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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.03.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990325023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899032502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899032502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-25
- Monat1899-03
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Da die Mehr heit deS Vundesrathes diese Frage, ohne osficiell darüber ab gestimmt zu haben, verneinend beantwortet hat, wird sie vom „Reichsboten" auf das Härteste eingelassen. Das genannte con- fervaüve Blatt versteigt sich zu folgendem Angriff: „Preußen dars sich durch die Kleinstaaten, die nie eine militärisch ernste Rolle gespiel haben, nicht bestimmen lassen; es ist aber auch für den Kaiser eine un«r:rägl:che Situation, wenn dieBundesfürsten eine den Neigungen der großen Masse entsprechende populäre Haltung in der Militärfrage einnehmen und der Kaiser das Odium auf sich nehmen muß, unpopuläre For derungen zu vertreten. Es ist deshalb nöthig, daß über solche Fragen schon im 'Bundesrathe eine zwei fellose Stellungnahme erzielt und diese dann auch im Parla mente festgehalten wird. . . . Wir halten die ganze Affäre für eine sehr ernste Mahnung an Preußen und den Kaiser, sich durch mittelstaatliche Einflüsse gerade in mili tärischen Dingen das Heft nicht aus den Händen nehmen und vonder alten preußischen Tradi tion abdrängen zu lassen." — Gerade die Majorrsirung des Vundesrathes durch Preußen in einem Fall«, von der Beschaffenheit des vorliegenden würde einen Bruch mit der alten preußischen Tradition bedeutet haben. Doch das nebenbei. Wichtiger ist es, die Auf forderung des „Reichsdoten" zum Verfassungsbruche und seine Verdächtigung der Bundesfiirsteci zu- rücktzuweisen. Oder ist es vielleicht etwas Anderes als eine an Preußen gerichtete Aufforderung zum Verfassungsbruche, wenn der „Reichsbote" ausführt, Preußen dürfe sich durch die Klein staaten nicht bestimmen, in militärischen Dingen sich das Heft nicht aus den Händen nehmen lassen? Welchen anderen Sinn können die aufgeregten und aufreizenden Worte haben als den: Preußen solle sich in militärischen Dingen um den Bundesrath nicht kümmern? Dazu die ungeheuerliche Verdächtigung der Bundesfürsten, denen nachgesagt wird, daß sie im Gegensätze zum Kaiser „eine den Neigungen der großen Masse entsprechende populäre Haltung in der Milüärfrage einnehmen"! Als ob nach der Annahme der bekannten Centrums-Resolution der Kriegs minister nicht auch noch die 7006 Mann bekommen wird, die allein von den Forderungen der Regierungsvorlage abgelehnt worden waren. Aus solchem Anlaß den deutschen Fürsten Vor würfe entgegenzuschleudern und dem führenden preußischen Staate solches Ansinnen zu stellen, heißt das Wesen einer natio nalen deutschen Politik vollständig verkennen. Hauptträger dieser Politik sind nach wie vor die Bundesfürsten und der Bun- deSrath, jene zwei Faktoren, von denen der „Unitarier" Hein rich von Treitschke im Jahre 1881 schrieb: „Nicht der Bundesrath, der nach der Verfassung die Sondcrinteressen der Einzelstaaten zu wahren hat, sondern der Reichstag erscheint heute als der Schildhaltcr des deutschen Parlamentarismus . . . ES läßt sich nicht bestreuen, daß unsere Fürsten sich williger und ehrlicher in die neue Ordnung der deutschen Dinge eingelrbt haben al- ein großer Theil unseres Volkes. Diele von ihnen traten einst mit bitteren und gehässigen Empfindungen in das I Reich ein . . . .. aber nachdem der schwere Entschluß einmal ge- I faßt war, haben sie alle dem Reiche eine feste Treue gezeigt, welche viele Sünden der alten Rheinbund politik aufwiegt." — Schon ehe so erfreuliche Erfahrun gen gemacht waren, im Jahre 1871, stellte H. von Treitschke folgendes nationaipolitische Grundpostulat auf: „Die deutsche Krone muß den kleinen Höfen mehr Rücksicht erweisen als wei land die Krone Preußen; sie wird — kraft einer Nothwendig- keit, die jedem politischen Kopfe sofort einleuchtet — mit der Krone Bayern ein freundschaftliches Verhältnis; zu erhalten suchen. Die Reichsverfassung vermag nur dann zu wirken, wenn die mächtigeren Glieder des Reiches durch ehrliche Bundesfrcund- schaft verbunden sind. Man stelle sich vor, daß ein tiefer leiden schaftlicher Gegensatz innerhalb des Bu.idesrathes entstünde, daß die bayrischen und württembergischen Mitglieder des Bundes- rathcs, nach ihrem unbestreitbaren formalen Rechte, in dem Par lamente als Führer der Opposilion aufträten — und man wird sofort einsehen, daß dieses Reich durch Mehrheitsbeschlüsse nicht geleitet werden kann." — Eine andere Haltung würde die „deutsche Krone" gegenüber den Bundesfürsten erst dann und nur dann einnehmen müssen, wenn letztere bei der Verfolgung dynastischer Interessen das deutsche Vclk mit neuer Zersplit» tecung undLhnmacht bedrohten. Denn „das deutsche Volk und ein nationales Leben können nicht unter fürstlichen Privatbüsitz ver- theilt werden." So schreibt Für st Bismarck in seinen „Ge danken und Erinnerungen", indem er fortsährt: „Ich bin mir jeder Zeit klar darüber gewesen, daß die Erwägung auf die kurbrandenburgische Dynastie dieselbe Anwendungfindet,wieaufdirbayerische,die welfische und andere." — Der „Reichsbote" wird gut thun, über die Tragweite dieser Worte gehörig nachzudenten. Zu der Mittheilung der „Hamb. Nachr.", daß der Ober förster Langevon der Pisniarck'fchkii Familie eine Pension von 4500 erhalte und daß sein bekannter Proceß gegen die Familie sich nur um 200 c/k drehe, bemerkt die „Freis. Ztg.": ,Mlso um lumpiger 200 c/i willen läßt sich die noble Fa milie Bismarck von einem wohlverdienten treuen Beamten verklagen und schwört einen Eid nach dem anderen!" Der Wunsch, den verhaßten Bismarcks etwas anzuhängen, hat die Logik des Richter'schen Organs offenbar verwirrt. Gerade daraus, daß es sich um eine im Derhältniß zu der Pension ganz minimale Summe handelt, ergiebt es sich, daß es hier offenbar beiden Thcilen, der Bismarck'schen Familie sowohl, als dem Oberförster Lange, nur auf den Nechtsstandpunct ankommt. Jeder von beiden Theilen war — und dieser Fall ist ja doch bei bürgerlichen Nechtsstreitigkeiten durchaus nicht selten — von seinem Rechte vollkommen überzeugt. Gerade in fortschrittlichen Kreisen aber ist das in Jhering's berühmtem Buche vom „Kampfe ums Recht" vertretene Princip, daß man, wenn man von seinem Rechte überzeugt sei, es durchführen müsse, auch wenn eS sich um das geringfügigste Object handele, immer als eine zum deutschen Charakrer gehörende und sehr lobenswertste Eigen- thümlichkeit gepriesen worden. Wenn es sich aber um die Familie Bismarck handelt, dann steht es ihr nicht zu, einen Kampf um ihr Recht durchzusühren, dann muß man ihr lieber häßliche Motive unterschieben. Es wird neuerdings bestätigt, daß zwischen England und Ruß land Verhandlungen betr. Chinas gepflogen werden. Tas „Reuter'sche Bureau" erfährt, dieselben batten schon praktische Gestalt angenommen und eS sei aller Grund verbanden, daß sie in nicht zu ferner Zeit zu einem befriedigenden Abschluß gebracht werden. Auch der eng lische Minister, Kanzler des HerzogthumS Lancaster, Loro IameS of Hereford, hat in einer gestern im Liberal Union Club in London gehaltene Rede geäußert, die Regierung habe die Hoffnung, mit Rußland in ein freundschaftliches Verbältniß zu treten, waS England in den Stand setzen würde, zu einer vollständigen Beilegung der bestehenden Differenzen im fernen Osten zu gelangen. Was im Einzelnen den Gegenstand der Verhandlungen anbetrifft, so giebt die folgende uns zugchende Nachricht Auskunft: * LouVon, 25. März. (Telegramm.) „Daily Graphik" bespricht die englisch-russischen Verhandlungen und lagt, die Niutschwang-Frage sei dauernd geregelt zur vollständigen Zufriedenheit der britischen Regierung. Die russische Regierung habe schließlich ihre ursprünglichen Forderungen hin sichtlich dieses TheileS der mandschurischen Frage abgeändert und gleichzeitig den russischen Botschafter in London v. Staat an- gewiesen, Lord Salisbury mitzutheilen, daß Kaiser Nicolaus am Vorabend der Abrüstungskonferenz da- eifrige Bestreben habe, England diesen handgreif lichen Beweis seiner friedlichen, freundschaft lichen Gesinnung zu geben, daß Rußland jedoch nicht das Recht ousgebe, von China Genugthuung zu verlangen kür die Verletzung deS Abkommens vom März 1898 und der dem früheren russischen Gesandten in China Pawloff im Juli 1898 ge gebenen Zusicherungen, auf dir der jetzige russische Gesandte von Giers seine letzthin erhobenen Einsprüche gegründet habe. Des Weiteren meldet „Daily Graphik", daß die Verhandlungen Hinsicht» Ich der Einflußsphären Englands und Rußlands in China schon weit vorgeschritten seien. Diese Meldung scheint unS eher dazu angethan, die Hoff nungen auf eine „vollständige Beilegung aller Differenzen im fernen Osten" berabzustimmen. Rußland und England haben eS, alter Praxis getreu, zwar wieder vermieden wegen eines strittigen PuncleS in der Cbinapolitik einander in die Haare zu geratben; Rußland hat England gegenüber nachgegeben und für den Augenblick riecht es nicht mehr nach Pulver. Wohl aber wird Rußland sich für seine Nachgiebigkeit gegen England bei dem „Vertragsbrüchigen" China schadlos halten und dasselbe zu neuen Concessionen drängen. Darin liegt aber die Gefahr, daß sich neue Differenzen mit England austhun, das sich ja wiederholt als Vormund CbinaS pro- clamirt Kat. Auch kann Rußland, wenn es seinen französischen Bundesgenossen nicht dauernd im Stich lassen will, mit Eng land schon um deswillen nickt in Frieden bleiben, weil die cgyp tische Frage noch nicht gelöst ist. Lord Hereford bat in der gleichen Rede in Bezug auf das englisch-französische Sudanabkommen geäußert, es eröffne die Aussicht auf eine friedliche Occupation Egypten- und deS Sudans. England hält also die egyptischr Frage für abgctban. Vertragsmäßig ist sie aber mit Frankreich noch nickt gelöst. Man ist ibr im Sudanabkommen aus dem Wege gegangen, aber daß Frankreich sich eine end^iltige Auseinandersetzung darüber vorbebält, zeigt der Unntand, daß der Botschafter Cambou ia London während der Sudanverhandlungen mit Salisbury wiederholt, wenn dieser Egypten in die Abmachungen ein- bezieben wollte, dies mit den Worten abwehrte: „Pardon, das ist wider die Verabredung!" Der frühere russische Botschafter in Paris, Herr von Mobrcnhctni. der es nicht für überflüssig erachtete, in der Drcyfusangelezenheit eine für jeden Unbefangenen ohne Weiteres als Erfindung erkennbare Sensationsnachricht zu dementircn, hat sichzuweitvcrzewagt, indem erzugleichdenJranzosenseine eigenen Verdienste um Vas Zustandekommen des französisch- russischen Bündnisses in das Gedächtniß rief. Herr von Mohrenhcim führte dabei eine Sprache, als ob nicht der Zar, sondern er das hauptsächliche Verdienst hätte. Der früher russische Botschafter konnte sich dann ober nickt verhehlen, daß diese Darstellung in Petersburg einen sehr schlechten Eindruck machen müßte. Der „Figaro" veröffentlicht deshalb in der heute eingctroffenen Nummer den Bericht über eine Unterredung mir Herrn von Mohrenheim, der versichert, er habe nicht gesagt, daß er das Bündniß „Dank dem guten Willen des verstorbenen Kaisers" zu Stande gebracht, sondern „Dank dem Willen des Zaren" habe er dessen Werk vollendet. Der Unterschied zwischen beiden Lesarten leuchtet ohne Weiteres ein; bei der ersteren trat eben Herr von Mohrenheim weit mehr activ in den Vordergrund, während der Zar es nur nicht an gutem Willen hätte fehlen lassen. Die Bezeichnung: xi-Lee u In volontv klingt überdies in der Berichtigung sehr gezwungen; pur la volonte würde den russischen Verhältnissen besser entsprochen haben. Die erste Les art stand auch mehr mit dem Selbstbewußtsein des Herrn von Mohrenheim im Einklänge. Der Congostnat hatte mitEngland am 12. Juni 1894 einen Sudan-Vertrag abgeschlossen, der ihm pachtweise zur Verwaltung und Besetzung überließ: das linke Nilufer von Mahazi am Albertsee im Süden, bis Faschoda im Norden, wie den Theil des Bahr-el-Ghasal-Beckens, der im Westen vom 25. Meridian und im Norden von der 10. Parallele begrenzt ist. Dieser Vertrag rief den schärfsten Protest Frankreichs hervor. Der Eongostaat wurde, da er gerade mit Frankreich die Grenzen am Uelle regeln mußte, gezwungen, Dahr-el-Ghasal aufzugeben und sich auf die Enklave Lado zu beschränken. Seitdem aber die Franzosen Faschoda räumen mußten, tritr die belgische Congopresse für die Giltigkeit des Ver- tragesvon1894indie Schranken und fordert den Eongo staat zur Besitzergreifung des Bahr-el-Ghasal auf. Der neu englisch-französische Vertrag spricht endgiltig Dahr-el-Ghasal dem englischen Einflüsse zu. Der Brüsseler „Petit Bleu" be hauptet nun, daß rechtmäßig der Vertrag von 1894 gelte und der Eongostaat das Recht habe, ohne Weiteres Bahr-el-Ghasal zu besetzen. Es wird jetzt abzuwarten sein, wie der Eongo staat und England über diese Frage denken, zumal sich am oberen Nile ein gemeinsames Zusammengehen der englischen und congostaatlichcn Truppen vorbereitet. Die Congopresse meldet, daß die neue congostaatliche Nilexpedition im Einverständnisse mit England ausgerüstet worden ist. Sie bestätigt, daß die Expedition in Boma vorbereitet wurde, daß die belgischen Offi ciere sofort nach ihrer Ankunft in Afrika mit den Congotruppen den Marsch nach dem Nile angetreten haben und Lado in 4—5 Monaten erreichen werden. Der Expeditionschrf, Com Mandant Ehaltin, der vorher noch am Ubangi und im Uelle Becken eine Inspektionsreise unternimmt, trifft erst einige Monate später in Lado ein. Der Führer der englischen Truppen, der schon bis Lado und Bedden am rechten Nilufer vorgedrungen, aber nach Uganda zurückmarschirt war, Major Martyr, wird bis zur Ankunft Chaltin's aus Uganda herausgegangen sein und seinen Marsch nach Süden wieder aufnehmen, während die Congotruppen nach Norden marschiren und die Derwische somit von beiden Truppenkörpern zugleich angegriffen werden. 8, Len;i. Roman von M. Immis ch. Nachdruck verkenn. Ja sie wollte den bitteren Kelch bis zur Hefe leeren; nur auf einem bcharrre sie, allen Bitten Liese's zum Trotz: Martin Auer -sollte wissen, warum sie ihn heirathen würde; konnte er sich dann noch dazu entschließen, dann wollte sie mit ihm gehen. Es blieb sich ja schließlich gleich, meinte sie, n-o und wie sie ihr ferneres Leben zubrachte, da das Interesse dafür so wie so in ihr er storben war. Martin Auer war tief erblaßt, als Senzi selbst ihn von ihrer Liebe und ihrem Entschlüsse unterrichtete; aber dieses zarte, blasse Geschöpf, mit dem tiefen Lekdenszuge um Mund und Augen, das mit so rührender Resignation ihm gegenüber stand, erschien ihm nicht weniger begehrenswerth, als daS heitere, rosige Mädchen, das sie bis vor Kurzem gewesen. Die Zeit würde diese trüben Eindrücke schon verwischen und ihre Jugend die frühere Ela- sticität und Frische zurückgewinnen, so hoffte er. Was Hoffl und glaubt ein Verliebter nicht, wenn er vor einem heiß rrsehnien Ziele steht. . . . Zwei Tage vor Bernhard's Rückkehr wurde Senzi von ihrer Base nach S . . . gebracht, einem kleinen, zwei Stunden ent fernten Dorfe, wo sie bei einer Freundin Liese's bis zu ihrer Lerheirathung bleiben sollte. Es kamen nun recht unerquickliche Tage für die Schloß bewohner. Bernhard verfiel in eine unbeschreibliche Erregung, al» er, in glücklichster Stimmung zurückkehrend, Senzi'S plötzliche Abreise und ihre Verlobung erfuhr. Er konnte und wollte es nicht glauben. Tiefe Schwermuth wechselte mit an Raserei grenzenden Zornesausbrüchen. Er schob alle Schu.v auf Liese, und ia der Gewißheit, daß nur ein teuflischer Zwang Senzi dahin bringen konnte, dem Drängen ihrer Base nachzugeben, beharrte er darauf, Martin Auer zur Rede zu stellen. Der arme Martin kam in harte Bedrängniß. Er sah wohl ein, daß Senzi ihm verloren war, wenn Bernhard die Wahrheit erfuhr. Um so mehr hielt sein Herz daran fest, das kaum erreichte Recht auf den Besitz dieses Mädchens sich um jeden Preis zu sichern. Trotzdem Bernhard's Verzweiflung ihn ergriff, als dieser ihn bei Allem, waS ihm heilig, beschwor, ihm den Schlüssel zu dem plötzlichen Umschwung in Senzi'» Verhalten zu geben, bracht« er es doch über sich, di« Pein de» Unglücklichen noch zu er höhen. Er spielte den völlig Harmlosen, ja sogar den Be leidigten. Er gab sich den Anschein, als habe Senzi ihm schon seit Wochen Hoffnung gemacht, daß sie seinen Antrag annehme, und als habe sie ihm ganz freiwillig ihr Jawort gegeben. Das Letztere traf ja zu, aber die Gründ«, die sie dazu be wogen, verschwieg er wohlweislich. Darauf verfiel Bernhard in eine so hohnvolle, bittere Verzweiflung, daß die Seinigcn ernst lich um seinen Verstand fürchteten, vr. Rainer erkannte mit Schrecken, daß sein Sohn doch noch anders geartet war als er selbst, und daß seine Neigung für die arme Senzi eine Tiefe und Innigkeit besaß, die er gar nicht für möglich gehalten. Die Vorbereitungen für Bertha's Hochzeit, die schon an sich durch die immer mehr zu Tage tretende unverkennbar« Schwer muth der Braut nicht sonderlich belustigend waren, wurden da durch noch mehr gestört, und sic empfanden es als eine Wohlthat, daß Bernhard sich weigerte, der Hochzeit beizuwohnen. Er wollte fort, ein Fußtour machen, bis die Ferien zu Ende waren, irgend wohin, wo er möglichst wenig Menschen sah und möglichst wenig von ihrer Lüge, Heuchelei und Falschheit hörte. Bei der Nachrich: von Elärchen's Verlobung hatte er bitter gelacht. Nun fehlte nur noch, daß sie auch ihm eine Braut mit einem möglichst großen Geldfack suchten, damit er als Dritter im Bunde die praktische Klugheit der Familie illustriren konnte. . . Der Medicinalrath hatte die Nachricht seiner zukünftigen Verschwägerung mi! Guckenheim günstiger ausgenommen, als be fürchtet worden. Er hatte sich sogar die Mühe gegeben, auch seine Schwiegermutter damit zu versöhnen. Kurz nach Bertha's Hochzeit sollte auch die von Clärchen sein und dann die der armen Senzi. Frau vr. Rainer hatte die Idee, die Trauung Bertha's durch den Jugendfreund ihrer Kinder, Stephan, vollziehen zu lassen; aber Bertha hatte dies mit ungewohnter Energie abgelehnt; auch zog sich Stephan brüsk von der Familie vr. Rainer'S zurück, als er Clärchen's Verlobung mit Guckenheim erfuhr. Acht Tage vor Bertha's Trauung kam er als Vicar nach Constanz. So wurde das Schicksal der Jugendgespielen in kurzer Zeit in neue, fremde Bahnen gelenkt, und es mußte sich nun zeigen, ob sie die Kraft besaßen, den Anforderungen ihres neuen Lebens Stand zu halten. Achtes Capitek. Fünf Jahre sind vergangen. In einer der industriereichen I Großstädte Sachsens wohnte im dritten Stock einer durchaus nicht eleganten Miethhauses der Vergolder und Bilderrahmen fabrikant Martin Auer. Seine Fabrik bestand aus einem drei- , senstrigen ArbeitSraum nach dem Hof« zu, mit d«r Aursicht auf die qualmenden Essen der benachbarten Etablissements einiger Großindustriellen und einem Lagerraum von höchstens fünf Meter im Quadrat. Ein gemeinsamer Corridor verband die Werkstätte und den Lagerraum mit den Wohnräumen, die aus Stube, Schlafstube und Küche bestanden. Es war ein trüber, kalter Octobcrnachmittag. Der Wind heulte und pfiff um die Häuser, und auf den Straßen wirbelten Staub und welke Blätter in tollem Tanze umher. Man wußte nicht rech', wollte es regnen oder schneien, jedenfalls aber wirkte die rauhe Laune des Wetters auch auf die Gemüther der Men schen, um so mehr, wenn sie schon an und für sich von Kummer oder Sorge bedrückt waren. In der Vergolderwerkstätte wurde eben Licht angebrannt. An zwei Tischen waren eine Anzahl Knaben damit beschäftigt, die weiche Kreidemaffe in die Formen zu pressen, von wo sie dann auf die Bretter zum Trocknen kamen. An einem anderen Tische legte ein Gehilfe die dünnen Goldbsätter auf die ver zierten und präparirten Rahmen, während ein zweiter die auf den Brettern zur nöthigen Festigkeit erstarrten Verzierungen mit einem scharfen Messer von ihrer flachen Unterlage abschnitt. Ein scharfer Geruch von Leim und Firni r erfüllte den Raum, und die Luft wurde durch den Abfall deS Blattgoldes, der vom Ausputzen der frisch belegten Rahmen überall umherflog, nicht gerade ver bessert. Es war daher lein Wunder, daß die junge Frau, die in einer Fensterecke neben dem für Martin Auer bestimmten Arbeits plätze saß, Kopfweh hatte. Trotzdem sie an diese Luft und den Terpentingeruch nun so ziemlich gewöhnt war, war sie doch noch nicht unempfindlich dafür. Martin Auer besorgte in der Stadt einige Geschäflswege und Senzi mußte in seiner Abwesenheit seine Stelle vertreten. Manchmal stand sie auf, öffnete die nach dem Wohnzimmer führende Thür und horchte angestrengt; aber Alle« blieb still. Seufzend ging sie 'dann wieder nach ihrem Platze zurück. Es war eine andere Senzi als früher; sie hatte sich von dem Frost, der auf ihr Leben gefallen, nicht wieder erholt. Wohl war ihre Gestalt noch mädchenhaft schlank und das Antlitz von reiner, lieblicher Schönheit; aber um die Augen laaen tiese Schatten und neben einer erst seitdem zum Ausdruck gekom menen Energie prägten sich unverkennbar jene Linien aus, die durch Kummer und rastlose Sorge erzeugt werden. ES schlug fünf Uhr. Die Gehilfen trieben die Jungen zur Eil« an. Di« präparirk« Arbeit mußt« noch «rlrdigt, di« Werk stätte aufgeräumt und gekehrt werden, Alles bis sechs Uhr, denn der nächste Tag war ein Sonntag. Senzi wurde immer unruhiger. Ihre schmalen Finger zogen nervös sen Wollfadcn durch die derbe Männersocke, die sie eben ausbcsserte, uno in ihrer Stirn begann es zu bohren und zu wühlen in peinvoller Erwartung. Endlich wurde die Corri- dorthür g«öffnkt und Martin Auer kam herein. Er hatte den Kragen des Ueberrocks hoch geschlagen, sein Gesicht sah aber trotz dem geröthet und erfroren aus. Daneben, für Senzi auf den ersten Blick verständlich, lag aber außerdem eine tiefe Niedergc schlagenhcit. Er musterte kurz die Arbeit und winkte dann Senzi, ihm zu folgen. Im Wohnzimmer war es noch hell genug, um Alles zu er kennen. Es sah überraschend hübsch und traulich darin aus, aber der Mann hatte jetzt keinen Blick dafür. „Ich bin von Hinz zu Kunz gelaufen", sagte er, mit jenem trüben Tonfall, von dem Senzi wußte, daß er die Folge von Mißmuih und Rathlosigkeit war; „dreißig Mark habe ich auf getrieben, das ist Alles. Wovon soll ich nun den Lohn be zahlen?" Senzi hatte rasch die Lampe angebrannt. In dem Hellen Schein glitzerten und funkelten die Goldstäubchen, Vie sich wäh rend des Aufenthalts in der Werkstätte auf Haar und Kleid niedergelassen hatten. Welch große Veränderung war mit Martin in den letzten fünf Jahren vorgegangen. Keine Spur mehr von dem sorglosen, heileren Mann, der in der St-ube der Lumpenliese so Zuversicht-- lich von seinen Zukunftsplänen sprach. Das Auge müde und trübe, die Stirn gefurcht und um Mund und Nase dir tiefen Linien der Sorge, sah er, wie ein Fünfziger aus, noch dazu wie Einer, der — wenigstens in diesem Augenblick — de» Lebens überdrüssig war. Senzi deckte geräuschlos den Tisch. Nachdem sie Brod, Butter und ein winziges rohes Beefsteak zurechtgestellt hatte, goß sie das in dem weißen Kachelofen brodelnde Wasser auf den frisch gemahlenen Kaffee, um die Kanne dann ebenfalls auf den Tisch zu stellen. Voll Mitleid beleuchtete sie den verzagten Mann, und, ihre eigenen Sorgen unterdrückend, zermarterte sie sich den Kops, um einen Ausweg zu finden. Behui'scrm, wie einem kranken Kinde, strich sie mit der kühlen Hand über seine brennende Stirn und die dichten blonden Haare, die an der Schläfe bereits ergrauten. „ES wird auch wieder besser", tröstete sie, „bitte, iß jetzt ein wenig, und dann erzähle mir, wie e» war. Hass Du Bertram nicht -«troffen? '
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