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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.02.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960224025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896022402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896022402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-02
- Tag1896-02-24
- Monat1896-02
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Größere Schriften laut unserem Prei - verzeichniß. Tabellarischer «ad Ziffern'»^ nach höherem Daris. Extra»Vetlaaen (gesalzt), >ur mit d<r Morgen»Au-gab«, ohne Postbesörderung ^l KO—, mit Postbesörderung 70.—. Ännalsmefchluß fir Äiyeigru: Abend»A«sqab«: Vormittags 10 Uhr. Marge «»Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Für die Moutaa-Morgrn.AuSgabe.- Sonnaoeud Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je »ine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an dl« Expedition zu richten. Druck und Verlag von T. P olz in Leipzig. ^W. Montag den 24. Februar 1896. SV. Jahrgang. Amtlicher Theil. Ortskrankcncasse bctr. An die Herren Arbeitgeber bezw. Conten.Inhaber bei der Orts» krankencasse wird mit Rücksicht daraus, daß die Beteiligung an der vom 25. bis 28. Februar er von Mittags l2 bis Abend- */,10 Uhr stattfindenden Wahl der Arbeitnehmer» Vertteter zur General versammlung eine große zu werden verspricht, die Bitte gerichtet, den in ihren Betrieben beschäftigten Mitgliedern der Orts krankenkasse, insoweit sie an der Wahl theilzunehmen wünschen, die Ausübung der Wahl, wenn thnnlich in den Nachmittags stunden durch lkrtheiluug entsprechenden Urlaubes hierzu zn ermöglichen. Es soll damit dem Andrange in den Abendstunden, der er fahrungsgemäß nur mit Schwierigkeiten zu bewältigen ist, aus Btlrieb-rlicksichten begegnet werden. Leipzig, am 22. Februar I8S6. Die Ortskrankencaffc für Leipzig und Umgegend, vr. Willmnr Schwabe, Vorsitzender. Bekanntmachung. Tie lkrstcher der Hölzer in den städtischen Forstrevieren werden hierdurch zur ungesäumten Abfuhre ausgesordert, widrigen falls nach den Licitationsbedingungen verfahren werden müßte. Leipzig, am 22. Februar 1896. TeS Raths Forstdepntation. Politische Tagesschau. * Leipzig, 24. Februar. Am Schluß der RcichStagösiizung vom 20. d. M. wurde von Nationalliberalen, vom Centrum, von Conservativen und von Freiconservativen der dringende Wunsch ausgesprochen, für beute die Zuckersteuervorlage auf die Tages ordnung zu setzen. Dieser Wunsch wurde in zutreffender Weise damit begründet, daß die Landwinde wissen müßten, woran sie mit der Zuckersteuer in der näcksterk Campagne wären, und daß die einfachste Rücksicht auf die Landwirlbschaft die baldige Entschließung über den Gesetzentwurf gebiete Am Sonnabend aber hat der Reichs tag auf Beschluß seines Seniorenconvents eine Pause in seinen Sitzungen eintreten lassen, ohne jenen berechtigten Wunsch zu berücksichtigen. Das ist um so auffälliger, als dasselbe C en t rum, das am Donnerstag jenem Wunsche durch den Abgeordneten Or. Lieber hatte Ausdruck geben lassen, auf den Vertagungsbeschluß des SeniorenconventS einen wesentlichen Einfluß geübt bat. Es scheint sich zwischen der Reichstagssitzung vom 20. ds. und dem Beschlüsse res SeniorenconventS mi Centrum hinter den Coulissen elwaö abgespielt zu haben, waS den Eifer dieser Fraktion, den land- wirthlchafllichen Interessen zu dienen, abgekühlt bat. Vielleicht wirb man nach der Pause erfabren, WaS diese Abküdlung des Centrums veranlaßt hat; jedenfalls bat sich diese Fraktion den Dank der Landwirlbschaft nicht verdient. — Wenn man überschaut, was der Reichstag in der Zeil von der Wieler- aufnahme der Berathungen nach den Weihnachtsferien bis jetzt geleistet ist, so wird man eine völlig abgeschlossene größere Arbeit nicht vorfinden. Lediglich eine Ergänzung zu dem internationalen Uebereinkommen über den Eifenbahnsrackt- verkchr und ein Entwurf, betreffend die Controle deS Reichsbaushalts u. s. w. für 1895/96, sind zu Stande gekommen. Ein sehr bedeutender Theil der zur Ver fügung siebenden Zeit ist auf die zweite Lesung des ReichShauShaltSetatS verwendet. Dabei ist dieser noch nicht erledigt, nach der Pause werden namentlich die Colonial- und Marinevebatten beginnen. Es gewinnt fast den Anschein, als wenn die an die einzelnen EtatStite! anknüpfenden Er örterungen sich von Jahr zu Jahr mehr ausdehnten. So zweckmäßig auch die Discussionen über sonst nicht in den parla mentarischen Nahmen bineinzubringeude Gegenstände sind, so ist doch wohl zu bedenken, daß hierbei ein gewisses Maß nicht überschritten werden darf, wenn nicht die eigentliche gesetz geberische Arbeit Schaben davon haben soll. Im Uebrigrn ist eine ganze Anzahl erster Lesungen vorgenommen worben. Es sind in dem erwähnten Tagungsabschnitle zur ersten Beratbung gelangt: der Börsen- uov der Tepor-Gesetzentwurs, der Eniwurf über die Margarine, die Novelle zum Gericht«- Verfassungsgesetz und zur Strafproceßordnung, die Novelle zur Gewerbeordnung und vor Allem daS Bürgerliche Gesetz buch. Die Commissionen, an welche diese Entwürfe sämmtlich mit Ausnahme der Gewerbeordnung-Novelle verwiesen sind, haben in der letzten Zeil zahlreiche Sitzungen abgebalten. Von den Regierungsvorlagen noch nicht zur Erörterung gelangt sind daS Zuckersteuergesetz und die Denkschrift über die Schutzgebiete. Die letztere wird wobl bei den zu er wartenden Colonialdcbatten ihre Erledigung finden. Im großen Ganzen hat der adlaufende Tagungsabschnitt für die Durchführung der gesetzgeberischen Arbeit einen lediglich vor bereitenden Charakter gehabt. Die im December v. I. von unS gebrachte Meldung, daß der Entwurf über die Organisation Les Handwerk» so weil gediehen sei, daß er bald nach Weihnachten der gesetz geberischen Behandlung zugkführt werden könne, war inso weit zutreffend, als zu jener Zeit im preußischen Handels ministerium eine Vorlage sertiggestellt war. Man hat jedoch vorgezogen, das Elaborat nochmals von einer Zwischen commission überprüfen zu lassen. Diese hat unter dem Vorsitz des Geh. OberregierungsrathS Sirsferl getagt und in zahlreichen Sitzungen eine Reibe von Abänderungen be schlossen, die die Erzielung eines Einverständnisses der ent scheidenden Stellen in Preußen und rm Reiche nicht un erheblich erleichtert haben dürften. Die von Herrn Siefferl soeben auf dem Verbandstage der westpreuß,scheu Bau innungen abgegebene Erklärung, daß der ausgearbrilete Organisationsplan noch immer als das „unverbindliche" Projekt des preußischen HandelöministerS anzufehen sei, scheint nunmehr nur eine formelle Bedeutung beanspruchen zu dürfen. Derselben Erklärung zufolge wird ein formulirter Antrag Preußens voraussichtlich Ende März dem BunreS- rath zugeden und gleichzeitig veröffentlicht werden. Einst weilen gewinnt man aus den Mtllbettungen des Geh. Raths Sieffert die Gewißheit, daß obligatorische Innungen nur dort gebildet werden sollen, wo das Vorhandensein einer genügenden Anzahl von Fachgenossen eine gewisse Leistungs fähigkeit der Zwangsvercinigungen gewährleistet, und daß als eigentlicher „Unterbau" für die Handwerkskammern locale Handwelksausschüsse gebildet werden sollen, bestehend aus Vertretern der Innungen und der nicht in Innungen organisirten Handweiker. Ferner wird ersichtlich, daß die Besugniß, Lebrlinge zu halten, von der Ablegung einer GeielUnprüsuag abhängig gemacht wird. Ein solcher Befähigungsnachweis kann ernstlichen Bedenken kaum begegnen, las ,st billig, daß der, oer lehren will, darthut, daß er gelernt hat. Die Vorschrift würde auch im Ver gleich zu dem jetzigen Zustand nach keiner Seite hin Härten im Gefolge haben. Nach den Slichprobenerhebungen, die s. Z. eingebend von unS erörtert worden sind, batten erheblich über 90Proc. der Handwerker eine zwei- bis vierjährige Lehrzeit durck- gemacht, wären also auch wobl im Stande gewesen, sich der Ge sellenprüfung mit Erfolg zu unterziehen. Zwei Drittel dieser Handwerker, die den Voraussetzungen, an die künftig da- Recht der LehrlingSbaltung geknüpft werden soll, tbatläcklich genügen würden, arbeiten aber der Regel nach odne Lebrlinge. Man wird demnach nicht sagen können, der Befähigungs nachweis für Lehrmeister sei der verkappte Befähigungsnachweis für die Ausübung deS Handwerks. Der Ausfall der Präsidentenwahl im Oranje »Frei staat — e« siegle bekanntlich der bisherige Richter Steyn über den Vorsitzenden deS Volksraades, Fraser, mit großer Mehrheit — bat unter den Verbältnissen, die jetzt in Südafrika berrschen, seine besondere Bedeutung. ES bandelte sich darum, ob das Boerenelement, das seine Augen nach der südafrikani schen Republik gerichtet bält und aus eine Verbindung der beiden Staaten binarbeilet, seinen Verlierer durchdringen würde, oder ob die englandfreundliche Partei, die die Zollunion mit der Capcolonie aufrecht erhalten will und auch den Einflüssen der englischen großafrikanischen Pläne nicht unzugänglich ist, ihr Ucbergrwicht behaupten würde. DaS Land bat sich für den Boerencandidatrn Steyn entschieden. Wie stark die Strömung gegen England geht, war schon lange vor den Wahlen zu erkennen. Im Lande wurden die Stimmen der Wahlberechtigten gesammelt, und schon am 20. Januar hatten sich 7500 für Steyn und nur 2000 für Fraser erklärt. Auch im Orange-Freistaat war man durch die Annexion von Amatonaatand, mit der die Eng länder im vergangenen Jahre die Aufsaugung der südafrikanischen Gebiete fortsetzlen, stutzig geworden, und der Jameson'sche Zug gab dann den letzten Stoß. „Die kürzlichen Ereignisse," so erklärte Steyn jüngst vor einer Versammlung in Bloemfontein, „wiesen mehr denn je darauf bin, daß die Vertbeidigunz unserer Reckte ebenso wie unserer Unabhängigkeit einzig von den Bürgern abbängt, daher ist es die Pflicht der Landesregierung, die kommende Generation mit dem Gebrauche der Feuerwaffen frühzeitig bekannt zu machen, was am besten durch Unterstützung von Schützen vereinen und Hebungen geschieht." Er schloß seine Rede mil folgenden Worten: „Möge der Taz stet« fern bleiben, an welchem der Afrikaner sein Gewehr und seine Bibel vergißt." Nun ist dieser Mann, der so energisch für die Kampfbereitschaft gegen jede Antastung der Landesfreiheit eintiat, an die Spitze des Staates berufen worden. Unter seiner Führung wird der Orange-Freistaat einen möglichst engen Anschluß an Transvaal anstreben und sich politisch und wirthschaftlich von dem Einfluß CaplandS freizumachen suchen. Die weitere Perspective gehl auf eine völlige Einigung der getrennten Staaten und auf eine nationale Verbindung aller Boeren- elemente in Südafrika. Wer hat am 20. Februar in Frankreich gesiegt? Da radicale Cabinet oder die revolutionaire Socialdemokratie? Tie Radikalen frohlocken und sind stolz auf den Ruck nach link-, den ter Staatswagen wieder gemacht hat. Allein sie überseben, wie die Mehrheit für das Cabinet Bourgeois am 20. Februar zu Stande kam. Es hatte, worauf wir schon bin- wiesen, nicht mehr wie am 13. Februar eine Mehrheit von 93, sondern nur von 42 Stimmen, noch richtiger von 33, da neun Minister sich unter den 42 Abgeordneten befanden, Dank denen die Tagesordnung Sarrien (Bestätigung de- Vertrauens votums vom 13. Februar) den Vortritt vor der einfachen Tage«- ordnung erhielt. Auch die Abstimmung über daS Ver trauensvotum selbst ergab nur eine Majorität von 124 gegen 283 am 13. Februar, und der Justizminister Ricard entging einem Tadelsvotum nur mit 75 Stimmen, nach Abzug der Ministeriellen, von bloß 66 Stimmen. Er, und wahrscheinlich das ganze Cabinet, hätte um ein Haar vom Schauplatz abtreten müssen, wenn nickt die 60 Socialisten den Au-scklag ge geben hätten. So sind diese, gegen deren Theorien der Ministerpräsident sich mehrmals so entschieden verwahrt bat, daß sie ihrerseits aus ihrer Absicht, ihn nur so lange zu dulden, als er ihnen al« Lückenbüßer bequem wäre, kein Hehl gemacht, jetzt die Hauptstütze des Ministeriums Bourgeois io der Kammer. Die Minister Bourgeois und Mrsureur, welche die Lage natürlich sofort erkannt haben, machen denn auch kein Hehl darau-, daß sie die Maske der Opportunität, welche sie bisher nur wider willig getragen, um sich am Ruder zu erhalten, abarworfen haben und im Begriff sind, die Fahne der rotben Republik aufzupflanzen. Wir erhalten hierzu folgende Meldung: * EhalonS-snr-Marne, 23. Februar. Bei dem Festtnahl, welcher hier au- Anlaß der Errichtung neuer Ateliers der Kunst- gewrrbeschnle starrfand, beantwortete der Ministerpräsident Bourgeois einen aus ihn ausgebrachten Trinkipruch mit einer Aniprache, in welcher er sich über die Ursachen der zwischen den Republikanern au-gebrochenen Spaltung verbreitete. Der Minister führte dieselben auf Mißverständnisses?), welche al-bald schwinden würden, zurück und sprach die Hoffnung auS, daß sich alle Anhänger der Republik vereinigen würden, um den Gegnern der Demokratie entgegenzutreten und den Gei st des Rückschritt- zu bekämpfen. — Der Handelsmiinster Mejureur sagte in seiner Rede, daß das Cabinet Willen- sei, eine forschrittliche und socialistische Politik zu verfolgen. Er hob hervor, da- Ministerium habe den Beweis geliefert, daß die fortschrittliche und socialistische Republik im Stande sei, da- Land zu verwolten; das Cabinet werde nicht- von dessen Interessen und seinem Ruhme opfern. DaS mag sein, aber die Frage ist, ob das socialistische Cabinet Bourgeois in die Lage kommen wird, thatsächlick im Sinne deS focialistischen Programme- zu regieren, ob, vom Senat ganz abgesehen, die' opportunistische Mehrheit ibm auf der schiefen Ebene folgen wird. Schon die letzte Ab stimmung in der Deputirtenkammer ließ, wie gesagt, einen Rückgang der für daS Cabinet abgegebenen Stimmen er kennen. Man darf wohl annehmen, daß dieser Abbröckelungs proceß weitere Fortschritte machen wird. Die Agonie des Ministerium- hat begonnen. Sie kann sich möglicher weise bedeutend in die Länge ziehen, kann aber auch ein unvermuthet jähes Ende finden, wenn die Schwierigkeiten der Lage dem ConseilSprasidenten über den Kopf wachsen. Auf den Beistand de- Präsidenten darf Bourgeois nicht rechnen. Ware Felix Faure dazu geneigt, er hätte schon längst seine Autorität zu Gunsten des Ministeriums in die Waagschale gelegt. Von der Lage ans dem abessinische« Kriegsschauplatz vermag man sich in Folge mangelhaften Nachrichten- und KartenmaterialS eine genau« Vorstellung nicht zu machen. So viel aber läßt sich au< dem Verbalten Menelik'S schließen, raß derselbe bestrebt ist, durch Erregung der eingeborenen Stämme nördlich von Adigrat nicht nur den Zuzug von Verstärkungen ins italienische Lager aufzubalten, sondern auch die Streitkräfte Baratieri'- zu zersplittern. Durch die Verlegung des Lagers südlich von Adua sucht der Negus Vie Italiener zum Verlassen ihrer vorzüglich gesicherten Position zu bewege», um ihnen, während ein Tbeil ibrer Truppen nach Norden Front halten muß, eine für sie ver- F-rrrH-ton. Zeine „dumme" kleine Frau. 8j Roman von F. Klinck-LütetSbnrg. Nachdruck »erboten. „Verzeihen Sie, Herr Amtsrichter, ich meine aber. Sie hätten den Kindern dieses Herrn einen besseren Dienst geleistet, wenn Sie den Fall vor daS richtige Forum gebracht." „Sie meinen? Ich versichere Sie, in L wäre der erst recht verdonnert worden. Dort kennen die Herren diesen Kunden wie einen bunten Hund." „Aber — wie ist daS möglich? Es ist mir selten ein Mann vorgekommen, der mir einen gleich fympatbiscken Ein druck gemacht. Ich bin während der Verhandlungen ganz Bedauern gewesen. Ich war empört über die wahrhaft ge meine Form der Anklage, nickt weniger hegen Sie, der Sie den Biedermann Mit dem Meineid durchließen. Sie glauben doch selbst nickt, daß dieser Kerl überhaupt nur fahrlässig geschworen. Er beschwört, daß Herr von Greifingen ibm Pfingsten die in Rede siebenden Gold- und Silbersacken ab- gesckwindelt, und fünf Zeugen bekunden, daß diese Gegen stände bk'eitS im Januar im Hause de- Angeklagten ge wesen sind." „Na — WaS weiter? Der Mensch bat sich eben in der Zeit geirrt", gab der Amtsrichter nachlässig zurück. „Ich bin fast davon überzeugt, sonst würde er doch meine War nungen sich zu Herzen genommen baden." Der Assessor schüttelte den Kopf. „Ich meine, der Kerl bat Ihnen durch «ine bodenlose Frechheit imponirt, Herr Amtsrichter I" „Ack WaS! Ich hab'- Ihnen ja schon gesagt, College, Sie sind noch zu jung und haben kein rechte- Urtbeil. Der Biedermann ist einfach ein dummer Teufel, der sich von dem schlauen Gegner bat Uber die Ohren bauen lassen." Di» Stimme dc» Amtsrichter- klang gereizt. Der Jüngere war noch immer nicht überzeugt, man sab «S seinem ironisch lächelnven Gesichte an. Dann sagt« «r aber ernsthaft: „Ick kann von meiner Meinung, daß bier, verzeihen Sie, Herr Amtsrichter, ein ungerechte« Urtbeil gesprochen worden ist, nicht abgeben. Ware ich Vertbeidiger des Herrn von Greifingen gewesen, wahrhaftig, Sie hätten, ich vrr- sichere Sie, einen etwas härteren Stand gehabt und Bieder mann wäre nicht frei aus dem GerichtSsaal gekommen." Die Worte des jüngeren College» schienen den Amtsrichter mächtig zu verdrießen. Er blickte den Assessor beinahe grimmig an, indem er hastig bervorsprüdelte: „Und ich hätte meinen Willen durckgesetzt, College! Die Gerechtigkeit muß ihren Lauf haben und Unsereins läßt sich durch ein angenehmes Aeußere nickt täuschen. Ich gebe ja zu, daß der Biedermann ein Gauner ist, und er wird mir schon noch einmal wieder in- Gehege kommen, wir werden ibn aufs Korn nehmen, aber in diesem Falle war er ent schieden der Betrogene. Lassen Sie sich doch einmal von Herrengrund erzählen, was vorgegangen ist. Der kann's Ihnen sagen. Er bat sogar ein Schriftstück bei den Acten gehabt, auS welchem ganz unzweifelhaft bervorgegangen ist, daß dieser Greifingen genau gewußt bat, was ihm bevorstand. „NecktSanwalt Herrengrund? Sprach dieser mil Ihnen davon, Herr Amtsrichter?" Es lag ein besonderer Ton in dieser Frage, der den Amts richter aufmerksam machte. „Nun — nun, wir sind Freunde, da tauscht man ge legentlich seine Meinungen au-, da- kann gar nicht ver bleiben." „Herrengrund hat Wohl keine gute Meinung von seinem Clienten?" Der AmlSrickter lachte. „Ja, waS soll man dazu sagen? WaS ist eine gute Meinung? Er hält ibn keineswegs für einen Ehrenmann, wenn er auch nicht gerade mir be,pflichtet. Dieser Greifingen ist in meinen Augen ein ganz gefährlicher Patron, denn jein Aeußere- kann nur rin Ehrenmann in des Worte- vollster Bedeutung, ober — ein rajfinirter Hochstapler haben. Sie wollen mir wohl nicht zumuthra, daß ich den ersteren in ihm sehen soll. Mit schrillem Klang rief »sie Handglocke den Kellner an den Tisck de- Fremden, welcher bei den letzten Worten der zwischen beiden Herren geführten Unterhaltung von seinem Platz« sich erbeben hatte. Er richtete eine Frage an den Herbeigekommenen. „Danke", sagte er in freundlichem Tone auf die empfangene Antwort. Mtt wenigen Schritten batte er dann den Platz erreicht, an welchem der Amt-richter und der Assessor Platz ge nommen. „Mein Herr", Sie sind ein unverschämter Lügner und frecher Verläumder", donnerte er dem Amtsrichter entgegen. Einen Augenblick starrte ihn dieser an, dann sprang er auf, da- bleiche, allezeit sich gleich bleibende Gesicht von Wuth verzerrt. „Sie wagen?" „Ja, ich wage, al- Freund deS soeben in niedrigster Weise von Ibnen verläumdeten Herrn von Greifingen meine Worte zu wiederholen. Hier, meine Karte. Ich erwarte Ihren Canelträger." Amtsrichter Dörner nahm dir Karte, welche der Fremde bereit- auf dem Wege nach dem Tische seinem Portefeuille entnommen hakte, entgegen, griff dann in die Brusttascke seines Rockes, erinnerte fick aber, daß er keine Karte mit sich führe. Er blickte auf den Assessor. Dieser verstand ibn. Er zog ein Visitenkarten-Etui hervor und überreichte eS dem Antt-rickter mit einem Crayon. Börner durckstrich den Namen deS College« und setzte den seinen an dessen Stelle. Tann übergab er die Karte dem ihm so unverhofft erstandenen Gegner. Eine Verbeugung driverseit- — der Fremde verließ di« Weinstube. „Ernst von Rötlingen, Kaufmann au- New-Dork", la ber Amtsrichter. Der Assessor warf einen raschen, verwunderten Blick auf die Karte. „Ernst von Rötlingen!" rief er dann auS. „Also dock! Der Fremde kam mir seltsam bekannt vor. Ist e- möglich?" „Sie kennen den Herrn?" „Ob ick ibn kennel Wir haben zusammen eine Schule besucht, d. h. er al- Primaner und iw als Quintaner und Llnartanrr. Ick bin ihm zu großem Dank verpflichtet. Er hat mich die paar Jahre in jeder Weise protegirt, nickt nur, indem er den etwa» sckwächlicken Knaben vor mancher Trackt Prügel gereitet, sondern auch durch di« uneigennützigste Förderung im Schulunterricht, welch« mich vor einem Toppel- CursuS in der Qinta bewahrte." Der Amtsrichter nagte an seiner Untrrlippe, indem er sich wieder aus seinen Sitz nirderließ. „Kaufmann au- New-Morl", fügte der Assessor hinzu, wie er nur dazu gekommen >sl? Er war Ossicier." Ein spöttische» Lächeln umspielte die Lippen deS Amts richter«. „Vermuthlich aus eine höchst einfache Art. Wenn er ein Freund diese- Greifingen ist — Da- Gesicht de- Assessor« nahm einen sehr ernsten Aus druck an. „Ich muß Sie bitten, Herr Amt-richter, nicht den Ver such zu machen, einen Mann zu verdächtigen, den ich ganz besonder- bocksckatze. AlS der Sohn eine- OfficierS, der vor Sedan als einer der Tapfersten gefallen ist, nahm er zwar bei den Lehrern eine bevorzugte Stellung ein, aber ich habe von seinen Mitschülern mehr al« einmal gekört, daß er sie um seiner persönlichen Eigenschaften willen in reichem Maße verdiene. Sollten Ihre vorbin gesprochenen Worte von einer „einfachen Art" vielleicht eia Mißtrauen gegen Ernst von Röt lingen andeuten, so müßte ick diese- ganz entschieden zurück weisen. Sein solider, redlicher Charakter ist über jeden Zweifel erhaben. Es gab keinen zuverlässigeren, aufopferungS fähigeren Menschen als er war. Sein Eintreten für den Freund ist mir eine Bürgschaft, daß mein Uribeil über Herrn von Greifingen mich nicht getäuscht." Der Amtsrichter hatte die Karte eingesteckt und war be müht, sich einen Schein von Gleickmutb zu geben, die ibn, völlig mangelte. Tie Angelegenheit regte ihn furchtbar auf. Nicht als ob er ein Feigling gewesen wäre, dem es an Muth fehlte, eine Meinung zu vertreten, aber diese Meinung batte eben einen harten Stoß erlitten, und da- war's, wa« ibn beinahe verwirrte. War denn seine Meinung über Herrn von Greifingen etwa nickt eine so tiefgewurzelte, daß sie durch «inen äußeren Umstand so leicht ins Wanken gebracht werden konnte? Er mußte einem Ansturm der widersinnigsten Betrach tungen förmlich mit Gewalt Widerstand leisten und ibnen all' diejenigen Dinge entgegen halten, dir ibn bewogen, seiner Gewohnheit zuwider, über Herrn von Greifingen ein Urtbeil fick zu bilden, noch ebe er den Mann nur ein einzige« Mal aesrben hatte. Wa- waren die« aber für Dinge gewesen? Zunächst WirtbSbauSgespräch«, für welche er immer nur ein überlegene« Lackeln gehabt. Sie waren ibm seit jeher wider wärtig, sobald er die Bemerkung gemacht, daß sie sich mit dem Wobl und Web« der Mitmenschen in aburtheilender Form beschäftigt. U«der Herrn von Greifingen aber war ganz besonder« gesprochen worden, er wußte selbst nicht wie. Tie Allgemeinheit, mit welcher man dem Enterbten jein Schicksal gönnte, batte schon bestimmend auf ihn gewirkt. Dann sprach der Amtsanwalt von dem „dicknäsigen Haupt mann". Derselbe war Amtsrichter Börner keineswegs sympathisch. Ter „Schreiber vom Landrath-amt", welcher nebenbei al- „Staat-anwalr" fungirte und an Termintagen
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