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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.03.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990328014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899032801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899032801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-28
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Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ztsfernsah nach höherem Tarif. 8xtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen»Au»gabe, ohne Postbesörderung KO.—, mit Postbeförderung 70.—. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Äouahmrschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. 158. Dienstag den 28. März 1899. S3. Jahrgang. Die Klerikalen als Hüter -er bayerischen Lronrechte. Wegen des Abschlusses der Militärstrafproceßordnung, die gegen denWillendesbayerischenCen:rumsimReichstage zu S ande gekommen ist, hat nun in der bayerischen Kammer das Centrum den ersten Vorstoß gegen die bayerische Regierung geführt. Zu nächst eine kurze Erinnerung: Im Reichstage ist die Vorlage über die Errichtung eines bayerischen Senates beim künftigen Reichs militärhof in zweitägiger Debatte am 4. und 6. März in allen drei Lesungen schnell erledigt worden. Gegen das Gesetz stimmten zum Schluß außer dem bayerischen Centrum, mit Ausnahme des Frerherrn von Hertling, der die kn der Vorlage getroffene Formulirung als einen glücklichen Ausgleich der in Betracht gekommenen Wünsche und Rechtsansprüche erachtete, nur noch die Socialdemokrati«, der nichts verhaßter ist, als eine festgefügte Rechtsprechung. Der bayerische Centrumsflügel hatte durch den Abgeordneten Schädler sich gegen die Vorlage erklärt, weil in derselben das bayerische Rescrvatrecht nicht ge wahrt sei, und blieb dabei, obwohl der bayerische Ge sandte und Bundesraths bevollmächtigte G r a f v. L e r ch e n f e l d, der für die Wahrung des Reservat rechts bezüglich der obersten Militärgerichtsinstanz gegen die Auffassung fast des ganzen Bunvesrathes tapfer gestritten, im Plenum des Reichstages bündig erklärt und schlüssig entwickelt hatte: „Es ist bekannt, daß die bayerische Negierung stets auf dem Standpunkte gestanden hat, daß Bayern hinsichtlich der obersten Instanz ein Reservatrecht besitzt. Es ist dieser Standpunkt in allen Vorsladien der Mililärstrafgerichtsordnung sestgehalten worden, sowohl bei den ersten kommissarischen Berathungen im preußischen Kriegsministerium, als später bei den Berathungen im Bundesrath und dem Reichstage gegenüber. Auf dem gleichen Standpunkte steht die bayerische Regierung heute noch. Sir hält aber dafür, daß durch den vorliegenden Gesetzentwurf, welcher Ihrer Beschlußfassung unterliegt, das Reservatrecht ge wahrt ist; sie ist der Ansicht, daß Bayern hiermit gewährt worden ist, was nach der jenseitigen Ueberzeugung, d. h. der lleberzeugnng derjenigen Staaten, welche nicht auf dem Stand punkte gestanden haben, daß Bayern ein Reservatrecht hat, Bayern in Rücksicht auf die besondere Stellung seiner Armee gewährt werden konnte, und andererseits, daß Bayern das erhält, was Bayern verlangen muß, ohne seinen grundsätzlichen Stand punkt zu verlassen und ohne seinem Recht irgend etwas zu vergeben. Was die weitere Frage wegen der Garantien betrifft, so hat der Herr Reichskanzler bereits diese Frage beant wortet. Darin, daß in den Motiven ausdrücklich der Vertrags charakter, der dem Gesetz zu Grunde liegt, anerkannt ist, und in der Erklärung, daß in dem Bundesrath Einmüthigkeit darüber bestand, daß eine spätere Aenderung, wenn sie notwendig werden sollte, nicht ohne eine neue Vereinbarung mit Bayern vorgenommen werden könne, liegt diejenige Garantie, welche Bayern verlangen konnte und verlangen mußte und in vollem Maße damit erhalten hat." Sachlich hat der Führer des bayerischen Centrums auf diese Darlegungen des Vertreters seines Staates nichts zu erwidern gewußt, dafür aber angekündigt, daß „vor einem anderen Forum" zum Austrag gebracht werden solle, „inwieweit die bayerische Regierung durch ihre Gesinnung zu diesem Entwürfe der bayerischen Volksvertretung verantwortlich geworden sei". So ist denn die Action, die der Centrumsabgeordnete vr. Daller am 23. März im Finanzausschuß der bayerischen Kammer ein'leitrte, auch der bayerischen Regierung nicht un erwartet gekommen. Der bayerische Ministerpräsident Freiherr v. Crailsheim hat selbst Rede und Antwort gestanden, und den Verlauf der Dinge unter Wahrung der Auffassung der bayerischen Regierung so geschildert, wie er bisher bekannt ge worden. Neu war nur, daß im Bundesrathsproto toll vom 2. Februar d. I. ausdrücklich constatirt worden, daß eine Abänderung der Bestimmungen dieses Gesetzentwurfes, da er auf einer Vereinbarung beruht, nicht ohne eine neue Vereinbarung mit Bayern vor zunehmen sei, und daß die gleiche Zusicherung Bayern auch noch auf diplomatischem Wege durch eine Note des Auswärtigen Amts durch die bayerische Gesandtschaft in Berlin ertheilt worden. Den Versuchen, auf die bayerische Regierung einen unzulässigen Druck auSzuüben, schob der bayerische Minister präsident weiter einen Riegel vor mit der Erklärung: „Rein rechtlich genommen, istdiebayerischeStaats- regierung wohl berechtigt, ein Reservatrecht ohne Zustimmung des Landtages aufzugeben, da eine gesetzliche Bestimmung, welche ihre Abstimmung im Bundesrath beschränkt, nicht besteht. Ein Gesetzentwurf, welcher von einigen Mit gliedern des Landtages im Jahre 1872 eingereicht wurde und durch welchen die Befugnih der bayerischen Regierung, ein Reservatrecht aufzugeben, an die Zustimmung des Landtages gebunden werden sollte, wurde im Landtag ausdrücklich abgelehnt. Dagegen muß von der rein staatsrechtlicher Seite der Frag« die politische Seite geschieden werden. Die Regierung hat im Jahre 1872 den Gesetzentwurf ausdrücklich bekämpft, aber sie hat erklärt, daß die Regierung wohl kaum jemals so verwegen sein werde, ein wichtiges Reservatrecht aufzugeben, ohne sich der Zustimmung des Landtages im Voraus zu versichern; das heißt mit anderen Worten: staatsrechtlich ist die Regierung nicht gebunden, sich der Zustimmung des Landtags zu versichern, um ein Rescrvatrecht aufzugeben, allein, da die Regierung für ihr Votum im Bundesrathe der bayerischen Landesvertretung verantwortlich ist, so wird es für sie eine Forderung der poli tischen Klugheit sein, sich, wenn ein Refervatrecht in Frage steht, vorher der Zustimmung des Landtages zu versichern. Wir würden auch zweifellos den Landtag gefragt haben, wenn es sich um Aufgabe eines Reservatrechts nach unserer Ansicht ge handelt hätte." Weiterhin drückte der Minister die offene Befriedigung der bayerischen Regierung über das für Bayern Erreichte in fol genden Worten aus: „Wenn in dem Abkommen auch nicht alle bayerischen Forderungen zur Geltung kamen, so ist das Abkommen doch vom juristischen, politischen und praktischen Standpunkt aus zu begrüßen. Nach dem Abkommen kann das Reich die Militärjustiz in Bayern regeln, aber ganz oder theilweise sie an sich ziehen, kann es nicht. Die Jurisdiction über Angehörige der bayerischen Armee kann nur von solchen Be amten geübt werden, die von Bayerns Krone ernannt sind. Auch vom politischen Standpunkt aus ist das Abkommen zu begrüßen; denn dadurch, daß der bayerische Senat nach Berlin verlegt ist, bleibt er in engerer Fühlung mit dem Reichsmilitärgerichtshos und hat nm so größeren Einfluß, als die Gefahr einer Uebergehuug ver mieden ist. Wäre doch, wenn der Senat in München geblieben wäre, kaum die Bestimmung getroffen worden, daß in zweifel haften Füllen zu gemeinsamer Berathung zusammengetreten werden mußte. Von dem praktischen Standpunkt aus ist zu berücksichtigen, daß bei einer Beschlußfassung des Reichstags Bayern kaum die Vortheilr wie jetzt erreicht hätte. Wäre dem Reichstag die Ab lehnung der Vorschläge durch Bayern bekannt geworden, die Stim mung wäre sicher umgeschlagen und man hätte Bayerns Forderung für übertrieben gehalten ... Die Regierung glaubt bewiesen zu haben, daß sie auch hier die energische Vertretung der bayerischen Rechte mit der Loyalität gegen Las Reich zu vereinigen wußte." (Lebhafter Beifall bei Len Liberalen.) ImPlenumder bayerischen Kammer soll nun die klerikale Demonstration — mehr ist es nicht — erneuert werden. Außer halb des Centrums wird sich aber auch in Bayern, wie bereits einmal gesagt, Niemand die Genugtuung über die nun erlangt: Einheit und Verbesserung der Militärrechtsprechung verkürzen lassen, noch die Freude darüber, daß — gleichviel ob ein Reservai vorliegt oder nicht — diese Reform über alle Hindernisse hinweg zum Ziele geführt worden, Dank dem gegenseitigen Entgegen kommen der in Betracht kommenden Contingentsl)«rren, des Königs von Preußen und des Prinz-Regenten von Bayern, die damit wiederum bekundet, wie wohl aufgehoben der deutsche Ein heitsgedanke gerade bei den bundesbefreundeten Herrscherhäusern ist. Und wie der Abgeordnete Bassermann im Reichstag aus führte, wird man sich trotz der Verstimmung der Herren Daller und Orterer auch über Bayerns Grenze hinaus „sich die Em pfindungen des Dankes nicht verkürzen lasser, die dem Prinz- Regenten geschuldet werden, daß er auch seinerseits bemüht war, die Hand zu bieten, um die Schwierigkeiten, die vorhanden waren, aus dem Wege zu räumen", — noch weniger aber sich der Meinung hingeben, daß bayerisch« Kronrechte bei dem Centrum besser gehütet seien, als bei dem bayerischen Königshause. Der Lund -er Landwirthe nnd das Jesuitengesetz. I). Ja der „Köln. Volksztg." erlassen Freiherr von Wangen hei m und vr. Diederich-Hahn eine Be richtigung, in der sie erklären, daß sie nicht gegen die Aus hebung des Jesuitengesetzes gestimmt haben. „Die Mitglieder des engeren Vorstandes des Bundes der Landwirthe", sagen die genannien Herren wörtlich, „haben sich der Abstimmung über das Jesuitengesetz enistal «n. Bestimmend hierfür istdieThatsache, daß der Bund der Landwirthe keine Parteipolitik treibt uno daher ebensowohl in katholischen wie in evangelischen Kreisen seine Mitglieder zählt; so waren die Vorstandsmitglieder ver pflichtet, in dieser konfessionellen Sache einen neutralen Standpunkt einzunehmen." Die .Herren von Wanzenheim und vr. Hahn haben aus diesen erneuten Versuch, das Centrum für den Bund der Landwirthe zu gewinnen, dieselbe ablehnende Antwort erhalten, wie früher in ähnlichen Fällen. Die „Köln. Volksztg." erklärt ihnen spöttisch, daß sie für ihre „Neutralität" wenig Verständnis, habe, und giebt ihnen dann eine Anweisung, wie sie gemäß den parlamentarischen Gepflogenheiten bei der Abstimmung im Reichstage sich hätten verhakten sollen, um «rkennen zu lassen, daß sie sich der Abstimmung enthalten wollten. Wichtiger als diese Zurückweisung durch das führende Ccntrumsblatt, die vor- auszusehen war, sind die grundsätzlichen Erwägungen, zu denen die Erklärung der Herren o. Wangenheim und vr. Hahn An laß giebt. Beide Herren nennen das Jesuitengesetz balv eine parteipolitische, bald eine konfessionelle Sache. Das Jesuitengesetz ist aber in Wahrheit keines von beiden, es ist vielmehr eine Staatsangelegenheit. Beweis dafür sind die Thatsachen, daß verschiedene Parteien und daß Angehörige verschiedener Confessionen das Jesuitengesetz beschlossen haben, daß ferner selbst katholische Staaten, wie Frankreich, Italien u. s. w., den Jesuiten die Ausübung oec Ordensthätigkeit untersagt haben; auch in Bayern, dessen Herrscherhaus katholisch ist und dessen maßgebende Minister in der Regel Katholiken waren und sino, wurde den Jesuiten die Ausübung der Ordensthätigkeit seit der Säkularisation nicht ge stattet. Ist aber die Behandlung des Jesuitenordens eine Staatsangelegenheit, so muß man fragen, wohin wir ge langen würden, wenn der Standpunkt der Herren v. Wangenheim und Dr. Hahn von einer größeren Anzahl von Volksvertretern getheilt würde. So gewiß es ist, daß der Mensch nick: vom Brode allein lebt, so sicher ist es, daß ein Volksvertreter seine Aufgabe im Sinne der Reichsverfassung nicht lösen kann, wenn er in Staatsangelegenheiten, wie es die Jesuitenfrage ist, den Grundsatz der Neutralimt proclamirt. Wir sehen ganz da von ab, ob die Wähler der Herren v. Wangenheim und vi. Hahn mit jener Neutralität ihrer Erkorenen einverstanden sind; aber der Hinweis darauf ist unerläßlich, daß der Standpunkt der Herren v. Wangenheim und Or. Hahn dem Gesammtinteresse des Voltes die schwersten Wunden schlägt. Wenigstens zeigt aber dieser Swndpunct, welch: Consequenzen es haben würde, wenn nach dem Willen mancher Politiker an Stelle des heutigen Repräsontativsystems eine berufs st än dische Vertretung träte. Da es vollkommen aus geschlossen ist, daß die berufsständische Vertretung ausschließlich mit wirtschaftlichen Angelegenheiten befaßt würde, da Gesetze von der Act des Jcsuitengesetzes nach wie vor erledigt werden müßten, so würde man es erleben, daß Vertreter des Hansels, des Handwerks u. s. w. gegenüber Gesetzesvorlagen nicht wirth schriftlicher Natur nach dem Beispiel der Herren v. Wangen- heim und I)r. Hahn ihre „Mutralität" erklärten. Den Vorteil von einem solchen Zustande hätte dann dauernd dieselbe Pariei wie heute: das Contrum, das Dank der Leitung durch die Hierarchie auch in der berufsständischen Vertretung, wenn nick: äußerlich, so doch thatsächlich, eine compacte Masse darstellen würde. Die Herren v. Wangenheim und Or. Hahn würden sich darüber allerdings wohl ebensowenig Sorgen machen wie heute. Feuilleton. Die deutsche Tiefsee-Erpe-ition. i. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht einen Bericht des Leiters der deutschen Tiefsee-Expedition, Professor vr. Chun- Leipzig, vom 20. Januar, dem wir Folgendes entnehmen: Nachdem die deutsche Tiefsee-Expedition während des ersten Drittels ihrer Fahrt — von Hamburg bis Capstadt — relativ wohlbekannte Gebiete durchfahren hatte, handelte es sich von nun an um die biologische und oceanographische Erforschung des antarktischen Meeres des Indischen Oceans, jener Regionen also, auf welche von vornherein der Schwerpunkt unserer Thätigkeit gelegt wurde. Da die „Valdivia" sich als ein vorzügliches Expeditions schiff bewährt hatte, wurde eine von den neueren Expeditionen abweichende Route gewählt. Sowohl die „Gazelle" als auch der „Challenger" hatten bei ihrer Fahrt nach Süden unter Be nutzung der Westwinde den Weg über die „Marion"- und „Crozet" - Inseln nach den Kerguelen gewählt und in be friedigender Weise die Reliefverhältnisse des Oceans, wie auch die Fauna dieser Region aufgeklärt. Unter diesen Umständen empfahl sich der Versuch, von Capstadt aus in 881V.-Richlung einen Vorstoß nach der „Bouvet"-Gruppe zu unternehmen, um längs der Packeisgrenzr über die Kerguelen - Gruppe in den Indischen Ocean zu gelangen. -Die Schwierigkeiten, welche einer serartigen Route im Wege standen, wurden nicht unterschätzt: wir hatten die Region der stürmischen Westwinde mit ihrer hochgehenden See in nord-südlicher Richtung zu kreuzen und mußten darauf gefaßt sein, daß frühzeitig die Eisverhältnisse dem Vorstoß ein Ende machen würden. Denn aus dem Studium der Karten über die Eisverbreitung geht hervor, daß der ant arktische Ocean offenbar eine Kältezunge in der Richtung auf die „Bouvet"-Gruppe vorschiebt, welche die Packeisgrenze ziemlich weit nördlich verlegt und eine besonder» reiche Anhäufung von Eisbergen zur Folge hat. Andererseits war aber die Möglichkeit auch nicht ausgeschlossen, daß nach der großen EiSdrift der Jahre 1892 bis 1896 die Verhältnisse sich günstiger gestalteten, und daß wir rascher als auf anderem Wege in das eiskalte antarktische Wasser mit seiner eigenartigen pelagischen Fauna gelangen könnten. „War die ,-Bouvet"-Gruppe zu erreichen, so stand ein wesentlicher Gewinn für alle Untersuchungen in Aussicht, in sofern wir nicht nur die Relirfderstältnisse des Meeresboden» und die Beschaffenheit deS Grunde- in Gebieten aufklärten, welche niemals mit dem Lothe durchforscht wurden, sondern auch Ge legenheit fanden, die Grundfauna in jenem Gebiete zu erbeuten, welche ein Bindeglied zwischen der un» wohlbekannten Fauna der Magekhaens-Straße und der Kerguelen abgiebt. Endlich reizte es auch, zu der Lösung eines geographischen Problems einen Beitrag zu liefern, welches immerhin einiges Interesse darbietet, insofern hervorragende Forschungsreisenoe sich ver geblich bemühten, die Existenz des am 1. Januar 1739 von L. Bouvet unter dem 54. südlichen Breitengrad und 4° 20' östlicher Länge gesichteten „Oap cis In Oiioonoision" zu er weisen. Weder Cook (1775), noch James Roß (1843), noch Moore (1845) vermochten trotz aller hierauf verwendeten Mühe die „Bouvet-Jnsel", als welche inzwischen das vermeintliche Vor gebirge eines Südcontinents erkannt war, wieder aufzufinden. Immerhin hatten im Anfänge dieses Jahrhunderts zwei Capitäne von Walfischfängern, welche im Dienste der Lonooner Firma Enderby standen — nämlich Lindsay (1808) und Norris (1825) — bestätigt, daß in der von Bouvet bezeichneten Region eine resp. zwei Inseln liegen, deren Position sie freilich ab weichend bestimmten. Neuerdings neigte man, im Hinblick auf die vergeblichen Bemühungen um ihre Wiederauffindung, zu der Vermuthung, daß die Inseln, deren Natur Norris ausdrücklich als vulkanisch bezeichnet, entweder der Abrasionsthätigkeit des stürmischen Meeres oder einem vulkanischen Ausbruche zum Opfer gefallen seien. Sollte diese Vermuthung sich thatsächlich als zutreffend erweisen, so stand zu erwarten, daß wir durch Lothungen in der Lage waren, derartigen Hypothesen eine ge sicherte Unterlage zu geben. Die „Valdivia" fuhr am Sonntage, den 13. November 1898, Morgens bei prächtigem Wetter von Capstadt ab. Da die günstige Witterung auch während der nächsten Tage anhielt, konnten alle Arbeiten in wünschenswerther Weise gefördert werden; insbesondere wurde durch die Lothung einer Tiefe von 4170 m am 14. November das aus unseren früheren Lothungen sich ergebende Profil des Steilabfalles der Agulhas-Bank in den Südatlantischen Ocean ergänzt. Mit Rücksicht darauf, daß wir von jetzt an in Regionen vordrangen, deren Bodenrelief un bekannt war, wurde täglich vor Beginn der übrigen Arbeiten eine Lothung ausgeführt. Dem Resultate derselben sah man mit um so größerer Spannung entgegen, als sich bald ergab, daß die durchfahrene Region unerwartet große Tiefen iuufwieS, welche bei weiterem Vordringen nach Süden eher eine Zunahme, denn eine vorausgesetzte Abnahme erkennen ließen. Nachdem bereits unter dem 37. Breitengrade der Einfluß der Westwindregion sich durch eine hohe westliche Dünung be merkbar gemacht hatte, wurde der Nordwest am 16. November stürmisch. Gleichzeitig gelangte die Expedition zwischen dem 39. und 40. Breitengrade in eine Region, wo die Warmwasser, massen des Agulhas - Stromes trichterförmig in die kühlen antarktischen Stromgebiete auSstrahlen. Auffällige Sprünge in der Oberflächentemperatur, welche am 16. November Unterschiede bi» zu 7 Grad Celsius bedingten, verriethen die Auflösung des warmen indischen Stromes, falls sie nicht schon dem Auge da durch bemerkbar wurden, daß Streifen seegrlln gefärbten Warm wassers mit solchen von intensiv blau gefärbtem Kaltwasser ab wechselten. Die Temperatursprünge erfolgten oft so rasch, daß mit den Thermometerablesungen kaum zu folgen war. Immer hin geben die während dieses und der nächsten Tage stündlich erfolgten Aufzeichnungen ein anschauliches Bild von dem raschen Wechsel der Oberflächentemperatur -und der bald erfolgenden Wärmeabnahme des Seewassers. Während z. B. am 16. No vember Mittags 12 Uhr die Oberflächentemperatur noch 17,4 Grad betrug, war sie am 18. November um dieselbe Zeit bereits auf 7,8 Grad gesunken. Seitdem nahm sie so rasch und stetig ab, daß nach Ueberschreiten des 53. Breitengrades am 24. November bereits Oberflächentemperaturen von — 1 Grad gemessen wurden. So trafen wir (nach oftmals heftigen Stürmen) denn am 24. November in der Höhe des 54. Breitengrades auf jene Region, in welcher die englischen Admiralitätskarten drei Inseln ver zeichnen und sie als „Bouvet-Gruppe" zusammenfassen. Ein schneidender, bald stürmisch werdender Nord-Ost hatte das Ver deck mit Glatteis bedeckt, und mehrmals sich einstellende Nebel erschwerten den Ausblick. Da indessen gelegentlich die Sonne durchbrach, wurde die Hoffnung nicht aufgegeben, über das Schicksal der Inseln Aufschluß zu erhalten. Während in den letzten Tagen sehr ansehnliche Tiefen zwischen 4000 und 5000 m (zweimal sogar Tiefen über 5000 m) gelothet worden waren, ergab die Lothung am 24. November nur 2268 in. Hierdurch war ein unterseeischer Rücken nachgewiesen, der vielleicht den Inseln als Sockel dienen konnte, und es handelte sich nun darum, systematisch die ganze Region abzusuchen. Wir hatten zu diesem Zweck die von Bouvet, Lindsay und Norris angegebenen Positionen ihrer Landsichtungen in eine Karte eingetragen (unter Benutzung der Angaben in den Znilinxc ckirootioim) und be gannen nun, von Ost nach West vorgehcnd, die Verhältnisse zu prüfen. Am 24. wurde ein Erfolg nicht erzielt, obwohl der Himmel zweimal aufklarte und auf kurze Zeit ganz wolkenlos war. Am Morgen des 25. November wurde mitten zwischen den angeblichen Landsichtungen von Bouvet, Lindsay und Norris eine Tiefe von 3458 m gelothet, und wenn damit auch die Hoff nung schwand, eine Insel nachzuweisen, so deutete doch anderer seits das reiche Vogelleben, nicht zum Mindesten die Erbeutung zweier Captauben (Oaption Öaponsis) mit Brutfleck auf die Nähe von Land hin. — Gelegentlich aufkommende Schneeböen wechselten mit einem Aufklaren des Himmels ab (auch während der kurzen Nacht war die Luft ziemlich sichtig), und so wurde die Suche nach den Inseln in westlicher Richtung fortgesetzt. Denn wenn auch anzunehmen war, daß die alten Seefahrer die Breite ziemlich richtig angegeben hatten, so war ein^Jrrthum in der Längenbestimmung im Hinblick auf die damals noch unvoll kommenen Methoden nicht ausgeschlossen. I. Roß vermuthrte denn auch, daß die von Lindsay gesichtete Insel einen Längen grad weiter westlich liegen möge, und so ist in den englischen Admiralitätskarten das Eiland offenbar auf die Autorität von Roß hin (wie sich später herausstellte, annähernd richtig) unter 3" 10' östlicher Länge eingetragen worden. Gegen Mittag des 25. November kam der erste große Eis berg in Sicht, an dem bei hochgehender See die Brandung ge waltig tobte. Wenn damit auch doppelte Vorsicht bei etwa auf kommendem Nebel geboten war, so blieb doch bis zum Nach mittage der Horizont bei allerdings etwas diesiger Luft klar. Vergeblich wurde nach den Inseln ausgeschaut, jeooch fiel es auf, daß der Seegang trotz des noch herrschenden stürmischen Nordwests ruhiger wurde. Kurze Zeit darauf — nach 3 Uhr — erscholl der Ruf, daß Landvor uns liege. In verschwommenen, bald deutlicher hervortretenden Conturen zeigte sich in seiner antarktischen Pracht und Wildheit ein steiles Eiland, das nur sieben Seemeilen entfernt lag. Schroffe und hohe Abstürze auf der West- und Nordseite, über welche ein grandioser Gletscher bis zum Meeresspiegel abfällt; ein gewaltiges Firnfeld, welches sann geneigt im Süden mit einer Eismauer am Meere endet; die Kämme der Höhen in Wolken versteckt — das war der erste Ein druck, den man von der seit 75 Jahren verschollenen und von drei Expeditionen vergeblich gesuchten Insel empfing. Bedenkt man alle Schwierigkeiten, die sich ihrer Wieder auffindung in den Weg stellten — fast unaufhörliche stürmische Winde, die eine hochgehende See bedingen, häufig eintretender Nebel, welcher die Gefahr einer Collision mit Eisbergen oder Riffen nicht ausschloß, — so ist der systematisch durchgefllhrte Nachweis von der Existenz der Bouvet - Insel als eine be merkenswertste Leistung der Schiffsleitung zu bezeichnen. In Lee der Insel, geschützt gegen den Nordwest, fand sich die erwünschte Gelegenheit, oceanographische und biologische Arbeiten zu erledigen. Im Gegensätze zu Bouvet und Lindsay, welche von einem Baumwuchse berichten, verdient hervorgestoben zu werden, daß mit dem Fernrohre keine Spur einer Vegetation (auch nicht aus einer Entfernung von nur zwei Seemeilen) wahrzunehmen war. Auch das Thierleben, das sonst in der Nähe ant arktischer Inseln so auffällig reich entwickelt ist, zeigt in Heber- einstimmung mit ihrer Gletscherbedeckung und den durch über hängende Eismassen bedrohten Steilabfällen eine relativ spär liche Entfaltung. Am zahlreichsten traten die Captauben auf, während alle sonstigen antarktischen Vögel keinen bemerkens wertsten Reichtstum erkennen ließen. Hervorgehoben sei nur, daß der schneeweiße Sturmvogel (kaxockroma nive»), Len schon Roß mit vollem Rechte als sichersten Zeugen für das nahe Eis aufführt, zum ersten Male bei der Bouvet-Jnsel da» Schiff umkreiste.
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