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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.04.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990401025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899040102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899040102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-04
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Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg- Reklamen unter dem RedactionSstrich (4ge- spalten) 50^Z, vor den Familieniiachrichten (6gespalten) 40^. Größere Schristcn laut unserem Preis- vrrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz noch höherein Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesördecung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Sei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. Der Friedensbruch auf Zamoa. -i«. Allgemein ist in Deutschland die peinliche Ueberraschung und Entrüstung über den neuesten englisch-amerika nischen Gewaltakt auf Samoa. Einige der Re gierung nahestehende Blätter legen sich allerdings noch Reserve auf und rathen, den Eingang der amtlichen deutschen Meldungen abzuwarten. Wir halten das nicht für geboren. Wenn eine Verletzung der Samoa-Acte durch Mataafa Vorgelegen hätte, so würde unter allen Umständen der deutsche Eonsul sich dem Vor gehen seiner College« angeschlossen haben, ja, wir sind über zeugt, daß er Mataafa von Ausschreitungen zuküctgehalten haben und daß dieser seinem Rache gefolgt sein würde. Wenn die deutsche Regierung auch — ob dies klug war oder nicht, bleibe dahingestellt — erklärt hat, daß sic durchaus nicht darauf bestehe, saß Mataafa König bleibe, so hat dieser sich doch bisher, und mit allem Rechte, der Sympathien Deutschlands erfreut und eine Stütze an unseren Vertretern in Apia gehabt. Er würde sich also sicher durch ihre Direktiven haben leiten lasten, und diese gingen gemäß der Haltung unseres Auswärtigen Amtes ohne allen Zweifel auf Aufrechterhaltung des Berliner Vertrages. Daraus, daß Consul Rose seine Gegenproclamation erließ, erhellt vielmehr, daß Mataafa an den neuerlichen Blutvergießen un schuldig ist. Aus dem gleichen Grunde glauben wir nicht, daß ein dringender Nothfall vorgelegen hat, der, in der Be drohung des Lebens und Eiqenthums der Europäer bestehend, ein Einschreiten zur unabweislichen Pflicht gemacht hätte. Dieser Fall ist nämlich in den Instructionen der Vertreter der Ver einigten Staaten vorgesehen. Die Antwort der Unions regierung auf die letzten Vorstellungen des deutschen Botschafters in Washington, v. Holleben, erkannte nämlich an, daß die Ileber- cinstimmung aller drei Vertragsmächte als Bedingung einer ge regelten Politik nothwendig sei, uns erklärte, daß der amerika nische Admiral nur ermächtigt sei, in Gemäßheit eines Be schlusses der Mehrheit der Vertreter der Mächte zu handeln, wenn ein Nothfall cintrete, der durchaus keinen Verzug zulaste, aber daß in einem solchen Falle sobald als möglich die Ein willigung aller drei Mächte nachgesucht werden müsse, und daß keine dauernde Abmachung irgend welcher Art ohne ein solch einstimmiges Votum getroffen werden könne. Die amerikanische Regierung habe ihren Vertretern in Samoa gekabelt, eine durch aus freundliche und versöhnliche Politik gegenüber den deutschen Vertretern und Interessen auf den Inseln einzuschlagen und sorg fältig Alles zu vermeiden, was mißdeutet werden oder Uebelwollcn verursachen könnte. Diese Antwort hätte unseres Erachtens von Deutschland als nicht befriedigend ohne Weiteres zurückgewiesen werden müssen, denn die dem Admiral Kautz gegebene Weisung ist, da sie einen so weiten Spielraum läßt, eigentlich gar keine Weisung. Wann besteht ein Nothfall? Vermag eiu Mann, der mit den Verhältnissen nicht vertraut, auf die Rath schläge Anderer angewiesen ist, in diesem Falle naturgemäß auf die des amer.'anischen und englischen Consuls, die nach den vorangegangencn Ereignissen kaum noch als unparteiisch betrachtet werden können, vermag ein solcher Mann sich den unvermeidlichen Beeinflussungen zu entziehen und sich ein sicheres Auge, ein treffendes Urtheil zu bewahren, zumal, wenn die Stammes-, Sinnes- und Interessengemeinschaft ihn förmlich in die An schauungen der Männer, auf die er angewiesen ist, hinein drängen? Auch die „Köln. Ztg." ist der Ueberzcugung, daß die amerika nische Regierung unzweifelhaft mit die Schuld an dem Blut vergießen und den Verwüstungen trägt, von denen leider auch Europäer, vielleicht auch Deutsche, betroffen sind. Aber sie sitzt, wie das rheinische Blatt in Uebereinstimmung mit unserer Auf fassung hervorgehk, nicht allein auf die Sünderbank. Der größere Antheil an der Schuld ist vielmehr England zu zuweisen. Der englische Capitän Sturdee von der „Porpoise" ist es gewesen, der von Anbeginn an in die Entwickelung de«. Dinge mit bewaffneter Macht eingegriffen hat, der den Ober richter Chambers gestützt und dadurch die Leidenschaft der Ein geborenen zu solcher Höhe entflammt hat, daß ein kriegerischer Austrag der Meinungsverschiedenheiten unter ihnen un vermeidlich wurde. Ein Vierteljahr ist seit diesem vertrags widrigen Eingreifen des englischen Capitäns vergangen, die englische Regierung hat also reichlich Zeit gehabt, ihre Unter gebenen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären und ihr Vor gehen mit den Bestimmungen der Samoa-Acte in Einklang zu bringen. Sie har es nicht gethan. Sie Hal den gewaltthätigen Capitän weiter schalten und walten lassen, ja sie hat ihre See streitkräfte durch ein neues Kriegsschiff, den „Royalist", verstärkt, um seinem Vorgehen mehr Nachdruck zu geben. Damit hat sie wieder einmal gezeigt, daß ihr die Freundschaft des Vetters Jonaihan überaus wcrthooll ist und daß sie stets mit ihm zu- sammcngeht, wenn es gilt, Deutschland etwas am Z c u g e z u f l i ck e n. Die englische „Morning Post" selbst war es, die zugeben m ißtc, daß die Interessen keiner Macht auf den Samoa-Inseln so groß seien, wie die Deutschlands. Deutsch land ist es also vor Allem, das die Kosten der Wirren zu tragen hat, und es heißt Deutschland schädigen, wenn man diese Wirren durch Bomben und Granaten vervielfältigt. Wie ernst man in deutschen Kreisen Londons den Zwischenfall auffaßt, zeigt folgendes der „Münch. Allg. Ztg." zugegangcnes Telegramm: - London» 31. März. Die scebe» gemeldeten Ereignisse auf Samoa haben die hiesigen deutschen Freunde Englands, die ein deutsch-englisches Einvernehmen herzustcllen bemüht waren, mit lebhaftem Bedauern und tiefer Entrüstung erfüllt. Sie glauben, Laß die, ihres Erachtens als verrätherisch zu bezeichnende britische Politik die sofortige, gegen England gerichtete Annäherung Deutschlands an Rußland zur Folge haben werde. Hier hält man den Vorstoß ans Samoa sttr Salisbury's Werk, denn Chamberlain ist einer Unterstützung der deutschen Ansprüche auf Samoa geneigt gewesen. Wenn unsere Landsleute in England so urtheilen, weshalb sollen wir in Deutschland uns ängstliche Zurückhaltung auf erlegen. Es ist ganz auffällig, daß die britischen Behörden in und vor Samoa keine Weisung erhalten hatten, die Dinge auf den Inseln ihren Weg gehen zu lassen, bis die zwischen den drei Schutzmächten begonnenen Unterhandlungen über die Nenderung einer unhaltbaren Lage zu einem Ergebniß geführt haben. Denn wir müssen annehmen, daß der britische Consul und der Capitän Sturdee nicht gegen die einzig mögliche Weisung, die der vor läufigen Enthaltung, gehandelt hätten, wenn die britische Regierung correct genug gewesen wäre, sie zu crtheilen. Wir hätten nie ein Wort gegen die deutsch-englische Entente geschrieben, da wir wohl wissen, daß ein Zusammen gehen Deutschlands und Englands uns große Vortheile bringen kann — allein die perfide Gesinnung des Engländerthums gegen das Deutschthum hat es uns räthlich erscheinen lassen, zu warnen. Und wie trotz der eutonto eorckial« die Engländer über Deutschland denken, das hat ja eben wieder der Samoa- Zwischenfall deutlich erkennen lassen. Selbst der Regierung nahestehende Blätter zeigen sich, worauf wir gestern schon hin wiesen, wenn es zum Treffen kommt, von gehässigen, ja von feindlichen Gesinnungen gegen uns beseelt, indem sie uns auf das Unverschämteste verdächtigen. Die „Morning Post" kündigt schon an, die englische und amerikanische Regierung werde ihre Be amten in ihren Vorgehen unterstützen und fügt hinzu, hoffentlich werde man das in Berlin das als berechtigt anerkennen. Den Gipfel der Provokation erklimmt das Blatt aber mit der Bemerkung, die kaiserliche Regierung könne Samoa nicht für werth halten, mit den beiden englisch sprechenden Nationen zu zanken, noch könne ihre Würde compromittirt wcroen durch Desavouirung ihrer Untergebenen, deren Fehler Engländern und Amerikanern ihr Leben gekostet hätte. Die erste Pflicht sei, die Ordnung wieder herzustellen durch Unter drückung der aufrührerischen Usurpatorenfaction, d. h. der deutsch-freundlichen Eingeborenenpartci; darnach erst könne die künftige Disposition Samoas arrangirt werden, wobei England und Amerika jeden Wunsch hegten, der anderen euro päischen Macht, welche legitime Interessen dort habe, ihren ge bührenden Einflußantheil zuzutheilen. Wie außerordentlich gnädig! Weit besser, ja das einzig Richtige und einzig Loyale wäre ge wesen, der Anregung Deutschlands zu folgen, durch Abberufung sämmtlicher jetzt in Samoa fungirenden europäischen Beamten reinen Tisch zu machen, die persönlichen Rivalitäten zu beseitigen und den Boden für eine rein sachliche Behandlung der leidigen Frage zu gewinnen. Deutschland hat schon früher erklärt, es werde, falls die deutschen Beamten sich im Unrecht befänden — was nicht bewiesen —, nicht zögern, sie abzuberufen. Es kann und muß erwarten, schreibt der officiöse „Hamb. Corr.", daß man in London und Washington dieselbe Loyalität besitzt, das Verhalten der Bamten und Geschwaderchefs prüft und nach dem Wortlaute und Geist des, wenn auch unglücklich gefaßten, so doch rechts- giltigen Vertrages von 1889 handelt, bis eine neue Ordnung der Dinge erfolgen kann. Daß dabei viel herauskommen wird, ist uns freilich sehr fraglich. Nur ein äußerst entschiedenes Auftreten Deutschlands, das eS nicht nöthig hat, den Engländern und den Amerikanern nach zulaufen, und sich als Macht zweiten Ranges behandeln zu lassen, kann imponiren und verspricht Erfolg. Aber wie immer auch die Dinge gehen mögen, wichtiger als die Samoa-Frage an sich ist für uns das chisoito rrrorriti! Pflegen wir unsere alten bewährten Beziehungen und lassen wir uns mit den Vereinigten Staaten nur so weit ein, als es unumgänglich ist, unsere eng lischen Freunde aber halten wir uns so weit wie möglich vom Halse! Politische Tagesschau. * Leipzig, 1. April. Ter giftige Kern der Freimaurerei. Unter der vorstehen den lleberschrift preist die „Köln. Volksztg." in langen Spalten eine Schrift an, die der nur zu gut bekannte Jesuit Hermann Gruber unter dem Titel „Der giftige Kern cder die wahren Bestrsbungen der Freimaurerei" im Verlage dec „Ger mania" soöben hat erscheinen lassen. Wenn Herr Gruber seine Schrift an erster Stelle „giftiger Kern" genannt hat, so trug er damit eine Dankesschuld an das „Deutsche Adelsblatt" ab. Letzteres nämlich hat die Bezeichnung „giftiger Ker.r" ge münzt. In dem Briefe, den Prinz FriehrichLeopoldals Protektor der Groß-Logen am 10. Juni 1896 an den Kaiser richtete, wird vornehmlich auf diese Prägung des „Deutschen Adelsblattes" Bezug genommen. Doch sind in dem angezogenen Schreiben noch andere Stellen bemerkenswcrth genug, um an läßlich der allerneuesten jesuitischer Angriffe auf die Freimaurerei in Erinnerung gebracht zu werden. Prinz Friedrich Leopold schrieb in dem Beschwerdebrief an den Kaiser u. A. Folgendes: „Sehr bedauerlich sind mir ... die Angriffe, wie sie namentlich in neuerer Zeit gegen die Freimaurerei und ihre Zwecke, besonders in den Blättern der kaiholischen Cenirumspartei, geschleuveri worden, die zum Theil so unsinnige Mittheilunger enthalten, daß sie ein eigenlhümliches Lick: auf sie Intelligenz der Leser werfen, für die sie geschrieben sind. Ganz besonders aber ist es zu be klagen, wenn sich das „Dcurschc Adelsblatt", Organ der deu: schen Aselsgenossenickan, ;u solchen Verdächtigungen hergieb:, wie sie sie am 18. Mai d. I. erschienene Nummer desselben bringt. Als Protektor der drei alipreußischen Groß-Logea halte ich es für meine Pflicht, dieselben gegen derartige Verunglimpf«« gen in Schutz zu nehmen. Das Organ der deutschen Adelsge nossenschaft nimm: sich heraus, seinen Lesern eine Orgie aus einem Pariser socialdemokratischcn Atheistenclub als Kund gebung des Freimaurerrhums und echt freimaurerischen Geiste- zu erzählen und zu bezeichnen. Dasselbe Blatt spricht dana wei ter von sein vielfach verkannten giftigen Kern, der sich unrer der harmlosen Hülle des Freimaurerthums verbergen soll, und fabelt von einer Centralleitung, die nichts Geringeres als die Ausrottung des Christenthums und die geheime Herrschaft über die Völker mir Sen gemeinsten Mitteln und zu den gemeinsten Zwecken beabsichtige; — allein schon das warme Interesse, das die hochseligen Kaiser Wilhelm I. nno Friedrich III. der Frei maurerei enlgegenbrachtea, sollte diese gegen solche Verdächtigun gen schützen." — Nachdem der Prinz alsdann nach dem Aus nahme-Ritual der Großen Lansesloge der Freimaurer von Deutschland aus der Ansprache des Vorsitzenden an den Aufzu nehmenden die charakteristische Stelle mitgetheilt, schließt er seinen Brief: „Im Gegensatz zu dem „Deutschen Asclsblatt" halte ich gerade in der heutigen Zeit die inländischen Freimaurer logen für besondere Pslegestätten der Religiositä: und des Patrio tismus uns erlaube mir daher aus vollster Ueberzcugung uns wärmstem 'In.ereffe für die Freimaurerei, wie sie in den preußi scheu uno den deutschen Staaten überhaupt betrieben wird, die selbe Ew. Majestät allergnädigstem ferneren Schutze uno Wohl wollen ehrerbietigst zu empfehlen." — In der Antwort, sie am 22. Juni 1896 aus dem Civilcabinet des Kaisers dem Hof marschallami des Prinzen Friedrich Leopold, Herrn Nikisch von Rosenegk, zuzina, wird gesagt, „daß Se Majestät aus höckit- desselben Schreiben vom 10 v. M. zu allerhöckstihrem B e - dauern eatncmmen haben, welche ungerechten An griffe und Verdächtigungen gegen die deutsche Freimaurerei das Organ der deutschen Adelsgenossen- schaft in seiner Nummer vom 18. Mai S. I. gebracht hat. Se. Majestät haben mir zu befehlen geruht, mich mit dem Protektor der bezeichneten Genossenschaft, Sr. Hoheit dem Herzog Ernst Güntber von Schleswig-Holstein, -dieserhalü ins Vernehmen zu setzen." — In den drei Jahren, die seit jenem Angriff des „Deut schen Adelsblattes" auf die Freimaurerei und seit Ser Mißbilli gung jener Angriffe durch den Kaiser und durch den Prinzen Friedrich Leopold verflossen sino, hat sich das Wesen des Frei maurerthums nicht geändert. Wohl aber enspricht cs heute mehr denn früher Ser politischen Constellatioa, daß der Jesuit Gruber seinen Büchertitel dem „Deutschen Adelsblatt" entlehnt. Aus oer letztjährigeu ktt'sängnifzstatiftik für Preußen er- giebt sich, daß die landwirkhschaftliche Thättgkeit von Gefangenen in erheblich weiterem Maße ir Anspruch genommen worden ist, als in den Vorjahren. Gleichzeitig ergiebt sich daraus, daß die Gefangenen bei dieser Fhätigleit ein vollwerthiger Ersatz fitt freie Arbeiter gewesen sind. Dieses Resultat ist aus mehreren Gründen zu begrüßen, einmal, weil die landwirthschafrlicke Thätigkeit mehr als jede andere dem Besserungszwecke zu dienen geeignet ist, zweitens, weil sie wenigstens bis zu einem gewissen Grade zur Verringerung des Mangels an landwirthschaftlicher. Arbeitern beiträgt, schließlich und hauptsächlich, weil durch die Beschäftigung einer großen Zahl von Gefangenen mit lanowirr.) Feuilleton. >»i Zenzi. Roman von M. Immisch. v!»lddruct vkibstüi. „Sie können sich aber auch an der Schönheit berauschen, und Dir gegenüber wird dies wohl eher der Fall sein", gab Bertha lächelnd zurück. Aber trotz ihrer zur Schau getragenen Gleichgiltigkeit war Clinchen doch unruhig erregt und konnte den Abend kaum er warten. Sie ließ sich mit besonderer Sorgfalt frisiren und an kleiden, und der Gedanke, den berühmten Schriftsteller durch ihre Schönheit zu blenden und zu fesseln, beschäftigte sie die ganze Zeit hindurch. „Wie schön Du bist", sagte Moritz, als sie sich flüchtig von ihm verabschiedete, und seine dunklen, fieberglühenden Äugen umfaßten ihre strahlende jugendfrische Erscheinung mit schmerz lichem Entzücken. „Versprich mir, auch in der Freude und dem Vergnügen ein wenig an mich zu denken, dann fällt es mir nicht so schwer, einsam zurückzubleiben." „Sei doch nicht so sentimental", erwiderte Clärchen, seine ab gemagerte Hand, die verlangend die ihre festhielt, unmuthig zu rückweisend. „Das Vergnügen wird nicht so groß sein, und dann brauchst Du ja auch nicht einsam zu bleiben. Fräulein Haase (die Gouvernante) kann Dir ja etwas vorlesen; ich bin nicht eifersüchtig und gebe meinen vollen Segen dazu." Mit einem übermüthigen, aber doch ein wenig nervösen Lachen ging sie davon, während Moritz in peinvollem Schmerz die feucht kalt« Hand an seine Stirne preßte und ein heftiger Husten seine kranke Brust erschütterte. Sein Aeußeres war jetzt allerdings nicht mehr ein derartiges, daß man seinetwegen eifersüchtig zu sein brauchte. Durch die verheerende Krankheit sah seine Gestalt eckig und gebeugt aus; das einst so lebensvolle Antlitz schien in die Länge gezogen, die Schläfen eingedrückt, der Mund mit den schmal gewordenen, blaffen Lippen erschien sehr groß; die Nase trat scharf und charak teristisch hervor, und das Einzige, was in diesem Antlitz schön geblieben, die Augen, lagen tief in ihren Höhlen, und ihr Glanz war schier unheimlich grell und fieberhaft. DaS Schlimmste war, daß Moritz dies wußte, unv dabei nicht bloS von quälenden Erinnerungen, sondern auch von einer pein vollen Eifersucht verzehrt wurde. In solchen Stunden empfand er die ganze Bitterkeit lieblosen Verlassenwerdens, und dabei tauchte oft und immer öfter das Bild der unglücklichen Hedwig vor ihm auf, als wollte sie ihm zeigen, daß dies seine Strafe sei. „Wenn ich wieder gesund bin, soll es anders werden", sagte er oft leise zu sich selbst, während er sich verzweifelt mühte, die quälenden Bilder von sich zu weisen. „Dann werde ich Clärchen zeigen, daß sie mein ist, und daß ich ein Recht habe, sie für mich zu behalten." Clärchen hatte sich vorgenommen, mit vr. Stein zu kokettiren, ihn durch ihre Schönheit zu blenden und durch ihre Liebens würdigkeit zu fesseln; aber sic war zu klug, um nicht bald cin- zusehen, daß er ihre Absicht durchschaute und sie belächelte, und sie ärgerte sich unbeschreiblich darüber. Dann wurde sie kühler und reservirter, um ihn für sein Sclbstbewußtsein zu strafen, und — er lächelte noch feiner und sarkastischer. Sie zürnte ihm, aber sie hing sich mit einem ge fährlichen Eigensinn an den Gedanken, ihn zu besiegen, und sie dachte von diesem Abend an unablässig an ihn. Wenn sie ausfuhr, spähte sie nach ihm, ging sie zu Bertha, so wählte sie eine Stunde, wo sic hoffen konnte, ihn zu treffen; sic schmückte sich, um ihm zu gefallen, und sie verschaffte sich feine Werke, um ihn auch innerlich kennen zu lernen. Sein vielbesprochener Roman, in dem so viel von Noth und socialem Elend die Rede war, interessirte sie nicht; aber seine Novellen entzündeten ihre Phantasie; denn durch jede Zeile schimmerte das eigene, subjektive Denken und Empfinden des Ver fassers. Jetzt, da sie ihn kannte, las sie Manches heraus, was ihr sonst vielleicht entgangen wäre. Eine glühende Sinn lichkeit, ein Durst nach Schönheit und Genuß züngelte gleich Flammen daraus hervor. Dieser Mann, der die freie Liebe verherrlichte, der die Polygamie ganz offen als des Mannes Recht erklärte, der vom Weibe als einzig ihm zukommendes ver langte, daß sie den Mann durch Schönheit und Sinnlichkeit zu fesseln habe, und wenn ihr dies nicht mehr gelingt, all' ihr An recht als erloschen erklärte, er däuchte ihr trotz alledem, oder vielleicht gerade deshalb erhaben und bewundernswerth, so be- wundecnswerth, wie ihn eben nur Liebe und Leidenschaft zu finden ^vermochten. Sia verachtete Moritz, daß er um ihrer Schönheit willen ihr Sklave, war, aber sie hatte jetzt nur noch einen Wunsch, eben durch ihre Schönheit den Mann zu berücken, der ihr Blut zum ersten Male in unruhige Wallung versetzte. Def gesuchte und deshalb gefällige Zufall führte sie öfters im Hause des Hofraths zusammen. Es war, als trieben sie zwingende, magische Bande innerlich zu einander hin; aber äußerlich kamen sie sich kaum näher, vr. Stein respectirte die Gastfreundschaft, und Clärchen wußte, daß ihr Schwager sowohl als auch Bertha in solchen Dingen keinen Spaß verstanden. Bertha war vielleicht die einzige Frau, die Or. Stein mit auf richtiger Hochachtung verehrte — er kannte übrigens ihre Ge schichte — und die er trotz ihrer hohen und reinen Schönheit felbst in Gedanken nicht mit unlauteren Wünschen befleckte. Auch Senzi bewunderte er sehr. Ihr gegenüber kam seine Theorie mit der Praxis beinah' in Conflict. Hier gab es keine ent- gegenkommendenBlicke.teinlockendes, verführerisches Lächeln, kein verheißungsvolles Erröthen, was seiner Theorie nach unbedingt dazu gehörte, um eine Frau bezehrenswerth zu machen; sie unterhielt sich gern mit ihm, sah ihn freundlich, aber mit nie versiegender Ruhe an, und er konnte sich nicht verbergen, daß er ihr vielleicht angenehm, aber, im Grunde genommen, sehr gleichgiltig war, und doch war sie ihm ganz und gar nicht glcichgiltig. Vielleicht reizte sie seine dichterische Natur. Er dachte darüber nach, wie wohl diese herben Linien, um den lieblichen Mund ge graben, wie ihre schönen, tiefblauen Augen wohl aussähcn, wenn sie in holder Leidenschaft erglühten, ob diese süßen, rothen Lippen wohl hingebend zu küssen verstehen. Er dachte so sehr und so oft darüber nach, daß ihn zuletzt ein heißes Verlangen erfüllte, dies zu erproben, und wenn er sich auch zu sehr in der Gewalt hatte, um diese Wünsche nicht sorgfältig verstecken zu können, so errieth sie Clärchen doch mit dem Scharfsinn heimlicher Leidenfchaft. Es war als wolle sich das .Herz dieser Frau rächen für sie langen liebeleeren Jahre, als wolle es Alles nachholen, was es bis jetzt versäumt. Sie liebte Or. Stein mit einer Leidenschaft, die sie zuvor nie für möglich gehalten hätte; all' ihr Sinnen und Denken drehte sich um ihn. Sie wußte und fühlte, daß er ihrer begehrte, aber ebenso sicher fühlte sie auch, daß er ein noch tieferes und höheres Interesse für Senzi empfand, und immer mehr peinigte sie deshalb eine geradezu vernichtende Eifersucht. Sie empfand in diefer Beziehung die ganzen Qualen des armen Moritz, ohne daß sie deshalb zur Einsicht kam, oder mit dem kranken Manne etwas mehr Mitgefühl empfand. Im Gegentheil, er wurde ihr jetzt geradezu lästig, und sie wies seine Berührung mit kaum verhehltem Widerwillen zurück. Sie kam zuweilen allen Ernstes auf die Idee, daß Moritz sie um ihre Jugend betrogen habe, und sie hielt eS beinah' für seine Pflicht, sich so schnell als möglich cndgiltig zurückzuzieyen, um sie von den ihr jetzt unerträglich gewordenen Fesseln zu befreien. Sie hatte Senzi auf ihre Art gern gehabt, aber jetzt ver wandelte sich vieses freunvschafttiche Gefühl in bittere Abneigung. Sie hätte sie gerne Or. Stein gegenüber der Koketterie und Be rechnung bezichtigt, aber Senzi's Schuldlosigkeit war über jesen Zweifel erhaben. Clärchen's kleine Feindseligkeiten konnten sie deshalb nicht schädigen, denn Bertha und der Hofrath ließen sich durch Sie gelegentlichen, anzüglichen Bemerkungen Clärchen's nicht beirren; fo versuchte diese denn, die unfreiwillige Rivalin anderweitig aus dem Wege zu schaffen. Ihr Bruder Bernhard war noch frei, unv eine Annäherung seinerseits an Senzi mußte zum Mindesten das Interesse Di. Stein's ablenkcn und lähmen. Sie erinnerte sich plötzlich, daß sie ihrem Bruver eine Aufklärung über die damaligen Vorgänge schuldig war, und nachdem sie ihn zwölfJahre lang in dem Wahne gelassen, daß Senzi ihm aus materiellen Gründen treulos ge worden, gab sie ihm plötzlich eine ungeschminkte Erklärung der Thatsachen, die sich damals abgespielt. Unter dem Anschein harmloser Schwatzhaftigkeit erzählte sie ihm in einem langen Briefe Senzi's Schicksale, so weit sie ihr bekannt, und daß sie jetzt als Gesellschafterin bei Bertha sei. Was kümmerte es sie, daß Bernhard außer sich gcrieth vor Schmerz und Empörung über das Spiel, das sein Vater damals getrieben. Mochte er jetzt Dummheiten machen, so viel ei'wollte, was ging es sie an! Nichts tonnte ihr erwünschter sein, als wenn er sich Senzi wieder näherte, und daß diese ihn noch liebte, davon war sic fest überzeugt. So wartete sie denn mit Spannung auf den Erfolg ihres Briefes, in der Hoffnung, ihre eigenen, begehr liehen Wünsche damit zu fördern und der Erfüllung näber zu bringen. Dreizehntes Capitel. Clärchen's Geduld wurde vorerst auf eine harte Provc ge stellt. Nickt nur, daß Bernhard nicht sogleich auf der Bildfläche erschien, wie sie eigentlich halb und halb erwartet hatte, er be antwortete auch ihren Brief nicht. Daß er diesen umgehend au Bertha sandte und von ihr Aufklärung oder Bestätigung ver langte, konnte sie nicht ahnen. Er hatte Bertha um strenge Gc beimhaltung gebeten, und diese verstand ^u schweigen. Daß Clär chen einen besonderen Zweck damit verfolgte, war Beiden klar, und nun Bcrtha's Aufmerksamkeit einmal geweckt war, erkannte sie bald die Motive von Clärchen's Vorgehen. Doch konnte sie Bernhard'L Fragen über die damaligen Vorkommnisse nicht be antworten. Sie hatte man nicku eingewcibt; auck war sie damals zu sehr mit sich selbst besckästigt gewesen, um sich für die An gelegenheiten Anderer zu intercsfiren. Senzi selbst hatte nis etwas erwähnt, und Bertha war zu zartfühlend, um durch neu gierige Fragen verharschte Wunden wieder aufzureihen. Doch
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