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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.04.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-04-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960404024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896040402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896040402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-04
- Tag1896-04-04
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Gerlach darauf schließen lassen, daß man erst am Besinn des Kampfe- steht, E- ist natürlich, daß in diesem die conservativePartri, al« die im Besitze befindliche — Mandate haben zur Zeit dirCbristlich-Docialen so viel wie gar keine — auf eine Desrnsivstellung angrwiesrn ist. Sie hat nur zu verlieren und wird srhr virl Glück und Geschick habrn müssen, um diese« Schicksal nicht in aus gedehntem Maße zu erfahren. Was ihr die Position sehr erschweren wird, ist der öffentlich zunächst nur von den „jungen" Christlich-Socialen gemachte Vorhalt, daß dir Maß- losiFkrit de« „Volk", die al« Grund der Scheidung von Stöcker angeführt wird, noch übertroffen wird von der Maßlosigkeit der Mirbach, Klinckowström und Ploetz. Da ist nicht zu bestreiten. Muß e« aber zugegeben werden, so wird die konservative Partei große Beredsamkeit aufwendrn müssen, um zu wiederlegen, daß sie dir mit Herrn Stöcker zu» sammenhäagende Propaganda nur deshalb verdammt hat, weil diese sich nicht zu der Beschränkung de« Angriff« auf Industrie und Handel und zur Außrrbetrachtlassung de« Groß» grundbesitzeS verstehen wollte. Wenn es in Schlesien zur Absplitterung eines agrarischen Flügels vom Centrum kommt, so wird ein ähnlicher Vorgang auch im Westen und Süden Deutsch land« nicht lange auf sich warten lassen. Im Westen regt sich'« schon. Der „Westfale", da« Organ der katholischen westfälischen Landwirlhe, bemerkt zu den Breslauer Vor gängen: Zweck der Versammlung ist sichtlich, auf die Entschließungen der LentrumSpartei in gewissen Fragen (Bürsenresorm, Zuckersteuer) einen gewissen Druck auszuüden. Wir man darin etwa« Un rechte« sehen kann, wie das einige große Eentrumsblätter thun, begreifen wir nicht. E« ist da« gut« Recht eine« jrdrn Wühler«, seinem Abgeordneten bezw. seiner Pnrtei seine Wünsche vorzutrageu. Wenn das in brsonders wirkungsvoller Form geschieht, indem sich eine große Menge von GtandeSgenossrn zusammen«-»», so ist auch hierin nichts Tadelnswerthr«. Thun sich doch auch die Mitglieder anderer Stände zu großen Congreffen zusammen, so Arbeiter, Hand werker, Kaufleute, Industrielle, Beamte aller Kategorien u. s. w. Warum soll dasselbe Mittet nun dem landwirthschaftlichrn Stande verboten sein? Leute, die sich so ängstlich gegen ein Zusammen, thun aller Landwinde sperren, müssen nothwendig den «erdacht erwecken, daß sie e« mit den Bauern in Wirklichkeit nicht ganz ehrlich meinen. Wa« Herr Gras Strachwitz in Brrllau gesprochen hat, unterschreiben wir voll und ganz; er hat in keiner Welse da« richtige Maß überschritten. Wir begrüßen dir Mobilmachung der katholischen Landwtrtde Schlesiens von Herzen und hoffen, daß die Standr«grnoss»n im Westen und Süden der Anregung Folge geben werden, damit die Herren Politiker nicht nach verlorener Schlacht wieder, wie betreff« der verpfuschten Handel-Verträge, sagen können: „Wer e« bester wußte, hätte es damal« sagen sollen!" So peinlich dies« Symptome für die Führer de- Centrums sein müssen, so wenig Ursache haben die Gegner dieser Partei zur Schadenfreude. Daß diese Gegner auf einen völligen Zerfall des Centrum« noch lange vergeben« warten werden, haben wir bereit- mehrfach betont. So lange aber der kon fessionelle Kitt seine Bindrkraft nicht verliert, so lange hat man von wirthschastlichen Differenzen im Centrum nichts Gute« zu erhoffen. Speciell die Bildung eine« agrarischen Eentrum-- siügels eröffnet die trübe Aussicht, daß zu der politischen Be- thörung der katholischen Wählermassen die wirthschaftlicke hmzutritt, ohne daß man die erstere ousbören oder auch nur nachlassen zu sehen hoffen dürste. Eine katholische Abtheilung des Bundes der Landwirlhe wird sich in nationaler und politischer Hinsicht nicht ander« geltend machen, als daS Eentrum, sie wird «her in konfessionellen Dingen noch anspruch-voller sein oder doch scheinen wollen. Hat man doch in BreSlau der Parteileitung auch den Borwurf gemacht, sie habe in kirchenpolitischer Beziehung zu wenig erreicht! Daß die „evangelische" Abtheilung de« Bundes den kirch lichen Aspirationen der katholischen ein Gegengewicht bieten werde, wird Niemand glauben, der die Presse des Bundes verfolgt hat. Sein Hauptorgan thut, wenn e« gilt, eine Seele zu gewinnen, päpstlicher als der Papst, und die konservative Parteileitung überhaupt macht sich neuerdings unausgesetzt erbötig, für ein Bündniß mit dem Centrum Sonne, Mond und Sterne am evangelischen und deutschen Himmel „zum Zeitvertreib dem Liebchen in die Luft zu puffen". Politisch würde eine Secession zum Bunde der Landwirthe also vorläufig nichts ändern, wirthschaftlich hin gegen die Rückkehr des verführten Theile« der Landwirlhe zur gesunden Vernunft verzögern. In einem Theile derjenigen Presse, welche den Anspruch darauf erhebt, als besonders „handwerkerfreundlich" angesehen zu werden, ertönen lebhafte Klagen über die .^Verzögerung", die die Vorlage über die „Handwerks - Lrganisatton" erfahren hat. Der Umstand, daß die Aussicht schwindet, noch in der gegenwärtigen Tagung des Reichstags diese Angelegenkeit zu einem definitiven Abschluß zu bringen, erscheint diesen Blättern geradezu als ein unfaßbarer, als eine schwere Verletzung nicht nur der Interessen des Handwerks, sondern auch des Vertrauens, welches man in Handwerkerkreisen der Regierung trotz aller vorder gegangenen Enttäuschungen entgegengebracht habe. Dem gegenüber sei daran erinnert, daß die Unwahrscheinlichkeit, noch im Laufe der jetzigen Session des Reichstags die an gekündigte sogenannte Berlepsch'sche Vorlage zu verabschieden, schon vor mehr als einem Vierteljahre von einer Seite festgestellt worden ist, welche mit dem Gange der gesetz geberischen Geschäfte woblvertraut ist. Am 17.December vorigen Jahres, also kurz nach Beginn der Session, ließ sich brr Staatssecretair vr. von Boetticher bei der ersten Berarhung der Vorlage, betreffend die Handwerkskammern, des Näheren über diese Frage au«. Er nahm damals an, daß es bei eifrigster Förderung der Arbeiten möglich sein werde, daS definitive Organisationsgesetz für daS Handwerk im Ent wurf etwa m der ersten Hälfte deS Februar dem Bunde-rathe vorzulegen. Dort werde die Vorlage voraus sichtlich auf manche Bedenken und Einwände stoßen, deren Erledigung geraume Zeit beanspruchen werde. Herr von Boetticher rechnete dafür im günstigsten Falle vier Wochen, so daß nach seiner Annahme die Mitte des März al« der früheste Termin angesehen werden konnte, bis zu welchem der Organisationsentwurf an den Reichstag ge langen würde. „Und da, meine Herren", fuhr der Herr Staats secretair fort, „bitte ich Sie, doch zu überlegen, ob nicht die Durchberathung eines solchen Entwurfs in der jetzt begonnenen Session zu den Unmöglichkeiten gehören würde; Sie werden also frühesten« darauf rechnen können, im nächsten Reichstage mit einem solchen Entwürfe be grüßt zu werden." Inzwischen ist officiös bekannt gegeben worden, da- der Organisationsentwurf erst nach den Oster- ^§172. Sonnabend den 4. April 1896. Sv. Jahrgang. tagen im preußischen Staatsministrrium zur Vorlage ge langt. Besten Falle« wird demnach m der zweiten Hälfte des laufenden Monats der Bunde«ratk> damit befaßt werden können. E« bedeutet das eine Verschiebung der Berechnung de« StaatssecretairS von Boetticher um mindesten« zwei Monate. Daß unter diesen Umständen nicht mebr daran gedacht werden kann, die Organisation des Handwerk» noch in der gegenwärtigen Tagung de« Reichs tags zu erledigen, ist klar. Irgend ein Grund aber, ob dieser Wahrnehmung überrascht zu sein, liegt für Niemand vor, der nicht an Grdachtnißschwäche leidet. An diplomatischem Geschick ist der französische Minister präsident Bourgeois allen seinen Gegnern über. Nach dem er den grimmen Löwen des Senats mit einigen patrio tischen, russisch glacirten Brocken beschwichtigt, bat er sich am Donnerstag in der Kammer ein glänzendes Vertrauensvotum mit 100 Stimmen Majorität geholt. Durch die Aufreizung des nationalen Empfinden« sollte das Ministerium in der egyptischen Frage gestürzt werden, aber gerade auf diesem Gebiete hat e« einen entscheidenden Sieg er rungen. Auch in der Kammer wurde eS von Rußland ge deckt, denn welche Volksvertretung konnte ein Cabinet in dem Augenblick stürzen, in welchem der Cbef desselben die feierliche Versickerung gab, noch nie sei daS Cinverständniß mit Rußland ein innigere« gewesen, als in der egyptischen Angelegenheit! Der Hinweis auf Rußland wirkt auch heute noch auf die Franzosen, wie der Schlag aus die Trommel, denn alles Denken und Empfinden in Frankreich wird im letzen Grunde auch beute noch von der Idee einer glänzenden Revanche an Deutschland beherrscht. Im gegenwärtigen Augen blick ist die Freundschaft zu Rußland den Franzosen aber noch wertbvoller al« früher. AuS den Erklärungen des fran zösischen Minister-Präsidenten ist trotz der allgemeinen und reservirten Fassung der Weg zu erkennen, den Frankreich zur Lösung der egyptischen Frage betreten will. In Kairo schritt die Majorität von vier Mächten über den Protest des russischen und französischen Commifsars hinweg. Jetzt wird Frankreich den Streit auf einem anderen Boden, auf dem einer Conferenz aller europäischen Mächte, ausfechten. Zweimal bat Bourgeois darauf hingewiesen, daß Egypten ein integrirender Beftandtheil des türkischen Reiches sei. Die unversehrte Erhaltung dieser Monarchie, sagte er, wäre eine notbwendige Bedingung des europäischen Friedens. Der Sultan wird ins Dordertreffen ge schickt, und es ist mit Sicherheit zu erwarten, daß die Türkei, gestützt auf Rußland und Frankreich, die Mächte auffordern werde, sich darüber zu äußern, ob England die Occupation Egyptens bis zu einer ungemessenen Frist ver längern dürfe. Es geht wie in der armenischen Frage. Dort batte sich England zu weit vorgewagt. Die österreichische Diplomatie baute ihm goldene Brücken, indem es sie arme nische Frage aus einer rein englischen in eine gemeinsame der Mächte verwandelte, die dann den Schaden so gut oder so schleckt wie möglich wieder zu repariren suchten. In der egyptischen Angelegenheit hatte das französische Cabinet sich zweifellos überstürzt. Geschickt deckt Bourgeois den unumgänglichen Rückzug durch die Nachahmung der österreichischen Erfindung, indem er mit dem Hinweis auf Ruß land eine „spätere Prüfung der Frage durch die Mächte" in Aussicht stellt Die Mäckte werden dann ebenso ein Mittel finden, zu verhüten, daß Egyptens wegen ein internationaler Brand entsteht, sie werden eine Formel präcisiren, die Frank reich wohl thut, ohne Eugland wehe zu thun, au- der hervor geht, daß Frankreich diplomatisch gesiegt hat, England aber faktisch nicht unterlegen ist. DaS ist ja freilich nicht ^viel, aber auf diese Weise zieht Frankreich sich aus der Sack gasse, in die eS sich verrannt hat, und, worauf eö Bourgeois vor Allem ankam, das radicale Ministerium steht wieder gefestigt da, zumal da die Kammer sich bis in den Mai vertagt hat. Wir berichteten noch, daß der Senat nochmals in der Sache das Wort ergriffen und, nachdem er sich mit den Ausführungen Bourgeois am Dienstag ein verstanden erklärt, den Muth gefunden bat, ihm gestern ein — Mißtrauensvotum auszusprechen. Es hieße, dieser unsäbigsten aller parlamentarischen Körperschaften zu viel Ehre anthun, wollte man sich länger mit der Comödie befassen, die sie auf- zufübren sich nicht schämt. Das Ministerium hat denn auch da- SenatSvolum auf sich beruhen lassen, worüber uns folgende Melkung zugeht: * Pari», 8. April. Der heute nach der CenatSsitzung zu- sammengetretene Minlsterrath beschloß einstimmia, daß die ihm nacheinander von der Depulirtenkammer ertheilten Vertrauensvota, besonders das gestrige über die auswärtige Politik, es der Ne gierung zur Pflicht machten, die Leitung der Staats angelegenheiten in der Hand zu behalten. Ter Minister präsident Bourgeois begab sich darauf in das ElysSe, um dem Präsidenten Faure über das Ergebniß der Berathung Bericht zu erstatten. Der Ministerrath wird morgen wie gewöhnlich zusammen- treten. Damit ist der Verfassungsconflict wieder accut. Leider muß man sagen, daß ver Senat selber Denen, die nach seiner Abdicirung schreien, das Spiel wesentlich erleichtert hat. Die Früchte werden nicht ausbleiben. Was die Lage in Atscheh für den allernächsten Augenblick so außerordentlich kritisch macht, ist die äußerst geringe Stärke der dort zur Verfügung stehenden Truppen, so daß eS, selbst wenn sich auch die Gelegenbeit dazu geboten hätte, unmöglich gewesen wäre, der durch den Verrath Tuku Umar's angefachten Bewegung mit einigen Massenscklägen ein Ende zu machen. Denn die ganze Besatzung Atschebs besteht jetzt aus dem 3., l2. und l4. Bataillon, aus einer Compagnie des lk». und den zwei Garnisonbataillonen, aus der 4. Compagnie Bergarlillerie (von Malang), der 16. (von Surabaja), der 17. (von Tjilatjap) und den 6. und 22. Garnison-Compagnien, ferner aus einer Abtheilung Genietruppen, einer kalben Schwadron Reiterei und einem Gendarmcriecorps. Die genannten Bataillone Infanterie sind aber thatsächlich bereits über die verschiedenen Posten, so wohl der innern concentrirten wie der äußern Linie vertheilt, und wenn in dem ersten Telegramm auS Batavia gemelret wurde, daß zwei Bataillone aus Kota Radja ausmarschirl seien und ein drittes diesen folgen werde, so ist damit zunächst nur gemeint, daß nur die von den fraglichen drei Bataillonen in Kota Radja für mancherlei unabweisbare dienstliche Verrich tungen zurückgebliebenen Mannschaften mobil gemacht wurden, so daß also vie zur Unterstützung der bedrohten Posten ver fügbaren Truppen nur höchst unbedeutend sein können. Es war desbalb auch nur zu erwarten, daß ans Padang (Sumatra) und Batavia sofort der nöthige Nachschub zum Abmarsch beordert wurde. Daß man in Batavia den Zustand für äußerst bedenklich hält, geht schon daraus hervor, daß der Höchstcommandirende des indischen Heeres, General Detter, selbst mit einem Bataillon Infanterie sich alsbald eingeschifft bat, und voraussichtlich wird er auch den Oberbefehl in Atscheh übernehmen. Während für die innere concentrirte Linie durchaus keine Gefahr besteht, weil diese durchweg von holländischen Truppen und Javanern besetzt ist, sind da gegen zahlreiche Außenforts mit bis jetzt befreundet ge wesenen Atschehern besetzt, und hier liegt dann allerdings dio Gottbegnadet. 16) Roman von Konrad Telman». Nachdruck vertdtrn. Endlich waren die Aufgaben, die der jungen Gut-Herrin in der W'rthschaft geharrt hatten, auch heute erfüllt, und Thea athmete auf. Sie ging in- Kinderzimmer hinüber, um an dem Bettchen der kleinen Lydia sich nirderzulassen und auf deS Kinde« Erwachen zu warten. Hier war ihr liebster Platz und diese Dämmerstunde die liebste ihre« Tage«, seit Harry nicht mehr, wie einst, kam, um ihr den Arm um den Nacken zu legen und mit ihr von Tausend guten, schönen thörichten Dingen zu schwatzen, wie e« eben Verliebte thun, oder ihr vorzusingen und vorzulesen. Wie oft hatte er ihr hier im vorigen Sommer davon vor geplaudert, wie Alle- sein würde, wenn sie erst ein Kind auf ihre» Knien schaukeln dürften; wa- hatte er ihr Alle« versprochen, wie rosig ihr die Zukunft au«aemalt! Und nun? Wie langt war er nicht mehr um solche Dämmer stunde, von raschem Ritt geröthet, kraftvoll uud heiter, bei ihr eingekehrt, um sie in seine Arme »u schließen, um zu lachen, zu tändeln und »u schwatzen! Da- Kindergeschrei macht« ihn jetzt nervös, ihr allein etwas vorzusingen, reine ihn nicht mehr. Sie hatte Tag um Tag hier, an eben dieser Stelle und um eben diese Stunde, auf ihn gewartet, und r« war ihr gewesen, al- würde Alles, Alle« noch einmal wieder gut werden, wenn er käme. Aber er war nie gekommen. Er kam auch heut« nicht. Tiefer und tiefer sanken die Schatten der Dämmerung draußen herab, und immer schwüler wogten die Lindendüfte herein. Da- Kind athmete in seinen Kiffen ruhig und aleichmäßig fort. Thea verfiel in rin träumerische- Sinnen. Da plötzlich klanaen Schritte auf. Sie kamen durch« Neben gemach heran, näher und näher, — Harry'S Schritte. Sie fuhr auf. Mit einem jauchzenden Schrei hätte sie ihm entgegenfliegen mögen. Er kam also doch, er kam wirk lich, — enditch, endlich kam er einmal wieder! Und nun war ja Alle«, Alle« wieder gut, — vergessen, von ihr ab- aesuuken war Alle«, wa- si, aequält, wa« auf ihr gelastet hatte. Ihre Arme breiteten sich au«, um ibn stumm au« Herz zu schließen. Wa« bedurfte e« auch der Worte? Da batte er die Thür aufgedrückt, steckte durch den Spalt seinen Kopf herein und sagte mit gedämpfter, etwas ver legener Stimme: „Ich reite nach Moritzfelde hinüber, Tbea. Ich hab« Kleist neulich versprochen. Ich hätte eher reiten können, um zum Abendessen zurück zu fein. Aber es war zu furchtbar heiß. Und dann wußt ich auch immer noch nicht, ob ich wirklich sollte. Ich hatte zu nichts Lust, war so surchtbar unschlüssig, weißt Du. Nun wird mir der Ritt in der abendlichen Kühle gut thun. Wart also nicht mit dem Essen auf mich! Geb auch ruhig zur gewohnten Zeit zu Bett, wenn ich noch nicht da sein tollte. Mir Passirt nichts. Adieu also! DaS Kind schläft, nicht wahr? Adieu!" Er warf ihr eine Kußhand zu, kam aber gar nicht ins Zimmer zu ihr herein. Er mochte fürchten, daß sie ihn auf halten, ihm Vorwürfe machen werde, daß er dann vielleicht gar nicht fortkommen würde. Er hätte ruhig sein können. Sie sagte sich das mit einem bitteren Lächeln, während sie ihm gleichfalls ein kühles „Adieu, Harry!" zurief. Alles in ihr war wie erstarrt, alles Blut war ihr vom Herzen zurück getreten. Sekundenlang war's, als wollte die furchtbare Enttäuschung sie zu Boden werfen. Aber sie hielt sich auf recht. Die rechte Hand auf den Rand de» Kinderbettes ge stützt, die linke aufs Herz gepreßt, stand si« da, während ihr vor den Augen alle- kreiste und wirbelte, ohne zu wanken. Einen Moment zauderte Harry noch an der Thür. Es war ihm, Als müsse er noch irgend etwa- sagen, noch aus irgend etwas warten, — er wußte selber nicht recht, wa- und worauf. Dann, al- Thea sich nicht regte, auch nicht einmal dir Lippen bewegte, ging er und drückte die Thür geräuschlos hinter sich ins Schloß. Er batte schon, ehe er zu Thea kam, besohlen gehabt, sein Reitpferd zu satteln. Jetzt stand der Knecht mit demselben vor der Rampe des Herrenhaus«-. Harry schwang sich hinauf und jagte davon. Der stiebende Husschlag klang gedämpft «inen Augenblick hindurch bi- in da- Kinderrimnier Verein, — dann war alles still. Thea war an dem Bett ihre- Kinde- in die Knie ge sunken und batte daS brennend« Haupt in die Kissen gedrückt. Ein heißer Strom brach au- ihren Augen. Sie weinte. 8. Frau Marcella und Harry kamen von einer langen Fahrt durch di« Felder von Lensihn beim. Sie hatten Alles be- sicktigt. Inspector Parsenow, der jetzt bei den Rvggenmäbern zurückgeblieben war, hatte sie geführt, und Frau Marcella hatte in ihrer ruhigen Art sich über all« Ding« berichten lassen, welche die Wirthschaft des Gutes angingen. Bis dahin hatte sie in den wenigen Tagen, die sie schon auf Lensihn zugebracht, nur in der Stille beobachtet, obne eine Frage zu thun oder sich mit einem Rathschlag oder Urtbeil irgendwo vorzudrängen. Und Harry war ganz Aufmerksamkeit, ganz Liebenswürdigkeit ihr gegenüber. Er widmete sich ihr völlig, war sichtlich eifrig beflif en, ihr den Aufenthalt aus Lensibn so angenehm wie möglich zu macken, und entfaltete alle be zwingenden Eigenschaften seines Wesen«. Man konnte sich einen zuvorkommenceren Wirth, einen liebevolleren Gatten und Schwiegersohn nicht wohl denken. Nur daß für Frau Marcella's klar und scharf blickendes Auge in dem Allem ein Zuviel, etwas Gesuchtes und Absichtliches lag, das sie nicht nur stutzig machte, sondern auch traurig stimmte. Sie war schweigsam geworben, al» der leichte Iagdwagen jetzt langsam durch die sandigen Landwege dem Herrenhause entgegensuhr, während über den fernen Kiefernforsten die Sommersonne an einem mattblauen, regungslosen Himmel zur Rüste ging. „Wie findest Du hier Alles?" fragte Harry nach einer Weile ungeduldig, und eine flackernde Unruhe lag in seinen Augen. — „Vortrefflich", erwiderte sie. „E- könnte nicht besser stehen." „Aber" — fiel er mit erzwungenem Humor ein, „fahre nur weiter fortl Es soll nun doch ein „Aber" kommen, nicht?" „Du wirst ungefähr selber wissen, was ich sagen könnte, lieber Harry." „O, gewiß, gewiß!" fuhr er nervös auf. „Du willst sagen, daß da- offenbar Alles allein Parsenow'« Verdienst ist und daß ich meineStheil« mit dem musterhaften Stande der Dinge hier gar nickt« zu schaffen habe. Gut, ich leugne das ja auch gar nicht. Aber eben da- ist auch meine Recht fertigung, sollt' ich denken. WennS ohne mich so vortrefflick geht, wozu sollt' ich mich denn da einmischen? Ich könnts ja höchsten- verschlechtern. Und mir würde daö Gute zedeufall- doch nirmal- zugrschrieben werde», also wär« ver lorene Liebr-müb." Frau Marcella sah den Sprecher »inen Augenblick prüfend an, ehr sie entgegnete: „Wie r- scheint, drückt Dick also das Gefühl de- Urberflüssigstin- hier. Du kannst Deine Kräfte nicht genug nützen." „Over ich bin hier überhaupt nicht am rechten Platze", ergänzte er bastig. „Wie man« nehmen will. Sonst könnt ich ja Parsenow entlassen und Alle- selber in di» Hand nehmen. Dieser ganz« GutSkauf war rin« verfehlte Speku lation. Wa- soll ich hier? Ich langweil» Mich. Ich habe nichts zu thun. Ich spiele den Herrn und binS nicht. Die Anderen lachen mich aus, wenn ich mal in landwirthschafl- lichen Dingen mitrcden will. Ich glaube, meine eigenen Leute würben lachen, wenn ich ihnen was befehlen wollte, und Parsenow ließe sich wahrscheinlich gar nicht mal dreinreden. Es ist eine unwürdige Komödienrolle, die ich hier spiele." „Sich nützlich machen und sich beschäftigen kann man überall", fiel Frau Marcella ein. „Aber ich glaube, Du ver schmähst jede Beschäftigung." Er lacvte spöttisch kurz auf. „Weil ich keine französischen Vokabeln mehr lerne und keine Weltgeschichte studire, nicht wahr? Du lieber Himmel! DaS war solche verrückte Idee! Ich war damals verliebt!" „Blos damals?" „Nun ja, ja, ich weiß, was Du sagen willst. Man soll immer in seine Frau verliebt sein, nicht? Hat sich Thea etwa bei Dir beklagt?" „Mit keinem Wort. Du weißt selbst, daß ihr das sehr wenig ähnlich sähe." „Ja, — das ist wahr. Und übrigens! wer hätte denn auch mehr Grund zu klagen, sie oder ich? Sie fühlt sich hier äußerst wohl, ist glückselig über das Landleben und gebt ganz in ihrer Tbätigkeit auf, — sie ist ja sckon die richtige pvm- mrrscke GulSsrau, ich glaube, sie wird sogar stark. Und dann das Kind, mit dem sie nickt genug sich beschäftigen kann — waS ginge ihr wohl ab? Was nncht angebt..." „Das klingt ja grade, als ob Tbea Dich vernachlässigte!" „O, nein", sagte er gedehnt. „Das nickt. Ich mache ihr keinen Vorwurf. Sie ist eine ganz vortreffliche Frau. Bei Jedermann beliebt, bock und niedrig, und man stellt sie überall als Muster auf, wie ich höre. Nur — ich bin nicht so der Mensch für die ebene Heerstraße, und die Landluft bekommt mir weniger gut als ihr. Du sprichst von mangelnder Beschäftigung. Ich dächte, ich hätte meine Be schäftigung und meinen Beruf — auch ohne Lensibn. Ich betrachte Lensihn nur als meinen Sommersitz. Hierher ge bbrig fühl' ich mich nicht — ganz und gar nicht. Mir ist im Winter in Berlin erst wieder völlig klar geworden, wo der Boden ist, in dem ich wurzele. Ich war dort wie in einem dauernden Rausch. Hier muß ich mich künstlich be täuben. Wenn ich nicht trinke oder spiele — da- sind ja die einzigen, ländlichen Vergnügungen —, packt mich eine schauderhafte, graue Nüchternheit an." E- war allmählich wieder in die Art seine- Sprechen»
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