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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.09.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980906013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898090601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898090601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-09
- Tag1898-09-06
- Monat1898-09
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Erobere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen>Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eia« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an dc< Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 92. Jahrgang. 451. Dienstag den 6. September 1898. Der AuMrungs-ienft -er agrarischen Agitatoren. Q Di« am Sonnabend im HandelStheil wiederaegebene Be sprechung de« Helfferich'schen Werkes „Die Reform deS deutschen Geldwesens" konnte den Agitatoren der Berliner Leitung des Bundes der Landwirthe nicht gefallen. Daß sie aber nickhtS weiter dagegen vorrubringen haben, als herab setzende Bemerkungen über die Personen deö Autors und des Kritikers, zeugt nicht gerade vom Vertrauen zur „Güte" der bimetallistischen Sache. Die Leser der „Deutschen Tages zeitung" dürfen nicht einmal die Über den Geldvorrath der ReichSbank gemachten ziffernmäßigen Angaben erfahren. In dessen, es giebt noch eine schlimmere Methode als die des TodtschweigenS der Wahrheit, nämlich die Entstellung. Dieser Methode hat sich soeben der „Deutsche Bimetallist" befleißigt, indem er über eine von der britischen Negierung über die Währungszustände Indiens veranstaltete Enquete berichtete, das Ergebniß sei die Erkenntniß gewesen, baß England dem Silber wieder die indischen Münzstätten werde öffnen müssen; die meisten vernommenen Sachverständigen hätten sich zu Gunsten dieserMaßregel ausgesprochen. Um die Sache noch etwas kräftiger zu machen, war von dem „Deutschen Bimetallisten" binzugefügt worden, sogar die „Times» seien in die Opposition gegen die bisherige indische Münzpolitik eingetreteu. An dem allen ist kein wahres Wort. Das Organ des Centralverbandes der deutschen Industriellen, die „Deutsche Industrie-Zta.", stellt gerade nach einer Darstellung eben dieser „Times" fest, daß bei der Enquete fast Uebereinstimmung darüber ge herrscht habe, daß eS bei der Einstellung der Silberprägung in Indien sein Bewenden haben müsse. Selbst frühere Gegner der Demonetisirung des weißen Metalls gaben der Ueberzeugung Ausdruck, daß der Schritt nicht rückgängig gemacht werden könne und dürfe, und die noch nicht Ueberzeugten getrauen sich nicht, die Wiederaufnahme der Silberprägung vorbebaltSlos zu empfehlen. Sie sind nur, und darin scheinen alle Enquetcmitglieder ihnen beigepflichtet zu haben, der Meinung, daß in Indien etwas geschehen müsse. Diese Nothwendigkeit erklärt sich aber schon einfach aus der Ueberfluthung des Landes mit dem seiner Fähigkeit, in Culturstaaten als Währungsmetall zu dienen, nun einmal «ndgiltig verlustig gegangenen Silbers. Davon dürfen die Leute, die man gelegentlich wieder mit dem Ver sprechen der Doppelwährung an sich zu fesseln gedenkt, so wenig etwas erfahren, als sie darüber aufgeklärt werden dürfen, daß die Durchführung deS Antrages Kanitz mit seinen Durchschnittspreisen, wenn sie der Agitation gelungen wäre, dem deutschen Ackerbau schon jetzt einen kolossalen Schaden verursacht hätte. Wie weit die Irreführung der Landwirthe durch die officielle Nationalökonomie der Presse des Bundes geht und wie aufreizend sie wirkt, darüber verbreitet die Generalversammlung eines rheinischen Spar- und DarlehnScassenvereinS Helles Licht. Wir berichten darüber nach der «Zeitschrift des landwirthschaftlichen Vereins für Rheinpreußen", also nicht eines officiösen oder „IudenorAanS". DaS Blatt nennt den Ort der Handlung nicht; daß die Erzählung aber richtig ist, dafür bürgt außer seinem amtlichen Charakter die Thatsache, daß die Perliner Vundespresse bisher keine Ab leugnung gewagt hat. In der Generalversammlung nun ver langte ein Landwirth R. in seinem Namen und dem anderer Cassenmitglieder die Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung, um Gegenmaßregeln gegen die Er höhung deS Zinsfußes der preußischen Centralgenossenschafts- casse zu besprechen. Der Mann zeigte sich ebenso erbittert wie von der Richtigkeit seiner aus der agrarischen Presse ge wonnenen Ansichten überzeugt. Er äußerte u. A.: „Die lendenlahmen Ausflüchte, mit welchen die Zins erhöhungen von den sattsam bekannten Officiösen zu rechtfertigen versucht wird, können auf uns Männer mit einem Rückgrat doch kaum einen Eindruck machen. Eine Zeitung, die dem Mittelstand in Stadt und Land ganz besonders wohl will, hat diese Auslassungen mit Recht als den Gipfel des Ungeschicks bezeichnet. Für diese Maßregel giebt es eben einen durchschlagenden und über zeugenden Grund nicht, deshalb muß jedes Bemühen, einen solchen ausfindig und den Gläubigen der Manchester-Gemeinde mundgerecht zu machen, dem Fluch der Lächerlichkeit anheim fallen. DaS ist so klar wie das Sonnenlicht, daß, wenn die Central-GenosfenschaftScasse 4 Prpc. nimmt, die einzelnen Mit glieder einer Genossenschaft wenigsten- 5 bis ü'/, Proc. zahlen müssen.... Wir müssen uns wohl vergegenwärtigen, daß das Geld der Central-Gcnossenschaftscasse, bevor eS an den Einzelnen kommt, erst unsere Haupt-Genossenschafts- und unsere Darlehnscasse passiren muß. Diese wollen auch leben und müssen daher ihren Aufschlag machen. Wer das nicht versteht, Dem ist nicht zu helfen. Er befindet sich auf demselben Holz- wege, wie die harmlosen Menschenkinder, die heute noch glauben, daß der Preis unserer Erzeugnisse durch Angebot und Nachfrage bedingt wird und die Goldwährung auch noch einen anderen Zweck hat, al- dem unersättlichen inter- nationalen Großkapital immer neue Nahrung zu zuführen und den Juden und Großbankiers ihre Lassen zu füllen Diese neueste Maßregel der Central-Genossen« schastscasse bildet lediglich ei» Glied in dem System, dessen Enderfolg nichts Anderes sein kann, al- der vollständige Ruin deS Mittelstandes in Stadt und Land. Ich beantrage also, daß wir die Sache genau prüfen und dann einen ernstlichen Protest einlegen." Herr R. wurde von einem Landwirth rednerisch unter stützt, aber ein Pastor und der Vorsitzeude traten ihnen mit positiven Angaben entgegen. Der Letztere wies insbesondere ziffernmäßig nach, daß die Behauptung der BundeSpresse, der Zinsfuß müsse bei der provinziellen höher sein als bei der Centralgenossenschaftscasse und bei den Einzelgenossenschaften wiederum höher als beiden Hauptgenossenschaften, falsch sei. In Wahrheit verringert der höhere Zinsfuß der Centralcasse nur den Gewinn der unteren Casten. Diese als falsch nachgewiesene Annahme war diejenige, die, wie wir gesehen, den gutgläubigen Herrn R. so empört hatte, und von der er gesagt, dem, der sie nicht theile, sei nickt zu helfen. Herr R. ist aber kein Agitator, sondern ein Land wirth und darum berechtigt, einen Irrthum selbst dann ein zugestehen, wenn dieser sich gegen die Regierung verwerthen läßt. Er erklärte NamenS seiner Mitangeführten: „Wir konntennicht glauben, daß diemitsolcher über zeugenden Bestimmtheit vorgetragenen Behauptungen einzelner Zeitungen falsch sein sollten." Ganz erklärte sich R. zunächst noch nicht überzeugt, aber nach weiterer Erörterung zog er den Antrag zurück» „weil uns die heutige Verhandlung gezeigt hat, daß wir von irrigen Voraussetzungen ausgegangen sind". Wenn diesem Herrn R. und seinen Berufsgenossen einmal über daö Währungs wesen ein Licht aufgesteckt würde, käme er wohl auch von der Ansicht ab, die Goldwährung habe „keinen andern Zweck, als dem unersättlichen internationalen Großkapital immer neue Nahrung zuzuführen und den Juden und Großbankiers die Cassen zu füllen". Vorläufig ist es aber ein hinläng licher Gewinn, daß dem Manne nach der ihm zu Theil gewordenen Aufklärung Zweifel entstehen müssen, ob die Zeitung, die ihn — informirt hat, dem Mittelstand in Stadt und Land wirklich „ganz besonders wohl will". Deutsches Reich. H Leipzig, 5. September. Die ArbeitSnachweiS- Conferenz, über die wir bereits in der Abendnummer berichteten, nahm nach eingehenden Referaten und nach leb hafter Debatte folgende Resolution an: „Die Versammlung spricht ihre Ueberzeugung dahin aus, daß im Interesse des Groß- und Kleingewerbes der Arbeitsnachweis von den Arbeitgebern zu organisiren und zu handhaben ist." Die Versammlung, die in der zweiten Nachmittagsstunde begann, erreichte erst Abends nach 6 Uhr ihr Ende. 0. U. Berlin, 6. September. Der 8. Berbandstag der Feuerbestattungsvereine deutscher Sprache tritt hier vom 8.—10. September zusammen. Er wird start beschickt werden, sehr wichtige Berathungsgegenstände werden den Kongreß beschäftigen; da ist u. A. ein Antrag Frankfurt a. M.: „Der engere Ausschuß ist zu beauftragen, mit den ge eigneten Organen zunächst in Paris und sodann in der ganzen civilisirten Welt in Verbindung zu treten, um mit der P a r i s e r Meltaus st ellung im Jahre 1900 eine internationale Aus stellung für Feuerbestattung zu verbinden." Ein Antrag Hannover verlangt, der Derbandstag der Feuerbestattungs vereine deutscher Sprache wolle beschließen, an die R e g i e r u n- gen und Parlamente aller derjenigen deutschen Staaten, in welchen dieobligatorischeLeichenschau bisher noch nicht gesetzlich eingefllhrt ist, eine Petition um baldmöglichst.: Einführung derselben zu richten." Von Hamburg aus ist der Antrag gestellt worden, auf Kosten des Verbandes die Schrift „Die Stellung der evangelischen Kirche zur Feuerbe stattung" von Generalsuperintendent Bahnsen in 3000 Exem plaren zu beziehen. Die Berliner wollen, daß an die zu ständigen Eisenbahnbehörden eine Eingabe gemacht werde, in welcher um Abänderung der jetzigen, wenig würdigen Art des Em- und Ausladens der mit der Eisenbahn zu befördernden Leichen ersucht wird. Von Danzig aus ist der Antrag er gangen, namhafte Künstler zu einer engeren Concurrenz zwecks Herstellung einer ästhetische und künstlerische Ansprüche befriedi genden Umhüllung der Aschenkapsel aufzufordern, um durch die auf dem nächsten Verbandstage mit Preisen zu krönenden Ar beiten mustergiltige Formen den Hinterbliebenen der Feuer bestatteten zur Verfügung zu stellen. Neben der Urne sollen auch andere Formen in Betracht gezogen werden, besonders solche, welche die Aufnahme mehrerer Aschekapseln gestatten. Wie ge sagt, von allen Seiten bringt man dem Kongreß, der auch vom Auslande beschickt werden wird, das lebhafteste Interesse ent gegen; zweifellos dürfte auf dem Kongreß die Frage der Feuer bestattung ein gut Stück gefördert werden. * Berlin, 5. September. In Kamerun beginnt eine Vorwärtsbewegung von mehreren Stellen nach Osten. Die bereits gemeldete Niederwerfung des Häuptlings Ngila, nördlich vom Sannaga, durch den Leiter der Daundestation ist der erste Schritt in diesem Vorgehen. Sowohl der Gouverneur von Puttkamer, wie der Lieutenant v. Carnap hatten früher erklärt, daß ein kräftiger Zug gegen Ngila die dringlichste Aufgabe wäre. Dieser übte, wie der „Voss. Ztg." geschrieben wird, in den Land strichen zwischen dem Sannaga und dem Mbam einen recht un heilsamen Einfluß aus; von den Hauflastaaten aus wurde er reichlich mit Waffen und Munition versehen. Damit überfiel er die Stämme ringsum und trieb einen starken Sklavenhandel mit den Haussa. Hierdurch wurde das Ansehen der Deutschen sehr geschädigt. Von Ngila und seiner Residenz, die unter 4° 42' nördl. Breite und 12° 25' östl. Länge liegt, erhielten wir zuerst vom Lieutenant Tappenbeck Kunde, der im Mai 1889 dahin ge langte. Dort traf er auf die ersten Spuren einer anderen Kultur. Der Häuptling Ngira oder Ngirang wich in seinem Aeußeren, seiner Körper- und Gesichtsbildung wesentlich von der Negerbevölkcrung ab. Hauptmann Morgen glaubt, daß ara bisches Blut in seinen Adern fließt. Die Reisenden trafen dort auf die ersten Anzeichen des Muhammedanismus. Ngila wie die Vornehmsten seines Volkes trugen muhammedanische Klei- FanNletsir. Das Geheimniß des Südpols Bon vr. Kurt Rudolf Kreusner. Nachdruck verboten. Seit der Rückkehr des kühnen Norwegers Fritjof Nansen von seiner verwegenen Fahrt „durch Nacht und Eis" und der mittels Luftballon unternommenen Polarreife seines wagehalsigen Landsmannes AndrSe hat sich das öffentliche Interesse in hohem Maße der Erforschung jener unbekannten großen Gebiete zu gewendet, welche, rings um die beiden Enden der Erdachse liegend, abwechselnd fast ein halbes Jahr ununterbrochen sich im Sonnenglanze befinden, um dann in eine eben so lange Nacht zu versinken. In den Nordpolargegenden, welche uns Europäern gleichsam vor der Thür liegen und in welch« die beiden Kontinente Assen und Europa sogar ziemlich weit hineinreichen, haben die bisher unerforschten Gebiete in den letzten Jahrzehnten eine fort schreitende Einengung erfahren. Der w«iße Fleck rings um den Nordpol, welchen die Karten austveisen, wird immer kleiner; schon kann man für verhältnißmäßig geringe Kosten um die Hochsommerzeit innerhalb weniger Wochen mit den Ver gnügungsdampfern eine sichere Fahrt unternehmen, welche nach Spitzbergen und darüber hinaus ein beträchtliches Stück in die Fluthen des nordischen Eismeeres hineinführt, und wenn sich etwa zu dem idealen Forschungstriebe einerseits, welcher immer neue Expeditionen in die arktische Nacht führte und dem Ver- gnügungs-rdürfniß andererseits noch die Aussicht auf wirth- schaftliche Schätze und Dortheile — man denke an Klondyke — al« Ansporn gesellen sollte, so wird es nur eine Frage der Zeit sein, wann der Schleier von dem Geheimniß deS Nordpols fallen und der erste Mensch seinen Fuß auf den nördlichsten Punkt deS Erdballes setzen oder zum ersten Male ein Schiffskiel jene jung fräuliche Stelle des Eismeeres durchfurchen wird, wo der Nord- pyl de» Himmelsgewölbes im Zenith steht. Ganz anders liegen die Verhältnisse am Südpol. Während rings um den Nordpol geschlossene Landmassen oder ausgedehnte Inselgruppen mit verstreuten menschlichen Nie derlassungen bis weit in die Polarzone, ja, über den 70. und 80. nördlichen Breitengrad hinaufreichen und dem Entdeckungs reisenden eine gewisse Mögliches eröffnen, sich im Nothfall auS der Eiswüste auch unter Preisgabe deS ihn tragenden Schiffe« auf feste» Land zu retten und von dort seine Rückkehr in civili- sirte Gegenden zu versuchen, gähnt rings um den Südpol auf Hunderte von Meilen hin ein unwirthliches, sturmbewegtes Meer. Der Forscher, dessen Schiff hier von den Eismassen zerdrückt wird, ist verloren, auch wenn es ihm gelingt, eine der im Süd meer verstreut liegenden Inseln zu erreichen, denn von Cap Horn, der unter dem 56. Breitengrade gelegenen Südspitze Amerikas, sind es 500 geographische Meilen bi» zum Pol, und noch viel weniger weit reichen die unter dem 47. bezw. 34. Breitengrade liegenden Südspitzea de» australischen Neuseelands und Südafrika» in jene Gegenden hinein. Die wenigen bisher bekannt gewordenen Inseln und Festlandsstrecken sind jeder Vegetation bar und gavähren ihm nicht die Mittel, sein Leben zu fristen, wie auch di« Aussicht, zufällig von einem Schiffe aus genommen zu werden, nur sehr schwach ist, denn befahrene Handelswege führen dort nicht vorbei, und auch der Walfisch. fänger überschreitet in Ermangelung von Beute nur höchst selten den 60. Breitengrad, wenn ihm eine Eisbarre nicht schon vorher ein unüberwindliches Hinderniß entgegensetzt. Aber der Reiz d«s Geheimnißvollen und der Drang, den Erdball, die Stätte seines Daseins bis in die letzten Winkel kennen zu lernen, sind mächtig genug, um den Menschen, allen Gefahren zum Trotz, auch in diese Regionen zu treiben, und gerade gegenwärtig, wo mehrere Expeditionen theils schon unter wegs, theils noch in der Ausrüstung begriffen sind, gehen wir einer neuen Aera der Südpolarforschung entgegen, welche uns werthvolle Aufschlüsse über die antarktischen Gegenden zu geben verspricht, di« an Ausdehnung Europa weit übertreffen und die größte zusammenhängende Fläche auf der Erde sind, über welche wir bisher nichts wissen. Durch mehr als 2000 Jahre hat die schon von Ptolemäus ausgesprochene Vermuthung von der Existenz eines großen süd polaren Welttheiles wie eine fixe Idee die Geister der Geographen beherrscht. Auf den Karten der Alexandriner Gelehrten finden wir diese unbekannte terra austruiis autarotiea ebenso wie auf denen der Araber als einen riesigen, den alten Welttheilen an Bedeutung gleichwerthigen Kontinent verzeichnet, welcher am äußersten Rande der Erdscheibe, als welche man sich damals unseren Stern vorstellte, mit Asien und Afrika zusammenhängt, so daß das Weltmeer auf ihnen als ein von Land umrahmter Binnensee erscheint. Als sich dann gegen Ausgang des Mittel alters der Glaube an die Kugelgestalt der Erde immer mehr Geltung verschaffte und durch die erste Weltumsegelung des Portugiesen Magelhaes zur unumstößlichen Thatsache erhoben wurde, mußte man diese Vorstellungen allerdings aufgeben und die Festländer zu rings von Wasser umgebenen Inseln degra- diren. Der Glaube an das große Südpolarland erhielt sich aber mit merkwürdiger Zähigkeit, und die allzeit geschäftige Phantasie verlegte alle möglichen wunderbaren Schätze und märchenhafte Reichthümer in dasselbe, obwohl schon Entdeckungs reisen des siebzehnten Jahrhunderts wie diejenigen von Tasman (1642) und von le Maire und Scheuten den Nachweis brachten, daß ein Südcontinent, wenn schon die Möglichkeit seines Vor handenseins bestehen blieb, nur unter so hohen Breiten liegen könn«, daß derselbe auf jeden Fall «in äußerst unwirthliches Land sein müsse. Einigen vom Glücke begünstigten Seefahrern jenes und des folgendenJahrhundertsgelang es sogar, hier unddawirklichLand zu finden, in welchem man die äußersten Spitzen jenes geheimniß- vollen Südlandes entdeckt zu haben glaubte. Aber bei genauerer Ausforschung schrumpften diese angeblichen Festlandsstrecken jede» Mal zu Inselgruppen zusammen. So erwies sich das Feuerland an der Südspitz« Amerika», welches auf den bekannten Erdgloben von Johann Schöner als terra inventa, «eck ncm- ckum plsne enxnlta figurirt, al» ein verhältnißmäßig kleiner Archipel. Drake, Genitoz, de Kerguelen, Bouvet und viele Andere sahen auf ihren Reisen in jenen Breiten Landmarken, welch« sie für die Grenzen des emsig gesuchten Festlandes an sahen. Mit der berühmten Umschiffung der Südpolarregion durch Cook in den Jahren 1773 bis 1775, einem Wagestück, welchks sich an Kühnheit dem Nansen'schen Unternehmen getrost zur Seite stellen kann und als geographische Großthat in seinen Ergebnissen jene» weit übertrifft, zerfloß der Traum von einem Continent von Asien oder Afrikas Größe auf immer, und es brach sich die Erkenntniß Bahn, daß weit und breit dort nur ein ungeheures eisstarrende» Meer sich ausbreite. Weiter polwärts blieb freilich immer noch ein Gebiet von etwa 300 000 deutschen Quadratmeilen übrig, über welches jed wede Kenntniß mangelte. Erst 40 Jahre nach Cook's Reise ver suchte man hier weiter vorzudringen, und der Muth, sich in das gefährliche Packeis der dortigen Meere zu wagen, wurde über all durch Landentdeckungen belohnt, sowie man die Grenzen des südlichen Polarkreises überschritt. Vellinghausen glückte es auf seiner in den Jahren 1819 bis 1821 unternommenen Reise, als Erster innerhalb des Polar kreises Land zu finden, und Andere, welche in den darauffolgen den Jahren seinen Spuren folgten, wie Kemp, Biscoe, Weddell, Balleny, d'Urville, entdeckten ebenfalls an vielen anderen Stellen Küsten und Inselgruppen. Dazwischen dehnte sich freilich oft auf Hunderte von Meilen hin eine uniiberschreitbare Eismauer aus, bezüglich welcher es unentschieden blieb, ob dieselbe auf festem Boden ruhe, oder auf der Meeresoberfläche schwimme. Erst Wilkes und Roß konnten auf ihren in den Jahren 1839 bis 1843 unternommenen Expeditionen unzweifelhaft das Vor handensein längerer Küstenstrecken feststellen, welche den Schluß auf die Existenz größerer zusammenhängender Festlandsstrccken gestatteten. Während Ersterer die Küsten des sich über 50 Längen grade erstreckenden, nach ihm benannten Wilkeslandes entdeckte, drang letzterer kühn in bisher nie erreichte Breiten vor und befuhr die vom 70. bis 78. Breitengrade sich hinziehenden Küsten des Victorialandes, wo er bei einem zweiten Vorstöße im Februar 1842 unter 78° 30' südlicher Breite dem Pole am nächsten kam und hohe Berge, den 4570 Meter hohen Melbourne und die beiden nach seinen Schiffen benannten, thätigen Vulkane Erebus, 3770 Meter hoch, und Terror, 3318 Meter hoch, ent deckte. Es würde zu weit führen, die einzelnen geographischen Ent deckungen jener Reisen, auf welchen noch heute unsere ganze -Kenntniß der Südpolargegenden beruht, auszuzählen, denn sie würden für den Leser nur Namen ohne Inhalt und Vorstellung sein; es genügt uns, zu wissen, daß alle damals aufgefundenen Landpuncte 3 große Gruppen bilden, welche ungefähr den 3 südlichen Festländern Amerika, Afrika und Australien gegen über liegen. Ob, wie schon oben erwähnt, zwischen diesen drei Komplexen die großen Bodensenkungen des Atlantischen, Indi schen und Stillen OceaneS noch weiter gegen Süden reichen oder ob hinter der EiSbarriSr« auch dort sich Land befindet, ist noch bis heutigen Tages Geheimniß, da bis vor drei Jahren keines Menschen Fuß jene Küsten betreten hat und überhaupt die ganze Südpolarforschung trotz der bedeutenden Ergebnisse der vierziger Jahre zum Stillstand kam. Erst volle 50 Jahre später versuchten englische Walfisch, flotten aus Dundee und Hamburger Schiffe, ferner der kürzlich verstorbene Larsen auf dem Schiffe „Jason" aufs Neue energische Vorstöße von Südamerika aus, während der Norweger Borchgreving von der entgegengesetzten Seite, nämlich von Australien aus, gegen den Pol vordrang. Letzterer verdang sich zu diesem Zwecke in Melbourne im Jahre 1894 als Matrose auf dem alten, fast ausgedienten Walfischfänger „Antarctic" und er reichte am 16. Januar 1895 bei Cap Adare Victorialand, auf welchem er als Erster wirklich landete und dessen Küste er bis gegen den 74. Breitengrad befuhr. So weit die bisherigen Entdeckungen. Gegenwärtig wird eine lebhafte Agitation zur Ausrüstung einer deutschen Südpolar-Expedition betrieben, und zahlreiche in den größten deutschen Städten gehaltene Vorträge dienen dem Zwecke, das allgemeine Interesse an diesem Unternehmen wach zurufen und die erforderlichen bedeutenden Geldsummen auf zubringen. Es ist daher di« Frage wohl verzeihlich, ob es sich denn wirklich verlohnt, an die Ausforschung dieser Gegenden beträchtliche Opfer von Menschenleben und Vermögenswerthen zu setzen. Auf den ersten Blick und namentlich dann, wenn man zu nächst nur den greifbaren, pecuniären Nutzen in Betracht zieht, wird man die Frage kaum zu bejahen geneigt sein. Reichthümer sind dem vegetationslosen, fast überall mit Schnee und Eis be deckten Boden keinesfalls abzugewinnen, denn die Verhältnisse liegen in dieser Beziehung ganz anders als auf der nördlichen Halbkugel. Während beispielsweise der Getreidebau hoch in das nördliche Schweden und Norwegen bis zum 70. Breiten grade hinaufreicht und im Rheingau, welcher vom 50. Breiten grade durchschnitten wird, der edelste Wein der Erde gedeiht, hören auf der südlichen Halbkugel schon auf den Falklands- Inseln unter dem 51. Breitengrade die Gefäßpflanzen auf; staudenartige Gewächse kommen noch 3 Grade weiter vor, von da bis zum 63. Grade aber vermögen nur kümmerliche Gräser zu gedeihen. Darüber hinaus sind nur noch Moose, Flechten und Algen zu finden, und auf Victorialand entdeckte Borch greving nur mit Mühe eine Spur von Vegetation. Etwas besser ist es mit der Thienwelt bestellt. Die Wal fische freilich, welche in den nördlichen Meeren immer seltener werden und neuerdings den Walfischfahrer nach den Meeren der südlichen Halbkugel locken, verirren sich nur zuweilen in so hohe Breiten. Dafür sind es große Robbenarten, der See leopard und der Seeelephant (Mähnenrobbe), welche in großen Heerden vorkommen und der dortigen Thieiwelt ihren eigen artigen Charakter verleihen im Verein mit den in ungezählten Millionen vertretenen großen Polarvögeln, den bis 5 Fuß hohen Pinguinen. Namentlich auf den Inseln ist daher der freie Boden fast allenthalben mit einer dicken Schicht Guano bedeckt, welcher dereinst recht werthvoll werden dürfte. Ob der Boden endlich mineralische Schätze birgt, ist begreiflicher Weise gänzlich unbekannt. Je weniger aber in diesen Gegenden pekuniärer Gewinn zu holen ist, desto wichtigere Fragen hat die Wissenschaft hier zu lösen. Nach allen bisherigen Erfahrungen ist der dortige Sommer durchschnittlich um volle 10 Grad des hunderttheiligen Thermometers kühler als unter gleichen Breiten der nördlichen Halbkugel. Ueber die Verhältnisse im Winter wissen wir nichts Genaues. Nach den Einen ist er milder als der Winter der Nordpolarländer, nach Anderen aber mindestens ebenso kalt, wenn nicht kälter als dieser. Sollte sich die letztere Annahme bewahrheiten, so wäre dies eine gewichtige Stütze für die Theorie, welche die periodischen Eiszeiten mit der Präcefsion der Tag- und Nachtgleichen im großen platonischen Jahre von 23 000 Erdenjahren in Verbindung bringt. Dank welcher gegen wärtig auf der südlichen Halbkugel der Sommer um ein Be trächtliches kürzer ist als der Winter. Auch die Theorie der Gebirgsbildung und des Vulkanismus erwartet wichtige Auf schlüsse von der Erforschung der Südpolargegenden. DaS Gleiche gilt von den erdelektrischcn Forschungen und dem antarktischen Polarlicht oder Südlicht, über welches noch wenig bekannt ist, das jedoch nicht unbedeutend vom Nordlicht abzuweichen scheint. Kurzum, es giebt eine Menge wissenschaftlicher Probleme, welche hier ihrer Lösung näher gebracht werden können.
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