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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.03.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-03-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960323024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896032302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896032302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-03
- Tag1896-03-23
- Monat1896-03
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Größere Schriften laut unserem Preis- derzrichniß. Tabellarischer und Zifsernjatz nach höherem Tarif. i-ptra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen«Au-gadr, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbesörderung 70.—. Jianahmeschluß sür Anzeigen: Abend-Ausgab«: Vormittags 10 Uhr. Margeo-Au-gabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Montag den 23. März 1896. so. Jahrgang. Amtlicher Theil. Ausschreibung. Zum Bau einer Friedhofücapelle nebst Leichenhallen, sowie zur (-»Weiterung der Einfriedigung des Friedhofes, sollen nachstehende Arbeiten im Wege des öffentlichen Angebots vergeben werden: 1) Erd- und Maurerarbeiten, 2) Ltcinmetzarbeiten, 3) Zimmerarbeiten, 4) Klcmpncrarbciten, 5) Schiefe» decke» arbeiten, 6) Glascrarbcitcn, 7) Tischlerarbeiten, 8) Schlosscrarbeiten, 8) Malerarbeiten. Bedingungen und Angebotsformulare liegen im Baubureau des Architekten Herrn R. Füssel, Leipzig, Haydnstraße 2, aus und können daselbst gegen Erlegung einer Gebühr zu 1) von 1 zu 2—9) zu je 0,50 ./L bezogen werden. Zeichnungen sind daselbst gegen Hinterlegung von je 3 welche bei unversehrter Abgabe der Pläne zurückerstattet werden, zu erlangen. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: An gebot für Verstellung der Arbeiten versehen bis zum 30. März, Abends 8 Uhr, in unserer Expedition — L.-Plag- witz, Pfarrhaus — Friedrichstraße 6, einzureichen. L.-Plagwitz, den 20 März 1896. Der Mrchenvorstand zu L.-Plagwitz. Pf. Schmidt, Bors. politische Tagesschau. * Leipzig, 23.. März. Die Ohren werden dem Reichstag an seinem Jubi läums tage nicht geklungen haben. WaS ihm die Presse, wenigstens die von den Präsibialfractionen unabhängige Presse zum Angebinde brachte, war, obwohl nicht schmeichelhaft, noch weit gelinder als das gesprochene Urtheil in allen Kreisen, wo man ein kraftvolles Deutschland will. Kein Bataillon im weiten Reiche, dem bei seinem Kriegserinnerungsfeste so wenig Herzen entgegengeschlagen bätten, wie „diesem" — das dem schlechten Gewissen des CentrumS in diesem Zu sammenhänge so fatale hinweisende Fürwort kann nicht oft genug gebraucht werden — Reichstage. Das Volk steht dieser Vertretung sremd gegenüber und wie könnte eS anders sein? Der Reichstag wird von Parteien beherrscht, die zum Theil offen, zu,» Theil innerlich das negiren, wofür er geschaffen ist. Er gleicht einer für längere Dauer vom Feinde occupirten Stadt. Rechtspflege und Verwaltung gehen weiter, weil auch die Besatzung ohne sie nicht bestehen kann. Mancher bat sogar Vortheile von dem Zustande. Aber die Herr schaft bleibt Fremdherrschaft. Den Nothwendigkeiten des thatsächlichen Gewaltbesitzes ist auch vorgestern Rechnung getragen worden. Die Rede des Präsidenten auf den Kaiser und die Bundesfürsten kann keiner Einwendung begegnen, und bei dem Hoch auf den Fürsten Bismarck hat eS, wie man uns schreibt, nur die freisinnige Partei an Tact und Anstandsgefühl fehlen lassen, was ihr, da Niemand wider seine Natur kann, nicht verargt werden soll. Ob eS wahr ist, was die „Freis. Ztg." des Herrn Richter behauptet, daß der vom Präsidenten ausgebrachte Trinksprnch als der „einzige ofsicielle Toast" zu gelten hatte, wissen wir nicht. Berichtet daS Blatt recht, so haben die Arrangeure des Festes Furcht vor der öffent lichen Meinung dadurch bekundet, daß sie diese durch ihre Presse in den Glauben versetzen ließen, es sei ein officieller Toast auch auf den Fürsten Bismarck bestimmt worden. Von dem Mahle wird uns noch mitgetheilt, daß sein eigentlicher Charakter der eines Festes des Wiedersehens der „Alten", von denen sich viele zwanzig und mehr Jahre nicht mehr gesehen hatten, also ein persönliches gewesen sei. Das ist der „Gemüthlichkeit" zu Statten ge kommen, ein großer, erhebender Zug ging durch daS Ganze nicht. Das erste Gericht scheint übrigens ein „satirischer Schuft" auf der Speisenfolge verzeichnet zu haben. Es hieß „Deutsche Reichskraftbrühe mit Mark"! Die Sitzung, die der Reichstag an seinem JubiläumS- tage abhielt, hätte er sich sparen können, denn die verfahrene Angelegenheit des Kinanzantrages Lieber, der einzige Gegen stand der Tagesordnung, ist in dieser Sitzung nicht einen Schritt vorwärts gerückt. Die Mehrheit des Hauses erhob den von seiner Commission einstimmig angenommenen Antrag abermals zum Beschluß, aber mit der ausgesprochenen Absicht, ihn wieder fallen zu lassen, wenn sie dem vom Reichsschatzsecretair in Aussicht gestellten Gesetz entwürfe zuzustimmen vermag. Das hätte man sich schon vorher denken können j fraglich ist wie vorher geblieben, ob die Mehrheit sich damit begnügt, wenn in diesem Gesetzent würfe nur die Verwendung der Hälfte der Ueberschüsse des Jahres 1896/97 und nicht auch die der Hälfte der Ueber schüsse des Jahres 1895/96 zur Reichsschuldentilgung vorgesehen wird. Da eine Conflictstimmung weder beim Bunbesrathe, noch beim Reichstage herrscht, so wird aber auch über diese Frage eine Einigung zu erzielen sein, nachdem sich gezeigt hat, daß die leichtherzige Ansicht der Budgetcommission, cs lasse sich durch das Etatsgesetz mir nichts dir nichts ein anderes Gesetz außer Kraft setzen, nicht haltbar ist. Es wird also zu dem Ergebniß kommen und würde auch ohne die Sonnabendsitzung ;u dem Ergebniß gekommen sein, welches die „Berl. Polit. Nachr." mit den Worten Voraussagen: „Der Zusatz zum Etatsgesetz wird gestrichen werden, die ver bündeten Regierungen werden dem Reichstage noch vor feinem Auseinandergehen einen Gesetzentwurf voriegen, welcher zunächst provisorisch eine Schuldentilgung in Aussicht nimmt, und der Reichstag wird dieses Gesetz ohne Zweifel annehmen. Damit wird eine Grundlage gelegt, welche mit innerer Nothwendigkeit zu einer dauernden Regelung des finanziellen Verhältnisses zwischen dem Reich und den Einzelstaaten führt und dem Reiche die Möglichkeit gewährt, seine Schulden zu tilgen, während die Einzelstaaten gegen wechselnde und wachsende Ansprüche des Reiches geschützt werden." Hat demnach der Reickstag am Sonnabend eine für seine Geschäfte und fein Ansehen zwecklose Arbeit sich gemacht, so hat er doch durch den Mnnd des Abg. vr. Hammacher eine Dankesschuld abgetragen. Der genannte Abgeordnete sagte nämlich nach dem Berichte der „Nat.-Ztg." u. A.: „Auch wir stehen auf dem Boden, daß wir den Beginn einer Reichsschuldentilgung sür durchaus nothwendtg halten, und wir haben aus diesem Grunde den Antrag Lieber freudig be grüßt. Wir legen aber auch der Art der formellen Behandlung, welche die Budgetcommission beschlossen hat, die aller- ernsteste Bedeutung bei. Wir halten es nicht für zu lässig, daß im Rahmen des Etatsgesetzrs ein be- stehendes Steuergesrtz geändert wird. Wenn wir hier nicht grundsätzlich resisliren, so würden die Regierungen durch diese Art der Behandlung in «ine Zwangslage versetzt werden, welche nicht mit den staatsrechtlichen Grund lagen unserer Refchsvrrfassung in Uebrreinstimmung ist. Herr Richter hat sich vergebens bemüht, die Bedeutung, welche in weiteren politischen Kreisen allmälig dieser Angelegenheit zu gewendet wird, herabzusetzen, indem er von einer künstlichen Auf bauschung sprach. Meine politischen Freunde haben in der Budgetcommission für den Antrag Lieber, ebenso wie die Vertreter der übrigen Parteien gestimmt, indem sie sich die staatsrechtliche Bedeutung der formellen Seite der Frage nicht zum Bewußtsein gebracht haben, ich setze das auch von den Vertretern der anderen Parteien voraus, und deswegen erlaubte ich mir, in der gestrigen Commissionssitzung an den bekannten Spruch zu erinnern: ..gunoäoque komm ckorwilut llvwvrus". In der That ist mir mitgetheilt worden, daß die staats rechtliche Frage nur obenhin gestreift worden ist. Sowohl die Herren Vertreter der verbündeten Regierungen als auch die Mitglieder des Reichstags haben diesen Theil der Angelegen heit nicht kuuckitus behandelt." Wer es gewesen ist, der diesen Theil der Angelegenheit so scharf inS Auge gefaßt hat, wie er ins Auge gefaßt werden mußte, hat Herr vr. Hammacher allerdings nicht ausdrück lich gesagt. Da er aber dieses Verdienst weder den Vertretern der verbündeten Regierungen, noch den Mitgliedern des Reichstags zuschrieb, so ist es selbstverständlich, daß er es der Presse zuschreiben wollte, und zwar jenem Theile derselben, der weder dem Antragsteller vr. Lieber noch Herrn Eugen Richter nahe steht. In der That ist es lediglich die Presse und in erster Linie die nationalliberale Presse gewesen, die im berechtigten Interesse der Einzelstaaten und ihrer Finanzwirthschaft Protest einlegte gegen das von Herrn vr. Hammacher mit so edler und liebenswürdiger Offenheit ge kennzeichnete Verfahren der Budgetcommission, den Regierungen durch einen Zusatz zum Etatsgesetze die Pistole auf die Brust zu setzen. Wir, die wir unseres Wissens zuerst diesen Pro test erhoben haben, acceptiren die Anerkennung unseres ver ehrten Parteifreundes um so lieber, als sie vermuthlich in der Absicht ausgesprochen wurde, die Presse wenigstens einigermaßen für d»e Behandlung zu entschädigen, die sie von den Arrangeuren des JubeleffenS deS Reichstags erfahren hat. In Dänemark scheint die verhältnißmäßige Ruhe, deren das Land sich feit dem VerfaffungsauSgleich vom April 1894 erfreut 'at, am längsten gedauert zu haben. Zwischen der Ersten und Zweiten Kammer deS Parlaments ist über daS Budget wieder ein Conflict ausgebrochen. Es ist erinnerlich, daß das Folkething der Regierung einen Theil der Militairforderungen gestrichen, gegen ihren Widerspruch die Verstaatlichung der Dampferlinie von Esbjerg nach England und die grundgesetzwidrige Verpflichtung der officiellen Berling'- jchen Zeitung zu einer Abgabe an den Staat beschlossen hat. Der Budgetausschuß des Landsthings hat sich in allen Streitpuncten zu Gunsten der Regierung ausgesprochen, und das Plenum wird an diesem Standpunct festhalten. Nach der zweiten Lesung wird dann der Versuch gemacht werden, in einem gemeinsamen Ausschuß der Kammern eine Einigung zu erzielen. Gelingt dies nicht, so kann die Re gierung entweder ein provisorisches Finanzgesetz nach altem Muster erlassen oder sick für ein zweimonatiges Jnterimisticum entscheiden. Beide Maßregeln sind ihr und den Parteien gleich unerwünscht, weil sie nur den Keim zu neuen Conflicten in sich tragen. Man hofft deshalb, daß noch im letzten Augenblick der Zwist beigelegt wird, indem die Folkethingsmajorität ihre Forderungen vorläufig zurückstellt und das LandSthing in die Abstriche am HeereSetal willigt. Ein anderer Ausweg wäre ein neuesEMinisteriu m, das mit dem Folkething sich besser verständigen kann, und somit treten natürlich die Krisen gerüchte wieder hervor. Nach einer Version soll das Cabinet kampfmüde sein und zurücktreten, nach einer andern soll nur der Kriegsminister Thomsen, der zudem durch Krankheit an der energischen Vertretung feine- Poften- verbinden ist, und der Minister Hörring geopfert werden. Für das Kriegs ministerium wird der frühere Gouverneur von Westindien, Arendrup, genannt. Die italienische Deputirtenka innrer hat, wie zu erwarten war, die Afrikacredite mit erdrückender Mehr heit angenommen. Nicht ganz hat sich die Erwartung derer bestätigt, welche den Uebergang der Anhänger des Cabinets Crispi mit fliegenden Fahnen zur Politik des neuen Ministe riums und die völlige Jsolirung CriSpi'S, der übrigens nickt zum Wort kam, voraussagten. Für die einfacke Tagesordnung, welche Rudini mit allen Kräften bekämpfen zu müssen erklärte, weil ihm ein Tadelsvotum lieber sei, als ein Votum des Mitleids, sprach sich die Mehrheit deS alten Cabinets mit 119 Stimmen aus; auch die 72 Stimmenenlhaltungen fallen auf diese Seite. Gegen die Tagesordnung Sonnino's stimmten 219 Abgeordnete, darunter alle Radikalen, Republi kaner und Socialisten, so daß die Regierung im Augenblick nur über eine Mehrheit unbedingt treuer — d. h. in der Opposition gegen Crispi unbedingt zuverlässiger — An hänger von 28 verfügt. Da Rudini gleichzeitig gegen die socialistische Linke einen sehr scharfen Ton anschlug und erklärte, den Fehdehandschuh aufnehmen zu wollen, wenn er ihm von dieser Seite hingeworfen wurde, kann diese Mehrheit sich noch bedenklich vermindern. Allerdings ist es möglich, daß von den 72 CriSpinianern, welche sick der Abstimmung enthielten, noch eine Anzahl ins gegnerische Lager abschweukt,was aber nicht geschehen dürfte, wenn Italien, wie nickt unwahrscheinlich, doch noch ein entscheidender Schlag gegen den Negus glückt. Jedenfalls waren es irreführende Berichte, welche eine Abwendung der ganze» Nation von der Afrika politik Crispi's signalisirten. Der socialistische Antrag, auf Zurückziehung der Truppen auS Erythrea wurde kurzer Hanv abgethan, aber auch für die Hochhaltung deS nationalen Prestiges sprachen sich genug Redner aus, während die,Aeußerung deS KriegSministerS „Welche Armee kann sich einer so glor reichen Schlacht, wie die bei Adua rühmen", doch nur in sehr bedingtem Sinne Ernst genommen werden kann. Be zeichnend war auch, daß der Ministerpräsident nicht mehr von einem principiellen Verzicht auf das Protektorat über Abessinien sprach. — Von Bedeutung waren die an anderer Stelle im Wortlaut wiedergegebenen Aeußerungen Rudini'S über das Verhältniß Italien- zu England. Rudini sprach mit außerordentlicher Wärme von der traditionellen Freundschaft mit England, welche da- System der Bünd nisse Italiens erst vervollständige und welche stets einen großen Einfluß auf die Stellungnahme Italiens in Europa gehabt habe und nothwendigerweise auch in Zukunft haben werde. In Bezug auf die Afrikapolitit Italien» sind fest abgeschlossene Conven tionen mit England vorhanden, welche ganz Aethiopien als italienische Einflußsphäre anerkennen. Man wird heute nicht mehr davon reden können, daß die Aeuße rungen Rudini'S an die englische Adresse lediglich eine verbindliche Verbeugung für die doch iminer noch nicht über jeden Zweifel erhabene Hilfe bedeuten, welche man von der englischen Dvngola-Expedition erwarten kann, sondern daß man es mit bindenden Verträgen zwischen beiden Staaten zu thun hat, auf welche durch daS Wort Salisbury'- von Englands „wahrem Verbündeten" erst jetzt das charakteristische Licht fällt. Auf diese Sonderabmachungen dürfte gegebenenfalls auch Deutschland FerriHetsn. Gottbegnadet. 8) Roman von Konrad Trlmann. Nachdruck verboten. „Ich finde es wunderlich, daß sich ein Mensch — be sonders wenn er etwas geleistet hat — adeln lassen kann. Damit erkennt er also eine über der seinen stehende Menschen- claffe an, was sein Selbstbewußtsein doch verbieten sollte und wodurch er seine Voreltern und sein ganzes Geschlecht herabwürdigt. „Du, daS ist aber eine tolle Anschauung!" Heute zum Glück nicht mehr. Und sie ist keineswegs ver einzelt. Aber, bitte, ich habe Dich unterbrochen, Du wolltest noch etwas sagen." „Ich wollte sagen, daß man die Sennfeldt'S trotz dieses neugebackenen Adels bei uns über die Achsel ansehen würde — hier und da thut manS übrigen- sogar doch —, wenn Harry nickt diese gottbegnadete Stimme hatte und die Mutter nicht eine geborene von Natzleben wäre. Eine völlig herab gekommene Familie, weißt Du — der Vater ist überseeischer ZeitungScorrespondent gewesen, oder so WaS — aber immerhin ganz alter Abel. DaS hebt sie ein bischen. Du kannst Dir jedoch denken, daß sie nun, wo sie ja fast nur in aristokratischen Kreisen verkehren und bei Prinzen und Grafen zum tkis ekiantant — der Witz ist nickt von mir — eingeladen werden, mit aller Mackt danach streben, sich bei nnS durch eine standesgemäße Partie für Harry fest einzubürgern. Harry kann und wird nur eine Adelige heirathen. Die Verhältnisse zwingen ibn dazu. Die Herrath mit einem bürgerlichen Mädchen würde seine immerhin schwankende gesellschaftliche Position geradezu erschüttern." „Ich wünsche ihm alle» Glück dazu", sagte Frau Marcella trocken. „Wenn er nur die passende Frau findet — ob sie dann adelig oder bürgerlich ist, spielt hierbei ja keine Rolle." Asta warf ihr von der Seite einen lauernden Blick zu, dann räusperte sic sich und sagte, während sie einen Augen blick unter den Buchen am Uferrand stehen blieben und über den von Menschen belebten, weißen Strand binblickten, gegen den die Wellen sich überschäumend beranrollten: „Die Ver mögen-Verhältnisse bei den Sennfeldt'S sind, glaub ick, auch nicht mehr die glänzendsten. Sie haben immer sehr aus dem Vollen gelebt. Die Frau wollre Alles nachholen — in ihrer Jugend ist eS ihr sehr kümmerlich ergangen — und für den Sohn war und ist ihr ja nichts gut genug. Den möchte sie am liebsten in Champagner baden und mit Gold abtrocknen. Alle» Andere ist ihr zu gewöhnlich für Den. Und der Alte ist vor seinem Tode lange krank gewesen — da sind sie immer in den theuersten Bädern umhergezogen, ohne daß er mehr was dazu verdient hätte. Na, kurz und gut: eine brillante Partie ist Harry wahrhaftig nicht. Und gelernt hat er ja auch nichts. Man sollte eigentlich denken, daß er nicht leicht Eine finden würde. Aber ich bin überzeugt, trotz alledem an jedem Finger Eine, wenn er nur wollte. Besonders so das ningere Volk ist ja ganz weg für ihn. Wenn da nicht ein Riegel bei Zeiten vorgeschoben wird, kann man mal bei so einer jugendlichen Enthusiastin ein Unglück erleben!" Frau Marcella lachte. Und indeß sie jetzt den Fahrweg, der zum Kulm emporsteigt, zwischen Landhäusern und Ver kaufsbuden hindurch verfolgten, fragte sie: „Weshalb nimmst Du eigentlich solche Umwege, um zum Ziel zu gelangen, liebe Asta? Kurz heraus: Du willst mich davor warnen, daß Thea sich in ihrem jugendlichen Enthusiasmus nicht in Harry Sennfeldt verliebt, da die Sache auS tausend und einem Grund völlig aussichtslos wäre, nickt?" Asta war roth geworden, zwang sich aber, in Marcella's Lachen einzustimmen. „Ich hatte so etwa« nebenbei wirklich im Auge", er widerte sie, „weil ichS gut mit Euch meine, Du begreifst. Und Thea . . „Thea ist ein Kind", fiel Frau Marcella rin. „Du hast da- ja selbst gesagt." „Ja, ja, gewiß, gewiß; aber wie gesagt: besser ist besser. Uebrigens ich wußte eine ganz andere, wirklich gute und passende Partie für Thea." „Sehr gütig von Dir! Aber ich denke wirklich: vorläufig sparen wir unS noch allseitig di« Sorge, Thea untrrzubringen. So viel kann ich Dir ja wobl sagen, daß meine Wünsche bezüglich Harry Sennfeldt'» mit den deinigen völlig überein stimmen." „Nun, Gott sei Dank!" „Du scheinst daran gezweifelt zu haben?" „Hm — »nan kann dock nie wissen — mütterliche Eitel keit. Man findet Tbea nämlich wirklich hübsch und betrachtet sie schon durchaus sür voll, denke Dir!" Und der Bewerber, den ich für sie im Auge habe — ein ganz ernsthafter Be werber, traue mir nur, ich habe Routine in so WaS — scheint mir sckon ordentlich ein bischen eifersüchtig." „DaS sind ja Alles Narrheiten." „Nein, nein, ich versickere Dich. Als Ihr gestern Abend fort wäret, rückte der Assessor von Asten zu mir heran . . ." „Um Dir den Hof zu machen . . „Diesmal leider nicht, sondern um mir von meiner Cousine Thea vorzuschwärmen. So WaS Entzückendes Hütt' er noch nie gesehen. Soviel Natur fände man heutzutage gar nicht mehr bei jungen Damen au- guter Gesellschaft — na, und aus dieser Tonart gingS weiter. Ein wahrer HymnuS", sag ich Dir. „Und, ehrlich gemeint, ich versteh' mich drauf." „DaS ist ja sehr schmeichelhaft", sagte Frau Marcella trocken. „Du, thu' nur nicht so abschätzig! Eberhard von Asten wird Carriöre machen. Der kommt in» Ministerium und wird ein großes Thier. Dazu ist er wohlhabend — na, daS spielt ja bei Euch nun keine Rolle — ein sehr gescheidter Mensch, ein anständiger Charakter und eigentlich doch sehr hübsch. WaS hast Du also gegen den rin- zuwenden?" „Nickt da» Geringste. Er gefällt mir sogar ausnehmend. Nur möcht ich Thea zunächst noch einige Jahre ganz für mich haben. Und dann ist die Wahl ihres künftigen Gatten doch überhaupt ihre Sache und nickt meine." „Puh! Das ist 'ne gefährliche, moverne Idee, Du! In der Theorie klingt das ganz gut, aber praktisch angewandt.... Na, wir wollen un» seiner Zeit wieder sprechen. Beste! Sind wir nun endlich da? Na, gottlob! Mir ging der Athem auck schon au». Weißt Du, Spaziergänge sind nicht meine Liebhaberei, dabei kommt gar nicht« raus. Di« beiden ungen Dinger sind natürlich schon längst oben, und chwärmen. Ich meineSthril« zirb's vor, am Enrhau» oder >«i Lindemann zu sitzen. Ah! Na Du, da« ist aber doch omischl" Als sie unter den Buchen herau-traten, um bi» zum Rand der Balustrade vorzugrhen, erhob sich von der Bank im rechten Eckpavillon em Herr, der, mit dem Hut in der Hand, grüßend auf sie zukam. E- war der Assessor Eberhard von Asten. „Die jungen Damen stehen dort", sagte er, auf den Platz weisend, wo Thea und Hertha sich, Arm in Arm, über da» Geländer beugend, auf dir See hinabschauten, ich wagte natürlich nicht, sie zu stören." „Ich bin sehr erstaunt. Sie hier zu finden, Herr Assessor" rief Asta. „Warum, gnädige Frau?" «Erstens glaubte ich Sie mit den Andern auf der See, und dann — so ganz allein hier, in einem einsamen, lauschigen Winkel Natur schwärmender Weise, als königlich preußischer Regierungsasseffor und Reservelieutenant — da- ist so völlig unmodern, das hat WaS zu bedeuten, daS ist nicht schneidig!" Der Assessor lachte, aber sein Lachen klang nicht ganz frei. „Ich bewundere Ihren Scharfblick, gnädige Frau. ES ist aber wirklich so schön hier, daß man selbst in meiner amt lichen Eigenschaft zum Schwärmen kommen kann. Wenn die Damen gestatten, daß ich mich anschließe . . ." Man hatte sich mit den beiden jungen Mädchen ver einigt und überblickte nun gemeinsam die weite, berrlicke Meerau-sicht. Die Sonne stand schon ganz schräg, sse warf eine breite, schillernde Goldbahn über die lichtblau« Fluth und die weißen Segel leuchteten märchenhaft darin auf, wenn die Boote sie durchführen, wie Gold tropft« «S von den Rudern ab. Rechts hinüber in der violettfarbig dämmernden Ferne tauchten die weiße,» Uferberge der Insel Wollin auf, zur Linken wölbten sich di« arünen Wälderkronen über den Strandhügeln. Weit draußen bezeichneten lange, grau schwarze Rauchstreifen die Fabrtspuren der überseeischen Dampfer, die in matten Umrissen am Horizont auftauchten und wie Geistersckiffr vahinglitten. Eine Weile war«n Alle still gewesen; selbst Asta konnte sich dem Bann der Stunde nicht ganz «ntzirhen. Dann wollte Hertha Ramin plötzlich unter den zahlreich aus d«r Fluth tanzenden Kähnen den entdeckt haben, in welchem ihr Vater mit den anderen Herren saß. Sie winkte mit Sonn«nschirm und Taschentuch zugleich hinab. „Sie irren sich übrigen» in der Annahme", sagt« der Assessor zu Asta, so laut, daß All« r» hören mußten, „die sämmtlichen Herren unsere» gestrigen Kreise« wären mit dem Herrn Oberstin hinau»grfahr«n. Herr von S«nnf«ldt ist «bensowenig mit von der Parti« wie ich. Ich sah ibn vorher in die Schonburg'sche Billa gehen — natürlich in Begleitung feiner Mutter und mit Notenheften." Ein leicht spöttischer Ton war in seinen Worten. „Warum »st da» so natürlich?" fragte Asta, scheinbar unbefangen. „Nun, mein Gott" — der Assessor drehte lächelnd seinen Schnurrbart — „ander« kann man ibn sich ja doch gar nicht denken. Al- Muttersöhnchen unv mit seiner Ausrüstung,
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