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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.01.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990125013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899012501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899012501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-01
- Tag1899-01-25
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Kroßere Schriften laut unserem Pre>-'. veTzeichniß. Tabellarischer und Zisferniax »ach höherem Tarts. «Srtra-Vcilaatn (gesalzt), nur mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuog 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Änzeigen, Ab end »Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhd. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anreigen sind stets an L> Expedition zu richten. Druck und Berlaa von E. P olz 1« Leipzig Mittwoch den 25. Januar 1899. wie die Franzosen sich die Äbrüstungs- conferenz denken. Als Ende August des vergangenen Jahres die Fricdens- luudgebung des russischen Kaisers bekannt wurde, herrschte in Frankreich große Bestürzung. Nur mit Mühe konnte man das Olesicht in freundliche Falten legen, aber man hoffte im Stillen, Laß die Conferenz nicht zustande kommen werde. Nachdem nun mehr das der Conferenz zu unterbreitende Programm bekannt geworden ist, kann an dem Zusammenkommen derselben kein Zweifel mehr bestehen. Es ist recht lohnend zu beobachten, wie sich die Franzosen jetzt zu dem Plane des russischen Kaisers Ver halten. Zunächst haben sie auf das Programm damit geantwortet, daß in einer Zeitung Beiträge zum Bau eines unterseeischen Bootes gesammelt wurden und daß ferner beschlossen worden ist, acht neue unterseeische Boote zu erbauen. Die französische Presse giebt offen zu, daß die Einführung der Unterseeboote den Forderungen des russischen Friedcnsprogrammes direct zuwider laufe, aber sie läßt sich dadurch nicht stören, die Erbauung solcher Boote finanziell und moralisch zu fördern. Die französische Presse verhält sich überhaupt zu der Friedens idee des russischen Kaisers theils skeptisch, theils direct ablehnend. Skeptisch ist es, wenn die „Libertv" meint, bei dem Friedens- congresse würde nicht viel herauskommen. Geradezu ablehnend zeigt sich aber dem Programm gegenüber das officiöse Organ der französischen Regierung, der „Temps", wenn er auch meint, daß Frankreich wohl oder übel die Conferenz werde beschicken müssen. Er schreibt: „Das freundschaftliche Verhältniß zu Rußland darf uns nicht zögern lassen, an der Conferenz Theil zu nehmen. Es ist aber nöthig. mit offenen Augen hinzugehen. Man kann die Augen nicht dagegen verschließen, daß gegen einige Puncte des Programms schwere Bedenken zu erheben sind, da diese Puncte die eine oder die andere Macht in den Zustand der Inferiorität gegenüber anderen Staaten versetzen würden. Die Annahme der Einladung bedeutet keineswegs die Bindung auf das Programm der Conferenz. Die .Hauptsache ist, cs ni cht an Höflichkeit gegen Rußland fehlen zu lassen. Indem wir dies aber thun, behalten wir im Uebrigen völlig freie Hand, und man kann sich darauf verlassen, daß wir davon Gebrauch machen werden." Auf den gleichen Ton waren die Acußerungen des Außen ministers Delcassöin der gestrigen Kammersitzung gestimmt: „Was den Abrüstungsvorschlag anbetrifft, so hat Frankreich den selben zu allererst angenommen, zunächst aus Achtung vor dem Haupte der befreundeten Nation, mit welcher niemals ein voll- stänoigeres Einvernehmen bestanden habe, und sodann, weil Frankreich „wußte", daß man nichts von ihm verlangen würde, was es schwächen könnte weder in der Gegenwart noch in der Zukunft." Man kann nicht wohl offenherziger sein. Für das fran zösische Volk bedeutet die Annahme der Einladung zur Be teiligung an der Conferenz nichts als einen Höflichkeitsact, wie man etwa die Einladung zu einem Diner oder einer Jagd an- mMen würde. Im Uebrigen aber will man „freie Hand" be bauen. Was diese „freie Hand" bedeutet, ergiebr sich bereits genugsam aus der oben angeführten Thatsache des Baues einer größeren Zahl unterseeischer Boote. Die „freie Hand" besteht ferner darin, oaß Frankreich sich vorbehält, auch sein Landheer zu vergrößern. Man will nicht anderen Staaten gegenüber in den „Zustand der Inferiorität" gerathen, d. h. man will sie überflügeln. Wenn die Bemühungen Frankreichs in dieser Richtung nach außen nicht so sehr bemertt werden, wie etwa eine deutsche Heeresvermehrung, so liegt dies an zwei Gründen: einmal nämlich ist in der fran zösischen Presse von Heeresverstärkungen niemals soviel die Rede, Ivie in den deutschen Zeitungen, weil es in Bezug auf die Er höhung der Wehrkraft in Frankreich keine Oppositionspartei giebt, der man mühsam die Bewilligung abringen müßte. Zum Zweiten finden in Frankreich die Heeresvermehrungen nicht ruckweise statt, wie in Dcurschland, sondern man vermehrt die Armee von Jahr zu Jahr, wodurch die Verstärkung des Heeres ziemlich unauffällig vor sich geht. An der Verstärkung des Heeres will man sich aber ferner darum nicht durch die Conferenz hindern lassen, weil man auch in politischen Fragen „freie Hand" behalten will. In der ¬ selben Nummer, in der der „Temps" seine geharnischte Erklärung abgiebt, bringt ec Nachrichten erst aus „^Isaeo-Lorraiuo" und dann aus „^.llornaxnsalso er erkennt trotz der gezwungenen Annäherungsversuche eines Theils der französischen Presse an Deutschland für sich den Frankfurter Frieden noch nicht als bindend an. Selbst für ein so ruhiges und gemäßigtes Organ, wie der „Temps", ist es ein unerträglicher Gedanke, daß Elsaß- Lothringcn einen Theil des deutschen Reiches darstcllen soll. And deshalb wünscht er, daß die französische Heeresmacht so verstärkt werde, daß eines Tages Elsaß-Lothringen nicht nur in den Spalten der französischen Zeitungen, sondern auch in Wirklichkeit von Deutschland getrennt sei. Und deshalb ist ihm, einem Theil der übrigen französischen Presse, die Friedens- conferenz innerlich ein Greuel. Vor zweieinhalb Jahren ist das russische Kaiserpaar in der 'ranzösischen Hauptstadt mit einem Glanze empfangen worden, wie er nur dem sprichwörtlichen gewählten Geschmack der Franzosen möglich ist, mit einem tosenden Jubel, wie ihn nur die Leidenschaftlichkeit eines romanischen Volksstammes hervor bringen kann. Käme er heute wieder nach Frankreich, so würden Glanz und Beifallsbezeigungen voraussichtlich nicht geringer sein, als damals. Aber mehr noch als damals würden es Aeußerlich- keiten sein; innerlich war schon damals der französischen „Gleich heitsflegelei" der unumschränkte Herrscher eines absolut regierten Landes etwas Fremdes; wenn dieser Herrscher zudem die Losung des Weltfriedens ausgiebt, so muß er einem Volke, dessen Kriegs lust seit Jahrhunderten durch jedes Blatt der Geschichte belegt ist, völlig fremd, ja unverständlich sein. Denn ein Franzose kann es garnicht fassen, wie man über eine Bevölkerung von mehr als 100 Millionen und über ein Heer, das auf dem Friedensfuße an 800 000 Mann beträgt, verfügen kann, ohne über seine Nachbarn herzufallen. Die Ausweisungen aus Schleswig. ii. Die „Berliner Correspondenz" setzt ihre Dar legung der Gründe, die zu den in neuerer Zeit erfolgten Aus weisungen aus Nordschlcswig zwingen, folgendermaßen fort: „In Nordschleswig ist bis in die neueste Zeit hinein die Politik der versöhnlichen Müde nicht nur im Allgemeinen, sondern auch speciell gegenüber der Einwanderung dänischer Staats angehöriger und im Betreff der Naturalisation ehemals für Dänemark spürender Schleswig-Holsteiner beibehalten worden. Inzwischen hat cs sich immer deutlicher herausgestcllt, daß die Naturalisation einer großen Menge derartiger Optanten nicht zur Vermehrung der deutschgesinnten Elemente beigetragen, sondern eine Elaste privilegirter Agitatoren geschaffen hatte, welche sich durch die grundsätzliche Heranziehung dänischer Bc- völkerungselemente und durch ihre Bethätigung in allen Ver anstaltungen der dänischen Propaganda um so gefährlicher er wiesen, als das Mittel der Ausweisung ihnen gegenüber nicht anwendbar war. Diese Propaganda hatte nothwendig zur Folge, daß die Wirkung dec auf eine Stärkung des Deutschthums hinzielenden Maßnahmen der Regierung fortgesetzt beeinträchtigt wurde. Solche Maßnahmen traten namentlich in der Schulpolitik der preußischen Regierung zu Tage. Während die dänische Kirchensprach: bis zur Gegenwart unberührt geblieben ist, wurde in der Ersetzung der früheren dänischen Schulsprache durch die deutsche zwar milde und sehr allmählich, aber doch stetig und folgerichtig vorgegangen. Im Jahre 1871 wurde in Nord schleswig für alle Schulen mit dänischer Unterrichtssprache das Deutsche zunächst als Ünterrichtsgegenstand eingeführt und einige Stunden wöchentlich für den deutschen Sprachunterricht fest gesetzt. Im Jahre 1878 wurde die Zahl dieser Stunden ver mehrt; zugleich wurde das Deutsche Unterrichtssprache für ein zelne Fächer. Seit dem Jahre 1888 endlich wird das Deutsche alleinige Unterrichtssprache für alle Schulen Nordschleswigs. Nur der Religions- und Confirmandcnunterricht sollte in den jenigen Schulen noch dänisch ertheilt werden, in welchen bis dahin das Dänische die Unterrichtssprache gewesen war. Auch in den Schulen mit dänischem Religionsunterricht sollten indessen zwei von den sechs wöchentlich hierfür bestimmten Stunden in deutscher Sprache ertheilt werden. Und schon diese Ein schränkung des dänischen Religionsunterrichts hatte eine stür mische Opposition der dänischen Geistlichkeit zur Folge, die aber, wenigstens was den angedrohten Massenaustritt aus der Landes kirche anlangte, wirkungslos blieb. Die allmähliche Germani- sirung der ehemals dänischen Schulen hat insofern erfreulichen Erfolg gehabt, als die Kenntniß der deutschen Sprache in Schrift uno Wort bei der neu herangewachsenen Generation wohl all gemein verbreitet ist. Eine Erstarkung der deutschen Gesinnung unter der Bevölkerung Nordschleswigs ist aber dadurch keineswegs in dem erwarteten Umfange herbeigeführt worden. Die Wieder gewinnung der aus der Schule entlassenen Jugend für die dänische Sache wird eben durch die Agitation der dänischen Vereine und der dänischen Presse, durch den Besuch dänischer Fort bildungs- uno Volkshochschulen, vor Allem aber durch die un ausgesetzte deutschfeindlick)? Einwirkung inländischer und aus ländischer Agitatoren erfolgreich betrieben. Auf die Stärkung der deutschen Gesinnung der Nord schleswiger dänischen Stammes hat auch dec preußische M i l i t a i r d i e n st nicht in dem erwarteten Maße eingewirkt. Die vom Militair entlassenen jugendlichen Mannschaften werden sofort von der dänischen Agitation in ihre Netze gezogen. Der dcursche Ansiedelungsverein in Schleswig, welcher eine der An siedelungscommission in Posen analoge Thätigkeit zu entfalten bestrebt ist, ferner die deutschen Bibliotheken und die von dem preußischen Landwirthschaftsministerium geförderten deutschen landwirthschaftlichcn Winterschulen sind nicht im Stande, dauernden Erfolg im Kampfe mit den entsprechenden, in größtem Umfange wirkenden dänischen Agitationsmitteln zu erzielen. Das ist wenigstens so lange völlig unmöglich, als die Zahl der deutschfeindlichen fremden Staatsangehörigen im Lande nicht nur durch natürliche Vermehrung fortgesetzt wächst, sondern auch durch Zuwanderung aus dem Auslande eine fortlaufend« Er höhung erfährt. Es bedarf also der energischen Abwehr gegen über der an Dreistigkeit stetig zunehmenden dänischen Agitation, an welcher sich auch die in Schleswig ansässigen dänischen Staats angehörigen beiheiligcn. Es kann unmöglich zugelassen werden, daß durch planmäßig geleiteten Zuzug von Geburtsdänen und von solchen Schelswig-Holsteinern, die ehemals für Dänemark optirt hatten und dorthin ausgewondert waren, derjenige Theil der Bevölkerung Nordschleswigs eine fortgesetzte Stärkung er fährt, deren naticnaidänische Sympathien den Nährboden bilden, auf welchem jene deutschfeindliche dänische Propaganda immer sichtbarere, den preußischen und den deutschen Staatsgedanken gefährdende Erfolge zu erringen vermag. Diese Erwägungen rechtfertigen die Ausweisung persönlich lästig fallender oder zu Agitationszwccken mißbrauchter dänischer Staatsangehöriger. Die nationalen Lebensinteressen des deutschen Staates machen es der Regierung zur Pflicht, sich dieses einzig wirksamen Abwehr mittels so lange zu bedienen, bis die staatsfeindliche dänische Agitation eingestellt oder bis deren Kraft gebrochen ist. Erst wenn es gelungen ist, die deutschfeindliche dänische Agitation erfolgreich abzuwehren, ist der Weg für eine wirklich wirksame Ergreifung positiver, aus die Förderung des Deutsch thums in Schleswig und auf die wirtschaftliche Hebung Nord schleswigs gerichteter Maßnahmen freigelegt. Die Staats regierung ist weit entfernt, diesen Weg in der Zukunft verlassen zu wollen. Sie wird vielmehr ziclbewußt und entschlossen auf demselben fortschreiten. In noch umfassenderem Umfange, als es bisher geschehen ist, sollen Veranstaltungen und Einrichtungen zur Förderung der deutschen Cultur auch in Nordschleswig ins Leben gerufen werden. Hand in Hand mit solchen national politischen Maßregeln soll planmäßig und energisch auf die wirtschaftliche Hebung des Landes hingcwirkt werden. Wie bereit die Staatsregierung ist, die Aufwendung staatlicher Mittel für diesen Zweck zu befürworten, ist u. A. daraus ersichtlich, daß in dem Staatshaushalts-Etat für das Jahr 1899 als erste Rate eine Summe von 300 000 c// zur Vertiefung der Haders- lcbener Föhrde in Rechnung gestellt wurde. Durch diese Maß nahme in Verbindung mit den zur Zeit mit staatlicher Unterstützung in der Ausführung befindlichen Kleinbahnanlagen Hadersleben-Christiansfeld und Hadersleben- Rödding, sowie mit mehreren weiter projectirten Kleinbahnen, wird es einerseits dem deutschen Handel und der deutschen In dustrie ermöglicht, in Hadersleben und dessen Hinterland den Wettbewerb mit den dänischen Unternehmungen aufzunehmen; andererseits wird dadurch der Landwirthschaft treibenden Be völkerung des Kreises Hadcrsleben der Absatz ihrer Erzeugnisse wesentlich erleichtert werden. Unter ernster Zurückweisung einer verwerflichen deutschfeind lichen Propaganda hofft die Staatsregierung, durch solche, dem materiellen Wohle und der Stärkung des Deutschthums in Nord- schleswig dienende Vorkehrungen das von ihr unermüdlich vec folgte Ziel zu erreichen: nämlich die Herstellung des nationalen Friedens in dec Nordmark des Vaterlandes " Deutsches Reich. U B erlitt, 2 t. Januar. (Staatliche Fürsorge für die Arbeiter.) In den letzten Tagen hat man im Reichs tage von socialdemokratischer und verwandter Seite wieder Klagen darüber zu hören bekommen, daß die staatliche Für sorge für die Arbeiter zum Stillstand gekommen sei. Eine treffliche Illustration zu diesen Klagen bietet der dem Reichs tage zugegangene neue Entwurf eines Invalid en- versicherungsgesetze S. Diese Nodelle trifft, da sich im Allgemeinen die Grundlage des letzten staatlichen Arbeiter versicherungSzweiges bewährt hat, grundsätzliche Aendcrungeu nicht, enthält aber wieder eine ganze Reihe von Vorschriften, welche eine hervorragend arbeiterfreundliche Tendenz erkennen lassen. So ist der Kreis der versicherten Per sonen erweitert. Es sollen künftig nicht blos auch Werkmeister und Techniker, sowie Lehrer und Erzieher, sondern auch im Allgemeinen Angestellte, deren dienstliche Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet, versicherunzspstichtig sein. Tamil würden sämmtliche Hilfspersvnen im HauShalr oder bei sonstigen Verrichtungen, Beamte ohne Pensions- anwartscbaft u. s. w. in den Kreis der Versicherunzspflicht einbezogen werden. DeS Weiteren ist die Wartezeit für den Rentenbezug herabgesetzt. Statt 235 Bei tragswochen, wie bisher, soll die Wartezeit bei der Invalidenrente künftig 200 dauern und statt Ilio Bei tragSwochen, wie bisher, künftig 1200 bei der Altersrente. Einen wesentlichen Eortheil für die Versicherten stellt auch die Bestimmung dar, daß der Bezug von Invalidenrente bei nicht dauernder Erwerbsunfähigkeit schon nach 2«'. Wochen, also einem halben Jahre, nicht wie bisher nach einem Jahre eintritt. Ferner ist die Krankenfürsorge durch die Versicherungsanstalten auszubauen versucht worden. Bekanntlich ist bereits durch die Krankenvcrsicherungsnovellc, welche am 1. Januar 189.3 in Kraft trat, den Berufs genossenschaften die Vefugniß beigelegt, auch vor dem Ablauf der ersten 13 Wochen nach dem Eintritt eines Unfalles den Verletzten in eigene Behandlung zu nehmen, wofür die Krantencassen dann gewisse Entschädigungen zu zahlen haben. In ähnlicher Weise soll jetzt das Heilverfahren durch die Versicherungsanstalten geregelt werden. Es wird dadurch eine bessere Gewähr dafür gegeben, daß die erkrankten Versicherten die völlige oder die größtmögliche Erwerbsfähigkeit wiedererlangen. Für die höher gelohnten Arbeiter soll eine neue Lohnclasse, die natürlich auch eventuell eine höhere Rente in Aussicht stellt, eingesübn werden, wie denn überhaupt eine Aenderung in der Be rechnung der Renten zu einer Erhöhung derselben in den höheren Lohnclafsen führen soll. Schließlich will der neue Entwurf auch das Verfahren bei der Bewilligung der Renten wesentlich verbessern und damit den Mängeln, die sich bezüglich der Promptheit in der Erledigung der ge stellten Ansprüche gezeigt haben, abhelfen. Schon diese, durchaus nicht vollständige Aufzählung zeigt, wie sehr aucv bei dem neuesten socialpolitischen Acte der verbündeten Regierungen wieder das Arbcilerinteresse im Vordergründe gestanden hat. Angesichts solcher Thatsacben sollten endlich die Jeremiaden über ein Stocken der Socialpolilik oder ein Einschlafen der Arbeiterfürsorge verstummen. /?. Berttn, 2 t. Januar. tDer Edelmuth des „Ge nossen" Schmidt.) Dem „Vorwärts" ist eS sehr fatal, daß wir den Edelmuth des „Genossen" Schmidt kritisch beleuchtet haben. DaS socialdemokratische Centralorgan meint — ohne seine in der Polemik stets bewährte „Freundlich leit der Sitten" im Geringste» zu verleugnen —, man hätte nicht „besonders zu betonen" brauchen, daß Schmidt der Chefredakteur der „Magdeb. Volksstimme" ist, da ihm, dem „Vorwärts", diese Eigenschaft des „Genossen" Schmidt seit langen Jabren als bekannt gelte. Eine solche „besondere Betonung" bat Niemand vom „Vorwärts" verlangt; nur die schlichte Bezeichnung Schmidt'S als Chefredactenr haben wir Feuilleton. Talent und Fleiß. Von EugenReichel (Berlin). NackdruU verboten. „Ich habe mir oftmals gedacht, einen wie interessanten Auf satz ein Schriftsteller schreiben kannte, der es unternähme, Schritt für Schritt den Geistesproceß zu schildern, durch welchen irgend eines seiner Werke den höchsten Grad von Vollendung erreichte. Weshalb di« Welt nie einen solchen Aufsatz zu Gesicht bekommen hat, weiß ich nicht zu sagen; sehr wahrscheinlich ist es jedoch, daß die schriftstellerische Eitelkeit mehr als irgend ein anderer Grund dazu beigetragen hat; die meisten Autoren lieben es, uns einzu reden, daß sie ihre Werke in einer Art edlen Wahnsinns, einer intuitiven Verzückung hervorbringen; und sie würden ohne Zweifel davor schaudern, das Publicum einen Blick hinter die Coulissen werfen zu lasten, einen Blick auf den unfertigen Zustand der mühevoll aus^earbeiteten, hin und her schweifenden Gedanken, auf den Umstand, daß die wahre Absicht ihnen erst im letzten Augenblicke deutlich ward, auf die zahllosen Gedankenblitze, welche nicht zur Klarheit gelangten, auf die gereiften Einfälle, die man verzweiflungsvoll als unbrauchbar ausscheiden mußte, auf die Art des Feilens — mit einem Wort: auf die Trieb- und Schwungräder, die Maschinerie des Scenenwechsels, die Leiter sprosten, die Hahnenfedern, die rote Schminke und die schwarzen Pflästerchen, welche in 99 unter 100 Fällen die Requisiten des literarischen Schauspielers sind." Diese Worte des berühmten amerikanischen Dichters Edgar Poe, der allerdings thatsächlich mehr literarischer Komödiant als Dichter war, würde wohl Keinem weniger Freude bereitet haben, als dem göttlichen Plato, der mit größter Unbefangenheit er klärte, daß alle wahrhaftigen Dichter ihre Werke im Taumel der Begeisterung hervorbrächten; er verglich die Dichter mit den korybantischen Tänzern und machte ihnen das Compliment, daß sie toll wären, wenn sie dichteten. , , Dem platonischen Vorurtheble, welches auch heute noch ziem lich weit verbreitet ist, nach bestem Vermögen entgegengearbeitet zu haben, ist einVerdienstPoe's. Er war ehrlichgenug,Jedermann Einblick zu gewähren in seine poetische Werkstatt, aus der manch' eigenartiges Kunstgebilde hervorging; und wenn auch nicht be hauptet werden soll, daß jeder Dichter so arbeiten müsse, wie uns Poe sein Verfahren geschildert hat, so muß doch mit allem Nach druck ausgesprochen werden, daß der Aufwand an Mühe in fast allen Fällen recht groß ist. Kein wirkliches Dichtwerk „schüttelt" sich sein Schöpfer „aus dem Aermel", wie dies immer noch selbst Leute von Bildung wähnen. Gleich wie der Mensch nicht fertig aus der Hand eines mühelos schaffenden Gottes heroorgegangen, sondern das mühsam gewordene Product der thätigen Natur ist, so ringt sich auch ein Dichtwerk meist sehr langsam aus dem Haupte des Urhebers hervor und ist keinesfalls „das Resultat einer unwillkürlichen Lebensfunction", wie dies vor nicht zu langer Zeit von einem Univcrsitätsästhetiker gelassen aus gesprochen wurde. Schon Kant war einsichtsvoll genug, um zu erkennen, daß ein Product der schönen Kunst „nicht gleichsam eine Sache der Eingebung oder eines freien Schwunges der Gemüths- kraft, sondern einer langsamen und gar peinlichen" Arbeit sei. Es fällt eben in unserer Welt nichts vom Himmel; und Alles ist Entwickelung. Schon Diderot wußte, was es bedeutet, „wenn das Genie mit der Schwierigkeit seines Werkes kämpft"; und Lichtenberg sagt einmal: „Man muß Niemand für zu groß halten und mit Uebcrzeugung glauben, daß alle Werke für die Ewigkeit die Frucht des Fleißes und einer angestregten Thätigkeit gewesen sind." Immerhin hat es bei allen Völkern einzelne Individualitäten gegeben, denen das Hcrvorbringen ihrer Werke nicht zu Diel Zeit und Mühe gekostet haben kann, wenn man die Fülle des von ihnen Geschaffenen betrachtet. So hat Aeschylos mehr denn 70Tragödien geschrieben; die Zahl der Stücke des Sophokles wird auf 100, die der Stücke des Euripides gar auf 123 angegeben; und auch Aristophanes ist über das halbe Hundert hinausgekommen. Aber man darf nicht vergessen, daß die alten Dramatiker sich ihre Stoffe fast nie selbst erfanden, und daß ihre Kunst sich noch in einem sehr embryonalen Zustande befand, der ein schnelles Fertig werden begünstigte. Zu den Vielschreibern gehörte auch Plautus, dessen Reichthum jedoch zu einem guten Thrile auf die Rechnung griechischer Komödienschreiber gesetzt werden darf. Der römische Satiriker Lucilius gab vor, daß er 209 Verse dichten könnte, während er auf einem Beine stände — ob die Verse stets gut waren, sagte er leider nicht. Hervorragende Viel- und Schnellschreiber waren Calderon und Lope; aber wir wissen, wie viel oberflächliche Fabrikwaare hinter diesen Namen zu finden ist. Sagte doch Grillparzer von Lope, daß er „nicht «in gutes Stück geschrieben" hätte, wenn auch „in den vielen so viel Gutes, daß man vor Bewunderung gar nicht aufhören kann zu lesen." Aber das ist gerade der Punct, auf den es ankommt! Das viele Gute hier und dort mag wohl dem Improvisator gerathen; aber das „gute Stück" — d. h. das Werk — da muß der Dichter zeigen, ob er Künstler ist. Immer hin wird Lope, wenn er der Autor des „Richter von Zalamea" ist, auch gelegentlich mit Ausdauer gearbeitet haben; denn eben „in fünf Tagen läßt sich kein Original machen." Walter Scott war ebenfalls ein Schnellarbeiter — aber seine Romane leiden auch an übermäßiger, unkünstlerischer Breiie. Balzac schrieb in den Jahren 1829/32 nicht weniger als 32 Ro mane; aber «r schrieb auch das 21. Capitel seiner „t'ou^in - Lotts": (.'s czui t'nit los »riancks nctistös". Unser Jean Pan schrieb sehr viel und sehr schnell; aber die Klage darüber, daß er es nicht verstand, seine Werke kunstvoller und klarer zu gestalten, würde nie aufhören, wenn man nicht allgemach aüshöne, seine Bücher zu lesen. Im Sommer des Jahres 1774 schrieb ein junger Deutscher «in Theaterstück in 7 Tagen nieder — der junge Mann war Goethe und das Stück nannte sich„Clavigo". Auch einMcisterwerl des Weimarer Dichterfürsten „Hermann und Dorothea" wurde in sehr kurzer Zeit vollendet, und Schiller berichtete darüber an Heinrich Meyer: „Ich hab' es entstehen sehen und mich fast ebenso sehr über die Art der Entstehung als über das Werk verwundert. Während wir Anderen mühselig sammeln und prüfen müssen, um etwas Leidliches langsam hervorzubringen, darf er nur lei- an dem Baume schütteln, um sich die schönsten Früchte reif und schwer Zufällen zu lassen." Derselbe Goethe schrieb indessen an Zelter: „Wenn der Mensch nicht von der Natur zu seinem Talent verdammt wäre, so müßte man sich als thöricht schellen, daß man sich in einem langen Leben immer neue Pein unv wiederholtes Mühsal aufladet"; und wir wissen, wie lange sich der „Baum schüttler" mit der „Iphigenie", mit „Tasso" Herumtrug, bis sie die Vollendung erhielten, welcbe wir an ihnen bewundern; wir wissen, daß ihn der „Faust" während seines ganzen Lebens be schäftigte, ohne daß es ihm gelang, den großen Stoff so zu be wältigen, daß das Werk in vollkommener Klarheit von anspruchs vollen Lesern genossen werden kann; wir wissen, daß er an seinen kleinen Gedichten vielfach besserte, und oft nach Jahren sie voll ständig umarbeitet, ja, daß er zu den acht Versen „Ueber allen
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