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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.03.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960306016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896030601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896030601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
- Tag1896-03-06
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Rrclamen unter dem Redaction-srrich («ge spalten) 50^, vor den Familiennachrichte» (6 gespalten) 40^- Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Merniap nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen - Au-gabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung X 70.—. Annahmeschlvß fiir Anzeigen: Abend-AuSgab«: Bormittag- 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anreisen sind stet- an dir Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig ^118. Freitag den 6. März 1896. 80. Jahrgang. Vas künftige Bürgerliche Gesetzbuch. XVII. verlöduttz. Eheschlietzung. Bon vr. Zur. W. Brandts. Nachdruck verboten. Mit diesem Artikel betreten wir das Gebiet des Familien- rechtS, über dessen Gestaltung die Anschauungen in den ein zelnen Tbeilen des deutschen Reichs und bei den einzelnen Eonsessionen sehr verschieden sind. Es ist deshalb zu er warten, daß hier die Gegensätze auf einander platzen werden und daß Diejenigen, welche eine Annahme veS Gesetzentwurfs ohne Debatte befürworten, bei dessen viertem Buche aus Widerstand im Ganzen und im Einzelnen stoßen werden. Das Buch beginnt mit dem Satze: „Aus dem Verlöbnisse kann nicht auf Eingehung der Ebe geklagt werden." Dies entspricht dem geltenden Rechte. Die Pflicht zur Vollziehung der Ehe ist nur eine moralische. Das im größten Theile de» Reichs bestehende Recht erklärt aber den ohne Grund von der Verlobung zurücktrrtenden Theil für verpflichtet, den verlassenen Tdcil schadlos zu halten wegen der dem selben entgangenen Besserung seiner Lage. In einigen Staaten, so in Sachsen, Württemberg, Nassau, Anhalt und Rruß ä. L., hat der verletzte Theil allerdings nur einen An spruch auf Ersatz des positiven Schadens, in Bremen und Baden gar keinen Schadenersatz-Anspruch. Fortan soll, wer von dem Berlöbniß ohne wichtigen Grund zurücktrilt, dem anderen Verlobten und dessen Eltern lediglich die Auf wendungen ersetzen, welche sie in Erwartung der Eheschließung gemacht haben. Hierunter würden z. B. Ausgaben für einen Trauanzug, für Reisen und dergl. fallen. Wenn also ein Mann eine Verlobung, während deren langer Dauer die Braut alt geworden und anderweitige Gelegenheit zur Ver- heirathung versäumt hat, aushrbl, weil sich ihm eine so genannte bessere Partie bietet, so soll die verlassene Braut keine andere Entschädigung fordern können, als Auslagen für die oben erwähnten Bagatellen. Sicherlich werden viele Bräute zu stolz sein, von dem Manne, der ihr LebenSglück vernichtet bat, eine Geldentschädigung einzuklagen oder durch ihre Angehörigen einklagen zu lassen. Es ändert aber dies nichts daran, daß der treulose Verlobte nach dem RechtS- bewußtsein weiter Kreise schuldig erscheint, die grundlos verlassene Braut schadlos zu hallen, und es giebt Fälle, in denen man es den Eltern der Braut nicht verargen kann, wenn sie für Sicherstellung ihrer Tochter sorgen. That- siichlich werden solche Ansprüche allerdings nur sehr selten erhoben. Es ist trotzdem natürlich, daß sich gegen den aufgestellten Grundsatz ein lebhafter Widerspruch erhoben hat, welcher zur Folge gehabt, daß in der zweiten Lesung der verlassenen Verlobten ein bedingter Anspruch eingeräuml ist. Aber für welchen Fall nurl Eine unbescholtene Verlobte kann, auch wenn sie einen Vermögen-schaden nicht erlitten, eine billigt Entschädigung in Geld verlangen, wena sie ihrem Verlobten die Beiwohnung gestattet bat und dieser ohne Gründe das Verlöbuiß ausbebt! Für eine Braut, die zwar in einem un bedachten Augenblicke ihrer leidenschaftlichen Liebe erlegen ist, aber noch Schamgefühl hat, ist der Paragraph mit solcher Voraussetzung völlig wertbloS, denn sie wird sich schämen, Anwälten und Richtern mirzutheilen, daß sie sich ihrem Ver lobten preisgegeben hat. Ein leichtfertiges Mädchen wird hingegen kein Bedenken tragen, ihrem Verlobten zu Willen zu sein, vielleicht gar selber ihn zu verleiten suchen, um auf leben Fall der gesetzlichen Vergütung sicher zu sein. Nicht ohne allen Grund, aber über das Ziel hinaussckießend, ist es deshalb gewesen, wenn der Prof. vr. Dernburg (Berlin) in den Sitzungen des Herrenhauses vom 27. und 29. März vorigen JahreS dem Entwürfe eine Prämiirung des Con- cubinats vorwarf. Auch von anderer Seite ist diese Neuerung für verfehlt erachtet worden, z B. auch von dem Senats präsidenten Or. Bingner in Leipzig in seinen lehrreichen Bemerkungen zu dem zweiten Entwürfe. (Sächsisches Archiv Bd. V.) Die Ehe kann nach dem Entwürfe nur vor einem Standesbeamten geschlossen werden. Ein Antrag, daß die kirchliche Form der Eheschließung wieder anerkannt werde, wurde mit Rücksicht auf den von der Mehrheit ein genommenen grundsätzlichen Standpunkt, daß an den Grund lagen des Personenstandsgesetzes von 187b nicht gerüttelt werden dürfe, gar nicht zur Abstimmung gebracht. Der Vorschlag, wenigstens eine kirchliche No thtrauung für die Fälle lebensgefährlicher Erkrankung eines Verlobten, der noch eine Ebe zu schließen wünsche, als gesetzlich giltig an zuerkennen, wurde abgelebnt, weil kein genügendes Bedürfnitz dazu vorhanden sei, und es für bedenklich erachtet wurde, überhaupt eine Ausnahme von der obligatorischen Civilehe zuzulafsen. Im Einzelnen ist Folgendes zu erwähnen. Nach geltendem Recht ist nur die vor einem obrigkeitlich bestellten Standesbeamten geschlossene Ehe giltig. Nach dem Entwürfe soll die Ebe dadurch nicht ungiltig werden, daß sie vor Jemandem geschlossen ist, der zwar baS Amt eines Standesbeamten öffentlich auSüdt, aber in Wahrheit kein Standesbeamter ist. Tie Vorschrift beugt den verhängniß- vollen Wirkungen für Ehegatten und Kinder vor, welche ent stehen können, wenn zum Beispiel ein Magistratsmitglied in der irrigen Annahme, ohne ausdrückliche Ernennung, gleich seinem Vorgänger, Vertreter des Standesbeamten zu sein, eine Eheschließung vorgenommen hat, oder wenn es gar einem Schwindler gelingt, unbefugt das Amt eines Standesbeamten öffentlich auszuüben, wie jüngst in Oldenburg Jemand Jahre lang unberechtigt das Predigeramt ausgeübt hat. Das zur Eheschließung erforderliche Alter ist für den Mann von 20 auf 21 Jahre hinaufaesetzt. Die väterliche Einwilligung zur Ebeschließung soll für junge Männer und Mädchen übereinstimmend bis zum vollendeten 25. Lebens jahre erforderlich sein. Wird sie ohne wichtigen Grund ver weigert, so kann sie, wie bisher, durch das Gericht ersetzt werden. Aber gegenwärtig ist dieses Gericht das Proceß- gericht, in welchem sich Eltern und Kinder, wir feindliche Parteien durch Rechtsanwälte vertreten, gegenübersteben; nach dem Entwürfe ist daS Vormundschaftsgericht dazu berufen, die Sache zu untersuchen und nach Befinden die Einwilligung zu ersetzen. Es ist bieS ein entschiedener Vorzug des Ent wurfes, da die Formen deS ProcesseS für solche Untersuchungen wenig geeignet sind. Die Ebehindernifse werden vom Entwürfe in einer be- merkenswerthen Weise erweitert. Eine Ebe zwischen Onkel und Nichte, Neffen und Tante bleibt zulässig. Neu ist aber das Verbot einer Ebe mit den Eltern oder dem Kinde einer Person, mit der Jemand im außerehelichen Verkehr gestanden hat. Es wird hier eine illegitime Schwägerschafl angenommen. Die Anfechtung einer geschlossenen Ehe soll, wie nach protestantischem Eberechte wesentlich schon jetzt, zulässig sein, wenn ein Ehegatte sich bei der Eheschließung über solche persönliche Eig nschaften oder solche persönliche Verhältnisse des anderen Gatten geirrt hat, die ihn bei Kenntniß der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Zweckes der Ehe von der Eheschließung abgehalten haben würden. Hieraus leitet Prof. Dernburg den schweren Tadel gegen den Entwurf her, derselbe gestalte die Ehe zu einer Verbin dung auf Probe. Wäre dieser Vorwurf zutreffend, so träfe er das geltende Recht, insbesondere bas preußische Landrecht und den Locks Kkpolsou. Nach dem ersten Entwürfe sollte nur der Jrrthum über die Identität der Person einen Grund der Ungiltigkeit der Ebe bilden. Diese Beschränkung war von der Kritik fast übereinstimmend getadelt worden. Es wird also nach dem jetzigen Entwurf Jemand die abge schlossene Ehe als ungiltig z. B. anfechlen können, wenn sich nachträglich herausstellt, daß der andere Theil wegen ent ehrender Verbrechen verurtheilt war, oder baß er an einer unheilbaren ekelhaften Krankheit leibet, und dergleichen mehr. Deutsches Reich. -a- Leipzig, ü. März. Die einzige Gegend Sachsen», in der wirklich „weitere Kreise" von der Opposition gegen die Wahlrechlsordnung ergriffen sind, ist bekanntlich die von altersber politisch freisinnige Lausitz. Nach einer Mitthrilung ter freisinnigen „Zilt. Morgen-Zlg." hat die Petition an den König im Ziliauer Reichstagswaplkreise 6180 und im Löbauer Kreise 5464 Unterschriften erbalten. Außerdem sind über Zittau noch eine Reihe von PetitionSbogen aus anderen sächsischen Städten mit insgesammt 4371 Unterschriften zur Absendung gelangt. DaS sind zusammen 16 015 Unterschriften. Hierzu kommen noch die wenigen Einzelpetilionen mit einer geringeren Anzahl von Unterschriften, welche die Vermittelung Zittaus, das den Hauptsitz der Agitation bildete, nicht in Anspruch genommen haben. Zahlen lassen sich hier schwer angeben, denn man weiß nicht, welche Städte scdvn in die 4371 Unterschriften eingerechnet wurden. Sind dock z. B. auch die Leipziger Pelilionsbogen, wie s. Z. die „Morgen-Ztg." mittheilte, aus Zittau bezogen worden, so daß eS wahrscheinlich ist, daß ibr Ergebniß in die letzte Ziffer mit einbezogen ist. Indessen, mag sich dies verhalten, wie eS wolle, die zu der Zittauer Aufstellung etwa noch hinzukommenden Zahlen können nur sehr geringfügige sein. Da nun in der Wahlperiode 1889 biS 1893 insgesammt 188 222 nicht - socialdemo kratische Stimmen im ganzen Lande abgegeben wurden, so wäre das Ergebniß der mit Hochdruck betriebenen Agitation ungefähr dasselbe, wie wir es kürzlich in Bezug auf die Leipziger Petition mittheilen konnten, die 1200 Unter schriften erhielt bei rund 14 000 bei den letzten Wahlen abgegebenen nicht-socialdemokratischen Stimmen. Und konnten wir hier schon darauf Hinweisen, daß unter diesen 1200 sich zahlreiche principiell gegnerische Deutsch-Sociale befinden mußten, so gilt dies natürlich geradeso von dem Ergebniß im Lande, das seine besondere Signatur noch er ball durch die Mafsenbetheiligunz der Freisinnigen Richter'scher Observanz, deren „Hochburg" die Lausitz bildet. Damit wird die pomphaft angekündigte Volksbewegung im Wesen! lichen zu einer Parleidemonstration, die sich sehr geschickt der Herren Sohrn und Vogel bemächtigt bat, um ihren eigentlichen Charakter nach Möglichkeit zu verhüllen. II Berlin, 5. März. Um über das Anwachsen der Beiträge für die landwirthschaftliche Unfall versicherung einen allgemeinen Ueberblick zu gewinnen, bat das Neichs-Bersicherungsamt zahlenmäßig zu ermitteln gesucht, welcher Betrag an Beiträgen in den einzelnen Jahren bei den dem Amte unterstellten landwirthschaftUchen Berufs genossenschaften, je nach dem geltenden Beitragsmaßstabe, dem in demselben Jahre erhobenen Gesammlgrundsteuer- betrage, bezw. dem Gesammtbetrage der Lohnwerthe für die ab geschätzten Arbeitstage gegenübersleht. Hierbei hat sich ergeben, daß für das Jahr 1894 im Durchschnitt bei allen belbeiligten Berufsgenossenschaften auf eine Mark Grundsteuer annähernd 16 Pfennige und aus 100 Mark Lohnwerth 67 Pfennige zu entrichten gewesen sind, sowie ferner, daß die Steigerung der BeitragSlast bis zu den genannten Jahren im Allgemeinen regelmäßig und den Erwartungen entsprechend verlaufen ist. Das Rcichsversickerungsamt ist deshalb der Ansicht, daß die hier und da geäußerte Besoraniß, es möchten die landwirth sckaftlicben Betriebe von der Last der Unfallversicherung wirtb schaftlich erdrückt werden, in dem bisher angesammelten Zahlenmaterial keine Stütze findet. * Berlin, 5. März. Wegen Aufforderung zum Un gehorsam gegen die Gese tz e und Beleidigung von Schutz leuten standen vorgestern der Redakteur des AuarchislenblatleS „Socialist", Johann Christian Sundat, und der Tischler Richard Weiß vor der 8. Strafkammer deS Berliner Land gerichts I. Auf Antrag des Staatsanwalts wurde die Oeffentlichkeit ausgeschlossen, den Vertretern der Presse aber der Zutritt gestaltet. ES bandelte sich um einen in Nr. 13 des „Socialist" enthaltenen Artikel „Zum 11. November", in dem zum Gekächtmtz der 1887 in Chicago Hingerichteten fünf Anarchisten diesen ein Lorbeerkranz gewunden wurde. Im Anschluß hieran wurde der Sedan feier in Deutsch land gedacht, und die Anklage steht nun auf dem Standpunkte, daß der erste Angeklagte durch Anpreisung und Verherrlichung der Thaten der in Chicago Hingerichteten Feuilleton. Allerhand Heiteres. Plauderet von M. Fröhlich. Es ist etwas gar Schöne» um die Heiterkeit, Vollend wenn sie ansteckend wirkt und Andere in die gleiche gute Stimmung versetzt, der sie selbst entsprang. Sagt doch Spinoza: „Die Fröhlichkeit ist ein Affect, der des Körper- Macht, zu handeln, vermehrt und unterstützt — folglich ist die Fröhlichkeit geradezu gut." Und Ioh. Fischart singt: „Gleichwie der Schlaf dem Leibe wohlthut, so kommt Kurzweil dem GemÜth zu gut!" — nun, was könnte eS Kurzweiligeres geben als die lachende Philosophie, die lachend Wahrheit kündet. Freilich, „gute Witze wollen erdacht sein", und glückliche komische Einfälle müssen doch immer die solide Unterlage geistiger Ueberlegenheit haben, sonst versagt die beabsichtigte Wirkung, oder letztere wandelt sich in ihr Gegentheil, wird zur Schadenfreude, statt zu herzerquickender Heiterkeit. Das mußte auch di« meist gelesene Schriftstellerin deS Jahrhunderts Natalh von Eschstruth empfinden, al» sie mit dem fabelhaften Witze: „Ist kein Lohengrin mehr da, welcher seinem Schwan eine Feder auSreißt, mir damit eine Biographie zu schreiben" an di« Oeffentlichkeit trat. Gelacht wurde, aber in anderer Tonart, als sie'» erwartet«. Herzhaft gelacht worden ist auch über ihren neuest«n Roman „Der Stern de- Glück»" (Berliner Tageblatt), ohne daß sie diese Wirkung im Ent ferntesten beabsichtigt hätte. Ibr war doch gewiß ganz ernsthaft und feierlich zu Muth«, al» sie fchrieb: „DaS Gottvertrauen, die Treue und Zuversicht sind die Knospen, welche die Köpfchen an ihrem entblätterten Stamme baben, und jede dieser Knospen kann eine neue LiebeSrose bergen, welche noch bei Weitem schöner und duftreicher erblüht wie jene erste, welche da- Rad deS SchicksalswagenS zermalmen mußte"; aber gelacht wurde doch, nickt minder über die schönen Phrasen: „Sein sichtbares Entzücken versöhnte sie und duldete ihn al» Schleppenträger"; „Er liebte sie, wie ein gewissenloser Wüstling eine Rose abriß, um sie von Hand zu Hand zu werfen"; „Auf einer Sammetottomane liegen Kiffen, theil- mit wenig sauberen, thrilS ganz ohne Urberzüge, welche r« verrathen, daß hier ein Ruhelager aufgescklagrn wird"; „Er hebt die Hände zu dem Hellen Stern, dessen Strahlen nicht jedem ärdischen eine Kron« flechten" Mit vem hübschen Satz«: „Der junge Fürst theilt« die Speisestunde mit seinen Patienten" sei diese Blüthenlese auf dem Gebiete gedankenlosen PhrasenthumS beendet. Doch nicht nur ein von Schriftstellerinnen beackerte» Feld erweist sich in jener Richtung ergiebig. Auch den Helden der Feder geling« manch putzige» Stücklein, siebe Karl RoSner «it setne« „pjychovathiscken Fällen" „Gesüble", in tenrn er Ungeheuerlichkeiten zu Tage fördert, wie „die lechzenden, blutigen Lippen, von denen süße sehnende Düfte nieder sickern" und „Eia Glück, da» voll ist von Düsten, die nicht riechen und von Tönen, die nicht klingen." Auch „der Himmel, der im kranken Schwefelgelb liegt" und „DaS Ge witter, da» Einem scheu entgegenwebt" sind Bilder, die eine männliche Feder zu Stande gebracht bat und trotzdem von prächtiger komischer Wirkung sind. Doch braucht man nickt gerade berühmter Schriftsteller zu sein, um erheiternd auf seine Mitmenschen zu wirken. Auch anderen, gewöhnlichen Sterblichen gelingt da- zuweilen. So gedenke ich noch immer mit stiller Freude eines ehrsamen Handwerker- in meiner Vaterstadt, zu dem einmal eine junge Freundin von mir kam (lang, lang ist'- her), um für ihren Hund einen Maulkorb zu kaufen. Der gute Mann hatte die rechte Nummer gerade nicht auf Lager; damit der Mops aber etwa- durchaus Passende» bekäme, begleitete er als Sachver ständiger (der Sattler natürlich) seine junge Kundin in rin nahegelegene» größere» Geschäft. Daß er bei dem bildschönen und eleganten Backfischchen derart als Führer sungiren durfte, mochte aber wohl etwas verwirrend auf ihn gewirkt baben, denn beim Eintreten in den Laden herrschte er den ComnnS an: „Ich wünsche für diese junge Dame einen Maulkorb" — da» Weitere läßt sich denken. Ob beabsichtigt oder nicht, reizend ist auch der Witz, den die berühmte G. gelegentlich der Unterhaltung mit einem Leipziger Patricier sich leistete. Sie sprach von den ihr auS irgend welchen Gründen erwähnen-wertben Beinkleidern eines Collegen. Um sich reckt züchtig auszudrücken, wollte sie daS Wort „Iner pressidlss" gebrauchen, sprach aber statt dessen von den,^IusöpLiLbIes" des Herrn -k. Aehnlich geartet ist das czulä pro qno der kleinen Ber linerin, die sich „unbändig auf daS Reseda-Fest (statt Sedan- Fest) freut". Doch verlassen wir das Feld der unbeabsichtigten Komik und unternehmen wir einmal einen Slreifzug auf lustige Ein fälle, die neckischer Uebermuth zu Tage förderte. Da bietet uns gleich der Berliner Mutterwitz mit seiner fröhlichen Bosheit reiche Auswahl. Wie glücklich bewährt sich de- Spree-Atheners Spottvogellaune an den Berliner Denk mälern! Der vorgestreckte Arm von Friedrich Wilhelm'S HI. Reiterstandbild bedeutet ihr „Halt, ick gloobe et drippelt." Der rückwärts gewandte Kopf deS barhäuptig dargestellten Friedrich Wilhelm IV. kann ja nicht» Anderes sprechen wie: „Herrjeh, ick habe ja meinen Hut vergessen". Die stark zu- sammengesunkrne Gestalt Alexander von Humboldt'» mit dem bald unter ibm liegenden stranßenriartigen Globu» wird ge deutet: „Humboldt brütet". Sckillrr, der mit der rechten Hand krampfhaft die Falten seine» Ueberwurf« zusammendält, sprickt, wenn man den Berlinern glauben darf: „HerrjoN, mir rutscht immer der Paletot", und Papa Wrangel schließlich weist mit dem Feldherrnstab in der Rechten den Droschken den Weg: „Immer recht» fabrrnk" Berliner Ursprünge» ist auch der GallimatbiaS, der einem Lebrer am Friedrtck--WilheUn-Gymnasium zugeschrieden wtrd: „Wenn junge Leute über Politik sprechen wollen, so müssen sie entweder sehr alt sein oder ganz darüber schweigen." Und die weiteren noch: „Ihr Gesangbuch ist so wie alle Ihre Leistungen; es fehlt vorne da» Titelblatt." „Salz ist da» Gewürz, da» die Speisen verdirbt, wenn man es nicht daran lhut." „Cäsar schwamm al« nackter KaSke verkleidet durch die Tiber." — „Sie, Kuhn, sind Sie der Bruder deS Unterprimaner Völker?" „Schon Tacitu» sagt, die alten Germanen wären so groß gewesen, wie unsere Garde du Corps." „Friedrick der Große spielte die Flöte, um sich zum Gesänge begleiten zu können." „Luther ritt auf einem Planwagen nach der Wartburg." „Nachdem ihnen die Köpfe abgrschaitten waren, starben die Feldherren bald darauf." „Sokrates starb am Sckirlingsbecker." Das „Schatzkästlein deutschen Scherzes und Humors", dem ich diese „in liebenswürdiger Zerstreutheit getdanen Aussprüche" entnehme, erweist sich überhaupt als ein Fröhlich keit förderndes Büchlein. Wer bliebe ernst, liest er die obrigkeit liche Verordnung des Fürsten Reuß-Schleiz-Kreuz-Lobenstein- Edersdorf: „Ich befehle hiermit Folgendes ins Ordrebuch und in die Special-Ordrebücher zu bringen: Seit 20 Jahren reite Ich auf einem Princip herum, d. h. Ich verlange, daß ein Jeglicher bei seinem Titel genannt werde. Das gesckieht stets nicht. Ich will also hiermit eine Geldstrafe von 1 Tblr. für Jeden feslsetzen, der in Meinem Dienst ist und einen Anderen, der in Meinem Dienst ist, nicht bei seinem Titel oder Charge nennt. Heinrich 72." Zu Nutz und Frommen unserer Frauen und Töchter sei auch eine Stelle aus einer 1720 gedruckten Predigt wieder gegeben, in der sich Pfarrer Spörer zu Rechenberg folgender maßen vernehmen läßt: „DaS Frauenzimmer liebe ich von Natur, wenn eS schön galant, complaisant, sauber aufgeputzt wie ein schönes Pferd, da weiß ich schon, wie sie zu respectiren seien, die da recht haushalten können, dem Manne Alle- an den Augen absehen, was er will. Ha! da lacht das Herz, wenn der Mann heimkommt und einen so liebenswürdigen Engel antrifft, der ihn mit den schneeweißen Händen rmpfähet, küsset, herzet, rin Brätlein und ein Salätlein auf den Tisch trägt, und sich ru ibm hinsetzet und spricht: „Engel, wo willst Du herunteraeschnitten Han", und was dergleichen Honig« und zuckersüße Sachen mehr sind. — Wenn man aber einen boschi, boscki! roschi, roschi! einen Rumpelkasten, einen Zeidelbär, eine Haderkatz, ein Marterfell im Hause hat, die immer brummt: mumm! mumm! die eine Thür zu-, die andere aufschlägt, die ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter oder wie ein Nest voll Eulen macht, die lauter Gerichte au- dem Höllrntopfe anrichtet; die lieb ich nicht, der Teufel mag sie lieben." Gegen solch eine „Haderkatz" preist übrigen» ein Stamm- buchverS au» der guten alten Zeit «in probate« Mittel an: Wer ein böses Weib hat am Sonntag«, Der fahre tn's Hotz am Montage, Haue einen Prügel am Dienstage, Schlag' tapfer draus am Mittwoch, Dann liegt sie krank am Donnerstage, Stirbt wohl endlich am Freitage, Läßt sich begraben am Sonnabend: So bekommt der Mann einen fröhlichen Sonntag. Um aber meine lieben Leserinnen, die sauer dreinsehen ob der Wiedergabe so derber Schalter«, wieder zu ver söhnen, will ich ihnen ein wirthsckaftlich werthvolles Recevt mittheilen, wie man Fische einsalzen kann, daß sie sich bis zum nächsten Iabre halten. Man scklachtet sie, nimmt sie aus und thut sie in eine irdene Schüssel, dann streut man feinstes Tafelsalz in reichlichen Mengen darüber Bei dem Allen ist jedoch zu beobachten, daß man es am Sylvester-Abend thut — dann werden sich die Fische bis zum nächsten Jahr sicher frisch erbalten. — Nichts für ungut! Darf man nach den vielen Neckereien urtheilen, die den Frauen gegenüber gewagt werden, so muß daS Vertrauen auf ihre Geduld doch ein sehr großes sein. So erlaubte fick einst Albert Lindner folgende Bosheit: „Alles Uebel kommt nur vom Weibe!" — Allgemeine Entrüstung der Damen: „wie boSbaft, wie gemein!" „Verzeihen Sie, ich wollte sagen, alles Ueble kommt nur vom Manne." „So ist's recht, das lassen wir uns gefallen. Jetzt sprechen Sie wahr." „Nun freilich, denn aus des Mannes Rippe kam das Weib!" Dafür sagt er aber auch ein ander Mal: ,O>b die Frauen stärker lieben als die Männer, das fragt sich, daß sie aber besser lieben, ist ohne Frage." Aber wohin bin ick gerathen, von der Heiterkeit auf die Liebe, mit der doch eigentlich ganz und gar nicht zu spaßen ist — da will ich mich lieber mit den anatomischen Betrachtungen vergnügen, die ich einmal in einem alten Schmöker fand, und die hoffentlich auf meine Leser ebenfalls erheiternd wirken werden. Es bieß da: Die linke Seite ist der Sitz deS HerzenS; Leute, die das Herz aus dem rechten Flecke haben, gehören zu den Abnormitäten. Eigenthümlich ist eS, daß man, hat man etwas aus dem Herzen, gewöhnlich frei von der Leber spricht. Der Magen ist eine wohltbätige Einrichtung für den Menschen, nur kommt er Einem zu klein vor, wenn mach bedenkt, wa« man Alles im Magen hat. Wie unentbehrlich auch die Nase ist, so wünscht doch gewiß mancher Ehemann ohne Nase geboren zu sein, weil ihm dann seine Frau nicht auf der Nase herumtanzen könnte Ein schöner Hals ist eine Zierde des Menschen, gräßlich aber ist's, wenn man ein böse- Weib oder einen schlechten Mann auf dem Halse hat. Ein sehr zarter Theil des Menschen ist die Zunge, drum achte man ja darauf, daß sie nickt zu lose sitze. Dem Munde fallen verschiedene und zum Theil sehr schwierige Aufgaben zu, drum will ich ihn jetzt balten — damit ich ihn nur nicht verbrenn«. E- wär« mir daS unangenehmer, als wenn man von mir sagte, ich hätte den Sckelm — im Nacken!"
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