02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.04.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990425024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899042502
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899042502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-25
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Reclamen unter dem RedactionSsrrich (-ge spalten) bO/^, vor den Familiennachrichteu (6 gespalten! 40 Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Taris. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbesörderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. ^nnahmeschluß für Äuzeigen: Ab end-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei Len Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Oxpedittan zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig, 208. Dienstag den 25. April 1899. 93. Jahrgang. Polnische Lagesschau. * Leipzig, 25. April. Wie wir im gestrigen Abendblatte an anderer Stelle mittheilten, glaubt die „Post" die Aussichten des Aletsch- beschangcsetzkS als nicht ganz schlecht bezeichnen und die Erwartung hegen zu dürfen, daß der Bundesrath die Be stimmungen der Vorlage über die Untersuchungs Pf licht für die Hausschlachtungeu ganz fallen und wegen der für ihn in Aussicht genommenen Vollmachten mit sich reden lassen werde. Heute äußert sich die „Nordd. Allgem. Ztg." über die Vorlage folgendermaßen: Die Reichstagscommission, der die Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau, zugewiesen ist, sicht üch einer verantwortungsvollen Ausgabe gegenübergestellt. Die Noth- Wendigkeit und Dringlichkeit von Bestimmungen zur Durchführung einer einheitlichen leichsgesetzlichen Fleischbeschau ist bei der ersten Lesung der Vorlage im Reichstage von keiner Seite bestritten worden. Tie Befreiung der Hausschlachtungen von der allgemeinen Regelung wäre ein verhäng nißvoller Schritt, der nicht nur das dem Flcischbeschaugesetz zu Grunde liegende Princip in bedenklicher Weise durchbrechen, sondern auch praktische Bedenken rege machen müßte. Da das Fleisch der im ländlichen Haushalt geschlachteten Thiere zur Nahrung für eine große Anzahl von Landarbeitern Verwendung findet, ferner vielfach zur Ver sendung und zum Verkauf gelangt, so würde solchergestalt ein nicht unbeträchtlicher Theil des für den Consum der Bevölkerung be stimmten Fleisches der Schancoulrole entzogen sein, eine Consequenz, die unter Umständen sich als sehr mißlich erweisen könnte. Die in Aussicht genommenen Vorschriften über die Behandlung der nach Deutschland eingeführten Fleijchwaaren sind das Ergebniß von Erwägungen, welche den praktischen Verhältnissen Rechnung Drogen. Die zwiefache Beschau läßt sich bei der Einfuhr von Fleisch 'au» dem Auslände nicht verwirklichen. Die Vorlage hat mithin die allgemeinen Vorschriften in ihrer Anwendung auf das aus- ländtfche Fleisch entsprechend abänderu müssen. Einen gewissen Ersatz für die Untersuchung der lebenden Schlachtthiere bietet sich in den (bekannten) Ermächtigungen des Bundesraths. Hier durch soll bis zu einem gewissen Maße Ersatz für die das inlän dische Fleisch betreffende Vorschau geboten werden. Man hat diesen Au»weg wählen müssen, weil als feststehend zu betrachten ist, daß daS deutsche Reich gegenwärtig noch genöthigt ist, seinen Fleischbedars zum Theil vom Auslande zu beziehen, und daß die Gesundheitsverhältnisse Les ausländischen Viehes noch nicht so gestaltet sind, um die Zulassung Les lebenden aus ländischen Viehes über die deutschen Grenzen in breiterem Umfange als bisher zuzugestehen. Obgleich die einheimische Viehzucht in einem erfreulichen Aufschwünge begriffen ist und die Hoffnung aus gesprochen werden darf, daß ihre Productionsfähigkeit an Fleisch in Zukunft sich weiterhin jo entwickeln wird, daß die Zufuhren des Auslandes entbehrt werden können, so kann doch für die Gegenwart eine der jetzigen Einfuhr-Wertbsumme von 69 Millionen Mark entsprechende Einfuhr von 835 963 Toppel-Centnern Fleisch nicht ausgeschlossen werden. Sollten die bezüglichen Verhältnisse in Zu- kunft sich ändern, so ist gerade durch den vorliegenden Gesetzentwurf über die Fleischbeschau die Handhabe geboten, der inländischen Fleischproduction einen Vorsprung vor der ausländischen Concnrrenz zu sichern. Das klingt jedenfalls nicht so, als ob man an der Stelle, als deren Organ die „Nordv. Allgem. Ztg." anzusehen ist, die Absicht hegte, die Befreiung der Hausschlachtungen von der allgemeinen Regel zuzugestehen und die für den BuudeS- rath geforderten Vollmachten zu Gunsten fester und schärferer Bestimmungen über die Untersuchung eingesührtcr Fleisch- waaren beschränken zu lassen. Die Commission wird daher vergebens arbeiten, wenn sie im Vertrauen auf die Vermuthung der „Post" auf den Standpunkt sich stellt, den bei der ersten Lesung im Plenum besonders der Führer des Bundes der Landwirthe einnahm. Erleichterungen der Untersuchungspflicht für die Hausschlachtungen werden sich vielleicht ohne besondere Nachtbeile ermöglichen lassen. Aber bezüglich der eingeführten Fleischwaaren wird der Bundesrath im Wesentlichen an seinen Forderungen festhalten müssen, wenn nicht nach dem Vorschläge des Abgeordneten Sieg ein Ausweg dahin getroffen wird, daß man die Einfuhr auswärtiger Fleischfabrikate durch die Ein fuhr lebenden Viehes aus seuchenfreien Gegenden, das dann durch deutsche Thierärzte bei uns untersucht werden könnte, möglichst zu verdrängen sucht. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Das erfahren die konservativen des Reichstagswahkkreises Melle-Diepholz und ihre Gesinnungsgenossen im Reiche, soweit sie nicht von vornherein das gewagte Experiment der land- räthlichen Candidatur mißbilligt haben. Die Klerikalen sind den Nationalliberalen sicherlich nicht hold und die Ver doppelung der nationalliberalen Stimmenzahl bei der Ersatzwahl in Melle-Diepholz hat sie gewiß nicht erfreut. Größer aber noch als die Mißgunst gegen alle Nationalliberalen ist die Schaden freude über die Niederlage, die die Conservativen sich zugezogen haben. So schreibt die „Köln. Volksztg.": „Wir haben die Hoffnungen der Conservativen nicht getheilt und sind durch das Wahlresultat in keiner Weise überrascht. Zwar war uns nicht unbekannt, daß die Behörden in Melle-Diepholz für Herrn v. Pestel ins Zeug gingen, aber in Westdeutschland wirkt das lange nicht so, wie jenseits der Elbe; e» lann sogar Vorkommen, daß Regierungsprotection bei Wahlen nachtheilig wirkt. An „Disciplin" gewöhnte Pommern oder Ostpreußen würden aller dings den Landrath gewählt haben, aber die Hannoveraner sind aus anderem Holze geschnitzt. Man hat es sich doch zu leicht gedacht, den Conservatismus in Hannover cinzuführen, indem man der Autorität des Bundesdirectors vr. Hahn folgte, der allerdings einer der größten Feldherren aller Zeiten wäre, wenn man Siege mit dem Munde und mit Illusionen erfechten könnte." Verspottet die „K. V.-Z." die Conservativen und den Bund der Landwirthe, so gilt die zärtliche Sorge der „Germania" den befreundeten Welsen. Das Centrum ist zwar in den letzten Fahren sehr „national" geworden und kann sich auf hohe und höchste Anerkennung berufen, wie nur irgend ein Fabrikant eines neuen Mundwassers, aber es versteht mit einer nationalen Ge sinnung sehr wohl die Fürsorge für eine Partei zu vereinen, die ohne Gewissensbisse das deutsche Reich in Flammen aufgehen ließe, wenn nur aus der Asche das Königreich Hannover neu erstände. Wenn übrigens die „Germania" den Sieg des welfischen Candidaten in der Stichwahl inbrünstig erhofft, so darf man sich damit trösten, daß die Klerikalen im Wahlkreise Melle-Diepholz „nix to seggen" haben. Denn der Wahlkreis ist nur zu 12 Proc., also kaum zu einem Achtel, katholisch und so weit die Katholiken des Kreises ultramontan gesinnt sind, haben sie natürlich schon im ersten Wahlgange für den Welfen gestimmt. Von dieser Seite also hät der welfische Bewerber trotz aller Wünsche und Hoffnungen der „Germania" in dec Stichwahl keinen neuen Zuzug zu erwarten. Immerhin wären die Hoff nungen des ultramontanen Blattes sehr lehrreich für die Conser- vativen und die Regierung, wenn diese geneigt wären, über die Natur des Centrums sich belehren zu lassen. Der Mangel an veulfchen Priestern bildet eine be ständige Klage der Deutschen in den österreichische» Sudetenländern. Der tschechische Seelsorger ist auf deutschem Boden gewöhnlich der Bahnbrecher der^Tschechisirung. Er zieht tschechisches Gesinde heran und läßt sich von den Tschechisirungsvereincn, die das Ansässigmachen tschechischer Ele mente in deutschen Orten betreiben, als Mittelsperson gebrauchen. Für die Zugewanderien wird dann tschechischer Gottesdienst ein geführt, bald wird überhaupt nicht mehr deutsch gepredigt und das Ende ist die tschechische Schule. So sind viele deutsche Orte an der Sprachgrenze der Tschechisirung zugeführt worden. Der Ruf nach deutschen Priestern verhallte ungehört, da der öster reichische Episkopat aus Abneigung gegen den deutschen 'Libera lismus die Slawisirung fördert. In den Priesterseminaren der Sudetenländer studiren fast nur tschechische Bauernsöhne. Das städtische Element geht lieber anderen Berufen nach, Söhne deutscher Bauern halten es aber nur selten in den Seminaren, wo ihnen der Aufenthalt von der tschechischen Umgebung in jsder Weise verleidet wird, bis zum Abschlüsse der Studien aus. Maßregeln zur Beseitigung des deutschen Priestermangels hat der schlesische Landtag zuletzt im Jahre 1897 gefordert; die seither unter dem Schlagworte „Los von Rom" in den Fluß ge kommene Abfallsbewegung ist der Sache zu statten gekommen, allein nicht von den hierzu berufenen Faktoren in Oesterreich kommt die Abhilfe, sondern von auswärts, vom Breslauer Car dinal-Fürsterzbischof Or. Kopp, der, wie gemeldet, für den österreichischen Theil seines Bisthums ein deutsches Priesterseminar in Weidenau errichten läßt. Die Tschechen sind darüber sehr entrüstet und ihre Blätter be schuldigen den Cardinal der „systematischen Germanisirung", wenn verhindert wird, daß deutsche Gemeinden tschechische Priester erhalten. Selbstverständlich liegt dem „internationalen" römischen Bischof nicht di« Germanisirung der Sudetenländer am Herzen, ihm kommt es nur darauf an, der Los-von-Rom- Bewegung einen Damm entgegenzusetzen, was nur dadurch zu erreichen ist, daß man den Deutschen deutsche Priester giebt und so wenigstens ihr nationales Empfinden beschwichtigt. Der Cardinal-Fürsterzbischof ist ein kluger Rechner im Dienste Roms, das diesmal, sehr im Widerspruch mit seiner bisherigen Politik, das Deutschthum in Oesterreich fördern muß. Freilich bleibt ihm immer noch die Hoffnung, das nationale Empfinden, nach dem es beschwichtigt ist, zu ersticken. An Mitteln fehlt es der Papstkirch« bekanntlich nicht. Von unterrichteter Seite wird uns geschrieben: Der eng lische Telegraph arbeitet nach und von allen Himmelsrichtungen, Mißstimmung gegen Deutschland zu erregen. Bald ist es das Maulheldenthum eines von einem Clubefsen zum anderen taumelnden, bezechten amerikanischen Capitäns, welches das „Bureau Reuter" gesprächig macht, bald werden angeblich aus Berlin stammende Meldungen über die„Ausdehnung des deutschen Einflusses in K l e i n - A s i e n " von einem Londoner Depeschen bureau in die Welt geschickt. Hat die Nachricht über die Nachtisch rede des Capitäns Coghlan den Zweck, die lügenhafte Legende von der feindseligen Haltung Deutschlands gegenüber der Union während des spanisch-amerikanischen Krieges wieder in Gang zu bringen, so soll die Meldung über deutsche Absichten auf Klein- Asien jene Märchen auswärmen, die, auf Rußland berechnet, vor und während der Palästinareise des Kaisers erzählt wurden. In beiden Fällen wird die Absicht nicht erreicht werden. Die Haltung des amerikanischen Staatssekretärs Hay in Sachen Coghlan zeigt deutlich, daß die deutsch-amerikanischen Beziehungen sich zum Besseren gewendet haben. Was aber die Wirkung anbetrifft, welche die Erdichtung deutscher Pläne be züglich Klein-Asiens auf Rußland ausübt, so kann als Be weis für die Fruchtlosigkeit derartiger Ausstreuungen das Schweigen gelten, das die überwältigende Mehrheit der russischen Blätter seit Monaten allen solchen Nachrichten gegenüber beob achtet. Eine Ausnahme machen nur die „Nowosti", in denen bekanntlich nicht russische, sondern polnisch-französische Federn zu Worte kommen. Gleichwohl wird man darauf gefaßt sein müssen, daß die englischen Preßtrerbereien um so konsequenter werden fortgesetzt werden, je erfolgloser sie sind. Kaum hat England in Afrika mit Frankreich abgerechnet, so richtet sich das Auge des britischen Ländergeiers schon wieder auf die TranSvaal-Repnblik. Man meldet unS: * London, 24. April. Im Unterhaus beantragte Dillon einen Abstrich bei dem Posten „Vermehrung der Casernenbavten in Südafrika", indem er ausführte, Balfour's frühere Dar- legungen seien ungenügend. Der Minister für die Colonien Chamberlain führte ans, was die Flotte betreffe, so werde von der Regierung in dem Falle, daß irgend eine Macht, so freund lich ihre Beziehungen zu England sein möge», ihre Flotten» macht erhöhe, in gleichem Maße eine Flottenvermehrung vor genommen werden, wobei sie nicht den Gedanken an ein offensives Vorgehen, sondern nur den Grundsatz der Defensive im Auge habe und von der Annahme auSgehe, daß sie verpflichtet sei, eine gewisse Proportion zwischen der britischen Flotte und den Flotten anderer Länder aufrecht zu erhalten. In Südafrika handele es sich um eine Landesgrenze, und auf die Land streitkräfte seien dieselben Grundsätze anzuwenden. Transvaal habe in jüngster Zeit seine Streitkräfte zur Offensive oder Drfensive ganz gewaltig vermehrt. Unter solchen Umständen fei die Streitmacht, die die Regierung früher zur Berthridigung für ausreichend gehalten habe, jetzt völlig unzureichend geworden.— Labouchere und andere Liberale verurthrilten den Ton Chamberlain'» scharf, der Antrag auf Abstrich wurde indessen mit 103 gegen 22 Stimmen verworfen. Auch außerhalb des Parlaments machen die Vorkämpfer des britischen Imperialismus leidenschaftlich Front gegen jede Verminderung der englischen Streitkräfte in Südafrika. Wenn mau ihren Darstellungen des Sachverhalts glauben wollte, so ständen die Boeren gerüstet, um bei dem geringsten Anzeichen der Schwäche gegen daS englische Regime am Cap zu Felde zu ziehen und es spurlos vom südafrikanischen Boden hiuwegzufegen. In Consequenz dieser Theorie müßte also, wie Chamberlain es auch aussprach, England ferne Südafrika-Garnisonen nicht nur nicht vermindern, sondern nach Möglichkeit verstärken. Wie Letzteres anzufaogen sein möchte, ist einstweilen das Geheimniß der Imperialisten, da von der indischen Armee, unter dem Eindrücke der jüngsten aus Persien und Beludschistan, sowie auS den afghanischen Grenzläudcrn und den Pamirgebieten gekommenen Nachrichten kein Manu abgegeben werden kann, und die heimathlichen Truppenkörper in erschreckend zunehmendem Procentsatze ihren Abgang aus unreifen, kaum dem Knabenalter entwachsenen, zum Ertragen der militärischen Strapazen untauglichen Burschen ersetzen müssen. Die Effektivstärke des englischen Continzents in Südafrika beziffert sich gegenwärtig auf rund 9000 Mann, die sich über alle dortigen Besitzungen, also über ein unge heures Gebiet, vertheilen, während das Boerenaufgebot in Feuilleton. Errungen. 13s Roman von M. Bnchholtz. . Nachdruck verboten. „O bitte, Comtcffe, durchaus nicht, obgleich Herr von Tarden die Auszeichnung nicht verdient, denn ich bin ihm sehr böse, daß er uns seine Schwester nicht mitgebracht hat." „Ach richtig, Durchlaucht, Sie hatten ja Ihr Wort gegeben, daß Fräulein v. Tarden heute hier anwesend sein würde", lachte Hella, „daran habe ich noch gar nicht gedacht. Schade, daß ich die Wette nicht gehalten habe." „Wie beliebt?" fragte Stanislaus scharf und streifte mit einem finsteren Blick den Fürsten, der peinlich durch 'Hella's un überlegte Worte berührt wurde. „Sie müssen meinen Wunsch, Alles, was in meiner Macht stand, zu versuchen, um Ihr Fräulein Schwester zum Kommen zu bewegen, nicht falsch auffassen, Herr Leutnant. Comtesse weiß am kxsten, wie sehr ich mich über das Erscheinen Ihrer Fräulein Schwester gefreut hätte." „Jedenfalls ist meine Schwester in keiner Beziehung ein Gegenstand für Wetten, das müßten Comtesse und Durchlaucht wissen, obgleich beide Herrschaften nur wenig den Vorzug haben, meine Schwester zu kennen!" Der Ton klang noch mehr als die Worte ernst zurechtweisend, aber Hella, die wohl empfand, etwas Taktloses gesagt zu haben, nahm die Zurechtweisung aus dem Munde Stanislaus' nicht übel. Wie hübsch er dabei aussah, wie ernst und wie gut! Mit einem stolzen Blick sah sie zu ihm auf; ach, er war doch ein ganzer Mann, und wie unbedeutend sah die kleine Durchlaucht gegen ihn au»! „Sie müssen nicht jedes Wort, das ich spreche, auf die Gold waage legen, Herr Leutnant", sagte sie abbittrnd, „ich weiß, daß ich oft ganz unverantwortliches Zeug rede, aber — ich bin nun einmal eine kleine Plappermühle; seien Sie deshalb nicht böse!" Hella konnte mit dem Blick, der sie für diese Wort« löhnte, zufrieden sein, und sie war es auch und genoß froh und unbe kümmert, ganz ihrem leichtlebigen Temperament nachgebend, di« Stunden des Abends. Dabei verfiel sie wieder mehr und mehr dem alten Zauber, den Stanislaus vom ersten Augenblick an auf sie ausgeübt hatte, und war doch dabei klug genug, auch dem Fürsten ihre Liebenswürdigkeit nicht vorzuenthalten. In der That war sie einem glänzenden Falter gleich, der hin und her gaukelte im wonnigen Sonnenschein des Augenblicks. Man war bei Tische außerordentlich vergnügt, und Hella ließ mit klugem Sinn in ihrer Unterhaltung keinen ihrer beiden Ritter zu kurz kommen. Sie waren Alle zusammen in eine sehr ausgelassene Stimmung gerathen und hatten beschlossen, morgen, am letzten Tage, den Stanislaus noch in Domnika war, eine Reitpartie zu unternehmen, und zwar nach einer kleinen Försterei, um dort eine Weile auszuruhen und dann den Rückweg neu gestätkt an zutreten. „Reitet Ihr Fräulein Schwester auch?" fragte Hella. „Sie ist eine der besten Reiterinnen, die ich kenne!" „Dann muß sie auch von der Partie sein", bat sic freundlich, und der Fürst stimmte lebhaft zu. „Ich sage in meiner Schwester Namen zu und verbürge mich für ihr Kommen." „Soll ich dagegen wetten?" fragte Hella schelmisch. „Dieses Mal würden Comtesse die Wette verlieren", lachte Stanislaus, und setzte dann leise hinzu, da der Fürst gerade anderweitig sprach, „Gi«b mir das Versprechen, Schatz, daß Du sehr lieb mit Greta sein willst; sie ist nicht gewohnt, mit Frem den zu verkehren, und fühlt sich leicht zurückg«setzt und gekränkt. Willst Du?" Hella nickte und drückte ihm unter dem Tisch die Hand. Sie war froh und munter, schwatzte und lachte und gab sich nach dem Souper mit voller Lust dem Tanze hin. Wie schön war das Leben! Thor, der sich den Augenblick der Lust mit unnütz«» Sorgen vergällte. Der alte Herr von Tarden glaubte sich in seine Jugend zurück versetzt, als er durch die Zimmer schritt, in denen noch Alles stand und hing wie vor jenen langen Jahren, in denen er als frischer, lebenslustiger Mensch in diesem Hause aus- und eing«gang«n war, verwöhnt und verhätschelt, ein Liebling der Gesellschaft, deren Huld plötzlich verschwand, als rr durch seine Heirath gegen ihre Ansichten verstieß. Was lag nicht All«s Misch«» heute und j«n«r Zeit! Manches, was er lieber nicht durchlebt und gethan hätte, und Vieles, was er sich anders gedacht hatte! Damals war er ein Kind des Glückes gewesen, und heute war er ein alter Mann, unbefriedigt durch sein L«ben und ein Raub aller möglichen Sorgen. Er lehnte an der Saalthür und sah seinen Sohn mit Hella von Zittberg im Tanze sich wiegen. Wahrlich, rin schönes Paar! So mochte auch er wohl ausgesehen haben vor jenen Jahr«n, als er in diesem selben Hause mit der Mutter des schönew Mädchen» so manchen Reigen getanzt hatte. Jetzt stand er, ein müder, alter Mann, und sah ein neu heranwachsendes Geschlecht in derselben Lust und Freude dieselben Vergnügungen genießen, ohne daran zu denken, wie bald die Lust verhallen und in einem düsteren Accord ausklingen konnte. Nicht weit von ihm, hinter einigen hohen Topfgewächsen, saßen Gräfin Zittberg und einige andere ältere Damen der Ge sellschaft, und eine machte, als Hella mit Stanislaus vorüber tanzte, zur Gräfin gewandt, eine Bemerkung über das schöne Paar, das man heute so viel zusammen sah. Aber diese Aeuße- rung fand keine Gnade vor den Ohren der Commandeuse, die nachlässig ihren Fächer bewegte und laut genug, daß es auch Herr von Tarden, der auf das Gespräch aufmerksam geworden war, verstehen konnte, sagte: „Wie mir gesagt wurde, ist dieser junge Officier ein Sohn von dem alten Herrn von Tarden auf Domnika, und ich begreife nicht, daß Hella so liebenswürdig gegen diesen jungen Mann ist." „Nun, «r ist ein schöner Mann und augenscheinlich ein guter Tänzer!" „Das mag sein, aber meine Hella sollte ihm in ihrer süßen, unschuldvollen Art nicht so gütig entgegeniommen. Er ist aus keiner besonderen Familie, und solche Leute ergreifen oft statt des gebotenen kleinen Fingers die ganze Hand!" „Nun, wer kann wissen", lacht« die junge Frau von Raben, die hinzugetreten war, „es kann Alles kommen. Gott Amor ver sendet seine Pfeile mit geschlossenen Augen!" „Ich muß sehr bitten, meine liebe Frau von Raben, der gleichen Aeußerungen nicht wieder zu machen; meine Hella und der Sohn dieser Leute — unmöglich!" Weiter hörte Herr von Tarden nichts mehr. Im Begriff, seiner heftigen Aufwallung nachzugeben und der Frau, die mit solch einem grenzenlosen Hochmuth über ihn und seine Familie sprach, rücksichtslos einige Worte zu erwidern, wurde er daran durch Landrath König gehindert, der auf ihn zutrat, um ihn zu bitten, mit ihm und Rittmeister von Raben eine Partie Scat zu spielen, welcher Aufforderung rr sofort nachkam, indem er inner lich sich noch lange über „niederträchtiges Weiberq«klatsch" ak- terirt«. Die Uhr zeigte schon «ine frühe Morgenstunde, als die Gäste Schloß Rahdenau verliehen und auch die beiden Herren v. Tarden nach Hause fuhren. Stanislaus hatte sich den Paletotkragen em porgeschlagen und war selig im Gedanken der vrrfloffenen Stun den und in Erwartung der kommenden. Denn die Reitpartie, an der sich auch Rittmeister Raben und seine Frau betheiligen woll ten, war eine beschlossene Sache und ließ neues Vergnügen und neue wonnige Stunden erhoffen. „Was ist das für ein kokettes Ding, diese Hella von Zittberg", sagte plötzlich sein Vater, „ich begreife nicht, Stanislaus, daß Du Dir gerade Die zum Gegenstand Deiner Huldigungen erwählen konntest." „Warum nicht?" fragte Stanislaus verwundert. „Weil sie genau so hochmüthig und gefallsüchtig wie ihre Mutter ist. Wenn die gegenseitigen finanziellen Verhältnisse nicht an und für sich ein Grund wären, um einem in Dir aufstrizen- den Wunsch nach dieser Richtung hin hindernd zu sein, so möchte ich Dich bei Zeiten warnen, denn man kann sich vielleicht mit die sem Mädchen amüsiren, aber sie niemals heirathen. Schon der Gedanke an eine solche Schwiegertochter könnte mich vollständig in Harnisch bringen." „Aber ich bitte Dich, Papa", lachte Stanislaus gezwungen, „ich begreife Dich in der That nicht!" „Ilm mich Dir begreiflich zu machen, müßte ich auch sehr weit ausholen. Aber ich kenne die Frauen, glaub es mir. Meine War nung in dieser Beziehung ist auch ziemlich überflüssig; Du siehst die kleine Hexe morgen zum letzten Mal, wenigstens zum lchtcn Mal für lange Zeit, und das ist gut. Die ganze Reiterei hätte übrigens besser unterbleiben können; aber nun sie einmal ver abredet ist, mag es sein." / Stanislaus schwieg; was hätte er auch erwidern sollen? Er war schließlich Mann genug, auch gegen des Vaters Ansichten sich seine Gattin zu wählen, aber es verstimmte ihn, daß «r auch in seiner Familie auf Widerstand stoßen würde, wenn er seine Verlobung bekannt machte. Das hatte er nicht erwartet, und die Andeutung des Baiers über die gegenseitigen finanziellen Ver hältnisse waren gleichfalls niederdrückend genug. Von Ransau, der den Herren schon vom Hofe entgegenkam und mit dem rr, weniger verstimmt, wohl gern noch geplauderi hätte, verabschiedete er sich schnell und begab sich sofort auf sein Zimmer zur Ruhe. Er schlief auch, trotz der verdrießlichen Ge danken, bald ein. Die Sonne schien schon lange in seine Fenster, als er erwachte und «in Blick auf seine Uhr ihn belehrte, daß es die höchste Zeit wäre aufzustehen, um Greta von dem projectirken Vergnügen zu erzählen und di« nöthigen Anordnungen zu treffen. Er fand Mutter und Schwester im Wohnzimmer, und nachdem er ihre Fragen über alle möglichen Einzelheiten des gestrigen Abends be antwortet hatte, erzählte er Greta, wie sehr man ihr Fernbleiben gestern bedauert hätte. Diese lächelte Sazu ungläubig und fuhr ordentlich erschrocken auf, als er ihr dann von der heutigen Reit partie, zu dem er auch fest ihr Erscheinen zugesagt habe, berichtet«.
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