Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.01.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990102023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899010202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899010202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-02
- Monat1899-01
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Di« «torgen-Au-gabe «scheknt «> '/,? Uhr. hi« Albeud-Su-gab« Wochentag« »» L Uhr. LeLactio« «»- Lrpe-itio»: -Oh«»e»,«sie 8. VieExpedittou ist »«-««tag« «»unterbrach«» öffnet von früh S bi« Abend« ? Uh«. Bez«gS-Prel- Gt h«r Hanptexpeditton oder de» i» Stndt- b«irk »h d« Vorart«« errichtet«» Au«» aabrstellra ab geholt: vierteljährlich bei Poetmaliair täglicher Znstellaag in« Hau« ^l ÜLO. Durch die Post bezogen für Deutschland ««d Oesterreich: vieNehährlich s.—. Direkte tägliche Kreuzbandlenduug iMt Au-Iaud: moaallich 7.50. Filialen: Ott» Kinn»'» Lartim. (Alfred Universität-stratz« 3 (Pauli»««), Laut« Lösche, Natbartneuür. 14, part. und -Suig-platz T» 3. Abend-Ausgabe. MiNMr.TagMatt Anzeiger. AmisktäLt -es Hsniglichen Land- und Ättttsgenchles Leipzig, -es Mathes nn- Nalizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Montag den 2. Januar 1899. Anzeigen Pret- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Rrclamrn unter dem Redaction-strich (4go- spalte«) 50^, vor de« Famtliennachrichten (Sgespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis» vrrzrichntß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach hühernn Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), «>r rntt de« Morgen»Ausgabe, ohne Postbeförderunz 60.—, mit Postbeförderuag 70.—. Zimmhmschluß für Äuzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Marge«-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei de« Filiale« und Annahmestellen je ein« halb« Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Exhedttt»» zu richte». Druck >wd Verlag vo» L. Polh in LelpzkG 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2. Januar. In seinem „Götz von Berkichingen" läßt Goethe den Kaiser Maximilian den ihn um Schutz bittenden Nürnberger Kaufleuten antworten: „Wie geht's zu I Wen» ein Kaufmann einen Pfesfersack verliert, soll man das ganze Reich aufmahnra, und wenn Händel vorhanden sind, daran kaiserlicher Majestät und dem Reich viel gelegr« ist, so daß es Königreich, Fürstenthum, Herzogthum und Andere- betrifft, so kann euch kein Mensch zusammenbriagen." Auf diese Worte sollte Fürst Hohenlohe oder der Biceprasident des preußischen Staatsministerium- Hinweisen, wenn im preußischen Abgeordnetenhause „deutsch freisinnige" Redner, die im Reichstage bei jeder zur Ver stärkung unserer Wehrkraft erhobenen Forderung über die Unerträglichkeit der Militairlast klagen, über die angeblich durch die Ausweisungen im nördliche» Schleswig dem deutschen Handel mit Dänemark^gefügten Schädigungen jammern. ES ließe sich an diese Worte ein überaus lehr reicher Vergleich zwischen der NeichSmisöre zur Zeit Kaiser Maximilians und den heutigen Zuständen und ein nicht minder lehrreicher zwischen den „Nürnberger Pfeffersäckea" und den Gesinnungsgenossen des Herrn Eugen Richter knüpfen. Vielleicht fände sich im „Götz" auch eine Stelle, auf welche der Berliner Stadtverordnete Leopold Jacobi und der Reichstagsabgeordnete Karl Blell zu Brandenburg wegen ihre- an die „dänische Kundschaft" gerichteten und von unS in unserer SonntagSauSgabe mitgetheilten Bettelbriefes verwiesen werden könnten, in welchem diese Kundschaft ersucht wird, „dahin wirken zu wollen, daß das dänische Volk seine Mißstimmung gegen die preußische Regierung nicht auf daS deutsche Volk über trägt." Die Gerechtigkeit fordert aber auch, vom Regierungs tische aus hervorzuheben, daß e« nur eine verschwindende Minderheit der deutschen Kaufleute und ihrer poli tischen Gesinnungsgenossen ist, die der Regierung zu- muthet, keine andere Politik zu treiben, als eine, die sich geschäftlich bezahlt macht, und rS kann die Wirkung eines CltatS auS dem „Götz" nur verstärken, wenn im Anschluß daran darauf hiugewiesen wird, wie die Ham- budger Handelskammer in ihrem soeben erschienenen Jahresberichte über die Ausweisungen sich äußert: „Die Handelsbeziehungen zu Däneinark sind neuerdings bedauer licher Weise durch die in diesem Lande wegen der Ausweisungen einiger Dänen aus Nordschleswig geschürte Erbitterung einiger maßen getrübt worden. Schon die Thatsache, daß zahlreiche Dänen in Deutschland eine gern gewährte Gastfreundschaft fortgesetzt genießen, muß für jeden ruhig Urtheilenden den Beweis liefern, daß es sich bei dieser Maßregel nicht um ein« Feindseligkeit gegen die Dänen als solche, sondern nur um die Abwehr politischer Treibereien handelt. Wir hegen zu dem gesunden Sinne de« dänischen Volkes die Zuversicht, daß e« die Bedeutung der Vorfälle nicht überschätzen und daß bald wieder eine völlige Beruhigung ein treten wird." Und wenn dann die geistigen Nachkommen der „Nürn berger Pfeffersäcke" noch nicht „befriedigt" sind, so wird ihnen auS dänischen Blättern nackgewiesen werden können, daß außer einigen dänischen Spekulanten, die mit ihrem „Abbruch der Geschäftsverbindungen" mit Deutschland Reclame bei den dänischen Heißspornen zu machen suchen, dort kein Mensch verkennt, daß die Dänen in Deutschland außerhalb Nordschleswig-, namentlich aber in der Reich-Hauptstadt, wo sie keinen Schaden anrichten können, sich nicht im Geringsten über schlechte Aufnahme und Behandlung zu klagen haben. So veröffentlicht das sonst so fanatische Blatt „Heimdal" einen von ihm in seiner Ge- sammtheit mit Anerkennung begrüßten Brief eine- dänisch gesinnten jungen NordschleSwiger-, Mitgliedes de- dänisch- »rredentistischeu „Südjütischen Verein-" in London, worin eS nach heftigen Angriffen auf die nordschleSwigsche Politik der preußischen Regierung anderseits doch in wörtlicher Ueber- setzung wie folgt heißt: „Ich will nicht eiaseitig aus die Sach« sehen. Kommen wir »ach der Reich-Hauptstadt, so ist keine Rede davon, daß die Dänen verfolgt werde». Im Gegeutheil, ich weiß, daß ihnen dort so viel Entgegenkommen, Gastfreiheit und sogar Opferwilligkeit erwiesen ist, daß »- in hohem Grade an- zuerkennen «od zu bewundern war. Jede- Jahr kommen junge dänische Handwerker in großer Zahl nach Deutschland, und ich glaube, daß sie durchgehend» viel lernen können und sich auch wohl und zufrieden dort fühlen. Deutschland ist sicherlich ein vorwärtSstrebendeS Land, und ich habe oft die Tüchtigkeit und Energie bewundern müssen, die in dem Volke wohnt." Es ist ja überaus beschämend, wenn im preußischen Ab- geordnetenhause „deutsch-freisinnigen" Volksvertretern nach gewiesen werden muß, daß sie «icht nur an Einsicht hinter der großen Mehrzahl der Dänen, sondern auch au patriotischer Gesinnung hinter den sprüchwörtlich gewordenen „Nürnberger Pfeffersäcken", die wenigstens auf sehr fühlbare Schädigungen sich berufen konnten, zurückstehen. Aber wa- kann die Regierung und waS können die übrigen Deutschen dafür, daß es noch heute „solche Käuze" giebt? Die Duldung, die Kriedrtch der Große gegenüber den Jefntten in Schlesien bewiesen hat, wird von der „Germania" in gewissem Sinne gegen den jetzt regierenden Nachkommen de« alten Fritz au-gespielt. Da ist e« wohl angezeigt, auf die Quelle jener Duldung mit einem kurzen Worte hinzuweisen. Der Biograph Friedrich'- de- Großen, Reinhold Koser, schreibt auf Seite 413 de- ersten Bande- seine- Werke- (Stuttgart, Eotta 1893) Folgende»; „In der Instruction für (Minister) Mrssorp (vom Jahre 1753) und in dem das Jahr zuvor entstandenen Testamente bat der König die Summe der bisherigen Er fahrungen seiner schlesischen Kirchenpolitik gezogen. Alles in Allem glaubt er auf die Katholiken nicht stark rechnen zu dürfen; doch giebt es Ausnahmen. Durchaus unterscheiden will er die Pfarrer und dieMönche: der Pfarrer sei ruhig, friedfertig und kümmere sich ganz und gar nicht um Oesterreich; Alle», WaS Mönch beiße, habe noch eine geheime Anhänglichkeit an den Wiener Hof. Besonder- selten ihm die Jesuiten als Fanatiker für da- HauS Oesterreich: „unter allen Mönchen die gefährlichste Art." Sie zu be kämpfen und Altar gegen Altar zu stellen, habe er zur Erziehung der adligen Jugend Schlesien- gelehrte Jesuiten aus Frankreich kommen lassen." Hieraus erhellt, daß der AuSgang-punct für die Duldung der Jesuiten in Schlesien durch Friedrich den Großen die Absicht war, durch französische Jesuiten die österreichisch gesinnten Jesuiten, „unter allenMonchen die gefährlichste Art", zu bekämpfen. Im Uebrigen hat das berühmte Wort, da-, um mit Koser zu sprechen, über der Eingangspforte der Friedericianischen Kirchenpolitik steht, auch für die Jesuiten in Schlesien Geltung gehabt, jenes Wort, da- gleichmäßig gegen staatlichen Gewissens zwang wie gegen geistlichen BekehruugSeifer Schutz ver hieß: „Die Religionen müssen all« tolerieret werden und muß der FiScal nur da- Auge darauf haben, daß keine der anderen Abbruch thue, denn hier muß ein Jeder nach seiner Fa^on selig werden." — Da heut zu Tage der Jesuitenorden dem Protestantismus nach Kräften Abbruch zu thun bestrebt ist, so wurde Friedrich der Große den „Fi-cal" heute wohl ebenso angebalten haben, den Jesuitenorden auf dem Wege der Gesetzgebung daran zu verhindern, wie auf Befürwortung de- Fürsten Bi-marck Kaiser Wilhelm I. e« gethan hat. Die Arbeiters laShütte von Albt, diese- Schmerzenskind der französischen „Genossen", erwie« sich von Anfang an al- eine „Gründung" im bö-artigsten Sinne de- Worte». Ihre varteigenössischen Leiter sorgten so verschwenderisch für sich selbst, daß für da» Arbeiterunteroehmea nichts übrig blieb als die nackteste Misöre. Und dabei befand sich da» Etablissement von Anfang an in einer vor den Geschäfts betrieben de- „infamen capitalistischen AuSbeuterthumS" weit aus bevorzugten Lage. Denn während der bürgerliche Unter nehmer lediglich auf seine eigenen Hilfsmittel angewiesen ist und Zusehen mag, wie weit er damit kommt, wurde zu Gunsten der Arbeiterglasbütte von Albi eia ganzer Apparat von Unter stützungen in Thätigkeit gesetzt. Begründet im SubscriptionS- wege, mit Hilfe von privaten Zuwendungen — eia einzige- Geschenk erreichte für sich allein schon den Betrag von 100 000 FrcS. —»brauchte die Arbeiterglashütte von Albi weder um Zinsenzahlung noch um CapitalSamortisationen zu sorgen. Ebenso blieb ihr alle Bemühung um Erlangung eine» Kunden kreise» erspart, da ein Partemka- sämmtliche Concurreuz- etabliffementS mit dem Boykott belegte und, unbekümmert um da- LooS der in den boycottirten Hütten beschäftigten Arbeiter, den Genossen strengsten Befehl ertheille, nur GlaS- waare au- der Arbeiterhütte von Albi in Gebrauch zu nehmen, sowie alle Budiken zu meiden, deren Inhaber an deu Flaschen und Gläsern ein anderes Fabrikzeichen führten al- ba de- JdealgeschäfteS von Albi. Indessen waren alle diese und ähnliche Kniffe unvermögend, da» Unternehmen auS dem Sumps zn ziehen, in welchen eS di« „Genialität" der zu seiner Verwaltung bestellten Genossen hineinbugstrt hatte. Deshalb machte man schon vor längerer Zeit den Versuch, die Gründung auf allgemeine Unkosten durch Inanspruch nahme des Gemeindesackel» über Wasser zu halten. Da erste Mal vergeben-, da die Regierung deu von der social demokratischen GemeinderathSmehrheit von Albi für dir Glashütte bewilligten Zuschuß auS städtischen Mitteln in Höhe von 25 000 Franc- einfach strich. Inzwischen aber wurde der socialdemokratische Maire von Albl in die Kammer ge wählt, und einem socialdemokratischen Deputirten etwa» ab- »»schlagen, geht anscheinend über die Kräfte de» heutigen französischen CabinetS. Am 25. November hatte der Gemeiderath von Albi zu Gunsten der Glashütte auf-Neue eine Subvention, diesmal „nur" 12 000 FrcS., bewilligt, und soeben hat der Minister des Innern dieser Maßregel seine Genehmigung ertheilt. In den socialdemokratischen Parteiführerkreisen herrscht ob diese- Entgegenkommen- der Regierung eitel Freude und Wohlgefallen, in den Kreisen der arbeitenden Genossen, namentlichj derer von Carmaux dagegen, welche sich durch diese von Partciwegen betriebene unlautere Concurrenz in ihren Lohnverhältnischen bedroht sehen, Aerger und Ingrimm. Die letzteren haben eine Protestversammlung abgehalten, welche sich in den schärfsten Worten gegen da» unqualificirbare Vorgehen in Sachen AlbiS wendet. Aber die in der Parteiführung sitzenden Gründer „pfeifen" auf das Interesse der Arbeiter, wenn eS mit ihrem eigenen Geldbeutel collidirt, und die Theilnehmer an dem Proteste von Carmanx werden von Glück sagen können, wenn sie wegen ihre- rollen widrigen Seitensprunges mit einem Verweise davonkommen. Die „reine" norwegische Kriegsflagge ist in Sicht! Nach Beendigung der StorthingSferien werden sich die Radikalen voraussichtlich mit einigen der Unionsstreitfragen beschäftigen und namentlich Stellung zur KriegSflazge nehmen. Die „reine" Flagge ist zwar in- Trockene gebracht, aber bei dieser handelt e» sich nur um die Handels- und LandeSflagae, wogegen di: norwegische Kriegs flagge fortfahrend das Unionsabzeichen, da- in der „reinen" Flagge fehlt, behält. Die Kriegsflagge ist eine UnionSflagge; dies steht ausdrücklich in der Verfassung, und infolgedessen müßte erst eine Verfassungsänderung vorgenommen werden, was jetzt indessen sür die radikale Storrhinzs- Mehrheit nicht die mindesten Schwierigkeiten macht, da sie ja die dazu erforderliche Zweidrittelmehrheit besitzt. Dir Radikalen machen gern ihre Sache gründlich, und so wollen sie denn auch eine „reine" Kriegsflagge haben, wozu die ein leitenden Schritte bereit» vom vorigen Storthiog gethan wurden, indem diele- «inen Antrag auf Veränderung der die KriegSflazge betreffenden VerfaffungSbestimmunz annahm, ein Antrag, der seitdem „ruht", wie die Bezeichnung lautet. Die eigentliche Beschlußfassung darüber kommt dem gegenwärtigen, au- den Wahlen von 1897 hervorgegangenen Storthing zu, und diese» wird sich innerhalb der nächsten Monate mit der Sache zu beschäftigen haben, wobei die Annahme mit einer Zweidrittelmehrheit erfolgen muß. Hierbei handelt eS sich aber zunächst erst um Streichung der Verfassungsbestimmung über die Kriegsflagge. Die Veränderung der Flagge selbst würde dann von drei aufeinanderfolgenden Storthing- mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können, gerade so wie da- bei der Handelsflagge geschah. Augenscheinlich ist man noch in Zweifel darüber, ob man nicht besser thut, die Aende- rung der Kriegsflagge zu vertage», um sie gemeinsam mit der ganzen Unionsfrage — da» ConsulatSwesen und den eigenen Minister de- Aeußern für Norwegen umfassend — zur Ent scheidung zu bringen. Wann aber die» geschehen soll, darüber herrscht gleichfalls große Uneinigkeit. Ein Theil der Linken- Preffe empfiehlt zunächst die Durchführung der ConsulatSsache allem, wogegen ein anderer Theil die UnionSsrage in der Gesammtheit aufnehmen, aber damit noch warten will, bis sich eine sichere Durchführung vorauSsehen läßt. Hiergegen wieder wendet der erster« Theil rin, daß etwa- geschehen müsse, damit die Wähler in ihrem Eifer für die Unionssache nicht ermüden. Die Auffassungen gehen somit sehr aus einander, und vorläufig weiß denn auch Niemand, wa» die Radikalen im Schilde führen. Indessen dürfte schon die nächste Zeit erkennen lassen, ob die „Action" beginnen soll oder nicht. Die während des spanisch-amerikanischen Krieges plötzlich entstandene englisch - amerikanische Freundschaft dürfte noch manche Klippe zu umsegeln haben. Die Nicaragua - Frage ist schon eine solche. Die letzten Washingtoner Nachrichten lassen darauf schließen, daß zwischen den beiden Staaten bi» jetzt noch nicht einmal Unterhand lungen zur endgiltigen Regelung der den Bau und die Eon- trole deS Wasserweges durch Nicaragua betr. Angelegenheit stattfinden. Daß der 1850 zwischen dem damaligen Staats- secretair Clayton und dem britischen Minister Sir Henry Lytton Bulwer abgeschlossene Vertrag den gegenwärtigen Verhältnissen nicht mehr entspreche, wird auch in diploma- Feurlletsn- Onkel Wilhelm'- Gäste. Roman von A. von derElbe. Nachdruck vkrdottn. 1. Capi 1«l. Ein hell schimmernder Frosttag überglänzte die Großstadt. Der Schnee, der auf den Kanten und Verzierungen der Gebäude lag, setzte allen Formen verschönende Lichter auf. Wie mit leichtem, weißem Laube bekleidet, hoben sich die Aeste der Bäume wundervoll glitzernd vom tiefblauen Himmel ab. Die Straßen waren glatt und eben von festgefrorenem und festgetretenem Schnee. Auf dem Friedrichswall« ging ein junge« Mädchen entlang. Sie war mittelgroß und sehr beweglich. Ihr mit Pelz besetzte- Sammetcostüm saß tadellos, und sie würde sehr elegant auS- gesehen haben, wenn sie nicht in der einen Hand ein Paar klappernde Schlittschuhe und in der anderen «inen kleinen Muff geschwenkt und dazu „Freut Euch de« Leben-" leise vor sich hin getrillert hätte. Die- harmlose Thun hatte etwa- ländlich Un bekümmerte- und nicht« von der auf Draht gezogenen Wohl« dressirtheit, Vie eine Großstädterin au-zeichnen soll. Zwei junge Männer kamen in einiger Entfernung desselben Wege-. Ein Officier und ein geschniegelter Eivilist. Ein großer, getigerter Renonnnirhund trottete neben den Herren her, be schnüffelt« jeden Baum und sah stolz gehobenen Haupte» nach Hundebekanntschaften au-. „Alle Wetter, Wendelstein", sagte plötzlich der junge Officier, „ich glaube, da vor un- geht mein« Schwester. Begreife nicht, daß Tante Majorin, beider sie hier ist, sie so allein auf- Ei ziehen läßt." „Würde mich fabelhaft interessiren, da» Toustnchen kennen zu lernen", näselt« der Referendar von Wendelstein. Die Herren beschleunigten ihre Schritte und hatten da jung« Mädchen fast eingeholt, äl» der Hund schnuppernd die Nase hob und plötzlich, einen bekannten Duft spürend, vorstürzte und an der Schwester seine- Herrn emporsprang. Die junge Vergnügliche schwankt« und siel, nach kurzem Be mühen, sich zu halten, der Länge nach hin. Die Schlittschuhe flogen nach recht« und der kleine Muff glitt nach link» weit hinan«. Der Lieutenant eilt« hin und hals seiner Schwester, die stink in di« Höhe kam und sehr roth und erschrocken aussah, wieder auf. Während er forschte, ob sie sich auch weh gethan habe, schlug sie sich leise verneinend den Schnee von dem grünen Sammet ihres Kleides und warf einen ängstlichen Blick nach dem Referendar zurück, der in bescheidener Entfernung, die Hacken zusammen schlagend, durch zierliche Stellungen die Aufmerksamkeit der jungen Schönen sür sich zu gewinnen trachtete. Der Bruder schalt und zauste den Hund und fand kaum Zeit, ein« zaghaft geflüsterte Frage des Mädchens: „Sag' 'mal, Kurt, wie fiel ich — war's — war'- nett — war's anständig?" zu beantworten. „Na, ob! . . ." Die Kleine schien getröstet. Sie konnte jetzt nicht umhin, den Elegant zu beachten, der herantänzelnd den Hut lüftete und ihrem Bruder zuraunte: „Lieber Rusteberg, bitte — sehr, mich endlich vorzustellen." Der Lieutenant gab seinem auf dem Bauche liegenden und mit leise klopfenden Schwanz um Gnade stehenden Siegfried noch einen kleinen Puff und willfahrte dann der Bitte de» Referendars, der e- außerhalb aller Grenzen der Möglichkeit hielt, ein Wort an die junge Dame zu richten, ehe die Namensnennung in bester Form stattgefunden hatte. „Liebe Nella, Referendar von Wendelstein, ein entfernter Vetter von unS, eben hierher versetzt." „Ach, Sie heißen ja wie unser Tut und Mama hieß auch so." „Ist mir «in« besondere Ehre, meine Gnädigste." Kurt von Rusteberg holte seiner Schwester Muff und Schlitt schuhe, dann sagte er: „Habe Wendelstein schon früher gekannt, Nella. War mir aber thatsächlich eben 'n riesige» Vergnügen, Detter, Sie im EafS zu treffen. Habe viel Familiensinn. Nu sag' aber 'mal, Kind, wie kommst Du denn allein hierher und wo willst Du hin?" „Natürlich aufs EiS. Kommst Du mit? Kannst immer Schlittschuhe leihen. Tante Selbach und Dale-ka sind schon da, die Schwälbchen müssen lerden, und ich hatte ja auch noch die gräuliche Stunde." „DaS gnädige Fräulein malen oder musiciren?" „I bewahre, ich hab« nicht di« Spur von Talent, zu gar nicht», da- ist ganz hoffnungslos. Tante meint aber, da ich doch zu meiner Ausbildung hier bei ihr sei, ich soll irgend etwa», da» au»si«ht wie Kunst, treiben, und <da muß ich denn Holz brennen." Ein lustiger Blick ihrer braunen Augen flog zu ihm auf. „Holz brennen?" Der Ton del Referendar» war vor Er staunen fast einfältig. „Ja, St« denken wohl im Ofen oder unterm Herd, da könnt'» noch was nützen? Nein, auf hübsche weiße Bretter, die mir so viel besser gefallen, werden allerlei braune Schnörkel gebrannt und das soll schön sein. Rieche ich nicht noch ganz brenzlich?" „O bewahre, hier in der frischen Luft." „Ich will auch die Stunde aufgeben. Ich möchte kochen lernen." „Kochen? Die Gnädige scherzen." „Nein, gar nicht, das könnte mir Spaß machen." „Aber kochen — auf Schloß Wendelstein? Undenkbar!" Sie hatten jetzt die weiten überlaufenen Wiesen erreicht. Das klare, leicht bläuliche Eis wimmelte von Schlittschuhläufern. Hier standen Buden mit heißen Getränken, Tische mit Schlitt schuhen, die zu vermiethen waren, Eisfeger und Leute, die Schiebeschlitten bereit hielten. Außerdem belebten Spazier gänger, die zusahen oder Angehörige auf dem Eise wußten, die ganze Umgegend. „Na, wo finden wir denn die Tante?" meinte Kurt, hielt seinen Siegfried im Halsbande und spähte rings umher. Wendelstein klemmte sein Monocle ins Auge, daS er so geschickt zu fangen wußte, wie etwa Siegfried einen Brocken, und guckte auch beftiflen aus, obgleich er nicht wußte, wie die Damen aus sahen, die man suchte. Nella hatte sich die Schlittschuhe anfchnallen lassen und glitt jetzt, unbekümmert um di« Herren, behend hinaus. Gefesselt von der Anmuth ihrer schlanken, jungen Gestalt, folgten ihr die Blicke des Referendars. „Ah, da sind Sie ja!" rief Kurt und eilte auf zwei Damen zu, die am Ufer standen. Es waren eine untersetzte Frau, mit auf fallend hoch geputztem Federhut, und ein blondes junge» Mädchen von schlaffer Haltung. Kurt grüßte. „Habe Nella getroffen, seht, da läuft sie schon ganz draußen. Willst Du denn nicht laufen, ValcSka?" „Ach, da» liebe zarte Kind ist gleich so angegriffen, Du weißt daS doch, Kurt? Jawohl. Sie erträgt solch' robuste Bewegung nicht lange", erwiderte die Tante, während da- Töchterchen nur mit einem hilflosen Blick ihrer großen hellblauen Augen ant wortete: „Warte nur, Vale-kachen, ich besorge Dir einen Schlitten." „Bitte sehr, mich den Damen vorzustellen", näselte jetzt wieder der Referendar an Kurt'» Seite. E» geschah, und während Frau von Selbach mit dem neuen Bekannten Artigkeiten tauschte, entführte Kurt di« blonde Eousine im Schlitten weit hinou». Der Referendar hielt bei Frau von Selbach au». Die frisch« kleine Nella interessirtr ihn und er hofft», daß sie bald wieder herankommen werd», um dir Tante zu begrüßen. Ihr auf Schlitt schuhen zu folgen, verschmähte er, da er kein sonderlich gewandter Läufer war. Nun trat er vorsichtig und mit möglichster Grazie von einem kalten Fuß auf den anderen und ließ di« zungenfertige Dame red«n, während er ziemlich zerstreut nur daS Nöthigste erwiderte. Langsam pendelten sie auf und ab. „Von Ihrer lieben Familie, Herr von Wendelstein", sagte die Frau Major mit großer Artigkeit, „habe ich schon manches Vögel chen singen hören. Jawohl. Meine Valeska hatte im vorigen Jahre Tanzstunden mit ein paar lieben jüngeren Geschwistern von Ihnen. Jawohl, so recht liebe Geschwisterchen. Meine Da leSka hat da außerordentlich gefallen; jawohl, da» können Sie glauben." „Bezweifle nicht, meine Gnädigste." „Eine Knosp«, ein Rosenblüttchen wurde das liebe Kind ge nannt. Jawohl. Solch zarte Schönheiten giebt es wenige ini Ballsaale. Und wie sie singt, das reine Engelein, alle Welt finde: das, jawohl. Aber sagen Äe doch 'mal, lieber Herr Referendar, nicht wahr, Sie haben ein« große Familie? Viele liebe Ge schwisterchen?" „Außer mir nur noch acht", erkoiderte er auf ihren fragenden Blick etwas mürrisch. „S«hen Sie mal, neun, «ine liebe lange Reihe. Jawohl. Und Ihr Herr Vater ist abgegangener Officier? Ach, mein lieber seliger Mann war es ja auch; jawohl, «in hoher Beruf, der Officierstand, sehr lieber, hoher Beruf. Aber daS Abgehen zur Armeeverjüngung oft nicht ganz erwünscht, ach jawohl! Ihr lieber Herr Vater noch recht rüstig?" Die angenehme Antwort, ob der Vater von neun lebenden Kindern in mehr oder weniger rüstigem Zustande abgegangen sei, wurde dem Sohne erspart, da eben der Schlitten mit dem „lieben Rosenblüttchen" zu ihnen herankam und da» ganze Interesse der gesprächigen Mutter in Anspruch nahm. Wendelstein wurde nun auch von dem Anblick der zarten Blondin« gefesselt. Zwar lag sie etwas schlaff und zusammen gesunken im Schiebstuhle, aber die herb« Frostluft hatte wunder volle Rosenfarben auf das feine Gesicht gezaubert, und die großen blauen Augen glänzten schmachtend. Er fand den Vergleich mit Rosenblatt nicht ganz unzutreffend, und hielt et an der Zeit, sich ihr angenehm zu machen. Kurt lief, al» er der Cousine au» dem Schlitten geholfen, zur Schwester hinüber, die munter in schönen Bogen und Schlangenlinien umherkreiste. „Du", fragte sie, als sie ihm entgegenkam, „wer ist denn das eigentlich, der da?" „Der Vater ist rin ferner Namensvetter unserer Mutter."
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite