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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.02.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990223029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899022302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899022302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-23
- Monat1899-02
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»r,so. s» »2>w »5-, 88^ 82 92 77,— X>4 SL»-> 18.72 k»et, li 6« ipkei- '79 i«5 .82 >29 >52 Bezrrgs-PreiS Ri H« Hauptexpeditioa oder den km Stadt- b«irk uud den Vororten errichteten Aus- »«bestellen adgeholt: viertel jährlich ^l4.5>0, »ei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau- b.üO. Durch die Post bezogen sür Deutschland »nd Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbaudiendung in- Ausland: monatlich .st 7.50. Di« Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr. R» Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Ne-artion un- LrpedUion: JuhunniSgaffe 8. Di« Expedition ist Wochratags llnuntrrbrochea Eröffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: tttu Alemm's So.tim. (Alfred Hahn), Universitütsstraße 3 (Paulinum). Loni» Lösche, Katharinrnstr. 14, part. und König-Platz 7. Abend-Ausgabe. WpMcr Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- un- Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes un- Nolizei-Äintes -er Lta-t Leipzig. Ar-zeigeR Prei- die 6 gespaltene Petitzeile LV Pf-. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4g*> spaltrn) LO^, vor dea Aamilieaaachrichteu <6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut »usrrem Preis- verzeichniß. Tabellarischer »nd Ziffernsatz »ach höherem Tarif. ttrtrs-Verlagen (gefalzt), nur mit dec Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsorderung 60.—, mit Postdeforderung 70.—. A»«ah«eschl»ß sür Äuzeigen: Ab rud-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Ubr. Bei den Filialen «nd Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anreisen siud stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz kn Leipzig. 99. Donnerstag den 23. Februar 1899. 93. Jahrgang. I den ersten Sitzungen annchmen zu dürfen geglaubt hatte. Ju lulir- >t»o. Mußt Die erste Lesung der Militärvorlage ist gestern von der Budget commission des Reichstages beendet worden; ihr Ergebniß ist leider ein weit weniger günstiges, als man nach '175 S- «,40 >4,75 725 »425 lsro o 4IN >r. >5,S0 >V,5O M,VO >8,20 >6,75 >0,25 >5.40 W.75 0,75 au,t ockva a«,u «d>- le.44 >». »l? U>2> por» > <t«r et»". >ei«i lOVO »800 1825 11<X1 1850 1525 1825 1850 1625 l050 1700 1100 1975 4400 »475 2475 1825 800 tU40 1200 >475 1700 1825 1200 1850 1450 lS50 «875 280 1725 ISO -SOO 40 1000 «775 Er nahm also das Anerbieten, „Einen zu heben", an und ging mit Welten über den Platz vor dem Bahnhof in eine gegenüber liegende Trattoria, die sich das „Rebecchino", das Rebhuhn, nannte. Hier ließen sie sich zunächst häuslich nieder. Doctor Welten schien hier bekannt zu sein. Man brachte das Beste, was man zu bieten hatte, und das war für die beiden „alten Herren" gerade gut genug. Man „hob" einen und zwei und drei. Welten wollte natürlich wissen, was aus den alten Commilitonen ge worden sei und war starr, als er hörte, daß der.„Naßkittel" ins Philisterthum übergetreten, der „Stand" ein zweites Mal „ge rasselt" und „Leo, der Wilde" als Wasserdoctor seine Reverenz vor der Dummheit der leidenden Menschheit gemacht habe. Mediciner sind eben Mediciner und sehen die Welt sozusagen vom Standpunkte des Mikroskops an. „Und nun zu Dir selbst, Zander. Wie steht's?" fragte Welten. „Was ist's mit der Gräfin am Posillipo?" „Eine Herzkiste. Ich weiß noch nicht, wie die Geschichte sich entwickelt hat. Papa hat sie behandelt und gesagt, es sei ein Klappenfehler, der sich aber ganz gut compensiren läßt, wenn sie vernünftig lebt." „Macht sie natürlich nicht." „Woher weißt Du das?" „Liegt auf der Hand. Wenn die Leute vernünftig leben wollten, könnten wir uns Alle mit einander begraben lassen." „Run, ich meine, die Frau Gräfin ist derb 'reingesallen mit ihrem Grafen. Ich habe schon in Berlin davon reden hören, weiß aber nichts Positives." „Wirst ja sehen. Eventuell bringst Du sie zu uns hinauf." „An» internationale Hospital?" „Ja.' Platz ist genug." Zander sah nachdenklich vor sich hin, schlürfte an seinem Wein, sagte aber nichts. „Und wo wirst Du wohnen?" fragte Welten. „Weiß nicht", antwortete Zander gleichgiltig. Er hatte in der That noch nicht daran gedacht. „Du könntest hier im Hause wohnen", fuhr Welten fort, „der Mann vermiethet auch Zimmer, aber es ist zu weit von dem Posillipo entfernt. Ich will Dir was sagen, Zander, Du wohnst bei mir." „Im Hospital?" „Ja. Wir sind ganz fein dran. Platz genug, gute Luft und in ratbsamer Entfernung von dem Spectakelneft, was man das holde Neapel nennt." „Machen wir. Aber jetzt muß ich fort. Nein, nicht mehr, der gestrigen Sitzung handelte es sich um die Berstärkung der Infanterie, und ihr gegenüber verhielt sich die Mehrheit der Commission nicht diel entgegenkommender, als sie sich vor gestern gegen die Vermehrung der Eavallerie verhalten hatte. Die Vorlage rechnet mit 625 Jnfanteriedataillonen; 'das sind 20 mehr als jetzt. Hinfort soll nur I Bataillon auf dem niedrigen Etat von 501 Mann bleiben, 485 Bataillone den mittleren Etat von 573 Köpfen und 121 Bataillone den hohen Etdt vvn 660 Köpfen neu erhalten. Die letzteren sind die Grenz- und die Gardebataillone. Die neuen Formationen hatte die Commission bereits am 14. Februar genehmigt. Strittig aber war damals die Stärke der Bataillone geblieben. Die nach der Vorlage geforderten Stärken erfordern eine Vermehrung der Präsenz um 10 408 Mann. Es kommen hinzu 222 Unter- ofsiciere und 120 Officiere. Die Berathung war stehen geblieben bei dem Compromißvorschlag der Conservativen, auf die Er höhung der Etatsstärken der Gardebataillone zu verzichten, aber die schwachen Bataillone und die Grenzbataillone zu verstärken. Der Referent der Commission, der Abg. Bassermann, hatte dem Co-mpromiß bezüglich seiner Wirkung auf die Infanterie präsenzstärke die Fassung gegeben, an der Vorlage für Preußen 2289 Mann zu streichen unv die anderen Contingente entsprechend zu vermindern. Bei diesem Punkte setzte gestern die Commission wieder ein. Unter Hinweis auf die Verschiedenheit der Bataillone in der deutschen Armee stellte der Centrumsabgeordnete Gröber den Antrag, dem Jahresdurchschnitte der Jnfantcriebataillone die Zahl von 584 Mann zu Grunde zu legen und von der geforderten Jnfanterieverstärkung in Folge dessen 6305 Mann abzusetzen. Obgleich nun aber der Kriegsminister v. Goßler diesen Abstrich mit derselben Entschiedenheit für unannehmbar erklärte, wie der sächsische und der württembergische Bundesraths bevollmächtigte, wurde der Abstrich doch, nachdem die Regierungsvorlage abgelehnt worden war und ein Antrag des Abgeordneten Bassermann, die Durch schnittsstärke der Jnfantcriebataillone auf 590 Mann, ohne Unterofficiere, festzustcllen, dasselbe Schicksal erlitten hatte, mit 18 gegen 7 Stimmen angenommen. Somit hat die Heeres verwaltung in der ersten Lesung nur die Artillerieverstärkung durchgesetzt. Gar nichts erreicht hat sie bisher für die Eavallerie. Es läßt sich aber erwarten, daß sie bei der zweiten Lesung die Commission von der Nothwendigkeit der Forderungen zu überzeugen vermag. Das ist um so wahrscheinlicher, als das ungeheure Mihverhältniß zwischen den Cavalleriebeständen diesseits und jenseits de: Grenzen die geforderte Verstärkung eher noch als zu geringfügig erscheinen läßt. Darum betonte der Kriegsministcr v. Goßler auch zum Schlüsse der gestrigen Sitzung, daß der ablehnende Beschluß über die Cavalleriederstärkung „schleuniger nochmaliger Prüfung" bedürfe. Bei der Sachlichkeit, mit der auch die Mit glieder des Centrums im bisherigen Verlauf der Commissions sitzungen an der Berathung der Heeresvorlage thril- genommen haben, läßt sich annehmen, daß auch ver gestern ge faßte 'Beschluß bezüglich der Infanterie nicht das letzte Wort bedeutet. Auch darum, weil es weder taktisch noch politisch verlocken kann, dringende Hceresforderungen dem Reiche zu ver weigern, nur um der ohnmächtig gebliebenen fruchtlosen Negation von Richter bis Bebel wieder von ihrem tobten Strange herunter zuhelfen. Noch hat sich das Centrum alle Wege offen gehalten. 4,90 ».- 0.50 1.25 2.25 2 75 1.V0 9.25 8.10 1.— 5O0 3.40 8,— 4,90 eeä>r '1,10 4. — 8, — 3.25 '4.— 5, — — >5,— >7,— 0.50 xr,— 8.80 9, - 2.50 8.— 5.50 7, — 4,— 4.— 8. - 8.50 0,10 0.10 8. 8.90 8,45 Bekanntlich sind die Meldungen von dem Alexandriner Bombcnattentat auf den deutschen Kaiser wahrend dessen Orientreise vielfach angezweifelt worden. Jetzt ergreift der in Kairo in deutscher Sprache erscheinende „ägyptische Gräfin Marie. 14j Roman von Wold em ar Urban. Nachdruck »erboten. Doctor Welten, der sehr gut italienisch sprach, erkundigte sich bei den Polizisten vornehm und flott nach der Sach«. Mit zwei Worten war nun die Geschichte erledigt. Die Polizisten legten, höflich grüßend, die Hand über die Stirn vor dem „Herrn Pro fessor" von internationalen Hospital, der Junge bekam vier Soldi, womit Aller zur Zufriedenheit Aller ein Ende hatte und die Christenheit wieder einig war. „Na, nun sag' mal, Morz", fuhr Zander fort, „waS thust denn Du hier?" „Das weißt Du nicht? Ich bin ja seit zwei Jahren Assistent am hiesigen internationalen Hospital." „Assistent am ? IS jut. Wie klein doch die Welt ist. Ich hätte eher erwartet, daß mir hier der Vesuv auf den Kopf fällt, als Dich zu sehen." „Na, und nun Du? Was treibt Dich her nach dem holden Neapel?" „Ich bin zu einer Patientin gerufen, telegraphisch", er widerte Zander etwas befangen. „Kennst Du eine Gräfin Maria di Montesanto e BoScoreale, frühere Justizräthin Wasmuth auS Berlin?" „Habe nicht die Ehre. Ist da» Deine Patientin?" Zander nickte. „Wohnt?" „Villa Monrepo», am Posillipo." „Donnerwetter, ist weit. Eine Reise sag' ich Dir. «ine Droschke nehmen. Willst Du jetzt hin?" „Sofort." „Schlimm?" „Weiß es noch nicht." „Na, einen können wir doch rasch erst heben. Komm, wir gehen 'nüber ins Rebecchino. Famckser Gragnano, sage ich Dir. Wir werden doch kein trockenes Wiedersehen feiern." Zander war seit mehr al» vierzig Stunden im Wagen. Er hatte Hunger und Durst. Er fühlte sich „schlapp", wie er sagte. Außerdem war e» ihm lieb, gerade hier einen College» ge funden zu haben, bri dem er sich zuvor etwa» orientiren konnte. >3.50 >8 80 >7,80 4 Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. Februar. Im Reichstage führt die zweite Berathung des Justiz etats seit Jahren zu scharfen Angriffen der Social - demvkratie gegen die deutsche Justizpflege. Heftiger aber und leidenschaftlicher al» bei der diesjährigen Berathung haben die parlamentarischen Vertreter der Partei kaum jemals ihre Klagen unv Vorwürfe vorgebrackl und kaum zemalS die Geduld der Präsidenten auf eine härtere Probe gestellt. Man kann daraus schließen, daß die parlamenta rischen Führer sich unsicher und von den jüngeren Partei strebern hart bedrängt füblen. Gestern ermöglichte ihnen die Beschlußunsähigkeit de» HauseS die Entfaltung ihrer vollen Hetzkraft; ihre beiden Redner Heine und Stadthagen ließen, um zu beweisen, daß sie die Alten seien, kein gutes Haar an Allem, waS nur irgend mit dem Etat des Reichs- justizamteS in Verbindung gebracht werden kann. Sie sprachen von der bedingten Verurtbeilung, der bedingten Begnadigung, dem rechtlichen Schutze der Minderjährigen, dem Miß brauche des ZUchtigungSrechtS gegenüber dem Gesinde, von der schlechten Behandlung der politischen Gefangenen u. s. w. und nahmen besonders die sächsischen Gerichte aufs Korn. Höchst bezeichnender Weise aber gingen sie dem sogenannten Löbtauer Fall vorsichtig aus dem Wege; die Veröffent lichungen des „Dresdner Journals" haben also augenscheinlich abkühlrnd gewirkt. Erst als an der Hand dieser Veröffent lichungen den Herren die Wirkung ihrer Agitation vorgefübrt wurde, gingen sie widerwillig auf die Sache eia. Der Abg. Heine, der in Dresden Vertheidiger gewesen war, überließ daS Thema seinem College» Stadthagen und dieser wußte weiter nichts zu sagen, als daß die halbamtliche Darstellung eine Wiederholung der Anklageschrift barstelle. Der sächsische Regierung-Vertreter General-Staatsanwalt Rüger gab zu, daß die Anklageschrift dafür benutzt worden sei, weil der Wahrspruch d«S Schwurgerichts nichts über die thatsächlichen Vorgänge enthalte, doch versicherte er auf Grund genauer amtlicher Kenntniß, daß die Darstellung objektiv der Wahrheit ent spreche, und forderte die Socialdemokraten auf, irgend einen Punck zu nennen, in dem das nicht der Fall sei. Zugleich legte der Redner in energischer Weise dagegen Verwahrung ein, daß rechtskräftige Richtersprüche vom Reichstage zum Gegenstand« der Kritik gemacht würben; wenn dies zur Ge wohnheit werden sollte, käme man zur vollständigen Entglei sung des Parlamentarismus. Man brauche nach Beispielen nicht zu suchen, wohin rS führe, wenn man daS Parlament gegen den unabhängigen Richterstand auSspiele. Zweimal nahm der Staatssekretär Nieberding daS Wort; er zeigte u. A. einige der von socialdemokratischer Seite als Märtyrer hingestellten Strafgefangenen in ihrer wahren Gestalt und verwahrte sich dagegen, daß die Grundsätze über den Straf vollzug jeder Rancüne Spielraum ließen. Letztere Behauptung ist allerdings übertrieben, aber das Verlangen nach einem Strafvollzugsgesetz« wird auf die Dauer doch nicht von der Hand zu weisen sein, und man kann nur bedauern, daß der BundeSrath mit den von ihm im Vorjahre vereinbarten Strafvollzugs-„Grundsätzen" seine Schuldigkeit bereits hin reichend gethan zu haben glaubt. Courier" vom 11. Februar da» Wort zur Sache, indem er schreibt: „Auch die Ungläubigsten müssen jetzt zugebea, daß das famose, angeblich gegen unseren Kaiser gerichtet gewesene Bombenattentat nichts als rin von der an glo-egyptifchrn Polizei im Dienste der englischen Politik auSgeheckter Schwindel gewesen ist, da sämmtliche unter diesem Verdachte An geklagten vergangenen Dienstag vom italienischen Confulats- gerichte freigesprochen worden sind. WaS die An gelegenheit indessen besonders interessant macht, ist die Thatsache, daß gegen Mario Bazzani, jenes Individuum, welche- sich zu der erbärmlichen Rolle eine- falschen Denuneianten in dieser schmutzigen Geschichte hergegeben hat, die Anklage wegen wissentlich falscher Anschuldigung erhoben worden ist, und es ist zu hoffen, daß der Proceß, welcher jetzt gegen diesen Ehrenmann geführt werden wird, etwas Licht in diese in manchen Punkten noch recht dunkle Angelegenheit bringt. Die Art und Weise der Entdeckung des Tom« plottes, wie sie die Verhandlung zu Tage förderte, ist die folgende: Eines Tages erschien ein Araber in der Weinstube des Ugo Parrini, des Hauptangeklagten, und verlangte ein Glas Wein. Nachdem er dasselbe getrunken hatte, bat er, daß man ihm eine kleine Kiste, die er bei sich trug, aushcben möge, bis er wieder zurückkäme, wozu sich Parrini auch willig bereit erklärte. — Nach einer Stunde — die Kiste stand noch auf dem Platze, wo sie der Araber gelassen hatte — erschienen der italienische Viceconful und Polizisten unter Führung des erwähnten Denuncianten, belegten die Kiste, in der sich, als man sie öffnete, in der That eine Bombe vorfand, mit Beschlag und ver- hafteten Parrini und später noch zwölf andere Italiener. Alle Welt war des Lobes voll über die Wachsamkeit der anglo-egyptischen Polizei, die ein Attentat verhütet und vielleicht dem deutschen Kaiser- paare das Leben gerettet habe, bis sich schließlich die Wahrheit herausstellte. Wir enthalten unS einer Kritik des Verfahrens der Polizei. Politik ist Politik, gewiß, aber das Privilegium der artiger Schmutzigkeiten hat denn doch die englische." Nun hat Minister v. d. Recke daS Wort, der wie er innerlich am 23. Januar im preußischen Abgeordnetenhause erklärte: „Leider muß ich hier constatiren, daß dieser An gelegenheit ein sehr ernstes Factum zu Grunde liegt. In Ungarn ist das von Wien auö heißersehnte Compro- miß nun endlich „glücklich" abgeschlossen worden, nachdem über alle streitigen Punkte ein Einvernehmen zwischen der Opposition und dem designirten Ministerpräsidenten Coloman Szell erzielt worden ist. Die Hausordnung wird gemäß diesem Uebereinkommen in dem Sinne revidirt werden, daß eine sogenannte technische Obstruktion unmöglich gemacht wird. Andererseits hat Coloman Szell eingeräumt, daß in die Gesetzesvorlage über die WahlgerichtSbarkeit gewisse Be stimmungen bezüglich der Verhinderung der Theilnahme Lffenl- licherBeamten an der Wahlagitation und bezüglich derBestrasung der Mißbräuche der Wahlsunctionäre ausgenommen werden, lieber das Compromiß wird beute ein Protokoll angefertigt werden. Die Kunde vom Zustandekommen des parlamentarischen Friedens bat, so wird wenigstens osficiöS gemeldet, in allen Clubs große Befriedigung hervorgerufen. Coloman Szell, der die Nachricht in den liberalen Club brachte, wurde mit Ovationen empfangen, lieber die Bildung deS CabinetS verlautet, daß die bisherigen Minister der Finanzen, der LandeSvertheidigung, des CultuS und deS Ackerbaues ihre Portefeuilles behalten, ebenso treten ins neue Cabinet der bisherige Minister a latere Graf Sze ch enyi und der Minister für Kroatien Cseh. Der bisherige Staatssekretär im Justiz ministerium Ploß übernimmt das Portefeuille der Justiz »ino HegedueS daS des Handels. Coloman Szell wird als Ministerpräsident auch daS Ministerium deS Innern ver walten. Die Ministerliste dürfte spätestens am Sonntage dem Könige unterbreitet werden. Er wird sie genehmigen, und dann ist Ruhe bis — zum nächsten Male, d. h. so lange eS der Opposition paßt. Sie ist nur vorläufig zufrieden - gestellt. „MagyarorSrag", das Organ der Obstructionisten, sägt, einer Regierung Szell werde die Opposition bereitwilligsr Alle- gewähren, was zur augenblicklichen Sanirung der Lage nothweiidig sei. An eine Fusion, d. h. die Heranziehung der oppositionellen Minderheitsparteien zur Regierung, denke heute noch Niemand. Aber bald, zu geeigneter Zeit wird die Opposition daran denken! Zu den wichtigsten und lebhaftesten Erörterungen werden die Rcformpläne Per italienische»Regierung in der Kammer führen. ES sind ihrer drei: der erste betrifft die Bestrafung rückfälliger Verbrecher, der zweite die Militari- sation der Reserve, soweit sie Beamte im Eisenbabn-, Post- und Telegrapbendienst betrifft, der dritte, der schwierigste von allen, begreift Zusätze und Aenderungen zu dem Gesetz, betreffend die öffentliche Sicherheit und die Presse, und zieht in seinen Kreis auch Bestimmungen über das Vereins - und Versammlung-recht. WaS den ersten Plan betrifft, so sind die großen Städte Italiens förmlich verseucht von einem Haufen von entlassenen Verbrechern und Müßiggängern, die für die öffentliche Sicherheit deS Publikums und für die öffentliche Ordnung eine ständige Gefahr bilden. Energische gesetzgeberische Maßnahmen sind hier dringend geboten, schon um Italien wegen seiner öffentlichen Sicherheit im AuSlande einen besseren Ruf zu ver schaffen. Der RegierungSvorschlag will zeitweilige oder ständige Verbannung aus die Inseln, Strafkolonien oder in- AuSlanv durchsetzen für Diejenigeu, die mehrere Male rückfällig waren in gemeinen Verbrechen, wie Mord, Körperverletzung, Bedrohung, Diebstahl u. a. m. Gegen diese Art vou Bestrafung, die sicher im Laufe der Zeit eine Reinigung deS Volkskörpers herbei führen muß, ist an sich nicht- einzuwenden, nur wird fick daS Ausland dagegen wehren, aus Italien vertriebenes Gesindel beherbergen zu müssen. Die Militarisation der VerkehrSbeamten wird von der Mehrheit der Kammer gebilligt, Andere wollen eine dein englischen Gesetze entsprechende Aenderung eingrführt wissen, nach der nur Die jenigen zu bestrafen seien, die ohne vorherige Ankündigung in den Ausstand treten. Strengste Maßregeln in dieser Hinsicht sind nothwendig, denn das italienische Beamtenbeer ist nicht weniger al- biSciplinirt und die niederen Elemente so von socialdemokratischen und aufrührerischen Ideen durchseucht, daß jeder Anstoß für sie genügt, um dem Staat „die Arbeit vor die Füße zu werfen". Nach dem neuen Ent wurf eine- Gesetze-, betreffend die öffentliche Sicher heit und die Presse, sollen mit Gefängniß bis zu drei Monaten aufrührerische Rufe und Kundgebungen in öffent licher Versammlung bestraft werden. Der Vorschlag zu dem Vereinsrecht trifft diejenigen Vereine, die durch die That .,pei- vio ä» tatto'' die sociale Ordnung und StaatSversaffung stürzen wollen. DaS neue Preßgesetz endlich bestraft nicht nur den verantwortlichen Redacteur, sondern auch den Autor eines Artikels, der gegen taS Gesetz verstößt, und spricht nicht von dem Autor, der unterzeichnet bat, sondern von dem jenigen, dessen Autorschaft bekannt ist. Ist der Autor bekannt, Morz, kein Wort. Ich muß die Kranke heute noch sehen. Du nimmst mein Gepäck mit zu Dir hinauf, und ich fahre nach Villa Monrepos. In einer Stunde oder zwei kannst Du mich er warten." Damit standen sie auf, bezahlten ihre Zeche und traten wieder auf den Platz hinaus. Welten rief einige Droschken heran, mlieihete eine derselben für Zander nach Villa Monrepos und eine andere für sich nach dem Hospital. Dann trennten sie sich. Zander fuhr nach Carmine hinunter, am Giardino del Popolo und dem Hafen vorbei, über die Piazza del Municipio, San Ferdinands und Plebisrito, nach Santa Lucia, die StradaParte- nope, amMeere, demCorsoentlang, eineendloseReife. Welten hatte Recht. Es war eine unglaubliche Strecke dis nach dem Posillipo. Endlich aber tauchte er vor seinen Blicken auf, im duftigen Grün mit wehenden Palmen und duftenden Gärten, übersät mit hübschen, im Grün versteckten Villen, hoch über den steilen Tuff- Felsen ragenden Pavillons, bunt und malerisch herausstaffirt, am Palazzo Donna Anna vorüber wand sich Straße immer am Meere entlang hinauf, auf da» immergrüne Eiland, das sich so mollig und wonnig wsit in das lieblich blauende tyrrhenische Meer hinausstreckt — ein Paradies. Zander wurde nachdenklich. Hier wohnte sie also, die hübsche, gemüthliche Frau Justizräthin Wasmuth. In diesen bezaubernden Erdenwinkel hatte sie sich in ihrem neuen Glück, in ihrer jungen Ehe zurückgezogen. Da» war freilich anders wie in der Charlottenstraße in Berlin. Wer es so gut haben konnte, der lauschte freilich mit Niemand. Er hatte sie seit jenem ersten Zusammentreffen in Berlin nicht wieder gesehen. Würde sie sich in dieser Zeit sehr verändert haben? Er verwünschte innerlich seine verdammte Eile, in der er dir italienische Reise machen mußte. Hätte er sie damal» in Neapel noch erwarten können, wer weiß, ob nicht Alle» anders ge worden wäre. Mitten in seinem Nachdenken darüber, wie e» hätte werden können, hielt die Droschke plötzlich. Er sah auf. Vor sich be merkte er ein von Pinien überwuchertes Gittertbor, auf dessen Pfeilern in goldenen Lettern „Villa Monrepo»" eingcmeihelt war. Er war also da. Das Herz klopfte ihm doch sonderbar, al» er ausstieg. War das noch «ine Folge der langen Reise? Oder mußte er c» auf Rechnung der Ankunft schieben? Er zog die Klingel. Concetta kam fast sofort aus dem etwas niedriger stehenden, am Abhang nach dem Meere zu gebauten Hause. „Frau Gräfin Maria di Montesanto?" fragte er und gab dem Mädchen seine Kart«. Sein Italienisch war natürlich immer noch nicht weit her. Er brauchte dies aber auch offenbar nicht. Concetta winkte ihni mit ungewöhnlicher Hast und Grheimnißthucrei, und al» er das nicht gleich verstand, faßte sie ihn resolut bei der Hand und zog ihn fort. Zander war natürlich über den sonderbaren Empfang zunächst etwas überrascht. Aber er hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Denn kaum hatte er das Haus betreten, als ihm eine weiß gekleidete, junge, hübsch«, nur etwas exaltirte Frau mit entgegengestrccktrn Händen empfing. „Ich wußte es, Herr -Doctor", sagte «sie mit bewegter, weinerlicher Stimme, „daß Sie mich nicht vergessen würden. Seien Sie mir herzlich willkommen! Wie danke ich Ihnen, daß Sie mir zu Hilfe geeilt sind. Oh, nun wird doch noch Alles gut werden, denn nun habe ich doch wenigstens einen Freund, der mir Hilst. Kommen Sie." „Frau Gräfin —" stammelte er etwas konfus. Di« stür mische Art der Gräfin Marie brachte ihn aus dem Text. Er sah wohl, daß er außerordentlich willkommen und wohl sehn süchtig erwartet worden war, aber dieser aufgeregteEnthusiasmu-, den die Gräfin Mari« zur Schau trug, mußte doch noch eine andere Ursache haben. Ihre Erregung hatte etwas Nervöses, Krankhaftes, oder — er wagte es fast nicht anzunehmen, es war eine ganz schlaue Coquetterie. Sie führte ihn nach einem hübschen Salon, der nur etwas unordentlich gehalten war. Die Fenster gingen nach dem Park der Villa Monrepos hinaus und auf das Meer. Doctor Zander übersah natürlich über der schönen Aussicht die etwas vernach läsiigte Einrichtung. Sie bot ihm Wein an. Er lehnte zunächst ab und bat vielmehr, ihm zu erzählen, weshalb sie ihn gerufen. Nach ihrer Depesche Latte er erwartet, sie viel, viel kränker zu finden. Sie sah ihn eigenthümlich lächelnd an, aber auch das Lächeln hatte etwas Ueberreiztes, etwas unbewußt Nervöses. Es machte auf den jungen Zander den Eindruck, al» habe sie sich vor genommen, sich ihm von der liebenswürdigsten Seite zu zeigen, nicht al» Kranke, sondern al» Frau, und mache nun etwas zu gewaltsame Anstrengungen, ihr Programm durchzuführen. „Sie dätten wohl lieber gewünscht, eine Halbtodte zu finden?" sagte sie coguettirrnd, „Sie Böser! Aber trinken Sie einen Schluck Wein. Er ist gut, echter Posillipo-Wein. Er wird Ihnen gut thun. Sie sehen, ich trinke mit Ihnen. Ich schenke mir auch ein. Und dann können wir plaudern, dann können Sie fragen, waS Sie wollen, und ich will Ihnen Rede und Antwort stehen, wi« «in Kind, wa» dumme Str«ich« gemacht hat. Aber trink,»
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