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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.05.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-05-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960522024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896052202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896052202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-05
- Tag1896-05-22
- Monat1896-05
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Thielmann nach Instructionen des Auswärtigen Amtes in Berlin den amerikanischen Staatssecretair Olney, der sich angemaßt hatte, da« Urtheil eines deutschen Gerichtes zu kritisiren und in drohendem Tone eine Milderung desselben zu fordern, abgefrrtigt hat, wird in ganz Deutschland um so freudiger be grüßt werden, ;e näher die Bermuthung liegt, daß eine solche Sprache während der Amtsführung beS Bor- gängerS des Fürsten Hohenlohe nicht gesprochen worden wäre, und je mehr sie hoffen läßt, daß in Zukunft die Rück sichten der deutschen Diplomatie gegen das selbstbewußte Aus land genau an dem Puncte aufhort, wo die Rücksichtnahme in Schwäche ausartet. Der in unserem heutigen Morgen blatte mitgetheilte diplomatische Schriftwechsel hat aber auch noch eine andere Seite, deren Betrachtung wir den deutschen Bewunderern republikanischer Herrlichkeit em pfehlen mochten. Man erinnert sich, daß der Amerikaner Stern von dem Kissinger Schöffengericht wegen einer schweren, gegen einen in der Ausübung seiner Dienstpflicht handelnden bayerischen Beamten geschleuderten Beleidigung verurtheilt worden ist. Stern hatte die größte Ueberhebung und auch sonst Mangel an Erziehung verrathen; in seinem Gerichtsfall ist kein einziger Umstand zu entdecken, der sein Auftreten juristisch, moralisch oder gesellschaftlich in einem milderen Lichte hätte erscheinen lassen. In Amerika denkt man trotz der Verschiedenheit mancher Sitten und Anschauungen über Dinge dieser Art nicht anders, als bei uns. Der Fall Stern hat auch dort, wenn schon ein Theil der Presse der Union ein Anderes glauben machen wollte, in deutsch-amerikanischen wie in Hankee-Kreisen eine Beurtheilung gefunden, wie sie der Auf fassung deS Kissinger Gerichts entsprach. Es kann also keine Rede davon sein, daß Herr Olney einem bei seiner Nation bemerkbar gewordenen Gefühl ver letzten Rechtsbewußtseins oder auch nur einer unwilligen Landesstimmung über die Bestrafung eines Lands mannes Ausdruck gegeben habe. Er hat sich vielmehr dem Wille» der betroffenen Person und einer für ihn wirkenden Elique gebeugt, beugen müssen, weil eS reiche Leute waren, die in die Regierung drangen, und die Macht des Geldes im amerikanischen Staatswesen unwiderstehlich ist. Die deutsche Demokratie sollte sich dadurch bewegen lassen, nochmals zu prüfen, ob unsere deutschen Zustände in der That viel schlechter sind, als die im „freien" Amerika. Der Staatssecretair Olney hat natürlich von einer erregten Stimmung in der Union gesprochen; das mußte er. Wir sind aber sicher, daß ein Lächeln durch die ganze Union ging, als man folgenden Satz seiner Note laS: „Wenn der ernsthafte Appell der Bereinigten Staaten zu Gunsten Stern'S keinen Erfolg haben sollte, so würden die Amerikaner daran verzweifeln, in Deutsch land je Gerechtigkeit und rücksichtsvolle Behandlung seitens der kaiserlichen Regierung finden zu können." Die Amerikaner werden nicht daran verzweifel«, und wenn ein außerhalb deS Kreises, dem Herr Stern angehört, stehen der Amerikaner wegen de- Kissinger UrthrilS seine Absicht, nach Deutschland zu reisen, aufgebrn sollte, so würde er e« wohl nur thun, um sich al« Sehenswürdigkeit von einem Nach folger Barnum'S für Geld zeigen zu lassen. Wenn der Reichstag das Bürgerliche Gesetzbuch vor dem Herbst erledigen will, so wird er nicht nur mit der Gefahr, die dieser Materie auS der Abneigung eines Theilr« seiner Mitglieder gegen eine lange Sommertagung und au« der Sucht eines anderen TheileS, bereits von der Commission abgelehnte Anträge im Plenum aufs Neue einzubringen, drohen, sondern auch mit seinen sonstigen Arbeiten zu rechnen haben. Es ist erreichbar, daß Ende Äuni nicht« weiter zu berathen sein wird, als das Bürgerliche Gesetzbuch. Aber es ist erreichbar nur unter der Goraussetzung, daß man vorher darauf verzichtet hat, die I u st i z n o v e l l e in diesem Tagungsabschnitte fertig zu stellen. Wir bezweifeln nicht, daß man sich dazu entschließen wird, obschon das Organ der im Präsidium des Reichstags vertretenen freisinnigen Polkspartei heute der Durchberathung der Justiz novelle und der Verschleppung der Angelegenheit deS Bürger lichen Gesetzbuchs bis zum Herbste das Wort redet. Schiebt man den ersten Gegenstand für diesen Sommer nicht ganz bei Seite, so wird er in zweiter und dritter Lesung so viel Zeit rauben und eine so große Uebersättigung mit juristischer Speise verursachen, daß kaum an die Inangriffnahme, geschweige denn an die Erledigung deS Bürgerlichen Gesetzbuchs zu denken wäre. Man kennt die Anziehungskraft, die die Justiznovelle auf die Juristen aus übt, von zwei Eommissionsberathungen her. Die Forderung, sie demnächst zu verabschieden, hat auch keine sachliche Be rechtigung mehr, nachdem zu der beträchtlichen Anzahl von Abänderungsanträgen, die schon bisher vorlagen, jetzt noch ein Centrumsanlrag auf Ersetzung der Strafkammern durch mittlere Schöffengerichte hinzugetreten ist. Die damit aufgerollte große Frage will reiflicher erwogen sein, als innerhalb weniger Wochen möglich sein wird. Die Zeit bis zum 27. Juni, an welchem Tage die zweite Berathung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Plenum beginnen soll, wird ohnehin durck das vorliegende Material reichlich auSgesüllt werden. Sie umfaßt, da zwei katholische Feiertage dazwischen fallen, nur zwanzig SitzungStage, gerade genug, um den Nachtragsetat, die Börsenvorlage, das Margarine- und da« Depotgesetz, die Novelle zur Gewerbeordnung und den Initiativgesetzentwurf, betr. daS Verein-recht, auf dessen Berathung man jetzt weniger als je verzichten wollen wird, zu erledigen. Die Arbeiten der Commission für die Justiznovelle werden nicht verloren gehen, wenn man sich entschließt, auch nach Verabschiedung des Bürgerlichen Gesetz buchs die Vertagung statt deS Sessionsschlusses eintreten zu lassen. Und dies wird voraussichtlich geschehen. Es wurde kürzlich daS Resultat der französische» Ge- meinderathSwahlen in den Arrondissements-Hauptstädten mitgetheilt. Nun liegen auch die Ergebnisse dieser Wahlen in den 2350 CantvnShauptstädten vor, und sie weisen eben falls einen Sieg der gemäßigten Republikaner auf. Es haben nämlich die Regierungs-Republikaner in 1503, die Radikalen in 299 und die Socialisten nur in 50 Ge meinden die Majorität erlangt. Die gemäßigten Republi kaner haben überdies auch einen absoluten Erfolg zu ver zeichnen, indem sie ihren früheren Besitzstand um 45 Ge meinden vermehrt haben. Unter diesen Bedingungen ist eS Wohl eine Vermessenheit, wenn die revolutionairen Führer behaupten, da« ganze Land sei socialistifch. Die jüngsten Ge- meindrrathswahlen haben daS Gegentheil bewiesen. Nur die großen Städte, wie Paris, Lille, Bordeaux, Toulouse, Lyon, Marseille u. s. w. haben radikal oder socialistifch gewählt. Die immense Majorität des Landes dagegen ist gemäßigt republikanisch. Da es unter den 2350 CantonShauptorten auch nur 404 Gemeinden mit konservativen Mehrheiten giebt, so hat der Herzog von Orleans die Antwort auf sein jüngstes Manifest bereits im Voraus erhalten. Jeden falls wird noch sehr viel Wasser die Seine hinabflicßen, ehe an Stelle des Präsidentenstuhls der Königsthron gerückt wird. Daran ändert vorläufig auch die Präsidentenhetze nicht«, die jetzt von Delahaye in der „Libre Parole" wieder aus genommen wird. Bekanntlich bat Delahaye in dieser Cam pagne, in welcher die Rollen verthcilt sind, aus der pamphle- tistischen Ausbeutung der Affaire des Advokaten Belluot, des Schwiegervaters des Präsidenten, seine Specialität gemacht. Der neue Artikel ist überschrieben: „Der Sang der Drossel", wozu zu bemerken ist, daß die Drossel nach dem französischen Volksglauben singt: tes ckettes, tes clettes!" (Bezahle deine Schulden!) Delahaye schildert den Senator Guinot, dessen Nichte, die Tochter Belluot's, Faure heirathete. Faure, den Delabaye als einen Spe- culanten in ausländischem Leder darslellt, sei in mehrfachen Geld- nöihen von Guinot unterstützt worden. Als Belluot die Flucht er griffen, habe die Familie Guinot durch eine Art Schiebung vorher dos Mobiliar Belluot's an sich gebracht, so daß die Gläubiger nicht einmal an dem Hausrath sich schadlos halten konnten. Delahaye fragt, wo das Mobiliar sei, ob in de» Salons in Amboise oder im Elysec. Er schreibt, ist der Präsident auch sicher, daß sein Triumph vor demselben Justizpalast, in welchem der Großvater seiner Kinder zur Zwangsarbeit verurtheilt wurde, nicht durch mißtönige Stimmen gestört werden wird? Es genüge, die Stimme einer Drossel auf dem Wege des Präsidenten nachzuahmen, welche singt: paxo tee llvttes! Der Mistfink, welcher in der „Libre Parole" singt, ist leider nicht der einzige dieser Spezies und die Rubrik „Präsidentenhetze" wird daher noch eine Weile auf der Tagesordnung bleiben. Die kubanische Frage gestaltet sich zusehends kritischer. Noch ist der Competidor Streitfall nicht erledigt, und schon bringt das von General Weyler auf Betreiben havanesischer Tabakfabrikanlen erlassene Verbot der Ausfuhr von Nohtabaken ein neues erschwerendes Moment, weil es seine Spitze direkt gegen dir amerikanische Concurrenz richtet und mithin die Gefahr nahelegt^ daß amerikanischer» seitS zu Repressalien gegriffen wird. ES wurde gestern auS Havana gemeldet, daß die Union bereits mit Repressalien gedroht habe. In Form einer officiellen Note Olney's kann die- noch nicht geschehen sein; denn wie unS heute auf dem Drahtwege aus Madrid berichtet wird, ist eine solche dort nicht eingegangen, wohl aber hatte der Gesandte der Union gestern Abend eine Unterredung mit dem Minister des Aeußeren, welche wahrscheinlich daS Ausfuhrverbot be troffen bat. Schädigt dasselbe thatsächlich die amerikanische Geschäftswelt, so rückt dir Gefahr einer Einmischung der Vereinigten Staaten bedenklich nahe; denn in Geldsachen hört überall, aber zuerst in Nordamerika die Gemüthlichkeit selbst unter Freunden auf. Nach den letzten Meldungen sind die Chancen der Aufständischen, die Havana bedenklich be drohens außerordentlich gewachsen, und der Flibustierimport von Nordamerika geht flott und ungescheut weiter, so daß man getrost sagen kann, daß Spanien aus Cuba nicht mehr mit den Insurgenten, sondern in Wirklichkeit mit den Bereinigten Staaten Krieg führt. Was die Rückwirkung des Tabak- auSfuhrvrrboleS auf die Geschäftslage in Deutschland an laugt, so kommt dasselbe nicht überraschend. Die anhaltende Rebellion auf Cuba ließ schon im vorigen Jahre die An nahme berechtigt erscheinen, daß wenig von den kommenden Ernten zu erwarten sein dürfte. Diese Voraussicht hat zu einer erhöhten Einfuhr von Havana- und Cuba tabaken in Deutschland und zu einer starken Vermehrung der Laaervorräthe beigelragen. Die Zufuhren haben im letzten Jahre einen Umfang erreicht, wie er in keinem der Vorjahre zu verzeichnen war. Wenn somit das Ausfuhrverbot auch störend in das reguläre Geschäft eingreift, so dürften doch die unverzollt lagernden Bestände groß genug sein, um der veutschen Tabakindustrie den auf längere Zeit eintretenden Mangel neuer Zufuhren wenig fühlbar werden zu lassen. In der letzten Zeit hat man nichts mehr von Europäer- Hetzen in Ehina gehört, aber in Kanton gährt r« bereits wieder unter der niederen chinesischen Bevölkerung, und die Europäer haben alle Ursache, auf der Hut zu sein. Seit dem Gemetzel in Kutscheng sind die Einwohner der Provinz Kanton fast so sanft wir die Lämmer gewesen, weil ihnen stets das Schreckbild eines Eingreifen» der Mächte vorschwebte. Einige hoffnungsvolle Missionare, die sich wunderten, daß sie mit einen: Male nicht mehr Insulten ausgesetzt waren, glaubten schon, daS tausendjährige Reich sei gekommen. Die« ist aber keineswegs der Fall, wie sich Anfang dieses Monats zeigte. Der europäische Stadttheil in Kanton wird von den Vorstädten durch einen Canal getrennt. Dieser gehört zum europäischen Distrikt, und die chinesische Regierung hat sich verpflichtet, dafür zu sorgen, daß er für den Verkehr frei ist. DaS ist aber nicht geschehen. Schließlich wurde er so voll von alten Booten, in welchen die Flußbevölkerung wohnte, daß Niemand mehr durchkommen konnte. Der sich an häufende Schmutz wurde geradezu eine Gemeingefahr. Die Consuln richteten eine gemeinsame Note an die Behörden, und der Vicekönig ertheilte den Befehl, daß die auf den Booten wohnenden Chinesen in einer gewissen Zeil die Boote zu räumen hätten. Die Folge war, daß der Ausländerhaß sofort wieder in üppige Blüthe schoß. Maueranschläge kündigten den „bar barischen Teufeln" an, daß da« Volk am 15. Tage de« zweiten Mondes in seiner Tapferkeit aufstehen und die Ansiedelung der Erde gleichmachen würde. Für jeden Kopf eines Aus länders solle eine Belohnung von 100 Dollars gezahlt werden. Es ist nicht wahrscheinlich, daß es jetzt schon zum offenen Aufruhr kommt, die chinesischen Behörden bekamen jedoch einen solchen Schrecken, daß der Vicekönig seine erste Pro klamation zurücknahm. Darauf beriefen die Consuln eine Versammlung der in Kanton wohnenden Europäer ein und es wurde, um für die schlimmsten Eventualitäten gerüstet zu sein, ein Freiwilligenkorps zur Bertheidigung der europäischen Ansiedelung gegründet. Deutsches Reich. * Berlin, 2l. Mai. Die „Nationallibcrale Correspondenz" schreibt heute: „Es ist traurig, wenn Staatsmännern erst bewiesen werden muß, daß Ätrrgie nur dann etwas taugt, wenn sie sich mit Besonnenheit paart. Ist die Nothwendig- keit aber einmal vorhanden, so kann man Genugthung em pfinden, wenn eine nicht allzu kostspielige Lection über diese politische Grundwahrheit ertheilt wird. In dem P ro ce ß geg e n dir soci albern okrati sch «Organisation ist die« mit einiger Gründlichkeit geschehen. Das Gericht hat die Schließung der socialdemokralischen Bereinigungen zum größeren Theile aufgehoben und insoweit sie bestätigt worden ist, wird ihr Jeder, der die Eigenart des socialdemokratischen Zusammenschlusses auch nur oberflächlich kennt, jeglicke Wirkung absprrchen müssen. Der Eindruck weiter BolkSkreise ist der einer von der Regierung gegenüber der Social demokratie erlittenen Niederlage, mithin ein der Umsturz- FeuiHetsir. Die Tochter -es Millionärs. 18j Roman au» dem Englischen von L. Lernfeld. MachdruS »erboten.) „Sieh mal, Helene," sagte Trixie zu Helene Greville, al« die beiden jungen Mädchen, wohlweislich in Regenmäntel ge hüllt, fast in demselben Augenblick au« dem Schutz de« Walde« hervortraten, um in den Weg nach dem See einzu biegen, „daS kann nur Miß Jane sem, welche da vor un« herläuft. Woher mag sie nur kommen? Die Aermste, sie hat weder Schirm noch Mantel bei sich, und wird bi« auf die Haut naß werden. Wie wollen sie anrufen, wir können sehr gut einen von unseren Schirmen entbehren." Doch je lauter sie riefen, ie schneller setzte Jane ihren Weg fort, und da die jungen Mädchen bald einsahen, daß ihr Bemühen ein vergebliches war, gaben sie e« auf. In diesem Augenblick bemerkte Helene Greville, welche den Blick zufällig nach reckt« gewendet hatte, die Gestalt eine« Manne- zwischen den Bäumen. Sie erkannte Philipp Seudamore und schloß sofort, daß Miß Jane mit ihm zu sammen gewesen war. Doch sagte sie nicht« davon und die beiden Mädchen eilten unter dem heftiger fallenden Regen und dem Heulen deS Sturmes gemeinsam weiter. Doch Helene vermochte nicht lange über ihre Wahrnehmung zu schweigen. Sie wandte sich plötzlich etwa« erregt zu ihrer Gefährtin und rief: „Beatrix, Miß Harnaß hatte eben eine Zusammenkunft mit Philipp Seudamore." „Wie kommst Du darauf, Helene?" „Weil ich ihn gesehen habe." „Du hast ihn gesehen? Wo denn?" fragte Beatrix. „Er stand unter der alten dicken Buche, gerade an der Stelle, wo Miß Jane au« dem Walde hervortrat", erwiderte Helene. „Unter der alten Buche", wiederholte Trixie leise. Sonderbar genug erregte' die Thatsache, daß Philipp eine Zusammenkunft mit einer anderen Dame gehabt hatte, sie weniger al« der Gedanke, daß er dazu gerade den Platz unter der Buche gewählt hatte, wo er sie noch vor wenigen Tagen (einer Liebe versichert hatte. „O Beatrix!" rief Helen« leidenschaftlich, „ich hab« jetzt lange Zeit nichts über ihn gesagt, aber — aber veraieb mir, Liebe, jetzt vermag ick nicht länger zu schweigen. Ueberlege e« Dir reiflich, ehe Du Dich für immer an diesen Mann bindest. Glaube mir, er liebt Dich nicht, es ist nur Dein Geld, welche« ihn verlockt. Mache Dich von ihm frei, Beatrix, ehe es zu spät ist!" Zu Helene'S Ueberraschung war Trixie gar nicht böse. Sie wurde sehr bleich und die Antwort kam nur leise und zögernd von ihren Lippen: „Ich kann nicht, Helene, es würde schlecht von mir gehandelt sein. Ich fürchte fast, daß der Detektiv glaubt, Philipp stehe in irgend einer Weise mit dem Verlust meiner Brillanten in Verbindung. Natürlich ist daS ein Unsinn — vollständig unmöglich! Ich bin der festen Ueberreugung, daß Philipp ein ehrlicher, wenn auch leichtsinniger Mann ist, doch ich fürchte, so seltsam der Gedanke auch sein mag, daß r« Umstände giebt, welche diesen schrecklichen Verdacht aufkommen lassen konnten. Wenn nun etwa- gegen Philipp laut würde, waS ja sehr leicht möglich ist, und ich mich gerade jetzt von ihm lo«sage, könnte man vielleicht denken, daß ich den Ver dacht theilte. Nein, so unedel kann ich nicht an ihm handeln, ich muß jetzt zu ihm halten." Helene merkte bei diesen Worten sofort, daß Beatrix' Vertrauen zu Seudamore erschüttert war. Wenn sie ihn noch geliebt hätte, würde sie beredtere Worte gefunden haben, ihn zu vertheidigen. „Und Du willst Dich selbst opfern, Kind," rief Helene entrüstet, „um einen Mensche» zu schonen, welcher nach Deiner eigenen Anschauung — Tu kannst eS nicht leugnen, Beatrix — vielleicht ein Unwürdiger ist." Beatrix seufzte schwer. Auch ei» Anderer hatte ihr heute schon gesagt, daß Philipp Seudamore ihrer nicht würdig sei. XV. Mr. und Mr«. Hopley saßen beim Diner im Speise zimmer ihre» schönen Hause«, welche« unter dem Namen Lodden Hall bekannt war uud in einer der vornehmsten Straßen Manchester« lag. Ein ausgesucht feine« Mahl wurde von den beiden bei Tisch aufwartrndrn Dienern dem ein samen Paar aufgetragen. Herrliche« Silber glänzte auf der Tafel und die ganze Einrichtung de« geräumigen Zimmer machte einen vornrbmen Eindruck. „Trixie scheint sich drüben in Schottland recht Wohl zu fühlen", sagte der Seifrnfabrikant, indem er fich zum dritten Mal» vorlegen ließ. „Es ist sebr öde im Hause, wenn daS Kind nicht hier ist", seufzte Trixie's Mutter. „O", sagte Mr. Hopley, indem er dem Diener einen Wink gab, ihm eine Schüssel zu reichen, „Du wirst Dich bald daran gewöhnen müssen, meine Liebe, ganz ohne sie fertig zu werden. Denke an den jungen Grasen, der dort mit ihr zusammen ist." Die Gegenwart der Diener hielt Mr. Hopley nicht im Geringsten zurück, diese Anspielungen zu machen, er lieble eS sogar, gewisse Aeußerungrn vor ihnen laut werden zu lassen — eines Grasen konnte man sich doch rin wenig rühmen, meinte der alte Herr. Mr-. Hopley war etwas gedrückt. „Ja, das ist ganz gut, mein Bester, und ich habe gewiß Trixie'« Glück im Auge, aber ich bin der Meinung, daß ein junge- Mädchen in solcher Zeit nach ihrer Mutter verlangen sollte, damit diese ihr mit ihrem Rath zur Seite stehen kann, und ein junger Mann, auch wenn er ein Graf ist, sollte bemüht sein, sich bei seiner zukünftigen Schwiegermutter ein wenig liebenswürdig zu machen und ihre Ansichten in Betracht zu ziehen. Du weißt, mein Lieber, daß ich immer dagegen gewesen bin, eiu junges Mädchen ohne AnstandSdame in die Welt gehen zu lassen." In diesem Augenblick trat ein Diener ein, der Mr. Hopley auf silbernem Teller ein Telegramm überbrachte. Der alte Herr öffnete dasselbe, und nachdem er eS gelesen, starrte er einige Sekunden sprachlos darauf hin. „Das ist ja höchst sonderbar", sagte er endlich. MrS. Hopley, welche daran gewöhnt war, ihren Mann häufig Telegramme in Empfang nehmen zu sehen — bei seinem bedeutenden Geschäft war da« fast etwa« Alltägliche« — wurde erst jetzt aufmerksam und sagte ganz obenhin: „Was giebt«, Josef? Hoffentlich keine schlechten Nach richten?" „Die Depesche ist von Colonel Larcombe", sagte der alte Herr „Um Gotte« willen, Josef — ist Trixie erkrankt? Mein Gott, wie mir da« Herz schlägt!" „Nein, ich glaube nicht, daß sie krank ist", antwortete Mr. Hopley langsam — „wenn die« der Fall wäre, würde man e« erwähnt haben; aber die Sache ist höchst befremdend. Ich werde gebeten, sofort nach Highmoor abzureisen. Da — lie« eS selbst, meine Liebe." Erreicht« seiner Gattin dir Depesche und MrS. Hopley la«: „Bitte, kommen Sie in Angelegenheiten Ihrer Tochter so schnell al- möglich hierher!" „Ich finde e« sehr sonderbar, daß man nicht nach der Mutter verlangt," sagte Mr«. Hopley einigermaßen gekränkt, da eS ihr schien, als würde sie bei jeder Gelegenheit in den Hintergrund gedrängt. „ES würde doch angemessen sein, wenn unserer Tochter etwa« zugestoßen ist —" „Nun — nun — e« wird ihr nicht« zugestoßen sein," rief Mr. Hopley ungeduldig. Dir Sache ist ganz klar, Ganfoine wird um sie angehalten haben." „Und glaubst Du, daß Trixie «inzewilligt hat?" rief auf geregt Mrs. Hopley. „Natürlich wird sie eingewilligt haben. Trixie wird doch nicht solch' eine Närrin sein und einen Grafen ausschlagen. Der Colonel bittet mich zu kommen, damit ich die Sacke ordne. Der Graf wird wahrscheinlich wissen wollen, wie viel ick unserer Tochter mitgebe; nun, ich habe mir vorgenommen, nobel zu bandeln — sehr nobel — er wird mit mir zufrieden sein. Morgen früh reise ich nach Schottland. — John!" er wendete sich an einen der Diener. „Ja, gnädiger Herr!" „Ich wünsche morgen sehr zeitig mein Frühstück. Setzen Sie Robert sofort davon in Kenntniß, daß ich morgen ver reise und er mich begleitet. Er soll den kleinen Koffer packen und im Stalle Bescheid sagen, daß der Brougham bereit steht. Wir müssen um acht Uhr auf dem Bahnhof sein." Der gute alte Herr war außer sich vor Stolz und Freude. Er hatte einmal seine Meinung über den Inhalt der etwas sonderbaren Depesche, und da diese ihn vollständig befriedigte, wollte er keine andere gelten lassen. Ihm er schien eS sehr natürlich, daß der Graf von Sanfoine, nach dem er seinen Antrag gemacht hatte und derselbe angenommen worden war, sich darnack sehnte, den Vater seiner Verlobten zu sprechen, um die geschäftliche Seite der Sache klarzustellen, an« diesem Grunde hielt er eS durchaus in der Ordnung, daß man nach ihm telegraphirte, um die Fragen seine» zukünftigen Schwiegersöhne« über diese» außerordentlich wicktigen Punkt zu befriedigen. Al« Trixie's Mutter die sehr vernünftige Bemerkung machte, daß eS dem jungen Mann, auch wenn er ein Graf sei, doch eher zukomme, zu seinem Schwiegervater nach Manchester zu kommen, anstatt einen alten Mann die weite Reise nach Schottland machen zu lassen, lächelt» Mr. Hopley überlegen und sagte: „Durchaus nicht, meine Lieb«! Die Stellung de« Grafen rechtfertigt daS Verlangen. Du mußt bedenken, daß er ua«
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