Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.03.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990320025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899032002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899032002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-20
- Monat1899-03
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-PreiS 4« der Hauptexpedilion oder den im Stadt« bezirk und den Bororten errichteten Aus» oabestellrn abgeholt: vierteljährlich 4.50, tri zweimaliger täglicher Zustellung ins Haut 5.50. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: vierteliährlich S—. Directe tägliche Mreuzbandsrndu.".g ins Ausland: monatlich 7.50. Die Morgrn-Au-gabe erscheint um '/-? Uhr, di» Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Nedaction und Erpeditiou: Jshannisgaffe 8. Dir Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: ktt« Klemm s Lo,1im. (Alfred Hahn), Universitätsstratze 3 (Paulinum). Lani» Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und ASnigsplatz 7. Abend-Ausgabe. Mpziger TaMaü Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes nnd Notizei-Amtes der Stadt Leipzig. Anzeigen'Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pig. Nrclumrn unter demRedactionSstrich l4ge- spalten) 50^, vor den Familiennachrichua <6gespolten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Prric- verzrichnib- Tabellarischer und Ziffernsup nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderunz X SO.—, mit Postbeförderung 70.—. Ä«nahmeschl«ß für Jivzeigen: Abend'Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morge«»Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« fr-her. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 144. Montag den 2<>. März 1899. 83. Jahrgang. Politische Tagesschau. .. . . - * Leipzig, 20. März. In der Presse werden der König von Sachsen, der Regentvon Bayern und der Herzog von Meinin gen als diejenigen deutschen Fürsten namhaft gemacht, die beim K a i s e r gegen eine Auslösung des Reichstags wogender Militärvorlage vorstellig geworden wären. Aus oer Fassung dieser Nachricht, wie aus den Betrachtungen der Presse über die Zweckmäßigkeit einer Reichstagsauflösung kann der unkundige Leser.den Eindruck gewinnen, als ob der Kaiser die Auflösung des Reichstages zu verfügen hätte. Es erscheint daher der Hin weis auf den einschlägigen Artikel oer Reichsverfassung, welcher durch das Gesetz vom 19. März 1888 über die Verlängerung der Legislaturperiode modificirt ist, am Platze. Artikel 24 besagt danach: „Die Legislaturperiode des Reichstages dauert 5 Jahre. Zur Auflösung des Reichstages während derselben ist ein B e schlußdesBundesrathsunierZustimmungdes Kaisers erforderlich." — Aus dem Vorstehenden ergiebt sich, daß der Kaiser allein den Reichstag nicht auflösen kann, sondern oer Zustimmung des Bundesraths zu diesem Schritte beoarf. Ob gegenwärtig ein solcher Beschluß des Bundesraths ohne allzu schroffe Majorisirung hätte herbeigefühn weroen können, er scheint trotz aller Nachgiebigkeit, die der Bunoesrath in dem lippi- schen Handel bewiesen hat, nicht als absolut feststehend. Das Wort des Abg. Lieber von dem bestblamirten Mittel europäer trifft nach dem Ausgange der Militärvorlage auf die Freisinnige BolkSpartci zu. Wohin sie auch schauen mag, sieht sie nur Gegner. Das Centrum, einst ein so zuverlässiger Bundesgenosse, hat sich mit oer Regierung verständigt, die frühe ren Fractionsgenossen, die Männer von der freisinnigen Vereini gung, sind nach rechts abgeschwenkt, uno von links, von oer So cialdemokratie, wird Vie freisinnige Voltspartei nicht eiwa wegen ihrer „Tapferkeit" im Negiren belobt, sondern wegen Feigheit beschimpft. So wirft der „Vorwärts" dem Abg. Richier vor, daß er aus A ng st vor der Auflösung die Licber'jche Resolution bewilligt habe. In dem Gefühle der Blamirtheit sucht sich das Organ des Herrn Richter ourch das bewährte Mittel des Schim pfens Linderung zu verschaffen. Und man muß ihm lassen, daß es dabei völlig unparteiisch verfährt, denn es schimpft nach rechts wie nach links. Die freisinnige Vereinigung wird wegen des „Murhes der Selbstbezwingung" verhöhnt, und sie wird damit einzuschüchtern gesucht, daß der „Generalanzeiger für Hamburg" sich wegen ihrer Halrung in der Militärvorlage von ihr losge sagt habe. Wie tief ist die Selbsteinschätzung der freisinnigen Volkspartei herabgegangen, wenn man sich auf ein „Wcltblatt" wie den „Hamburger Generalanzeiger" berufen muß! Der „Vor wärts" aber wird zu den „politischen Narren" gewor fen, weil er sich bemühe, „die Lieber'sche Resolution herauszu- staffiren als einen Wechsel, der den Reichstag zu künftiger Mehr bewilligung verpflichtet". Auf die Gefahr hin, ebenfalls zu den „politischen Narren" geworfen zu werden, müssen wir bekennen, daß wir in diesem Falle dem „Vorwärts" Recht geben; denn daß oie Lieber'sche Resolution allervings eine Bindung des Reichs tages enthalt, ist die Auffassung aller ernsthaften Politiker. Und wenn Herr Richter in seinem Organe erklärt: „Wir sind der Meinung, daß die Regierung nicht so bald eine neue Heeresver- stärkung fordern wird", so dürfte er binnen weniger denn Jahres frist abermckls zu oen bestblamirten Mitteleuropäern gehören. Es steht nun fest, daß in den Verhandlungen mit Cecil NhoScs der Vertrag selbst noch nickt fertizgestellt ist, mit Ausnahme des Abkommens über die Telcgrapbcnlinie, dessen Abschluß osficiös bestätigt wurde. Ueber die Eisenbahnftage wird noch weiter verhandelt. Wiederholt wird versichert, daß die deutsche Negierung nur dann ihre eudgiltige Zu- stimmnug zum Bau der Südnordbahn geben werde, wenn diese Bahn ganz von deutschem Gelee erbaut wird und unter deutsche Verwaltung kommt. Ferner sei man in der Negierung der Ansicht, daß zuerst die daS Innere Deutsch-Ostafrikas mit der Küste verbindende Centralbabu gebaut werden müsse und erst nach deren Vollendung die Südnordbahn in Angriff genommen werden dürfte, wenn eine Ablenkung des Waren verkehrs von unseren Küstenplätzen verhütet werden solle. Daß zur Fiuanzirung der Centralbahn zunächst »och keine Mittel vorhanden feien, sei eine der Schwierigkeiten, die sich dem Abschluß des Vertrages mit NdovcS entgegenstellcn, doch wird andererseits der „Täglichen Rundschau" be richtet, die Verhandlungen mit deutschen Finanzkräftcn, insbesondere mit Hansemann, seien bereits sehr weit ge diehen und eine erhebliche Betheiligung deutschen CapitalS an den Unternehmungen des Rhodes sei ge sichert. In B r ü ssel hat, wie dem „Hamburger Corr." geschrieben wird, RhodeS persönlich keinen besonderen Eindruck gemacht, und gerade die in Betracht kommenden Kreise der erfahrenen belgischen Asrikakcnncr bezeichnen ihn als oberflächlich und phantastisch, sie bedienen sich dabei ter stärksten Ausdrücke. Die Belgier haben in der Co lonisation Afrikas neuerdings sehr vielseitige praktische Erfahrungen gemacht und zugleich die höchsten Erfolge erzielt, auf ihr Urtheil muß geachtet werden. Zn Brüssel weist man darauf bin, daß nach der Beschlußfassung über den Bau einer Congo-Eisenbahn erst eine Gesellschaft mit einer Million Capital errichtet wurde, die die Unterlagen für den Ban schaffen sollte. Die hierauf bezüglichen Vorarbeiten dauerten mehrere Zahre, und doch hat die erste Strecke von 28 lcm um den Gebirgsstcck von Pallaballa mit 500 bis 600 m Höbe 4 Jahre in Anspruch genommen und bgt daS für die Gesammtbahn berechnete Capital vollständig verschlungen. NbodeS hat nun leichthin erklärt, er wolle die Bahn nördlich vom Tanganyika durch das ihm be quemere Deutsch-Ostafrika bauen, ohne auch nur zu wissen, ob die großen Gebirgszüge im Nordwesten des deutschen Schutzgebietes den Bau gestatten. Da müßte erst eine genaue fachmännische Untersuchnng der örtlichen Verhältnisse vorausgeben, die 3—4 Jahre wenigstens in Anspruch nehmen würde. Die Belgier bezeichnen die geplante Bahn von Capstadt nach Kairo als ein Werk in rein englischem Interesse mit politisch-strategischem Hintergründe. Wenn z. B. Deutsch-Ostafrika erschlossen werden solle, so könnte das nur durch eigene Eisenbahnen von der Küste nach dem Innern erreicht werden, Wiedas die Congo-Eisenbahn deutlich erweist. Der Anschluß solcher Bahnen an die NhodeS'sche tranScontinentale Babn ergebe sich von selbst. In den betreffenden belgischen Kreisen erklärt man sich zufrieden, daß NbodeS nicht vorgeschlazen hatte, seine Babn durch den Congostaat zu bauen. Der Congostaat, den NbodeS ein Mollurkengebilde genannt hat, würde auch wobl zu schwach sein, um den von Nhodes zu erwartenden Rücksichts losigkeiten lange zu widerstehen. Unaufhörliche Reibereien würben ihn erwarten. Die Berliner „Post" untersucht in einem anscheinend ossiciös inspirirten Leitartikel: „Tas Tschcchenthnm und der Dreibund" die Gefahren, die dem mitteleuropäischen Bunde durch den Kampf ter slawischen Elemente in Oesterreich gegen die Deutschen droben. Das Blatt sagt: „Es ist an ter Zeit, die Hetzereien der Tschechen gegen den Dreibund, vor Allem gegen daS deutsche Reich, einmal etwas näher zu beleuchten." Es wird alsdann an die gegen Deutschland gerichteten gehässigen Auslassungen des Abg. Öv. Kramarz erinnert, deren Bedeutung durch spätere Abschwächungen nicht vermindert worden ist, und es wird darauf hingewicsen, daß wie dieser Herr sich auch die tschechischen Abgg. Heller nnd Engel in Zizkow geäußert haben. „Die Allianz mit Deutschland", so versicherten jene Herren, „sei von Nebel, weil sie die Krönung des Königs von Böhmen und die Schaffung eines tschechischen Ministeriums hintertreibe." Seit Badeni werde aber weder von aller höchster Stelle noch von der Regierungsbank das staatsrecht liche Programm der Tschechen negirt und zurückgewiesen. Die logische Folgerung auö diesen Behauptungen der Herren Heller und Engel würde also die sein, daß eS Angesichts jener angeblichen Disposition der leitenden Kreise Oesterreichs auch mit dem Dreibund in erschreckender Weise zurückginge. Diese Angriffe des TsckechenthumS aus den Dreibund dürfen nicht übersehen werden, meint die „Post" und fährt dann fort: ES mag diesen oder jenen österreichischen Staatsmann geben, der daran glaubt, es könne ein Oesterreich, in dem LaS deutschfeindliche Tschcchenthuin die erste Geige spielt, in der bisherigen Weise im Dreibunde weiter leben. Für das deutsche Reich jedoch steht der Grundsatz unerschütterlich sest, daß ein den tschechischen Tendenzen folgender Staat kein geeig» neter Bundesgenosse mehr ist; darüber mögen Per- tuschungs- und Vogel-Slrauß-Politiker sich nur keiner Illusion hingeben. Man sollte sich doch an manchen Stellen in Oester reich hüten, blos nm über Schwierigkeiten der inneren Politik hinwegzukommcn, mit dem Feuer zu spielen. So haben einzelne Leistnage-: des den Ministern Thun nnd Kaizl nahestehenden Otsiciösenlhums in Berlin recht unliebsam überrascht. Verschiedene T.haten dieser Osficiöscn sind allerdings daraus mit zu erklären, daß das Tschechenthum in den subalternen Kreisen Oesterreichs überall sich eingenisiet hat. Diesen Elementen ist es zuzuschrciben, wenn in letzter Zeit von einzelnen österreichischen Blättern ofsiciösen Anstrichs nnqualisicirbare Angriffe gegen die diplomatische Vertretung des deutschen Reiches inWien gerichtet worden sind, so in der „Eeeka Revue" und in anderen Blättern, in denen der „kaiserliche Rath" Penizek, ein Tscheche, seinen geistigen Schutt abzulagern pflegt. Wir können im deutschen Reiche erwarten, daß dieselbe Rücksicht, dieselbe Loyalität, wie sie der österreichisch-ungarischen Vertretung in Berlin von der gc- sammten deutschen Presse eutgcgengebracht wird, auch in Oesterreich gegenüber der diplomatischen Vertretung des deutschen Reiches beobachtet wird. Die „Post" weist die Behauptung mit aller Entschieden heit zurück, als identificire sich die deutsche Botschaft in Wien mit den Oppositions-Parteien der Deutschen in Oester reich. Gegen solche Beschuldigungen sei ein kräftiges Wort geboten. Handle cS sich doch in diesem Falle nm die Ver- lkeidigung unserer diplomatischen Vertretung in Wien, deren würdige und vornehme Zurückhaltung angesichts aller Fragen der inneren Politik Oesterreichs über jeden Zweifel erhaben ist. Der Artikel berührt alsdann die international« Lage und sagt: Es ist zuzugeben, daß die Entlastung Mittel-Europas, wie sie in Folge des andauernden französisch-englischen Gegensatzes und dr- zur Zeit sehr starken Expansionsdranges Rußlands nach dem Osten Asiens in die Erscheinung getreten ist, einzeln» Politiker in Oesterreich, auch solche, die außerhalb deS slawischen Lager« stehen, zu der Meinung gebracht zu haben scheint, der Dreibund sei zur Zeit von minderer Bedeutung als ehedem. Tie heutige Situation kann sich jedoch sehr bald schon wieder ändern. Ganz unberechenbare, auch persönliche Ein flüsse vermögen hier sehr schnell eine Veränderung herbeizusühren. Namentlich kann dieheutige russische Politik eines Tages wieder einer gänzlich anderen Platz machen. Dann wserdsen auch jene Kreise in Oesterreich, die den Drei bund heute bereits zu einer historischen Rarität machen wollen, sehr rasch wieder erkennen» welches Leben in dieser Schöpfung wohnt. Diese Darlegungen der „Poft" sind schon sehr deutlich, aber auch sie spiegeln nur unvollkommen die Besorgnisse wider, die in weiten politischen Kreisen Deutschland- und auch Oesterreichs im Hinblick auf die Zustände im Donau- reiche gehegt werden. Wir haben ihnen wiederholt unzwei deutigen Ausdruck gegeben. Dio französische Colonialpolilik tritt mit der nu.imehr vor sich gehenden Errichtung eines besonderen Colonial a m t s in ein neues Entwickelungsstadium ein, wovon sich Handel und Industrie des Mutterlandes wesentliche Erfolge versprechen. Bisher hatten die Colonien immer nur als ein Anhängsel der Marine funciionirt und mehr gekostet, als sie einbrachten. Da soll nun anders werden, die Colonien sollen den Ileberschuß der französischen industriellen Production in sich aufnehmen uns ihrerseits wieder das Mutterland mit allen den überseeischen Er zeugnissen versehen, für welche jetzt große Summen an oas Ausland gezahlt werden. Zu diesem Behufe soll ein Beirath ge schaffen werden, an welchem Mitglieder der landwirthschaftlichen, commerziellen und industriellen Vereinigungen theilnehmen. Dieser Beirath wirv dafür sorgen, daß das nationale Erwerbs leben in steter enger Fühlung mit den leitenden Persönlichkeiten der Colonialpolitik und mit oen überseeischen Colonien selbst bleibt. Daß unter geeigneter Leitung die französischen Colo nien entwickelungsfähig sind, zeigt das Beispiel Französisch Guineas, wo seit Kurzem ein commerzieller Aufschwung von geradezu überraschender Lebhaftigkeit.eingesetzt hat. Im Laufe des letzten Jahres hat sich der oortize Karawanenoerkehr um da-- Dreifache gehoben. Die Hauptstadt Konakry ist derart mi: Karawanen überfüllt, daß alle Unterkunftsräume über ihr Fassungsvermögen hinaus in Anspruch genommen sind und die Händler zum Thcil im Freien campiren müssen. Die Antwer pener Packetboote, welche früher in Sierra Leone anlegten, haben diesen Platz als Station aufgegeben und laufen nun Konakry an. Am 20. d. M. soll die telegraphische Verbindung Konakrys mit dem Senegal fertig gestellt sein, womit das Telegraphennetz der Colonie einen Umfang von 900 icru erreicht. Die Bau- thätigkeit in Konakry ist, der Conjunctur entsprechend, eine überaus rege. Leuillrton. Lj Senzi. Roman von M. Immis ch. Nachdruck «nboten. Clärchen strahlte. Ein heißes Triumphgefühl durchfluthete sie. Sie sah im Geiste die goldenen Pforten eines üppigen Lebens voll Reichthum und Luxus, weit geöffnet, und sie empfand etwas wie Dankbarkeit für den Mann, der ihr dieses bot. „Uno in der Residenz werden wir ein großes Haus machen, auf Reisen werde ich die Welt, das Leben kennen lernen und all' seine Herrlichkeilen genießen?" fragte sie, unv ihre wunverschönen Augen sahen ihn mit sinnverwirrendem Ausdruck an. Das war nun eigentlich nicht die Absicht von Moritz, der sich im Gegentheil nach den übermäßigen Genüssen seiner Jünglings jahre darnach sehnte, im Kreise seiner Familie fortan ein ver- hältnißmäßig stilles Leben zu führen; doch in dieser Stunde hätte er selbst versprochen, die Sterne vom Himmel herunter zu holen, wenn sie eS verlangt hätte, um wie viel mehr etwas, waS so leicht zu erfüllen war. Sie hatte noch eine Menge Fragen zu stellen, aber sie wider strebte nicht mehr, als er sie in seine Arme zog, sie küßte und ihr zärtliche Kosenamen ins Ohr flüsterte. Aber dann fiel ihr ein, daß sie schon viel zu viel Zeit verloren hatte, und daß sie jeden Augenblick die Ankunft ihres Bruders erwarten konnte. „Noch muß es ein Geheimniß zwischen uns bleiben", sagte sie zu dem darüber enttäuschten Moritz, der sein Glück am liebsten in alle Welt hinausgejubelt hätte. „Ich muß meine Eltern vorbereiten, und vor allen Dingen muß die Ver lobung meiner Schwester mit Medicinalrath Bergau erst öffent lich vollzogen sein. Er ist so eigenartig und vorurtheilsvoll, und man kann nicht wissen, wie er sich dazu stellen wird", fügte sie diplomatisch hinzu. Moritz fügte sich ihren Wünschen, wenn auch ungern. Wie ein Trunkener schritt er die Treppe deS Schlosse« hinunter, den Abschiedsluß des schönen Mädchens auf den Lippen. In der köstlichen Gewißheit seine- neuen Glücke« dachte er mit keinem Gedanken an jenes andere Mädchen, da« aus Liebe zu ihm ver dorben untz gestorben war. Oben in »em kleinen Siudirzimmer aber stand Clärchen am Fenster und goß sich Wasser auf die Hände, um Wangen und Stirn damit zu kühlen, und damit die Anzeichen der Erregung so schnell al« möglich zu verwischen. Drittes Capitel. „Und nun bitte ich Dich, Bertha, mache nicht eine solche Jammermiene", sagte Clärchen zu ihrer ein Jahr jüngeren Schwester, während sie ihr einen der von Senzi gebrachten Spitzenkragen um den Ausschnitt des Kleides legte und eine blaß- rothe Rose mit einigen Maiglöckchen daran befestigte. „Du ver dirbst Mama sonst die ganze Laune, und der arme Medicinalrath würde sicher ganz unglücklich darüber sein. Uebrigens, denke nur, ich habe für bestimmt gehört, daß der Hofrathstitel ihm ge wiß ist. Sein Buch hat in den höchsten Kreisen Aufsehen er regt, und es ist möglich, daß er sogar nach Karlsruhe berufen wird. Frau Hofrath! klingt das nicht verlockend? Wahrhaftig, ich könnte Dich um Dein Glück beneiden, und ich finde es eigentlich sehr betrübend, daß er nicht auf die Idee kam, mich zu erwählen." Sie machte dabei eine drollig beleidigte Miene, während die Schelmenteufelchen in Augen und Wangengrübchen saßen. Aber Bertha's Mienen erhellten sich dabei nicht. Sie seufzte nur ein wenig. Eigentlich wollte sie sagen, daß sie ihr dieses Glück gerne überlassen würde, und daß es dazu noch Zeit sei, aber sie war so müde, und es war ihr Alles so gleichgiltig, daß es der Anstrengung nicht lohnte, so viele zwecklose Worte zu machen. Man konnte sich keinen größeren Gegensatz denken als diese Schwestern. Clärchen lebhaft, weltklug, kokett, mit der wilden, braunen Lockenfülle und den lustigen, begehrlichen Augen, immer bestrebt, so viel als möglich aus Allem Nutzen zu ziehen, und die sanfte, stille Bertha mit den wuchtigen, rothgoldenen Haarmaffen, die viel zu schwer erschienen für den feinen Kopf und wie eine Fluth röthlichen Goldes über den Rücken bis weit über die feine Taille fielen, nur durch zwei breite Perlmutterspangen zu sammengehalten. Das wunderbar schöne Antlitz Bertha's mit den edlen, wie aus Marmor gemeißelten Zügen und dem blenden den Teint, der zuweilen den Rothhaarigen eigen ist, wäre das Entzücken jedes Malers oder Bildhauers gewesen; die Augen glichen in Farbe und Schnitt denen ihrer Schwester, aber wie ver schieden war ihr Ausdruck. Dort sprühendes Leben, Verlangen nach Genuß und Freude, hier eine stille Ruhe, ein unbeschreiblicher Hauch von Schwermuth, der noch erhöht wurde durch die dichten, dunklen Brauen, die sich über der Nasenwurzel beinahe trafen. Sie war grüßet und voller als Clärchen, hatte aber trotzdem außerordentlich fein geformte Hände und Füße. Ihre stille Ruhe, ihr gleichgiltiges Uebersehrn von Menschen und Dingen wurde vielfach für Hochmuth gehalten, und sie war daher im Allge meinen viel weniger beliebt al» Clärchen, die mit aller Welt gut Freund war und nie mit verbindlichen Worten und liebens würdigem Lächeln sparte, da sie der Meinung war, daß man nie wissen könne, ob es vielleicht doch einmal Vortheil bringe. Es gab weit und breit Niemand, der es an Schönheit und Anmuth mit den Töchtern Dr. Rainer's und mit Senzi, der Nichte der Lumpenliese, aufnehmen konnte, und die drei schönen Mädchen vom Schlosse bildeten oft stundenlang den Gesprächs stoff für die bewundernde Männerwelt. Irgend Jemand — war es ein Witzbold, oder ein aufrichtiger Verehrer der Schönheit — hatte die Bezeichnung „Die drei Grazien" für sie gefunden, unv seitdem war dieser Titel für sie feststehend geblieben, theils im Scherz, theils im Ernst; aus Neid und Spott und aus Ver ehrung und Bewunderung, je nach der verschiedenen Auffassung. Die Doctorstöchter standen im Allgemeinen über dem Geschwätz, obgleich ihre stadtbekannt armseligen Verhältnisse oft genug liebe voll erörtert wurden, zum Tröste und zur Erquickung für Viele der weniger von Schönheit gesegneten weiblichen Bevölkerung; der armen Senzi aber wurde es sehr verdacht, daß sie als voll berechtigter Thcil des Kleeblattes anerkannt war. Die Ge ringeren betrachteten sie voll Neid und Mißgunst und die Reiche ren, sowie die Honoratiorentöchter sahen mit nicht weniger Neid, nur noch mit einem Zusatze hochmüthiger Verachtung auf sic herab. „Bernhard und Stephan sinv im Garten", fuhr Clärchen nach einer Weile fort. „Weißt Du was, Darling, Du gehst jetzt hin unter und siehst nach, wo sie so lange bleiben. Gleich ist es acht Uhr, und der Medicinalrath kann jeden Augenblick kommen. Mama liebt es nicht, wenn die jungen Leute auf sich warten lassen. Bringe sie gleich mit, damit sie sich nicht wieder ver plaudern, und stecke noch ein paar Rosen in den Gürtel, dies steht Dir so gut." Langsam schritt Bertha die Stufen zum Garten hinunter. Eine dichte, grüne Wildniß, ein Durcheinander von Zierbluwcn, Sträuchern and Rosenbüschen zog sich zu beiden Seiten der viel fach verschlungenen, oft steil abfallenden Wege hin. Haldzer- fallene Springbrunnen, wildbewachsene, künstliche Felsenhöhen und dichte Jasmin- und Rosenlauben waren überall angebracht und zeugten selbst im Zerfalle noch von dem guten Geschmacke ihres Erbauers. Weit hinten an einer sonnigen Stelle waren ein paar Gemüsebeete, die die langjährige Magd des Schlosses im Verein mit der Lumpenliese jeden Sommer bepflanzte und pflegte, und nach der Straße zu, auf einem weiten, ovalen Rasen platz, stand eine Menge Rosenbäumchen der edelsten Sorten. Sie strotzten von Blüthen, und der süße Duft erfüllte den ganzen Garten. Mechanisch, wie geistesabwesend schritt Bertha durch die breiten, von Gras überwucherten Kieswege nach einem Platze, von dem sie wußte, daß er früher der Lieblingsaufenthalt der beiden jungen Männer war, die sie suchte. Sie hörte auch bald ihre Stimmen, und durch eine Lichtung sah sie «inen schwarzen Rock und daneben die in einem hellgrauen, eleganten Anzug steckende Gestalt ihres Bruders. Einen Augenblick zögerte sie; sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als müsse sie einen Traum oer scheuchen; dann schritt sie, ein wenig blässer als zuvor, auf die Beiden zu. „Es ist jammerschade, den schönen Abend im Zimmer zu verbringen", sagte Bernhard Rainer, als Bertha ihren Auftrag ausgerichtet. „Ich wünschte, Mama wäre weniger auf Empfang feierlichkeiten erpicht. Du könntest mir einen Gefallen thun, Berthchen, sag, Du habest mich nicht gefunden und begnüge Dich, wenn Stephan einstweilen das Opfer Euerer Geselligkeit wird." Stephan war aufgestanden, als Bertha erschien, eine hohe, imponirende Gestalt mit einem vollen, schönen Antlitz, stolzen Augen, einem feinen, strengen Munde und jenem undefinirbaren Etwas in seinem ganzen Wesen, das ein großes Talent zum Herrschen und zum Befehlen verräth. Dunkles, leicht gelockte-,- Haar umrahmte seine hohe Stirn, und auf dem Wirbel markirre sich die thalergroße Tonsur des katholischen Priesters. Er hatte Bertha die Hand gereicht und sie flüchtig begrüßt, trotzdem bei nah' ein Jahr vorüber war, seit er sie zuletzt gesehen. Auf ihre Aufforderung nahm er wieder Platz, und auch sie setzte sich ganz an das Ende der Bank, während Bernhard, als habe er nur darauf gewartet, sich den Anschein gab, als entdecke er plötzlich etwas sehr Interessantes an einem Strauche der nächsten Weg biegung, um dann mit außerordentlicher Geschicklichkeit^ rasch zu verschwinden. Bertha achtete nicht darauf. Eine Art Schwindel hatte sie befallen; ihr Herz klopfte wie rasend, und ihre Füße waren seit sam schwer. Sie sah Stephan zum ersten Male in dem Rocke des Priesters, und ihr war, als ginge von seiner dunklen und doch so lebensvollen Gestalt ein eisiger Hauch aus, der sich er starrend um ihr Herz legte. Sie wollte etwas sagen, aber ihre Gedanken waren wie gelähmt. Ein paar Schritte von ihr ent fernt suchte sich ein Staarenpärchen seine Mahlzeit zusammen. Sie betrachtete die Thierchen und verfolgte sie mit wehmüthigem Blicke, als sie auf eine nahe Birke flogen und von schwankem Aste herunter ihr Abendlied pfiffen. Genau so war es ja vor Jahren, als sie auch mit Stephan auf dieser Bank gesessen und ihn mit Bitten bestürmt hatte, er solle di» Theologie an den Nagel hän gen und Jurist werden, wie ihr Bruder. — sie könne die schwarz gekleideten, ernsthaften und bartlosen Priester nicht aurstehen,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite