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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.10.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981004010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898100401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898100401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-10
- Tag1898-10-04
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Größere Schriften laut unserem Preis- ve^eichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abrnd-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Margen-AuSgabe: Nachmittags 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anreisen sind stets an d-« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polj in Leipzig 5V3. Dienstag den 4. October 1898. 82. Jahrgang. Waffengebrauch bei Tumulten. * Der „Vorwärts" ist wieder einmal in der Lage, einen vertraulichen Ministerialerlaß zu veröffentlichen. Vielleicht ist das socialdemokratische Centralorgan schon seit Wochen im Besitze dieses Aktenstückes, hat aber mit der Veröffent lichung gewartet bis unmittelbar vor der Eröffnung des socialdemokratischen Parteitages in Stuttgart, auf dem es Stimmung machen soll. Und es wird Stimmung machen, denn es lautet: Vertraulich. Der Minister des Innern. II 8952 I Nug. Berlin, den 22. Juli 1898. AuS den Berichten über die kürzlich in dortiger Stadt statt gehabten Straßenaufläufe ist zu ersehen, daß die Polizeibramten, nachdem sie unter den gegebenen Voraussetzungen zum Einschreiten mit bewaffneter Hand genöthigt waren, von der Waffe nicht sofort wirksamen Gebrauch gemacht haben. Wesentlich hier auf ist es zurückzufilhren, daß es nicht gelungen ist, die Tumult« gleich in ihrem Entstehen zu unterdrücken, daß es vielmehr zu weiteren Ausschreitungen gekommen ist, welche bei energischem Ein greifen zu rechter Zeit hätten vermieden werden können. Derartige bedauerliche Vorgänge sind geeignet, die Autorität des Staates und seiner Behörden zu gefährden. Unter keinen Umständen darf in solchen Fällen ein Zweifel darüber gelassen werden, daß die Polizeibehörden in der Lage und gewillt sind, zum Schutze der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit von den ge- setzlichrn Machtmitteln mit voller Entschiedenheit Gebrauch zu machen. Ich nehme daher Anlaß, in Erinnerung zu bringen, daß die Polizeibeamten, sobald sie nach Maßgabe dir bestehenden allge meinen Bestimmungen (8 28 der Dienstinstruction für die Gen darmerie vom 30. December 1820 — G.-S. 1821 S. 10 8 18 der Verordnung vom 23. Mai 1867 G.-S. T. 777 — Allerhöchste Ordre vom 4. Februar 1854 — Minist^vl. f. d. i. B«rw. S. 69) und ihrer besonderen Dienstinstruktionen genöthigt find, gegenüber einer auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen versammelten Menschenmenge mit bewaffneter Han- einzuschreitea, von der Waffe sofort wirksamen Gebrauch zu machen haben, nachdem die her- kömmliche dreimalige Aufforderung, sich zu entfernen, keinen Erfolg gehabt hat (vergl. 8 116 deS Strafgesetzbuches). Was insbesondere den Gebrauch der Schußwaffe bei solchen Gelegenheiten betrifft, so hat anläßlich von im Jahre 1890 vor- gekommenen Straßen-Tumulten der 8 10 de» feiner Zeit Ihnen zngegangenen Ordre- und JnstructionsbucheS für di« Landgendarmrrie vom 10. August 1886 hinter Zeil« 1 der Seit« 14 folgenden Zusatz erhalten: „Muß von der Schußwaffe Gebrauch gemacht werden, so hat dieses auch in vollem Maße «inzutreten, und sind vor Allem die sogenannten Schreckschüsse über die Köpfe der Volks- menge hinweg zu unterlassen." Diese Anordnung, welche, wie ich annrhme, durch Gendarmerie- Brigade zu Ihrer Kenntniß gebracht sein wird, hat auch für die Polizeibeamten zur Richtschnur zu dienen. In gleicher Weis« haben, wie die Gendarmen so auch di« Polizei- beamten, falls sie bei Straßentumulten und Volks-Ansammlung«« mit bewaffneter Hand einzuschreiten genöthigt sind, b«i der An- Wendung der Hiebwaffe nicht mit flacher, sondern mit jcha«f«r Klinge einzuhauen. Jin Uebrigen behält r» b«i der mit dem Ein verständnisse meines Hrrrn Amt-Vorgänger» von dem Chef der Landgendarmeri« getroffenen Bestimmung, wonach, wenn ein« größere Anzahl von Gendarmen zu geschlossenen Abtheilungen unter einem Vorgesetzten als Führer vereinigt werden, für den Waffen- gebrauch dersetben neben dem 828 der allgemeinen Dienstinstructiou vom 30. December 1820, und dem 8 18 der Allerhöchsten Ver ordnung vom 23. Mai 1867, die auf dem Gesetze vom 20. März 1837 beruhende Instruction über den Waffengebrauch des Militair» vom 4. Juli 1863 Nr. II 2, 4 und 5 zur Richtschnur zu dienen hat, sein Bewenden. Indem ich noch bemerke, daß die Instruction vom 4. Juli 1863 im Buchhandel und zwar bei der Königlichen Hofbuchhandlung von E. S. Mittler und Sohn, Berlin, käuflich zu haben ist, ersuche ich Sie, hiernach die Nachgeordneten Polizeibehörden, so weit er forderlich, in geeigneter Weise verständigen zu lassen. gez. von der Recke. An den Herrn Regierungspräsidenten zu Erfurt. Der „Vorwärts" versäumt auch nicht, in einem spalten langen Artikel, der sich mit dem Inhalt des Erlasses be schäftigt, auf dessen Folgen hinzuweisen und an die Aussage zu erinnern, die am 30. Juni d. I. der als Zeuge in dem Erfurter Processe vernommene Pastor Köhler unter seinem Eibe über da» Verhalten der Polizeibeamten bei dem Auf laufe machte. Sie lautet: „In der Andreasstraße ritten die Polizeibeamten und Gendarmen auf dem Trottoir und schlugen mit blankem Säbel auf Alle, die ihnen in den Weg kamen. Harmlose Leute, die an ihrer Hausthür standen, mußten sich vor den Schutzleuten und Gendarmen flüchten. In einem Hausflur der Andreasstraße standen zwei anständige Arbeiter in ruhigster Weise. Die Schutzleute ritten direct auf die Thür zu und schlugen mit den Degen auf die beiden Leute los. Einer von den Geschlagenen ries: „Was wollen Sie denn, ich wohne ja hier." In der Andreasstraße pfiffen und johlten wohl zwei Jungens im Alter von 12 bis 13 Jahren, das übrige Publicum bestand aber aus durchaus anständigen, harmlosen Leuten, di« zufällig ihr Weg über den Friedrich - Wilhelmsplatz und die angrenzenden Straßen führte, und sich vollständig ruhig ver- hielten. — Der Präsident fragt: Haben Sie nicht Steine werfen sehen? — Zeuge: Durchaus nicht. Dir Polizeibeamten schlugen rücksichtslos auf durchaus harmlose Leute, die ruhig nach ihrer Wohnung gingen und denen man auf den ersten Blick ansehen mußt«, daß sie keine Tumultuanten waren. Meine Empörung wurde von mehreren meiner Gemeinde- Kirch«nrath»mitglieder getheilt. Man mußte nach diesem Vorgehen der Polizei annrhmen, daß etwas im Werke sei. Das Vorgehen ier Polizei hat da» Gegentheil von dem bewirkt, was be absichtigt war. Ich war wiederholt genöthigt, Leute vor den Säbelhieben der Polizei zu schützen. Einen Mann, der vor meinem Hause einen Schlag mit dem Säbel auf den Kops erhielt, nahm ich in meine Wohnung, um ihn zu verbinden." Wer die Ziele der Socialdemokratie und den Geist, der in socialdcmokratischen Parteiversammlungen herrscht, nur einigermaßen kenn», wird nicht im Zweifel über den Eindruck bleiben können, den die Lectüre dieses Erlasses und der vom „Vorwärts" an ihn geknüpften Auslassungen auf die in Stuttgart versammelten Genossen machen wird. Im Grunde seine» Herzens wird denn auch der „Vorwärts" dem preußischen Minister des Innern für seine dem Erfurter Regierungspräsidenten ertheilte Anweisung eben so dankbar sein, wie dem Beamten, der eine Abschrift deS Actenstücks auf den RedactionStisch des socialdcmokratischen Central organs niederlegte. Vor Dem, was Herr v. d. Recke nun wahrscheinlich zur Begründung seines Erlasses veröffentlichen wird, bangt dem „Vorwärts" nicht, — es kommt jedenfalls post ksstum, d. h. nachdem der Erlaß in Stuttgart zur Aufreizung der Gemüther weidlich ausgenutzt worden sein wird. Schon hieraus kann Herr v. der Recke erkennen, daß er wieder einmal keine glückliche Hand gehabt hat. Daß „ver trauliche" Erlasse von der Art des vorstehenden, den social demokratischen Führern nicht verborgen bleiben, dafür hat er «ine Füll« der schlagendsten Beweise. Warum hat er trotz dem die Form eines „vertraulichen" Erlasses gewählt, von der er annehmen mußte, daß sie der Socialdemokratie werth- volleS Agitationsmaterial liefern und ihn selbst zu einer nachträglichen Begründung nöthigen werde, welche die hetzerische Ausnutzung des Erlasses nicht ungeschehen machen könne? Dem „Vorwärts" hätte das Schrift stück bei Weitem geringeres Agitationsmaterial ge boten, wenn es von dem Minister selbst veröffentlicht und mit dem Hinweise darauf begründet worden wäre, daß die Erfurter Tumulte vom 2 t. Mai trotz aller Mahnungen, Vorkehrungen und Drohungen am 25. und 26. Mai sich wiederholten und ein wirksames Eingreifen der Polizei geradezu herausforderten. Vor Allem wäre dadurch der Socialdemokratie der Vorwurf abgeschnitten worden, lediglich in Folge der vertraulichen Natur deS Erlasses seien die harmlosen Mitläufer der Ruhestörer über die Folgen ihres Verhaltens und über die Gefahr, von scharfen Hieben getroffen zu werden, im Unklaren geblieben und zu Opfern einer Behandlung geworden, wie Pastor Köhler sie schilderte. Jedenfalls hätte der Erlaß schon durch ministerielle Ver öffentlichung einen ganz wesentlich anderen Charakter er halten, als durch seine vertrauliche Natur. Wer da weiß, was ihm droht, wenn er an einem Tumulte sich betheiligt, darf sich nicht beklagen, wenn ihm das Angedrohte geschieht. Wer aber nicht weiß, daß Befehl ergangen ist, bei der An wendung der Hiebwaffe nicht mit flacher, sondern mit scbarfcr Klinge einzuhanen und bei Anwendung der Schußwaffe die gebräuchlichen Schreckschüsse in wohlgezielte scharfe Schüsse zu verwandeln, und trotzdem auf die „wirksamste" Weise be handelt wird, wird daS tiefe Mitleid nicht nur eines Pastors Köhler für sich haben und der Social demokratie als geeignetstes Object dienen, an dem die „Brutalität" der Polizei aä oculos demonstrirt werden kann. Mit Sicherheit ist daher vorauszusehen, daß der Erlaß nicht nur in Stuttgart, sondern auch im preußischen Land tage zur Sprache gebracht werden wird. Und hier werden sich schwerlich zahlreiche Vertheidiger für Herrn v. d. Recke finden, die ihn gegen den Vorwurf in Schutz nehmen, rück sichtsloses Vorgehen gegen Leute gefordert zu haben, die über die Folgen ihres Verhaltens nicht aufgeklärt waren. Ob ein solches Vorgehen an sich unvermeidlich war, wird sich erst ermessen lasssWM-wenn genauere Angaben über die Natur der Erfurter Vorgänge gemacht worden sind. Aber auch Diejenigen, die geneigt sein möchten, die Frage zu bejahen, werden nicht umhin können, Herrn v. d. Recke an die Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses vom 17. Februar d. I. zu erinnern, in denen schwere und zum Theil begründete Klagen über unwürdige Organe der Polizei er hoben wurden. Wer von der Polizei rücksichtsloses Ein schreiten mit der Waffe verlangt, ist zu dem Nachweise ver pflichtet, daß er selbst rücksichtslos die Polizei von allen Elementen befreit, die Strenge von Brutalität nicht zu unter scheiden wissen. Daß daS nöthiz ist, hat allein der Proceß Kiefer zur Evidenz erwiesen, und daß auch die polizeilichen Organe nicht einmal durchweg auS Beamten zusammengesetzt sind, die wenigstens wegen ihrer Loyalität das in dem besprochenen Ministererlaß auf sie gesetzte Vertrauen ver dienen, das geht am klarsten aus der Thatsache hervor, daß der „Vorwärts" den „vertraulichen" Erlaß veröffentlichen konnte. Es scheint übrigens, als ob Herr v. d. Recke leicht herziger zum Waffengebrauck rathe als sein College, der preußische Kricgsminister. Von Letzterem stammt ja doch daS im Reichstage gefallene Wort, daß man zur Bewältigung von Straßentumulten die Spritzen der Feuerwehr habe und nicht zu den „Kleinkalibrigen" zu greifen brauche. Deutsches Reich. — Leipzig, 3. October. Die gestern Vormittag im Hotel de Pologne abgehaltene Vorstands-Sitzung deS National liberalen Vereins für das Königreich Sachsen vollzog sich unter reger Anthcilnahme von Delegirten aus den Reichstagswahlkreisen, sowie der Mehrzahl der säch sischen nationaitiberalen Reichs- und Landtagsabgeordneten. Die Sitzung wurde geleitet durch Herrn 1)r. Gensel, der die Erschienenen herzlich begrüßte und vor Ein tritt in die Tagesordnung mit tiefempfundenen Worten deS Verlustes gedachte, den das deutsche Volk durch den Heimgang des Fürsten Bismarck, des Reiches gewaltigen ersten Kanzler, erlitten hat. Er gedachte dabei insbesondere der Beziehungen deS Fürsten zu Sachsen, welches dank seiner weisen, die berechtigte Eigenart schonenden Staatskunst zu einem werthvollen und zuverlässigen Gliche deS deutschen Reiches geworden sei. Nach Eintritt in die Tagesordnung wurden zunächst die Herren vr. Gensel als erster Vorsitzender, Stadtrath Nagel als Schatzmeister und Rechtsanwalt Or. Häbler als Schriftführer auf Vorschlag deS Herrn Abg. Gontard durch Zuruf wiedergewählt. Statt des seitherigen zweiten Vorsitzenden, Herrn Habenicht, der mit Rücksicht auf seine Berufsgeschäfte dringend gebeten hatte, von seiner Wiederwahl abzusehen, wurde Herr Reicbs- gerichtSratb a. D. vr. Stenglein berufen. Sämmtliche Herren nahmen die auf sie gefallene Wahl dankend an. Einen weiteren Gegenstand der Tagesordnung bildete die Aussprache darüber, in welcher Weise die Aufhebung des Verbots eines Verkehrs zwischen den Vereinen für die Partei- Organisation zu verwerthen sei. Bezüglich der für 1899 bevor stehenden Landtagswahlen wurde über die wünschensmerthe Art deS Zusammengehens mit den anderen Cartellpartcien verhandelt und der Vorstand beauftragt, mit diesen ins Ver nehmen zu treten. Ein gemeinsames, Lurch Mancherlei Trink sprüche gewürztes Mahl schloß die in jeder Weise ergiebigen Verhandlungen ab. 6. H. Berlin, 3. Octorer. Zum russischen Ab- rüsiungsvorschlage ist vielleicht die Thatsache erwähnens- werth, daß da» russische Marineministerium, das bekanntlich überall Schiffe in Bau gegeben hat, soeben eine großartige Bestellung in Havre gemacht hat. ES soll daselbst ein ganzes Geschwader gebaut werden; eS soll auch in der französischen Hafenstadt vollständig fertig gestellt und armirt werden, so daß es vollkommen gefechtsbereit nach Kronstadt kommen wird. DaS Geschwader soll bestehen ans 1 Panzer kreuzer, 1 Panzerschiff und 3 Torpedokreuzern. Das Panzer schiff soll eine Länge von 118,5 w, eine Breite von 23 w, einen Tiefgang von 7,93 in, Deplacement von 13 100 Tonnen, Maschinen von 16 300 indicirten Pferdekräften und eine Schnelligkeit von 18 Knoten haben; auch die Armiruug dieses gewaltigen Panzerschiffes wird selbstverständlich eine ganz außerordentlich starke sein. Der Panzerkreuzer erhält eine Länge von 135 w, eine Breite von 17,4 m, Tiefgang achtern 6,7 m, Deplacement 7800 Tonnen, Maschinen 16 500 invicirte Pfrrdekräfte, Schnelligkeit 21 Knoten. Die Torpedo kreuzer sollen haben: Länge 56,6 m, Breite 6,3 m, Tiefgang 1,97 m, Deplacement 320 Tonnen, Maschinen von 5700 Pferdekräften, Schnelligkeit 27 Knoten. — Auch auf den russischen Werften herrscht eine rege Thätigkeit, die Werft von Crayton in Abo wird sofort nach der in kurzer Zeit er folgenden Fertigstellung der Torpedoboote „Korscbun" und „Jastreb" ven Bau zweier Torpedokreuzer von 400 Tonnen des Typ „Abrek" in Angriff nehmen. Die Jschora-Wrrst, auf welcher der Bau der Torpedoboote „Nyrok", „Berket", „Krethstet" und „Kondor" nahezu beendet ist, hat den Auf trag erhalten, drei weitere Torpedoboote desselben Typs in Bau zu nehmen. Jedenfalls ein eigenthümtiches Vorspiel zur Berathung des russischen Abrüstungsvorschlages. L Berlin, 3. October. (Für st Bismarck und die Nationalökonomie.) Aus Professor Schmoller's in der „Socialen Praxis" veröffentlichtem letzten Aufsatze über Bismarck's volkswirthschaftliche Bedeutung verdient noch fol gende Stelle mitgetheilt zu werden, die über die Stellung Bis marck's zur Nationalökonomie u. A. Folgendes enthält: „Er hat als Mann von Geist Vie wirklich großen Gelehrten aller Fächer hochgeschätzt. Aber über die sogenannten abstrakten Theorien der Nationalökonomen und der verwandten Wissen schaften hat er oft die Lauge seines Spottes ergossen, versichert, sie ließen ihn gänzlich kalt; er folge der Erfahrung, die allein im Gebiete 'des organischen Lebens die richtige Führerin sei. Es giebt Professoren, die ihm das übelnahmen, und man konnte Auf den Pfaden der Kaiserreife. n. Läng» Kleinasien» nach Syrien und Damaskus. Bon vr. H. von Hiller.Sternberg. «tochdruck »er»«1en. Denselben Weg, den wir vor wenigen Tagen gekommen sind, über da» Marmarameer und die Dardanellen, trägt uns nun das Dampfschiff zurück. Noch einmal rollt da» Panorama aller der geschichtlich denkwürdigen Puncte, an denen jene Gegen den so überreich sind, an uns vorüber; dann geht e» links ab und unaufhaltsam gen Süden der Kette der großen Jonischen Inseln und der Küste Kleinasien» entlang dem nächsten Reise ziele, Smyrna, entgegen. Eine wundervolle Fahrt in Böcklin'scher Landschaft zwischen den zahlreichen kleinen Eilanden und Klippen, deren scharf zersägte dunkelbraune Felsenmassen sich in den barocksten Formen au» dem tiefblauen Meere erheben, dahinter die Wellenlinie der reichbewaldeten Gebirgszüge der größeren Inseln und des Fest landes, Alles in ein Meer von Licht getaucht, von dessen Inten sität und Reinheit wir Bewohner de» deutschen Nordens keine Vorstellung haben. Die Städtebtlder, so anregend sie vielleicht für den Maler sein mögen, bieten freilich für den VergnügungS- reisenden wenig Interessante»; denn diese Nester, die sich regel mäßig im innersten Winkel der geschützten Buchten erheben und amphttheatralisch an den Bergwänden emporsieigen, gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Dasselbe gilt von den Bewohnern, meistens Griechen, welche mit viel Geschrei und einer Emotion, hinter welcher der ruhige Deutsche im nächsten Augenblick da- Zucken der Dolch« erwartet, ein nach unseren Begriffen höchst nichtiges Dasein führen. Im Orient hat ja bekanntermaßen die Zeit keinen Werth und so vertrödelt dieser Theil der Menschheit, welcher vor zwei Jahrtausenden auf dem Gipfel der Cultur stand, sein Dasein und hält es fast für eine Sünde, der Natu: mehr abzuringen, als man gerade für den nächsten Tag bedarf Geistige Ziele bewegen dieses Volk vollends gar nicht, welches seit den Zeiten des griechischen Freiheitskampfes, da Chios dem Hellenenvolke seinen großen Seehelden Canaris schenkte, in magnetischen Schlaf hineinhypnotisirt ziu sein scheint, und da» auch im vorigen Jahre gelegentlich der von Athen aus so pomp haft in Scene gesetzten und so kläglich gescheiterten Befreiungs komödie entgegen den lügenhaften Zeitungsberichten von Opfer willigkeit in unrühmlicher Unthätigkeit verharrte. Der Golf von Smyrna, in welchen wir nach eintägiger Fahrt hineindampfen, zieht sich, zum Beginn etwa drei Meilen breit, sechs Meilen lang, allmählich sich verengend, von Westen nach Osten ins Land hinein; hohe waldreiche Berge umsäumen die Ufer und zahlreiche Vorgebirge und Inselchen, einstmals der Tummelplatz von Seeräubern, schmücken die Bucht, welche erst in ziemlicher Nähe der „Königin Anatoliens" Leben gewinnt. An den Abhängen des Berge» Pagu» in langelliptischer Ge stalt sich hinziehend, nimmt sich Smyrna, dessen Bevölkerung mit raschen Schritten auf dm» dritte Hunderttausend lo»- marfchirt, gleich allen großen Städten de» Orient» äußerst Prächtig und großartig aus. Vieles von der vermeintlichen Größe schwindet auch hier bei näherem Augenschein zur Be deutungslosigkeit zusammen, denn die Straßen sind zumeist -ng und schmutzig. Aber durch diese große Hafenstadt, in welcher jährlich über 3000 Schiffe ein- und auslaufen und welche in direkter Verbindung mit den größten Stapelplätzcn des Mittel meere» steht, geht doch ein viel versprechender Zug modernen Leben». Denn der kleineren Hälfte türkischer Bevölkerung stehl eine Mehrzahl von Griechen, Juden, Armeniern und Franken gegenüber, deren alleinige» Ziel, die Jagd nach Erwerb und Geld, der Stadt stellenweise rin durchaus westeuropäisches Gepräge ver liehen hat. In luxuriösen Kaffeehäusern lesen wir die wohl ¬ bekannten großen Zeitungen Deutschlands; auch die Localpresse ist nicht übel bedient, und Bibliotheken und Casinos, in welche der Fremde ohne Schwierigkeit eingeführt wird, sorgen für geistige Genüsse, in deren Reihe auch eine französische Operctten-Gesellschaft nicht fehlt, während in zahlreichen ollanlauls eine Halbwelt der schlimmsten Art den Ma trosen ihr mühsam erworbenes Gelb vergeuden hilft. Mehrer- Eisenbahnen führen bis tief in das Innere des Landes, in welchem deutsches Capital in der That einen guten Anlageboden finden wird, ohne daß deswegen an eine deutsche Colonisation in großem Maßstabe zu denken wäre, deren Pläne uns unsere an Versolgungswahnsinn leidenden Nachbarn jenseits der Vogesen seit dem Bekanntwevden der Kaiserreise mit eiserner Beharrlich keit andichten. z Ein naher Ausflug führt uns nach den Vororten Burnabat und Jedikiöi, wo zahlreiche Europäer ihre Sommcrvillen haben. Während wir die leider sehr staubige Straße zu Fuß dahin pilgern, fahren an uns in Equipagen, deren sich keine Groß stadt zu schämen braucht, die Frauen reicher griechischer Kauf leute vorbei, aufgeputzt und geschminkt, als gälte es, die Ueber- trrebenheit mancher Damenmoden durch einen einzigen schlagen den Beweis ack adsurckum zu führen. Ungleich interessanter, namentlich für den archäologischen Feinschmecker, ist eine Partie nach den weitausgedehnten mu- hamedanrschen Friedhöfen am Berge Pagus oder anderthalb Meilen landeinwärts auf der Straße gegen Mmfi, wo Anfang diese» Jahres das schon von Herodot beschriebene Denkmal oes Sesostris gefunden wurde, eine riesig« Menschengestalt mit Speer und Bogen, welche als Hochrelief in den Felsen eingesetzt und mit ihrem ehrwürdigen Alter von dreitausend Jahren gewiß eine» der interessantesten Denkmäler Kleinasiens ist. Die kurzbemessenen Tage des Aufenthalte» in Smyrna find bald vorbei; weiter geht's in südlicher Richtung. Die Küsten bilder sind die gleichen wie vordem und wirken schließlich er müdend. Um so interessanter ist das Gebühren der Nationen, welche auf dem Verdeck de» großen Paffagierdampfer» eben so bunt durcheinander gewürfelt sind, wie in den Straßen Smyrnas. Bismarck hat die Türken einmal die einzigen Gentlemen des Orients genannt, während er den Griechen, den Armeniern und den anderen mannigfachen Volkstrümmern, die sich um uns auf Deck herumtreibrn, wenig schmeichelhafte Attribute znerkannt hat. Der Philhellene, der sich seine Vorstellungen nach den Ge sängen Byron's und an den Gestalten eines Miauli's und Grafen Capodistria gebildet hat, wird diese Aussprüche hart finden; aber schon die oberflächlichste Prüfung muß ihm die Richtigkeit derselben bestätigen. Der Türke als Mensch ist durchaus keine Jdealgestalt unv Vertreter eines auserwählten Volkes, für oen er sich selbst natürlich im Vergleich zu den Levantinern ansieht. Die Schattenseiten seines Charakters liegen in der unglaublichen Indolenz, in der Haremswirthschaft der oberen Zehntausend und in der Verlotterung der Staatsverwaltung. Der persönliche Verkehr aber und Alles, was man von den Gewohnheiten des Türken in der Öffentlichkeit sieht, ist nur geeignet, dem West europäer eine bessere Meinung von diesem Volke beizubringen, als sie seit den Tagen der Griechenfchwärmerei bei uns verbreitet ist. Obwohl die Levantiner Griechen ein schöner Menschenschlag sind, der Gestalten und Gesichter hervorbringt, welche das klassische Schönheitsideal erreichen, verdirbt das Theatralische und Gemachte in ihrem Wesen den anfänglich guten Eindruck. Die Männer find ein Gemisch von aalglatter Schlauheit, Leiden schaftlichkeit und nicht selten ausschweifendem Leichtsinn, während das weibliche Geschlecht derartig eitel ist, daß cs die Bewundcrung feiner Schönheit mit lauten Worten herausfordert. Wie anders dagegen die Türkinnen mit ihren in zarten Farben gehaltenen duftigen Gewändern, ihren halbvurchfichtigen Jasch- maks, welche das Gesicht mehr verschönern als verhüllen, und die jungen, im Backfischalter stehenden Mädchen in ihren einfachen, faltenreichen, weißen Costümen, in denen sie den Franken an die unschuldsvollen weißen Lotosblumen des Ganges erinnern. Entschiedenes Ungeschick besitzen die Türkinnen nur in der Be kleidung der kleinercn Kinder, welche in ihren nachschleppenden
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