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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.11.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981102017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898110201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898110201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-11
- Tag1898-11-02
- Monat1898-11
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8186 tischeS Schiff kenutzen mußten und unter englischer Flagge segelten. Infolge der Seekrankheit mußte ein schlesischer Johanniter mit seiner Frau in Messina den Dampfer verlassen und ein anderer schlesischer Johanniter erkrankte der artig, daß er in Alexandrien von seiner Frau in ein Kranken haus gebracht werden mußte. — Während der Zusammentritt des Reichstags Ende November feststeht, unterliegt es auch keinem Zweifel, daß der neugewählte Landtag erst nach Neujahr einberufen werden wird. OfficiöS wird darüber geschrieben: Die Vorlage wegen Ausbaues der schlesischen und märkischen GebirgSflüss«, deren ungemeine Dringlichkeit in erster Linie zu der Annahme eines frühzeitigen Zusammentritts deS Landtages geführt hatte, hat noch nicht weit genug vorbereitet werde» können, uin deren Einbringung vor Neujahr zu gestatten. Die technischen Vorarbeiten für die Regulirung jener Flüsse sind zwar, abgesehen von den etwa zu errichtenden Thalsperren und den an der Oder selbst vorzunehmenden Verbesserungen, abgeschlossen; allein die auf Grund derselben auszu arbeitende Vorlage an die Provinzen befindet sich noch in Vorbereitung; erst nach deren Fertigstellung kann an die Verhandlungen mit den Pro vinzen Schlesien und Brandenburg herangetreten werden. Auch wenn diese Verhandlungen, was keineswegs sicher ist, einen glatten Verlauf nehmen sollten, erscheint daher eine Befassung des Landtages mit der Vorlage vor Neujahr ausgeschlossen. — Die große Canalvorlage, deren Bedeutung eine Verhandlung vor der Einbringung des Staats haushaltsetats und vor Len daran sich knüpfenden Etatsverhand lungen an sich wünschenSwerth erscheinen läßt, wird ebenso wenig vor Weihnachten bis zur Fertigstellung deS Texte- des CreditgesetzeS und seiner Begründung gefördert werden können. Die Verhand lungen mit den Bethciligten wegen Uebernahme von Voraus leistungen für den Canalbau selbst oder für die Stichcanäle, die Canalifirung der Weser und andere Nebenaussührungen dieser Art haben einen raschen und befriedigenden Verlauf genommen. Allein sie sind theilwrise noch im Gange; so ist soeben erst mit Braun- schweig in der Sache verhandelt worden. Der befriedigende Ab- schluß dieser Verhandlungen bildet aber die unerläßliche Voraus setzung für die Creditbewilligung. Man wird daher mit der Er öffnung des Landtages in der ersten Hälfte deS Januar zu rechnen haben. — Die vom vorigen Reichstage bekanntlich abgelehnten Erhöhungen der Gehälter für die vier Staats- secretaire des Reichsjustiz-, Marine-, Post- und Schatz amtes von 24 000 auf 30 000 werden in dem neuen Etat wiederkehren. -- Die „Gedanken und Erinnerungen" des Fürsten Bismarck werden, der „Deutschen Tageszeitung" zufolge, bestimmt am 29. November veröffentlicht werden. Dieselben sollen bereits in 100 000 Exemplaren bestellt sein. — Ter Gouverneur von Deutsch-Ostasrika, General major Liebert, hat bekanntlich wegen deS vor L Wochen in Berlin erfolgten Ablebens seiner Gemahlin Dar-eS-Salaam verlassen, ist nach kurzem Aufenthalt in Egypten, in der ver gangenen Woche in Italien gelandet und wird schon in den nächsten Tagen hier in Berlin erwartet. Hier wirv er einen viermonatigen Urlaub verbringen und neben dem Colonialdirector im Reichstag den Etat für Deutsch- Ostasrika vertreten, namentlich in der dabei zur Sprache kommenden Eisenbahnfrage. Liebert hat die Linie der Centralbahn bereist und hierbei werthvolleS statistisches Material gesammelt, um dieses im Reichs tage gelegentlich der Vorlage betr. Uebernahme und Weiter führung der Usambarabahn durch das Reich zu unterbreiten. Bor seiner Abreise von Ostafrika stattete er, der „Magdeb. Ztg." zufolge, der Stadt Zanzibar, den dortigen höheren englischen Beamten und dem Sultan einen Besuch ab. Der Sultan verehrte ihm einen sehr werthvollen, mit Gold reich verzierten Säbel, der für den Sultan besonders angefertigt l war, „als ein Zeichen persönlicher Achtung und Zuneigung". Gouverneur Liebert ließ durch General Sir Lloyd seinen Dank aussprechen, während der deutsche Consuk, Graf von Hardenberg, bemerkte, daß das Geschenk des Sultans nicht nur den Gouverneur Liebert, sondern alle Deutschen ehre, und dem Sultan für die Art und Weise dankte, in der er seinen Gefühlen gegen die Deutschen Ausdruck gegeben habe. — Der Director am Reichstag, Geh. Reg.-Rath Knack befindet sich noch in der Klinik des Professors Sonnen burg. Vor einigen Wochen wurde ihm daS rechte Bein , 30 cm unter dem Knie abgenommen, der Patient fühlt sich ' seitdem Wohler und dürfte nach den WeihuachtSferien seinen Dienst im Reichstag wieder antreten. — Director Otto Schröder vom Neichsamt deSJnnern erlitt in Baden-Baven, wo er zur Cur weilte, einen Blut sturz und verstarb auf der Stelle. Er war noch in jungen Jahren. — Eine aus drei Theilnehmern bestehende Commission belgischer Eisenbahn-Ingenieure, welcher die Be gutachtung der Frage obliegt, ob die Abschaffung der schrillen Dampspfeifensign ale im Eisenbahn dienste sich empfehle, ist dieser Tage vvn einer nä doe nach England unternommenen Studienreise zurückgekehrt und beaiebt sich nunmehr zur Vervollständigung ihres einschlägigen informatorischen Materials nach Deutschland. Aus ihren in England empfangenen Eindrücken scheint hervorzugehen, daß die Herren eS für sehr Wohl angängig halten, ohne ven nervenzerrüttenden Lärm der Dampfpfeifen auszukommen, unbeschadet der Pünktlichkeit und Sicherheit deS Rangir- u. s. w. Dienstes. — Das Reichspoftamt setzt die praktischen Versuche, E r - leicht« r'ungrn im Postpack«1verkthr einzuführen, fort. Wie seit einiger Zeit in Köln, ist es neuerdings auch den Versandtgeschäften in anderen Städten, so in Liegnitz, gestattet worden, ihre Packet« abgewogen und mit Gewichtsvermerk ver sehen unter eigener Haftung fü^ die »richtige Gewichtsangabe bei einem bestimmten Postamt einzuliefern, so daß die Annahme beamten nicht mehr nöthig haben, jedes einzelne Packet nachzu wiegen. Diese Erleichterung erstreckt sich auf gewöhnliche, uncin- geschriebene und nicht mit Werthangabe versehene Packete nach Orten des deutschen Reiches. Ausgenommen sind Packete mit zoll amtlichen Begleitscheinen oder Uebergangsscheinen. Die Packete können frankirt oder unfrankirt aufgegeben werden, und zwar bis zu drei mit je einer Brgleitadresse. Nur für Packet« mit Nach nahme ist stets eine besondere Begleitadresse erforderlich. Sollte sich dieses vereinfachte Verfahren auch anderwärts wie in Köln be währen, so ist anzunehmen, daß es demnächst allgemein im Reichspostgebiet zur Einführung gelangen wird. * Hamburg, 31. October. Daß die Schutzleute be rechtigt find, das Streikposten stehen zu ver bieten, ist nunmehr vom Oberlandesgericht in zustimmendem Sinne beantwortet worden. Der Sachverhalt ist folgender: In einer Fabrik war ein Streik ausgebrochen. Um die Arbeits willigen an der Arbeit zu verhindern, hatten sich in den in der Nähe der Fabrk befindlichen Straßen mehrere der Streikenden als „Posten" aufgestellt, patrouillirende Schutzleute wiesen die „Posten" fort, die der Weisung anscheinend Folge leisteten, aber sobald die Luft rein war, wieder auf ihren Platz zurückkehrten. Sie erhielten deswegen Strafverfügungen, gegen welche die Ar beiter durch den Rechtsanwalt vr. Suse Berufung einlegten. In der Berufung wurde klargelegt, daß das Streikpostenstehen nicht durch die Straßenordnung zu verbieten sei. Diese Ansicht Wuppe von allen Instanzen verworfen und das Oberlandesgericht hat die Angeklagten nunmehr endgiltig zu den betreffenden Strafen und Tragung der Kosten verurtheilt. In der Be gründung des Oberlandesgerichts heißt es der „Weserztg." zu folge: „Dir Schutzleute durften annehmen, daß durch Streik poftenstehen di« Ruhe And Ordnung auf der Straße gestört werden könne, deshalb hätten sie auf Grund des § 73 der Straßenordnung die Angeklagten auffordern können, sich gänzlich aus der Nähe der Fabrik zu entfernen. Die Anordnungen der Schutzleute seien deshalb subjektiv berechtigt gewesen und die Angeklagten hätten denselben unweigerlich Folg« leisten müssen." * Bremen, 1. November. Zwischen deutschen und pol nischen Arbeitern der Wollkämmerei von Blumenthal brach der „Magd. Ztg." zufolge eine blutige Schlägerei aus. Zwei Arbeiter wurden getödtet, mehrere verwundet. Es sind viele Verhaftungen vorgenommen worden. 6. H. Magdeburg, 1. November. (Privattelegramm.) Ganz umfassende Haussuchungen haben bei hiesigen Anarchisten stattgefunden. Die Polizei wollte feststellen, ob geheime Verbindungen beständen. (Wiederholt.) * Dortmund, 31. October. Or. Lütgenau theilt in der „Rh.-Westf. Arb.-Ztg." mit, daß er zwar im Wahl-Ausschuß gesessen, aber sich an der Abstimmung nicht betheiligt habe. Das Blatt hatte bekanntlich berichtet, I)r. Lütgenau habe seine Stimme einem nationalliberalen Wahlmanne gegeben. * Hagen, 31. October. Der hiesige frühere nationalliberale Parteiführer Justizrath Keller ist gestorben. * Eisenach, 31. Oktober. Der Großherzog hat die Wartburg verlassen und sich zu Jagden nach Schloß Allstedt be geben. * Erfurt, 3l. Oktober. Die heutigen Abschiedsfeierlich keiten für den scheidenden Regierungspräsidenten v. Brau ch it sch fanden ihren Höhepunkt in dem Festessen zu mehr als 300 Gedecken im „Preußischen Hof", an dem u. A. auch Oberpräsident v. Bötticher, die StaatSminister v. Strenge- Gotha, Petersen-Sondershausen, v. Starck-Rudolstadt, ferner Staatsminister a. D. v. Berlepsch theilnahmen. Oberpräsident v. Bötticher feierte in einer packenden Ansprache zunächst die großen Verdienste deS scheidenden Regierungspräsidenten um seinen ganzen Bezirk, und gab dann bekannt, daß er beauf tragt sei, dem Scheidenden im Namen deS Kaisers die Er nennung zum Wirklichen Geheimen Oberregie- rungSrath mit dem Range der Räthe 1. Classe mitzu- theilen. Nach dem Festessen wurde dem Präsidenten ein großartiger Fackelzug gebracht. * Darmstadt, 31. October. Die Enthüllung des Denk mals für Großherzog Ludwig IV. ist vom 10. No vember auf Ende des Monats verschoben worden, und zwar, weil nach 'dem „Schwäb. Merk." der Kaiser der Enthüllungsfeier beizuwohnen wünscht. Dieselbe findet voraussichtlich am 25. November statt. "lV. Stuttgart, 3l. Oktober. Jetzt hat auch Stuttgart seinen „Windthorstbund". In vergangener Woche wurde der „Windthorstbund Stuttgart" mit Hilfe Gröber'S und anderer CentrumShäupter gegründet. Aus dem Programm geht deutlich hervor, daß der Windthorstbund eine organisirte Agitatoren- und Propagandistcnschule sür die Politik des Centrums sein soll. — Der Minister des Innern v. Pischek hat Abgeordneten gegenüber erklärt, die Entwürfe für die Ausführungsgesetze zum Bürgerlichen Gesetzbuch seien gegenwärtig dem Staatsministerium zur Beschlußfassung unterbreitet. Die Uebergabe an den Landtag sei in Bälde möglich. — Die Deutsche Partei Württembergs hielt gestern in Ulm ihre diesjährige Herbst-Wanderversammlung ab. Es handelte sich auf diesem Parteitag hauptsächlich um eine allgemeine Aussprache über Ziel und Richtung der Parteibestrebungen; Beschlüsse über neue Aufgaben der Gesetz gebung waren diesmal nicht zu fassen. „Eine gute halbe Stunde . . . aber es fährt ein Omnibus hin." Herr Legrin läuft so rasch es seine Körperfülle gestattet, doch als er an der Haltestelle des Wagens ankommt, hat gerade der gefällige Reisende, der ihm dir Auskunft gegeben, selbst den letzten freien Platz eingenommen und der Kutscher hat keine Lust, einen überzähligen, noch dazu so gewichtigen Fahrgast auf zunehmen. Er thut, als wenn er diesen garnicht seh« und haut auf seine mageren Gäule ein, die den Wagen denn auch bald den Augen Herrn Legrin's entführen. Nach vielem Umherirren in der Stadt erreicht Herr Legrin endlich das Hotel „Zu den vier Jahreszeiten". „Ich bin Legrin, Preisrichter des Comitss . . . wollen Sie mir mein Zimmer anweisen?" „Legrin? Legrin?" wiederholt der Wirth, der bei all' dem Trubel kaum noch weiß, wo ihm der Kopf steht Ach Gott ja! . . . richtig ... das stimmt! Es war auch ein Zimmer für Sie reservirt. ES ist leider aus Versehen an einen Herrn Ledrin gegeben worden, der früher ankam . . . thut mir auf richtig leid! Aber es wird sich schon noch Alles einrichten lassen. ' — Julie! ... laß mal gleich das Feldbett in Nr. 36 auf schlagen ... es sind erst zwei Fremde dort", fügt« er beruhigend hinzu. „Donnerwetter!" ertönt eine wüthende Stimme, als Herr Legrin an die Thür von Nr. 36 klopft. „Wer ist denn da noch? . . . Was soll das heißen?" „Lieber College", entgegnet« Herr Legrin mit sanftem Ton. „Preisrichter, Mitglied des ComitSs, ebenso wie Sie ... Ich freue mich, Sie kennen zu lernen . . . ." „WaS?! Sie schlafen auch noch hier? Na, das ist aber stark! . . . Versprechen Sie wenigstens, daß Sie sich ruhig ver halten wollen." Nach einem ziemlich kargen und kalten Essen — die Herren Collegen hatten nicht viel übrig gelassen — suchte Herr Legrin seine Schlafstätte auf und versuchte sich auSzuruhen, was aber nicht so einfach war, denn im Hotel ging eS sehr geräuschvoll zu. Lhiirrn klappten, «S ging treppauf, treppab, Wagengerassel, Stampfen der Pferde und Rufen der Kutscher drang vom Hofe herauf. Man hörte Hundegebell, lautes Lachen und Singen.... Endlich gegen 11 Uhr, als Herr Legrin in den ersten leichten Schlaf sank, kamen seine zwei Mitbewohner heim und zwar in recht angeheitertem Zustand. Sie sangen Beide aus voller Kehle, der eine: „Mein Liebchen, mach' die Thüre auf!" und der zweite das endlose: „Wenn zur Ruh' die Glocken läuten, bim, bam, bum." Als sich das Läuten der Glocken ins Unend liche ausdehnte, konnte Herr Legrin nicht anders, er drehte sich in seinem Bett auf die andere Seite. „He, Dickerchen, sind Sie auch schon da?" fragte einer der Sänger sehr erstaunt. „Kommen Sie zum Musikfest her? Ja, ja, die Musik ... die Musik . . ." „Wenn zur Ruh' die Glocken läu—üten, Glocken läu—üten. . ." „Lieber College", gestattete sich Herr Legrin zu bemerken . . . „ich bin wie Sie Preisrichter des ComitSs . . ." „Haha! Preisrichter — schöner Gedanke! Famos, wahr haftig! . . . Aber mein Bester, der Herr hier ist Reisender für ein Wäschegeschäft und ich reise in Somatose. Das dämliche Musikfest interessirt uns gerade so viel, wie das Abrichten der Spinnm . . . Na, thut nichts . . war mir angenehm! . . . . Nun wollen wir schlafen. Gute Nacht beisammen!" Das war leicht gesagt, doch kaum war das Licht ausgelöscht, so fühlte Herr Legrin ein eigenthümliches Prickeln auf dem Arm, dann hier, dann dort, schließlich auf dem ganzen Körper und er mußte sich zu seinem Leidwesen überzeugen, daß die beiden Reisenden nicht seine einzigen Mitbewohner der Nr. 36 waren. Die zwei Genossen standen übrigens unter demselben Einfluß, da sie aber weniger geduldig als Herr Legrin waren, so fingen sie an zu fluchen und cs dauerte nicht lange, so gingen sie regelrecht auf die Jagd. Dazu hatten sie angefangen zu rauchen und bald war das Zimmer mit dickem Qualm erfüllt. Herr Legrin, der ven Tabakrauch absolut nicht vertragen konnte, sagte nichts, aber er wurde von einem hartnäckigen Hustenanfall befallen, der sich nun zu dem übrigen Höllenlärm mischte und -der Morgen dämmerte, als ihm endlich die Augen zufielen. Alle diese kleinen MisSren waren wieder vergessen, als Herr Legrin in Frack urkd weißer Cravatt« seinen Platz unter seinen * München, 3l. October. Traurrfackelzug für Bis marck. Zum Andenken an den Fürsten Bismarck wird nach den „M. N. N." am nächsten Donnerstag Abend ein Fackelzug stattfinde», den die neun Corps deS hiesige» UniversitatS- 8.-6. (Bavaria, Jsaria, Frankonia, Malaria, BrunSviga, Raliöbonia, TranSrhenania, Suevia, Palatia) unter dem derzeit präsidirenden Corps Bavaria ihrem größten „alten Herrn" bringen werden. Orient Die Einweihung Vcr Erlöserkirche. * Jerusalem, 1. November. (Telegramm.) Die Ein weihung der Erlöserkirche verlief bei herrlichem Wetter glänzend. Das Kaiserpaar wurde am Schnittpunkte der David- und der Kronprinz-Friedrich-Wilhelm-Straße von einer auS sechs Herren bestehenden Abordnung deS Johanniter- ordenS unter Führung des Ordenskanzlers v. Levetzow empfangen und mit einer Ansprache begrüßt, die etwa, wie folgt, lautet: Das Kaiserpaar werde an diesem der gejammten Christenheit geheiligten Orte, durchdrungen von der Bedeutung des Tages sür den evangelischen Glauben, im Ausblicke zu dein himmlischen Jerusalem des Psalmwortes gedenken: „Unsere Fuße stehen in Deinen Thoren, Jerusalems, und dessen sich gnädigst er- inner», daß hier die Geburtsslätte des Ordens sei, der zur Ver- theidignng des ChristenthumS und zur Pflege der Kranken hier errichtet worden sei, dem der Kaiser beigetreten sei, den er in seinen Schutz genommen habe und der die Wege wandle, auf denen die Kaiserin ihm vorongehe. Er begrüße die Majestäten namens des OrdenS und spreche dessen Dank dafür aus, daß er Zeuge sein dürfe von der Weihe des evangelischen Gotteshauses auf dem Grund und Boden und den Trümmern seiner ersten Kirche. Hierauf schritten die Majestäten unter Glockengeläute in feierlichem Zuge mit dem Gefolge bis zum Westportole der Erlöserkirche. Hier waren außer dem Curatorium der Jerusalemstiftung die Architekten, die den Bau geleitet und ausgeführt haben, die officielleu Vertreter der deutschen evangelischen Kirchenregierungen, der außerdentschen Kirchen gemeinschaften und die Geistlichen aus Jerusalem, Bethlehem, Jaffa und Haifa versammelt. Der Präsident deS evangelischen OberkirchenratheS, vr. Barkhausen, richtete eine Ansprache an die Majestäten: Ausgehend von dem Worte des Psalmisten, daß in Jerusalem die Stämme Les Herrn zusammenkommen sollten, zu danken im Namen Les Herrn, führte der Redner aus, wie auf den Ruf des Kaiser- mit den Vertretern der evangelischen Kirchen Deutschlands die evangelischen Brüder aus Nord, Süd, Ost und West gekommen seien, um gemeinsam Gott zu danken, zu danken vor Allem dafür, daß durch Gottes Gnade es ihnen verliehen worden sei, an dem Orte der heiligsten Erinnerungen einen Tempel zu erbauen, der dastehen soll als Denkmal des Glaubens an den zum Menschen gewordenen Gottessohn, den gekreuzigten und ouferstandenen Heiland, als Bekenntniß des Evangeliums von der Gnade Gottes, wie es durch die Reformatoren wieder erschlossen worden sei, und als sichtbares Zeichen des Glaubens und der Liebesgemein- schaft der evange.-ichen Christen der ganzen Welt. Der Redner sprach sodann dem Kaiser de» Dank Aller für die Gnade aus, mit der er die Erbauung der Erlöscrkirche anbefohlcn habe, fowie da- sür, Laß er der EinweihungSfeicr der Kirche mit der Kaiserin bei zuwohnen und ihr so den schönsten Glanz zu verleihen die Gnade haben wolle, und bat, daß der Kaiser geruhen wolle, die Oeffnung der Erlöserkirchc huldvollst zu befehlen. Hierauf ergriff Graf Zieten-Sch Werin daS Wort und sagte: Der Herzenswunsch Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin, sowie der einer großen Anzahl von Christen aus dem Abendiande sei heute erfüllt. Sie stehen vor den Thoren Jerusalems, der Stätte, an welcher Christus sein Erlösnngswerk vollendet. Hierher seien unsere Vorfahren gepilgert, auch Kaiser Friedrich, dem es nicht ver gönnt gewesen, an Stelle der Trümmer der alten Johanniterkirche ein neues evangelisches Gotteshaus erstehen zu sehen. Diese Gnadenerweijung Gottes sei Sr. Majestät dem Kaiser Vorbehalten. Die Erlöserkirche stehe jetzt fertig da und harre der Weihe. Ec bitte im Auftrage deS Cnratoriums der Evangelischen fJerusalcm- Stiftung um die Erlaubnis, daß der Baumeister die Schlüssel der schönen Pforte übergebe, damit sich dieselbe öffne. Nach Uebergabe deS Schlüssels und Oeffnung der Thür traten unter Borantritt des Curatoriums der Evangelischen Jeru salem-Stiftung, sowie der Vertreter der evangelischen Landes kirchen die Majestäten mit dem Gefolge in die Kirche ein. Die Vertreter der evangelischen Kirchenregierungen geistlichen Standes, sowie die übrigen Geistlichen, welche der Schlüssel übergabe als Zeugen beigewohnt hatten, stellten sich aus beiden Seiten des Altars auf. Die übrigen Eingeladenen hatten bereits früher durch das Nordportal die Kirche be treten und ihre Plätze eingenommen. Beim Eintritt der Majestäten in die Kirche intonirte der Bläserchor, ge bildet auS Matrosen der „Hohenzollern", die Hymne „Tochter Zion, freue dich". Nachdem die Majestäten ihre Plätze ein genommen hatten, setzte der Sängerchor unter leiser Be gleitung deS Bläserchors mit dem Gesänge des ersten und zweiten VerseS obiger Hymne ein, den dritten VerS sangen Chor und Gemeinde zusammen. Hierauf wurde die Weihehandlung von dem Oberhosprediger und General superintendenten 0. Dry an der mit Assistenz des Vice- Präsidenten des Evangelischen OberkirchenratheS, Propstes v. Freiherrn von der Goltz und des General-Super intendenten vr. Erdmann unter Glockengeläute voll zogen. An den Weiheact schloß sich der Festgottes- dienst. Die Liturgie wurde vom General-Superintendenten vr. Faber abgehaltcn, während Pastor Hoppe die Fest predigt kielt und General-Superintendent Dr. Nebe Schluß gebet, Vaterunser und Segen sprach. — Nach dem Gottes dienst besichtigten die Majestäten, während daß Orgelnachspiel ertönte, die Kirche und begaben sich sodann in die Muristan- capelle, wo die Vorstellung der Vertreter der deutschen Collegen einnahm. Ganz fremd, ohne einen Bekannten in der großen Menschenmenge, hoch oben auf der Galerie, gab er sich voll und ganz dem künstlerischen Genuß hin, ein und dasselbe Stück unzählige Male von den verschiedenen Vereinen anzu hören. Nach den ersten zwölf Wiederholungen verwischten sich die Melodien vor seinen Ohren, beim vierzehnten Male schlief Herr Legrin ganz fest und bei >der fünfzehnten Wiederholung, gerade bei einem sanften Piano, tönte durch den Saal hin plötzlich ein dröhnendes Schnarchen, bei 'dem sich all« Köpfe entsetzt um wandten, um zu erspähen, von 'wo dies Getöse kam. Allgemeines Murren . . . Der vortragende Verein, der gerade inmitten seiner schönsten Leistung unterbrochen worden war, und der bestimmt auf den Preis gerechnet hatte, verlangte die sofortige Ausschließung eines solch gewissenlosen Preis richters. Das ComitS, auf Aeußerste bestürzt, willfahrte dem Verlangen, doch mußte Herr Legrin erst von seinem Nachbar ziemlich kräftig geschüttelt werden, um wach zu werden. „Wird schon abgestimmt?" fragte er ängstlich. „Ja, bald", antwortete sein Nachbar ganz ärgerlich, „aber Sie sind von der Wahl ausgeschlossen . . . übrigens, die Flöte ist ja auck absolut kein Instrument von Wichtigkeit . . .! Sie brauchen sich auch nicht zu beunruhigen . . . die Theilnahme beim Festbanket bleibt Ihnen . . . und das ist Ihnen wohl die Hauptsache, was?" Beim Festmahl wurde viel in der Nähe von Legrin gelacht, ohne daß dieser sich klar werden konnte, worüber man eigentlich so heiter war. Er hatte den Platz am Ende der langen Tafel und wenn Schüssel und Flaschen dis zu ihm kamen, waren sie fast immer leer. Unverkürzt genoß er an diesem officielleu Diner nur die Reden des Herrn Präsidenten, der Herren Vorsitzenden, Festordner, Delcgirten u. s. w. Beim Fortgehen überreichte man ihm glücklicher Weise die Medaille als Preisrichter. Eine große, schöne Münze, zweifel los aus echtem Silber in einem schönen rothen Plüschetui. „Wie viel ist das wohl werth?" fragte Herr Legrin einen Collegen. „Dai! ... 75 Centime- . . . mit der Schachtel vielleicht einen Franc . . ist echtes Weißblech." Kirchenregierungen und der außerdeutschen Kirchengemeia- schäften, auch der anwesenden Johanniterritter, sowie die Unterzeichnung der über die Einweihungsfeier vollzogenen Festurkunde stattfand. * Jerusalem, 31. October. (Telegramm.) Im An schlüsse an die kirchliche Feier der Einweihung der evan gelischen Erlöserkirche, die beute Vormittag begann, ver las der Kaiser in der Kirche folgende Ansprache: „Gott hat uns die Gnade verliehen, daß wir in dieser allen Christen heiligen Stadt, au einer durch wirkliche Liebesarbeit ge- weihten Stätte, das dem Erlöser der Welt zu Ehren errichtete Gotteshaus haben weihen können. WaS Meine in Gott ruhenden Vorfahren seit mehr als einem halbe» Jahrhundert ersehnt und als Förderer und Beschützer der hier im evangelischen Sinne begründeten Liebeswerke erstrebt haben, das hat durch die Erbauung und Ein weihung der Erlöserkirche Erfüllung gefunden. Mit der werbenden Kraft dienender Liebe sollen hier die Herzen zu Dein geführt werden, in dem allein daS geängstigte Menschenherz Heil, Ruhe und Frieden findet für diesseits und jenseits. Mit fürbittender Theilnahme be gleitet die evangelische Christenheit weit über Deutschlands Grenzen hinaus unsere Feier. Die Abgesandten der evangelischen Kirchen- gemeinschaften und zahlreiche evangelische Glaubensgenossen auS aller Welt sind mit uns hierher gekommen, um persönlich Zeuge zu sein der Vollendung des Glaubens- und Liebeswerkes, durch dos der Name Les höchsten Herrn und Erlösers verherrlicht und der Bau Les Reiches Gottes auf Erden gefördert werden soll. Jerusalem, die hochgebaute Stadt, in der unsere Füße stehen, ruft die Erinnerung wach an die gewaltige Erlösungsthat unseres Herrn und Heilandes. Sie bezeugt uns die gemeinsame Arbeit, die alle Christen über Konfessionen und Nationen im apostolischen Glauben eint. Die welternenernde Kraft des von hier aus gegangenen Evangeliums treibt uns an, ihm nachzufolgen, sie mahnt uns, im glaubensvollen Ausblicke zu dem, der für uns am Kreuze gestorben, -n christlicher Duldung, zur Betätigung selbstloser Nächstenliebe an allen Menschen. Sie verheißt uns, daß bei treuem Festhalten an der reinen Lehre des Evangeliums selbst die Pforten der Hölle unsere theure evangelische Kirche nicht überwältigen sollen. Bon Jerusalem kam der Welt das Licht, in dessen Glanze unser deutsches Volk groß und herrlich geworden ist. Was die germanischen Völker geworden sind, das sind sie geworden unter dem Panier des Kreuzes auf Golgatha, des Wahrzeichens der sclbstausopfcruden Nächstenliebe. Wie vor fast 2000 Jahren, so soll auch heute von hier der Ruf in alle Welt erschallen, der unser Aller sehn suchtsvolles Hoffen in sich birgt: „Friede auf Erden!" Nicht Glanz, nicht Macht, nicht Ruhm, nicht Ehre, nicht irdisches Gut ist es, was wir hier suchen, wir lechzen, flehe» und ringen allein nach dem einen, dem höchsten Gute, dem Heile unserer Seelen. Und wie Ich das Gelübde Meiner in Gott ruhenden Vorfahren: „Ich und Mein HauS, Wir wollen dein Herrn dienen" an diesem feierlichen Tage hier wiederhole, so fordere Ich Sie Alle auf zum gleichen Gclöbniß. Jeder sorge in seinem Stande und Be rufe, daß Alle, die den Namen des gekreuzigten Herrn tragen, in dem Zeichen dieses hochgelobten Namens ihren Wandel führen znm Siege über alle aus der Sünde und der Selbstsucht kommenden finsteren Mächte! Gott verleihe, daß von hier aus reiche Segens ströme zurückfließen in die gejammte Christenheit, Laß auf den: Throne wie in der Hütte, in der Heimath wie in der Fremde Gottvcrtrauen, Nächstenliebe, Geduld im Leiden und tüchtige Arbeit des deutschen Volkes edelster Schmuck bleibe, und daß der Geist des Friedens die evangelische Kirche immer mehr und mehr durchdringe und heilige. Er, der gnadenreiche Gott, wird unser Flehen erhöre», das ist unsere Zuversicht. Er, der Allmächtige, ist der starke Hort, auf den wir bauen. Mit unsrer Macht ist nichts gethan, Wir sind gar bald verloren; Es streit für uns der rechte Mann, Den Gott selbst hat erkoren. Fragt ihr, wer er ist. Er heißt Jeius Christ, Der Herr Zebaoth, Und ist kein andrer Gott, Das Feld muß er behalten". (Fortsetzung in der 1. Beilage.) Bei der Gesammtanflage der vorliegenden Nummer befindet sich eine Sonderbeilage von der Firma L. LeinhaaS (J»haber C. Röhrs) in Freiberg, Patent-Wajserrohrkejsel mir zwangläufiger Wassercirculation mittelst Dubiauschrr Rohrpumpe betr. Auf die Sonderbeilage sei auch an dieser Stelle hingewiesen. über die schöne, weige Wistche SLV HVUUUVL SLvLL Ihrer Nacbbarin. Machen Sie einen Versuch mit vr. Ttiompson's Scifenpnlvcr und Sie werde» dasselbe auch von Ihrer Wäsche sagen. Vorrälhig in den meiste» Colonialwaaren-, Seifen- und Drogenhandlungen. Jede Hausfrau Elfenbein - Seife und Elfenbein - Seifenpnlvcr mit Schutz marke „Elefant". sr^ Herr Legrin packt seinen Koffer, nimmt seinen Musikkasten und will das Hotel verlassen, als ihm dessen Besitzer höflich lächelnd auf einem Teller ein Blatt präsentirt. „Was ist das?" „Die Rechnung." „Die Rechnung! . . . Bezahlt denn das Comitß nicht für die Preisrichter?" „Das ComitS? Wieso denn! Jeder für sich." Mit Entsetzen überblickt Herr Legrin die Nota: Zimmer, eine Nacht 6,— Francs Ein Tag 5,— „ Licht 1,50 „ Diner 6,50 „ Wein 6,— „ Omnibus von der Bahn ... 1,— „ „ zur Bahn 1,— „ Gepäck ......... 2,— „ Summa 29,— Francs. Herr Legrin stottert ganz ängstlich, daß er zu Fuß ge kommen und auch zu Fuß wieder zum Bahnhof zurücktehren wolle, und wie ein unverhofftes Glück erscheint es ihm, daß er nach Abzug dieser Posten überhaupt noch die Nota begleichen kann, denn er hatte sich als Gast des ComitLs betrachtet. Im letzten Augenblick kommt Herr Legrin auf den Bahnhof. Es ist keine Zeit mehr, dir CoupSthür zu öffnen, und zwei Schaffner schieben den Fahrgast eben noch rasch in den Gepäck wagen hinein, wo er dann, auf seinem Koffer sitzend, die Fahrt zurücklrgte. Als er schließlich in seinem Heimathstädtchen anlangt, ist er ein müd«r, halb verhungerter und von der Kunst bitter ent täuschter Mann mit zerbrochenen Idealen. Frau Legrin'S Gesicht ober strahlte, als sie nach den ersten Minuten der Begrüßung auf seine dumpfe Frage: „Ist di« Mehl- und Vorkosthandlung noch zu verkaufen?" antworten kann: „Ja wohl, mein Engel."
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