen zu fordern. Fraglich ist es freilich, ob durch den einen der gestern ge faßten Beschlüsse auch das Zustandekommen der Reform ge fördert wird. Bei tz 8 schwenkte nämlich das Cent rum von seiner bisherigen Linie ab und gleichzeitig kamen zum ersten Male die conservativen Abändcrungsanträge in Betracht. Es handelte sich bei diesem Paragraphen um die im deutschen Militairstrafrecht neue Bestimmung, daß nach der Entlassung aus dem Dienste begangene Beleidigungen und Herausforderungen militairischer Vorgesetzter, so fern sie sich als Racheacte für die dienstliche Behandlung darstellen, der militairischcn Straf justiz unterliegen. Nach der Vorlage sollte dieses Verbältniß bis zum Ablauf des zweiten Jahres nach dem Aufhören der militairischeu Controle dauern. Die Commission hat eS auf die Dauer eines Jahres nach der Beendigung des die MilitairstrafgerichtSbarkeit begründenden Verhältnisses sowie auf diejenigen Fälle eingeschränkt, in denen der Beleidigte sich noch im activen Dienste befindet. Die conservative Partei näherte sich dem gegenüber wieder der Vorlage, indem sie die Verlängerung der Dauer aus zwei Jahre be antragte. Der preußische Kriegsminister hatte in seiner vorgestrigen Rede diesen Punct der conservativen Anträge nicht unter denjenigen aufgeführt, von deren Annahme die Zustimmung der verbündeten Regierungen abhängig gemacht werde. Er bestätigte gestern, daß ihm die von der Commission gewählte Fassung genüge. Den Werth der Vorschrift findet er hauptsächlich darin, daß sie die Leute abhält, eine un ziemliche Behandlung stillschweigend zu dulden mit dem Gedanken, daß sie sich nach der Entlassung rächen können. Der Minister erwartet davon eine Unterstützung sein Bestrebens, im Interesse der Mannschaften selbst wie der Gesundleit der militairiscken Zustände überhaupt dahin zu wirken, daß in jedem Falle der Beschwerdeweg furchtlos und pflicht gemäß beschritten wird. Die Socialdcmokratie lief mit ihrem ganzen agitatorischen Hetzapparat gegen den Para graphen Sturm, und da die Conservativen hartnäckig au ihrem Anträge festhielten und das Centrum mit der Be gründung, daß die Militairverwaltung dieser Bestimmung ein principielles Gewicht nicht beizulegen scheine, von den Commissionsbeschlüssen absiel, so endete die Verhandlung mit der Ablehnung des Paragraphen. Es fragt sich nun, ob die verbündeten Regierungen mit diesem Beschlüsse, wenn eS nicht in der dritten Lesung gelingt, ihn umzustoßen, sich zufrieden geben oder an ihm das ganze Gesetz sckeitern lassen wollen. Hossentlich kommt eine Einigung zu Stande. Nach der im heutigen Morgenblatte mitgetbeillenossiciösen Auslassung der „Kölnischen Zeitung" ist kein Zweifel daran, daß Deutschland die active Betheilignng an der kretischen Frage aufgiebt; auch von Oesterreich wird berichtet, daß cs seine Truppen und seine Kriegsschiffe von Kreta zurückzieben wolle. Das heißt nichts Anderes, als daß die beiden Mächte die Verantwortung für Alles, WaS nun aus Kreta geschieht, ablehnen. Sind nun aber da mit alle Schwierigkeiten, die der Regelung der kretischen Frage durch diejenigen drei Mächte, die die griechische Kriegsschuld garantirl haben, cntgegcnstehen, beseitigt? Doch wohl noch nicht ganz. Die drei Mächte müssen nämlich noch mit Italien rechnen. Italien bat von vornherein an der kretischen Frage einen sehr starken Antheil genommen. Es hat sich an der Blockade der kretischen Küsten durch eine größere Zahl von Kriegsschiffen betheiligt, und eS hat auch verhältnißmäßig viel Truppen zur Besetzung Kretas entsandt. Eine gewisse besondere Rolle spielte Italien^ außerdem da durch, daß der italienische Admiral an der Spitze der euro päische» Geschwader stand. Italien ist eben vor allen Dingen eine Mittelmeermacht, die durch Alles intcressirt wird, was im Gebiete des Mittelmeeres vorgeht, und die sich deshalb von der kretischen Angelegenheit nicht so leicht zurückziehcn kann, wie Deutschland und Oesterreich. Italien wird Wohl also nicht geneigt sein, England, Rußland und Frankreich ohne Weiteres oartcr blrmeüo zu geben. Damit ist freilich nicht gesagt, daß cö sich speciell gegen die Er nennung deS Prinzen Georg von Griechenland zum Gouverneur von Kreta auflehnen wird. Wenn nun aber felbst die vier Mächte in der Begünstigung der Candidatur des Prinzen Georg übereinstimmen, so besteht noch immer die Schwierigkeit, daß der Widerspruch der Pforte so leicht zu überwinden sein wird. Zum Mindesten wird die Pforte nach ihrer bewährten Taktik die Er nennung Les Prinzen Georg zum Gouverneur so lange als nur denkbar hinauszuzögern suchen. Wenn aber selbst schließlich nach vielen Mühen der Prinz Georg Gouverneur ovn Kreta sein wird so sind damit die Schwierigkeiten der '..elisckcn Frage noch lange nicht beendet. Eö sei hier zu nächst daraus hingewiesen, daß durch diese Lösung der Gouverncursfrage die Eigensucht der anderen Völker auf dem Balkan gereizt wird, Weiler darauf, daß durch die seit vollen zwei Jahren bestehenden Wirren die EigenthumSverhältnisse auf Kreta in eine unheilvolle Confusion gerathen sind, bei deren Lösung es sicherlich nicht friedlich hergehen wird. Dazu kommt, daß der Haß der christlichen Bevölkerung gegen die numerisch nur halb so starken Mohammedaner sich erst recht Lust macken wird, wenn sie einen griechischen Prinzen, den sie als Gesinnungsgenossen ansehen wird, zum Gouverneur hat. Um also einigermaßen die Ruhe aufrecht zu erhalten, werden erhebliche Truppenmassen erforderlich sein. Wer soll sie be zahlen? DaS völlig ruinirte Kreta kann es gewiß nicht, und Griechenland kann eS ebenso wenig. Sollen es die vier Mächte thun? Und wie sollen sie sich dann in die auf Nimmerwiedersehen ausgelegten Kosten theilen? Die iwutschcil Studenten haben ihren Besuch in Italien beendet. Wie uns aus Rom berichtet wird, verließen sie gestern Abend die ewige Stadt und reisten nach Civita Vecchia zurück. Studirende der Universität Rom gaben ihnen nach dem Bahnhöfe das Geleite und krackten ihnen einen Ehrentrunk dar. Hierbei wurden herzliche Toaste ausgetauscht. Im Augenblicke der Abfahrt stimmten die römischen Studenten ein Studentenlied an und brachen in begeisterte Hochrufe am Deutschland aus, welche die deutschen Studenten mit Hoch rufen aus Nom und Italien erwiderten. Die letzte Festlick' keil in Rom am Dienstag verlief sehr gehoben. Die deutschen Professoren und Studenten, sowie das römische Studenten- Comitü und mehrere Professoren der Universität Rom waren zum Commers im deutschen Künstlerverein geladen. Es wurde eine Anzahl Ansprachen gehalten und Hochs auf König Humbert und die Königin Margherita, sowie auf das deulscke Kaiserpaarund daS deutsch-italienischeBündniß wurden ansgebrachl. DaS war die einzige politischeAnspielung. Sie ergab sich von selbst und es würde befremden, wenn sie unterblieben wäre. Im klebrigen aber ist die ganze deutsche Studentenfahrt durchaus unpolitisch, wie sie gemeint war, verlaufen. Nichtsdestoweniger ist man in Frankreich ver schnupft und Pariser Blätter ergehen sich in von ziemlick übler Stimmung cingegebenen Glossen zu den begeisterten Sympathiekundgebungen zwischen den Studenten beider Länder. Selbst ein im Allgemeinen so nüchtern urtheilendcs Blatt wie die „Röpubl. frano." kann nicht umhin, zu dem Empfange der deutschen Commilitonen durch die italienische Studentenschaft verdrossen zu bemerken: „Es war von Wichtigkeit, diese Vorgänge zu ftgnalisiren, weil sic einen klaren Einblick in die Gefühle der Italiener gegenüber Frankreich gestatten." Zn Deutschland ist eS unseres Wissens noch Niemandem eingefallen, die von jenseits der Alpen ge meldeten VerbrüdcrungSkundgebungen der deutschen unv italienischen Studenten unter dem Gesichtswinkel der inte: nationalen Politik zu betrachten. Wenn man dies in Frank reich thut, so finLel man eben nur bestätigt, was für unS der Bestätigung nicht erst bedurfte, daß auch für das heran reifende Geschlecht in Italien die Beziehungen zum nordischen Verbündeten nicht blos aus dem Papier stehen. In den Bereinigten Staaten wächst die kriegerische Stimmung gegen Spanien noch immer, und wenn Zeitungs redactionen den Krieg machten, so wären die Kanonen schon längst loSgegaugen. An leitender Stelle in Washington scheut man indessen, sei cs aus Furcht vor den Consequenzen, sei eS auS Gewissensbedenken, vor einer Kriegserklärung zurück, und namentlich der Präsident der Union ist alles Andere als kriegerisch gesinnt. So erhalten wir die folgende schon in einem Theil der Auflage des heutigen Morgenblgttcs veröffentlichte Nachricht: *NewPork, 16. März. Nach einer Meldung des „New Dork Herald" au-Z Washington hat Präsident Mc Kinley gestern folgende Aeußerung gethan: „Ich wollte lieber, meine Amtsführung erwiese sich als schmählicher Mißerfolg, als daß dieselbe einen frevelhaften Krieg zu verant- Worten hätte." Das klingt sehr friedlich und sehr vernünftig. Die Union hat absolut kein Recht, sich in den Kampf Spaniens mit einer aufständischen Colonie zu mischen und auck wenn, WaS noch durchaus nicht erwiesen ist, die „Maine" von Spaniern in die Lust gesprengt sein sollte, so hätte doch diese Angelegenheit nichts mit Cuba zu thun und es müßte erst bewiesen werden, daß die spanische Regierung für die Katastrophe verantwortlich zu machen ist. Also der Krieg, den die Union Spanien etwa erklärt, wäre in jeder Beziehung tatsächlich ein frevelhafter, und eS gereicht Mc Kinley zur Ehre, daß er dies an erkennt und vor einem solchen Kriege zurückschreckt. Aber FaniH*t-n. Durch eigene Kraft. L7j Roman von Alexander Römer. Nachdruck »erbolra. Wer sie gesehen hätte, wie sie da lag, geisterhaft bleich, mit den großen starren Augen, die ins Leere blickten, während es doch hinter der weißen Stirn arbeitete wie «in Räderwerk, den würde das Bild unheimlich berührt haben. Sie glich einer Medusa. Sie war wieder Herrin ihrer selbst, sie durchschaute wieder das Gewebe dieser feinen Gespinnste — ha! diese Verlobung kam nicht aus Felix' eigenem Wollen — sie war der Prinzessin Werk! Verloren — verspielt also auch die Partie! Was half es ihr, wenn sie wußte, wie es geschehen — es war geschehen. Und diese zahme Kleine, diese Stille — aber stille Wasser sind tief — sie triumphirte und ward Baronin Waldstätten. Na, ein Rosenbett war es nicht, was sie sich oder Ander« ihr schufen. Emily fuhr von ihrem Lager empor, sie reckte ihre Glieder, ob noch Stahl darin sei, und sprang auf ihre Füße. Ihre Natur war nicht für unthätiges Daliegen, sie mußte wieder in die Handlung eingreifen, wieder auf der Bühne erscheinen. Sie irrten sich, wenn sie in ihr eine duldende Besiegte vermutheten. Sie wusch sich und kleidete sich an, und zu der Tante Ver wunderung und Freude stellte sie sich zu dem Verlobungsdiner ein. Sie gratulirte dem Brautpaare, sie lächelte, sie lachte. Sie verspottetes sich selbst wegen ihres albernen Schreckens am vergangenen Abend, sie ließ sich Alles erzählen, was Claus Hartwig anging. Die Prinzessin gab ihr im Süllen das Zeugniß, daß sie sich meisterhaft aus der Affaire zog. Ha! und dieser turteltäubernde Felix, es war wahrhaftig ein Spaß, dem zuzusehrn. Wenn eS säi«e Nichtigkeit hat mit dem mal oocdio der Italiener, so müßte daS Brautpaar versengt worden sein heute Abend. Emily entging keine Miene, keine Wendung der Beiden, und dazwischen — die Tante Cäcilie und die Prinzessin — es war doch ein Spaß. Wie kühl die Haltung der Braut blieb! Steckte 'denn in der auch mehr, als sie vermuthet hatte? Wußte da» einfältige Ding, daß sie ihn dadurch reizte, daß es ihr einziges Mittel war, den Passiven Liebhaber zu entflammen? Und selbst der hochmüthigen Schwiegermutter wand sie dadurch die Waffen aus der Hand. ' ßMje ei nur feine RoüeI LirseK KKnaKtrn, dickt Flüstern — es zuckte ihr durch Hirn und Herz, und voll Ingrimm fragte sie sich zum hundertsten Male: War es möglich, daß sie sich selbst verloren hatte? Daß sie wirklich und wahrhaftig diesen Menschen liebte, mit der Leidenschaft, mit der sie zu lieben fähig war? Eisige Schauer rannen ihr über den Leib, um nach ein paar Minuten siedenden Gluthströmen zu weichen. Die Prinzessin rief sie nach der Tafel zu sich und trat mit ihr allein in eine Fensternische. Sie klopfte ihre Wangen und machte ein paar Scherzreden über das gestrige Abenteuer. „Ich hätte nie geglaubt, daß Sie sich so wenig brav halten würden", sagte sie. „Was war denn das eigentlich zwischen Ihnen und dem Maler, daß Sie gleich den rächenden Geist in ihm sahen? Haben ihm wohl schlimm mitgespielt einst — wie? Ich werde dem Waldstätten übrigens noch bei Gelegenheit die Leviten lesen — heute darf man ja dem seligen Bräutigam nichts anthun — aber er wußte doch jedenfalls um die alten Geschichten; ich willigte nur in einen harmlosen Scherz." Emily's Mienen waren ein Meisterstück der Schauspielkunst. Sie sah so demüthig, so einer gebrochenen Dulderin ähnlich, ja ihre Augen glänzten feucht von zerdrückten Thränen, daß sie das regste Mitgefühl wachrufen mußte. Sie berichtete mit fliegendem Athen: in gedrängter Kürze von der Vergangenheit in überaus geschickter Darstellung. Prinzeß Ada begriff rasch. Eine nur zu bekannte, sich täglio wiederholende Geschichte, und wenn das kluge Mädchen in richtiger Berechnung der ausstcktslosen Zukunft das Verhältniß damals löste, so war das ein hübsches Zeichen von Besonnenheit. Vom Todtschießen und Umbringen spricht ja wohl ein abgewiesener Liebhaber stets. „Haha! Dieser Waldstätten! Ein böser, grausamer Mensch!" meinte sie. „Aber nehmen wir an, daß er recht gedankenlos ge handelt hat. Er war verliebt, der Gut«, und von Verliebten in diesem Stadium darf man nicht diel Vernunft verlangen." Als sie und die junge Man» in ihrem Gefolge das Haus verlassen hatten, nahm auck KeliH Abschied. Die Mama zog sich sofort zurück, sie war am Ende ihrer Kräfte. Der Papa wollte noch ein Stündchen in seinen Club gehen, der Zufall fügte es, daß Emily und Felix allein gegenüberstanden. Wie gern wäre er dem rtzts L ttzte ausgewichen. Sie lächelte ihn spöttisch an. „Na, wie ist Dir denn nun als Bräutigam zu Muthe? Hahaha, als Bräutigam wider Willen. Eingefangen, der Vor sichtige, es ist doch «in Hauptspaß. Ich wußte es schon ein paar Tage vorher, daß es Dir pasiiren würde, und diese hübsche Komödie, mit der Du mich zu verderben trachtetest, die hat nun dttit schocke Dir dir TAingx um tzrn HM zu legen. Glück zu, mein theurer Vetter, ja, wer Anderen eine Grube gräbt, pflegt selbst hineinzufallen. Mich hast Du nur für einen Moment ge troffen, jetzt bin ich wieder mit freien Flügeln auf der Bildfläche." Felix stand starr. Er hatte Wuthausbrüche, Vorwürfe er wartet, alles Andere eher, als dieses Hellsehen. Woher wußte sie — konnte sie wissen — das Mädchen war unheimlich. „Deine Enttäuschung leiht Deiner Phantasie Flügel", sagte er kalt, aber der grimmige Aerger verrieth sich doch in seinen Mienen. „Ich verstehe Deine Andeutungen nicht. Im klebrigen habe ich Dich keineswegs verderben wollen, die Idee des Scherzes ging viel mehr von Hartwig als von mir aus. Und wenn Du mir unter Eiden betheuert hattest, der Maler sei Dir die gleich- giltigste Person in der Welt, wie konnte ich annehmen, daß Dir, der mit Geistern auf vertraulichstem Fuß Stehenden, gerade dieser Geist einen so hübschen Schrecken einjagen würde? Wenn ich nicht irre, hattest Du indeß noch nach der Katastrophe eine Aussprache mit Claus, und ich dachte mir, sie habe zu einer Neu anknüpfung des alten Verhältnisses geführt. Hartwig ist ja jetzt eine viel bessere Partie als ich." Er sprach in seinem lässigen Ton und bot ihr seine Hand zum Abschiede. Sie schlug dieselbe zurück in einem wilden Ausbruch ihrer Gefühle. In ihr tobte der Gedanke, daß er kühler sei, als sie, und dadurch ein Uebergewicht habe, und aus ihren Augen schossen Blitze. Er zuckte die Achseln. „Wie Du willst", meinte er, „aber ich rath« Dir, sei ver nünftig, kluge Emily, und blamire Dich nicht. Solche Dinge, wie Du sie vorhin beliebtest mir zu sagen, bahnen kein freund liches Verhältniß an. Und es ist jedenfalls Dein Vortheil, wenn Du gut Freund mit unserer Familie bleibst." Sie warf den Kopf zurück. „Sorge Dich nicht um mich", rief sie höhnisch, „meinen Vor- theil wahre ich, ich kann warten und mich beherrschen. Unsere Rechnung ist noch nicht quitt." Sie rauschte an ihm vorüber auS der Thür. Er blickte ihr finster nach. „Dämon!" rief er knirschend. „Gottlob, Deine Macht ist zu Ende!" ' SechSundztv anzig st eS Capit«l. Ottilie war eine liebliche Braut. Die Hofgesellschaft, welche sich für diese Verlobung interessirte und gründlich durch dieselbe überrascht worden war — man hatte auch hier nicht geglaubt, daß Baron Waldstätten sich zu einer Heirath mit dem bürger lichen Mädchen bequemen würde —, gqh ihr das Zeuaniß, daß sie sich tadellos benähme, , Was die hochmüthige, adelsstolze Baronin Cäcilie dazu sagte, erfuhr man nicht. Der Sturm verbrauste in den inneren Ge mächern. Niemand aber wußte, wie di« junge Braut, welche man von innerer Glückseligkeit erfüllt wähnte, unter schwerem Seelenkampf in schlaflosen Nächten sich zu dieser stolzen, sicheren Haltung durchrang, wie rebellisch ihr Herz dieser Verbindung entgegen schlug, und wie Klugheit allein sic die Rolle lehrte, die sie rnfl so gutem Geschick spielte. ' > Ihr blieb in der Verlobungsscene allerlei unklar. Sie hatte, aus ihrer schweren Ohnmacht erwachend, die leidenschaftlichen Liebesworte ihres jetzigen Verlobten an ihrem Ohr gehört, sein Kuß hatte sie geweckt und aufgeschreckt, aber er hatte nicht um ihr Ja gefragt und sie es nicht gegeben. Die Prinzessin, in ihrer raschen, rücksichtslosen Art, mit der sie Menschenschicksale spielend schob und lenkte, hatte die Ver lobung festgestellt und proclamirt, ohne weder sein, noch ihr Wort abzuwarten. Wie standen denn nun ihre Herzen zu einander, die sie den langen Lebensweg fortan zusammen gehen sollten? Furchtbare Frage! Dann sagte sie sich als Abschluß der schweren peinlichen Grübeleien, daß die Würfel gefallen seien für ihn und für sie; daß sie ihr Loos in dieser Form auf sich nehmen müsse, dgß ein Auflehnen dagegen in ihrer Lage unmöglich sei. Es wÄr wenigstens Erlösung aus der Halbheit ihrer Stellung, es gab ihr einen Halt, Pflichten, einen festen Platz im Leben. Sie hatte ja schon einmal nüchtern genug den Gedanken erwogen und sich mit ihm vertraut gemacht. Anders freilich war die Wirklichkeit — und ihr Erwachen nach kurzem, unruhigen: Schlummer am Morgen nach jener nächtlichen Verlobungsscene war derart gewesen, Laß sic es sich ungern in die Erinnerung zurückrief. In jener Stunde dünkte sie der Tod leichter als das Leben, das vor ihr lag. Aber sie hatte sich weiter geschleppt, hatte es erreicht, daß Niemand etwas von ihren inneren Kämpfen ahnte, und jetzt fühlte sie, daß ihre Herzenskälte ihr ein gewisses Uebergewicht über den Verlobten gab. Was er für jungfräuliche Zurück Haltung und feinen Tact hielt, war in Wahrheit die Natur ihrer Gefühle, und er, der jetzt den Reiz, den ihr Verhältniß bot, aus kosten wollte, mußte um jede kleine Gunst betteln, ja sie zu ver dienen suchen. Sie behandelte ihn wie eine Königin ihren Vasallen. Er wunderte sich oft, er ärgerte sich bei Gelegenheit, aber es spornte seine Neigung. Da gab es noch Räthsel zu rathen, und das brachte Abwechslung in die Einförmigkeit des Daseins, Er ertappte sich öfter auf einem erhobenen Glücksgefühl, da» «k
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