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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.04.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189804080
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18980408
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18980408
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-08
- Monat1898-04
- Jahr1898
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.04.1898
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Tabellarischer und gtfferusatz , nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Postbefördrrung . SO.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß fir Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag« 10 UhL Morgen- Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe 8kund« früher. Anzeigen sind stet« an di« Oxpehitian zu richten. Druck und Verlag von E. P »lz tu Leipzig. 177. Völkerrecht und Politik in der Kriegsschule. ^v. Am I. October 1872 schrieb der große Völker- rechtslehrer Bluntschli an Professor Lieber in New Hort in einem Briefe — der denselben infolge seines plötzlichen Ab lebens nicht mehr erreichte, aber als Borwort zur zweiten Auflage deS „Modernen Völkerrecht«" aufbewayn ist —, bezugnehmend auf den letzten Krieg: „Die Mängel und die Schwäche deS Völkerrecht« sind in diesem Kriege in erschreckendem Maße offenbar geworden. Oft hat sich sogar bei Officiereu beider Armeen und selbst in hohen Kreisen und bei hochgebildeten Männern eine grauenhafte Unkenntniß des Völkerrechts gezeigt. E« sind viele Mißgriffe gemacht worden, die sich nicht au- bösem Willen, auch nicht aus der rechtSverwirrenden Macht deS HaffeS oder dem aufflammenden Zorne allein erklären lassen, sondern sicher unterblieben wären, wenn die Kenntniß des Völkerrecht« allgemeiner verbreitet wäre. ES ist daher durchaus nothwendig, daß da- Völkerrecht und insbesondere da« Kriegsrecht und das Recht der Neutralen sorgfältiger al« bisher in den Kriegsschulen gelehrt werde. Auch darf Europa mit Ehren nicht länger zögern, das amerikanische Vorbild nachzuahmen und die wichtigsten Rechtsvorschriften den Ofsicieren und Soldaten in scharfer Fassung als gedruckte Dienstinstruction mitzngeben." Gewiß ist in diesen Dingen in dem Vierteljahrhundert, das seit der Abfassung dieser Zeilen verflossen ist, manche Besserung eingetreten und eS wird allgemein anerkannt werden müssen, daß gerade Deutschland in dieser Beziehung fortgesetzt bemüht gewesen ist, nicht nur das tüchtigste, sondern auch da- menschlichste Heer heranzubilden. Ebenso gewiß ist aber auch noch mancherlei zu thun übrig geblieben, und so ganz bei Seite schieben darf man die Worte Bluntschli'- auch heute noch nicht. Noch heute steht da« Völkerrecht überhaupt vielfach tief in Mißkredit, ja, r« wird geradezu al« eine zwecklose Spieler« betrachtet, ein Streit um theoretische Paragrswhen, denen in der Praxis schlechtweg jede Bedeutung fehlte. Noch heute fragt man: „Wie kann ernstlich von Völkerrecht die Rede sein, ohne ein Völkergesetz, welche» das Recht mit Autorität verkündet, ohne ein Völkergericht, welche- da- Recht in RechtSform handhabt, wenn die Macht schließlich allezeit den Ausschlag giebt?" Doch schon Bluntschli durfte damals schreiben: „Selbst in dem Ausnahmezustände de« Krieges, in welchem die physische Gewalt ihre mächtigste Wirkung äußert, werden dieser Gewalt doch von dem Völkerrecht feste Schranken ge setzt. — In nichts mehr bewährt und zeigt sich die Macht und daS Wachsthum deS Völkerrechts herrlicher als darin, daß es vermocht hat, die spröde Wildheit der Kriegsgewalt allmählich zu zähmen und selbst die zerstörende Wulh des feindlichen Hasse- durch Gesetze der Menschlichkeit zu mäßigen und zu bändigeu." Feuilleton. Die Trauer in -er Natur. Eine Charfreitagsbetrachtung von Heinrich König. Nachdruck verboten. Die ständige Wechselverbindung des Menschen mit der ihm nahestehenden Thier- und Pflanzenwelt läßt es erklärlich er scheinen, daß so manche ungeschminkte Legende seltsame Er scheinungen und Offenbarungen der letzteren unter übernatürlicher Einwirkung hervorgerufen sein lasten will. Das ist besonders aus den sagenhaften Ueberlieferungen der Passionstage ersichtlich. „Wie das deutsche Bolt überhaupt mehr als jedes andere dazu neigt, die Menschenwelt in tiefer Sympathie mit der Naturwelt zu fasten, so hat es auch in der Pflanzenwelt durch seine Namengebung die Trauer der ganzen Natur am Charfreitag zum Ausdruck zu bringen und sestzuhalten versucht." Zum Beweise der vorstehenden Behauptungen wollen wir in den folgenden Ausführungen eine Anzahl Legenden mittheilen, und zwar in unmittelbarer Verknüpfung mit den biblischen Leidensthatsachen selbst. Als Jesus mit seinen zwölf Jüngern am Gründonnerstage das seit Alters übliche Passahmahl feierte, wobei sich bekanntlich Judas Jscharioth selbst schon als der heimtückische Verräther zeigte, da spielte der verschmitzte „Erzschelm" nach einer öster reichischen Sage, wie Professor Anton Peter berichtet, eine höchst teuflische Rolle. Er war nämlich von seinem Herrn und Meister beauftragt, die mundfertige Zubereitung des ausersehenen Oster lammes zu übernehmen und für ihn die Eingeweide des ge schlachteten Thieres besonder- zuzurichten. Der ungetreue Jünger aber „kaufte ein schwarze« Lamm und bereitete es zum Abend mahle, behielt aber das Herz für sich, während er die übrigen Theile dem Meister vorsehte. Als Christus fragte, wo das HerH sei, antwortete der Falsche, schwarze Lämmer hätten kein Herz. Jesus war damit zufrieden und schwieg. Nach dem Abendmahl aber nahm er Geldmünzen hervor, theilte sie in 13 Häuflein und gab jedem der Apostel eins davon. Da nun ein Häuflein übrig blieb, fragten diese, für wen dasselbe bestimmt sei. Sogleich griff der geldgierige Judas nach den Münzen und vrrrieth sich so." Unmittelbar nach Beendigung des Abendmahls begab sich Jesus nach biblischem Bericht über den Bach Kidron nach Gethsemane, wo er Gott bat, den bitteren Kelch de» Leiden bon ihm zu nehmen. Dabei soll sich denn «ine heiße Thräne aus seinem Auge gestohlen haben, um zur Erde niederzufallen und an diesem geweihten Orte ein zartes Pflänzchen hervor sprießen zu lasten, welche- der fromme Glaube mit dem sinnigen Namen „Christu-auge" belegte. Zwei Pflanzen unserer Blumen gärten, eine al« Sonnenblume (Oi-opi-, darbara) und die andere als Staude ^naecklus) wachsend, tragen diese Benennung. Als„Christu«thräne" dagegen wird in der Mark unsere „I'ucksia ooooineL" bezeichnet, und zwar angeblich wegrn der „schweren Freitag den Gerade im modernen Kriege stößt man bei Schritt und Tritt auf den Einfluß deS Völkerrecht-, der die Kriege menschlicher, gesitteter, milder gemacht bat. Immer sorg fältiger wird der modernen Erkenntniß Rechnung getragen, daß der Krieg ein Rechtsstreit der Staaten und keineswegs ein Streit zwischen Privaten oder mit Privaten ist, daß die Menschenrechte deS Einzelnen im Kriege nicht aushören. Erst Bluntschli konnte klipp und klar den in der Praxis bereit- giltigen Satz aussprechen, daß die Individuen als Privat personen keine Feinde sind; als Staatsangehörige sind sie be- theiligt bei der Feindschaft der Staaten. So weit das Privat recht maßgebend ist, dauert also das FriedenSverbältniß und das Friedensrecht fort. So weit das öffentliche Reckt entscheidet, ist das FeindeSverhältniß eingetreten und wirkt da» Krieg-recht. DaS heutige Völkerrecht verwirft den Gedanken einer ab soluten Willkürgewalt über die Privatpersonen vollständig und gestattet weder Mißhandlung noch Beleidigung, am wenigsten Tödtung derselben. Und nicht nur die Privat personen, auch die Krieger selbst schützt das moderne Völker recht in gewissem Grade. Der kampfunfähige Soldat wird eben durch die Kampfunfähigkeit zur Privatperson und genießt den Sckutz der Privatperson. Die Genfer Convention, daS Rotbe Kreuz sind Errungenschaften der modernen Kriegs führung und des modernen Völkerrechts, zu deren Lob eS keines weiteren Worte» bedarf. — Mehr als den dritten Theil seine« immer noch grundlegenden großen RechtSbucheS widmet Bluntschli dem KnegSrecht und dem Rechte der Neu tralität, größtentheils allgemein anerkannte Sätze, die keine kriegführende Macht ungestraft verachten darf, die darum nicht nur den Leitern des Kriege-, sondern dem ganzen Heere bekannt sein müssen. Je mehr die Staaten diesen Rechts grundsätzen Autorität verleihen, je mehr dieselben den am Kriege detheiligten Personen in Fleisch und Blut übergehen, je peinlicher die Officiere darüber wachen, daß sie allgemein befolgt und höchstens im äußersten Notbfalle außer Acht ge lassen werden, um so mehr verliert der Krieg an Schrecknissen, um so mehr wird die furchtbare Gewalt unserer heutigen Kriegsinstrumente ausgeglichen. Man vergesse nicht, welche außerordentliche Wirkung da- Völkerrecht, obwohl ohne rechtsgiltiges Gesetzbuch und ohne obersten Gerichtshof, auf die Knegöführung thatsächlich au«- übt; man blicke nicht mit Verachtung auf diese juristische Spielerei herab, sondern achte vielmehr darauf, daß die Grundsätze deS Völkerrechts die weiteste Verbreitung finden und allen Denen in Fleisch und Blut übergehen, in deren Hand ein Theil, und sei es ein noch so kleiner Theil, ihrer Ausführung, ihrer Uebersetzung in der Praxis, liegt. Ganz von selbst werden die utopischen Töne dann auSgeschaltct werden und die bleibenden Grundsätze festere Form und sichere Autorität gewinnen. Begegnet schon da- Völkerrecht vielfach einer großen Geringschätzung, so ist die Politik vollend» vfficiell au« der Armee verbannt. Die politischen Körperschaften bestimmen tropfenartigen Knospen und Blüthen als die blutigen Thränen des Herrn am Kreuz." Am Bache Kidron hat, wie die Sage berichtet, der Heiland voller Angst in das Blatt des Teichrohrs gebissen, so daß diese« heute noch einige Lücken, anscheinend von drei Vorderzähnen herrllhrend, aufzuweisen hat. Nach Schulenburg's Mittheilung ereignete sich diese Thatsache erst tags darnach, nämlich „als Christus am Kreuze hing, steckten die Juden auf das Rohr einen Schwamm und tränkten ihn mit Essig oder Psop, bitter und sauer, denn es sollte ihm nicht schmecken. Da sprach Christus: Es ist vollbracht! — und biß in das Blatt. Darum ist im Rohrblatt deutlich zu sehen, als hätte es Einer mit den Zähnen durchgebiffen." Das Rohr oder Schilf (aruncko) ist überhaupt ein Sinnbild der Gebrechlichkeit, und gerade dieses Umstandes wegen scheint man dem verhöhnten König der Juden ein langes Rohr als Scepter zwischen die gefesselten Hände ge zwängt zu haben. Der rohe Act der Geißelung, von den gefühl losen Kriegiknechten au-gefllhrt, wurde laut einer süddeutschen Legende mittels Weidenruthen vollzogen. Betrübt sah Jesu- nach dem Baume und seufzte: „Traure, Weide!" Als er nun jener wilden Rotte Wuth erlag und sich die schlanken Zweige mit seinem Blute färbten, da durchschauerte es den Baum, und seine langen Sprößlinge hingen trauernd zur Erde. In steter Trauer, mit herabhängenden Zweigen steht darum heute noch diese Weide da, wie e« ihr einstens Christus zur Strafe auf erlegt hat. Ganz und gar untröstlich, sucht nun die trauernde Salix dah^lonica ihr schwere- Unrecht mit folgendem Klageliede zu büßen: „Eine« liegt mir auf dem Herzen, Eine« kann ich nicht verschmerzen, Daß ich darbot jene Ruthen, Die den Heiland machten bluten. An der Säule festgebunden, Litt er tausend tiefe Wunden, Die ich meinem Herrn geschlagen; Dessen mutz ich ewig klagen. Darum sinkt in Butzgebärde Mein Gezweig» tief zur Erde.» Bereits im nordischen Alterthum galt die Weide als Sinn bild von Tod und Sterben, und der biblisch« Sänger sagt im 132. Psalm im Hinblick auf Israel« babylonische Gefangenschaft: „An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir Zions gedachten. Unsere Harfen hingen wir an die Weiden, die darinnen sind." Aber auch die gewöhnliche Weide (Salix krasili«) spielt in der Passionsgeschichte eine denkwürdige Rolle. Als sich nämlich der Verräther voller Verzweiflung das Leben nahm, soll er sich zu diesem Zwecke an einem Weidenbaume erhängt haben, weshalb dieser seitdem nie Hochwachse, ja als krüppelhafter Stumpf zeitig hohl werde, wie sich Schwabens ländliche Bevölkerung erzählt. Nach mecklenburgischem Aber glauben wiederum knüpfte sich JudaS an einem Hollunderbaum auf, wovon die Blätter desselben heute noch durch ihren eigen- thümlichen Geruch berüchtigt sein sollen. Heißt doch auch der sich an diesem Holzgewächse bildende Schwamm in vielen Ge genden „Judatohr". 8. April 1898. die Größe deS Heere«, die Besoldung der Officiere, die poli tischen Körperschaften beschäftigen sich außerordentlich häufig mit militairischeu Angelegenheiten — aber im Heere darf sich Niemand mit den politischen Körperschaften beschäftigen. Die Officiere sollen das Eindringen der Socialdemokratie in die Armee bekämpfen, ohne sich eigentlich über da» Wesen der Socialdemokratie unterrichten zu können. Daß die officielle Politiklosigkeit de« Officiercorps praktisch einfach unmöglich ist, unterliegt nicht dem geringsten Zweifel. Mit den Leuten, welche die Zahl und Besoldung der Osfi- ciere feststellen helfen, mit den Leuten, welche oft die schwersten Vorwürfe gegen daS OssicierScorvS erheben, sollte sich der Geist der Officiere gar nicht beschäftigen? In der Thal kann man in unseren OfficiercasinoS genug politische Ge spräche hören, und die Politik beschäftigt die Geister doch mehr, als man anzunehmen geneigt ist, wenn sie auch selbst verständlich mit großer Vorsicht und Zurückhaltung betrieben wird. Das ganze officielle Nichtpolitisiren des OfficierS be schränkt sich heute eigentlich darauf, daß er eS in der Gesell schaft möglichst vermeidet, in daS politische Gespräch einru- greifen; im engeren Kreise aber wird auch zwischen Offi- cieren und Civilisten schließlich da« politische Gespräch scharf genug geführt. Endlich giebt eS doch auch im OfsicierS- corps manches Amt, das geradezu einen tüchtigen Politiker erfordert — der Kriegsminister ist nicht der einzige, und selbst wenn er es wäre, so wäre diese Stellung im Grunde ge nommen schon absolut widersinnig — ein Mann, der sich sein Leben lang vfficiell nie und nimmer mit Politik be schäftigen und nun plötzlich einen wichtigen Tbeil der Reichs politik leite» und mit größter Umsicht und Sachkenutniß vertreten soll! Und auch der beste Soldat kann, sobald er in eine politische Stellung gerückt wird, nicht nur gehorchen, auch er muß selbstständig handeln können und große politische Fähigkeiten und Kenntnisse entwickeln, die wahrlich nicht über Nacht kommen. Durch die officielle Politiklosigkeit ist der Officier heute aber zum politischen Dilettantismus schlimmster Sorte ver- nrtheilt. Und gerade heute', da der Officier einen Theil des Kampfes gegen die Socialdemokratie zu führen hat, bedarf er einer sehr viel weiteren politischen Einsicht und Umsicht, als die ihm gemeinhin zu Gebote stehende; mit der einfachen Ausführung des Befehl-, socialdemokratische Schriften aus der Caserne zu verbannen, ist so gut wie nicht- gethan^ die verbotene Frucht ist süß und die Jagd nach Flugblättern umgiebt diese selbst mit einem gewissen Nimbus. Wenn an die Stelle des unterdrückten Flugblattes nichts Positives ge setzt wird, so bleibt der Soldat, trotz aller schönen Reden von Vaterlandsliebe und KönigStreue bei festlichen Anlässen, nach Beendigung seiner Dienstzeit, waS er vorher gewesen ist; sein politischer Horizont ist um nichts erweitert, er be schränkt sich auf die früher empfangenen Lehren der Social demokratie, zu denen höchsten- die aus eigener Anschauung geschöpfte Erfahrung tritt, wie gefürchtet diese Partei ist. Sicherlich soll daS Heer nicht zu einer politischen Lrhr- Jene zweigverschlungene Dornkrone, welche man dem Messias auf das Haupt setzte, bestand angeblich aus Weißdornschößlingen. In England und Frankreich steht daher der sonst so unscheinbare Strauch (Orataexus) in hohem Ansehen. In letzterem Lande herrscht in den bäuerlichen Volksschichten die abergläubische An sicht, daß der Weißdornstrauch in der Nacht zum Charfreitag stöhnende Klagelaute hören lasse, um die Menschheit alljährlich aufs Neue an des Erlösers Kreuzestod zu erinnern. Deutschlands Volksglaube läßt die stachelige Bekrönung des Heilands aus dem harten Kreuzdorn gewunden sein. Der Schlehstrauch jedoch sträubte sich, al« ihn die rohen Hände brechen wollten; weil er aber der ungestümen Gewalt nicht widerstehen konnte, ward er tief bekümmert bei dem Gedanken an seine Verwendung zu solch grausamer Handlung. Christus erkannte das berechtigte Mitleid des schwachen Dornbusches, wandte dankbar seinen Blick gegen ihn und sprach: „Was kannst du dafür, wenn rohe Hände einen Kranz von deinen Zweigen flechten, ihn mir aufs Haupt setzen und mit einem Stabe die spitzen Dornen in Stirn und Schläfe treiben? Zum Zeichen deiner Unschuld sollen die Engel dich umkleiden mit einem weißen Blüthenkleide, heute, und wenn der Gedächtnißtag an meine Leiden wiederkehrt." Diese gött liche Verheißung erfüllte sich denn auch sofort, und mit jedem neuen Lenze sieht man vor allen anderen Sträuchern den Schleh dorn im schneeweißen Blüthenkleide prangen. „Dorn, das Blut hat die geschafft Mildes Rosenglühen. Ja, sein Blut hat Wunderlraft, Macht selbst Todtes blühen.- Nach der volksthümlichen Meinung der havelländischen Wenden soll sogar das starke Kreuz Christi aus Kreuzdorn ge macht worden sein, darum sei gegenwärtig noch wahrzunehmen, daß sich die spitzigen Auswüchse dieses hartholzigen Strauches ebenso untereinander gegenüberständen, wie einstens des Heilands Hände auf dem Marterholze festgenagelt gewesen seien. Die ländlichen Bewohner Tirols sind der Meinung, daß jene« Kreuz auf Golgatha aus einem zum mächtigen, uralten Stamme heran gewachsenen Reis vom paradiesischen „Baum des Lebens" ge zimmert wäre, und das biedere schottische Bergvolk erzählt sich wiederum, man hätte die Zitterpappel zu dieser herzlosen That herangezogen, weshalb die Zweige und Blätter derselben heute noch nicht zur Ruhe gelangen könnten. Jndeß, dieses augen fällige Bewegungsspiel der rastlosen Espenbüsche hat einen anderen Grund, den Panzer in einer oberpfälzischen Sage folgendermaßen erklärt: „Alle Baume trauerten über den Tod Jesu, nur die Espe nicht, darum muß sie ewig zittern, auch wenn sich da- Laub anderer Bäume nicht regt." Als die rohen Kriegsknechte Christum zur Richtstätte führten, wollten sie ihn hier erst, wie e« damals Sitte war, „sperr beinig" ans Kreuz schlagen; nur ein zuschauender Egypter, oder wie wir sie jetzt nennen, „Zigeuner", hatte Erbarmen und praktizirte durch seine geheime Kunst einen der vier Nägel aus dem Korbe. Da- gewahrte Christus und rief dem Wohlthäter zu: „Ich weiß, was du jetzt für mich gethan, und zum Lohne dafür soll deine Kunst in deinem Stamm sich bi» an den jüngsten S2. Jahrgang. anstalt werden, sicherlich sollen die Leute hier nicht auf irgend ein andere- Programm eingedrillt werden. Aber anderseits ist die Dienstzeit nun einmal die Hochschule ve- gemeinen Manne«; im Dienst erweitert sich seine Kenntniß, sein Gesichtskreis nach den verschiedensten Richtungen — nur nach der politischen Seite soll er gar keine Aufklärung er fahren? DaS Problem ist außerordentlich schwer, da» soll unumwunden zugestanden werden. Aber aus den Reihen der Officiere selbst werden Stimmen laut, die bezeugen, daß in der alten Weise nicht dauernd fortgefahren werden kann, daß man dem Soldaten nicht nur etwa« nehmen kann, ohne etwas Andere« an seine Stelle zu setzen; denn die schönen Festreden und der ancommandirte Patriotismus allein sind bald vergessen, die Entfernung socialistischer Schriften au- der Caserne, daS Verbot de« Besuches socialdemokratischer Kneipen allein machen au« dem jugendlichen Socialdemv kralen nicht plötzlich einen Mann, der mit einigem politischen Verständniß, mit einiger UrtheilSfähigkrit seinen Wahlzrttel in die Urne werfen darf. Und da der „gemeine Mann" an keiner anderen Stelle über da« Wesen unserer Verfassung, über den Parlamentarismus, über die Bedeutung der Wahl und die Vertretung seiner und der LandeSinlerrffen un parteiisch aufgeklärt wird, da er alle andere über die Volks schule hinauSgehende Bildung im bunten Rock fick aneianet, so muß ihm auch über diese Fragen eine vernünftige, sach liche Aufklärung während der Dienstzeit werden. Der Officier soll keine Parteipolilik treiben, er kann und darf sich aber auch politischem Verständniß nicht verschließen, hat er doch selbst eine der wichtigsten socialpolitischen Aus gaben zu erfüllen. AuS OfficierSkreise» selbst erschallt daher der Ruf nach einer gewissen politischen Ausbildung de« Offi cierS auf der Kriegsschule. Nicht gering ist heute in großen Uiiiversitäls u id Mili- tairstädten die Zahl der älteren Officiere, die bestrebt find, in den Universität-Vorlesungen über Völkerrecht und Politik, Staat-recht und Socialpolitik einen tieferen Einblick in diese Fragen zu thun, größer noch naturgemäß die Zahl Derer, die durch private« Bücherstudium in dre Materie einzudringen suchen. Im Ganzen aber werden beide Wege doch schließlich nur von wenigen Ofsicieren beschritten. Erst wenn die Kriegsschule sich der Sache in dem erforderlichen Maße an nähme, würde das Verständniß für diese Fragen in dem ganzen Officiercorps hinlänglich verbreitet werden. Wie gesagt, die großen Schwierigkeiten, gerade in der politischen Ausbildung da» richtige Maß zu finden, ins besondere die socialpolitische Aufgabe der Officiere diesen selbst in ihrer ganzen Bedeutung vorurtheilslo« vor Augen zu führen und sie wiederum zu richtiger Verbreitung der nothwendigen politischen Einsicht zu befähigen, sind außer ordentlich groß. In erster Linie erfordert die Aufgabe einen hervorragend feinen Tact der Officiere selbst; aber die Männer, die im öffentlichen Leben den inneren und äußeren Tact am meisten für sich in Anspruch nehmen, müssen sich gerade darum auch dieser schweren Aufgabe gewachsen zeigen. Tag forterben." Aber auch die unvernünftigen Creaturen fühlten Mitleid, die Vögel flüchteten schweigsam in das nächste Dunkel des Waldes, um nicht Zeugen sein zu müssen jener menschlichen Frevelthat, nur die freche Elster zeigte sich gefühllos und flog fröhlich aufwärts, dem leidenden Gottessohne zu Spott und Hohn ihre melodische Stimme weithin erschallen zu lassen. In diesem Augenblick traf sie der Fluch: das bisherige pracht volle Gefieder ward ihr genommen, und ihr herrlicher Gesang verwandelte sich in ein wüstes Krächzen. Theilnahmsvoller be wies dagegen sich zunächst der Storch, der, des Gekreuzigten Qualen bemerkend, sofort herbeiflog und laut schrie: „Stärket und helfet ihm!" Seit jenem Tage wird dieser langbeinige Friedensbote überall, wo er einkehrt, mit Jubel empfangen, und kein zerstörender Blitzstrahl trifft je sein Nest. — Noch auf merksamer war der in düsteren Fichtenwäldern lebende Kreuz schnabel, der, wenn auch erfolglos, versuchte, mit seinem Schnabel die eisernen Nägel aus Jesu Händen und Füßen zu ziehen. „Für den guten Willen verlieh ihm der Heiland die Auszeichnung, daß er fortan in der Christnacht aus dem Ei kriechen dürfe, und die Kraft, Flüsse und Gicht an denjenigen Menschen zu heilen, mit denen er einen Raum gemeinschaftlich bewohnen würde. Von dem Versuche, dem Heilande zu helfen, erhielt er den ge kreuzten Schnabel." In gleicher Weise geschäftig zeigte sich das niedliche Rothkehlchcn, darauf bedacht, die tief eingebohrten Haken der Dornenkrone aus des Leidenden Haupte zu ziehen Es verwundete sich bei dem schwierigen Unternehmen. „Und seitdem blieb Brust und Kehle , Diesem Vöglein blutesroth. Zur Erinnerung an die Hilfe, Die s am Kreuz dem Heiland bot.« Aber selbst weniger vollkommene Thiere können sich rühmen, am Charfreitage auf Golgatha vertreten gewesen zu sein, so z. B. die Eidechse, welche herbeikroch, um mit ihrer Zunge das herabtropfende Blut des Erlöser« aufzulecken, weshalb ihr dieser zum Danke dafür ein wichtiges Wahrzeichen in die Gebeine legte, wie aus den Vorarlberger Alpen berichtet wird, wo es heißt: „Die Hegqoas (Heckengeis, Eidechse), glaubt da» Volk insgesammt, hat rin Gerippe, welches das ganze Leiden und Sterben Jesu Christi, d. h. alle Marterwerkzeuge darstellt: Hammer, Nägel, Leiter, Kreuz, Geißelstock und Dornenkrone." Eine ähnlich« Anordnung soll man auch im Kopfe des Hechts wahrnehmen, weil dieser einstmals wie von Reue auf den Grund schoß, als er den Heiland auf dem „Schmerzenswege" bemerkte Schließlich sei auch nock jener viel bewunderten Pasfion«blume (?«"«iklnrg) gedacht, welchk, aus Brasilien stammend, in ihren markigen Staubgefäßen und Stempel ebenfall» täuschende Nach ahmungen der biblischen Marterwerkzeuge von Golgatha auf weisen soll. Sie sproßte ursprünglich unterm Kreuze Jesu da hervor, wo da« unschuldige Blut uiedertropfte. „Nllgel, Speer und Dornenkrone, " ' Die den Gott gepeinigt wild, Liegen in dem Blüthenthrone, Von den Blättern ring« umhüllt.-
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