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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.09.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189609069
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18960906
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18960906
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-06
- Monat1896-09
- Jahr1896
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.09.1896
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Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Ztsfernsatz uach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen>Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend.Ausgabe: Bormittag« 10 UhL Margea-Au-gabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von T. Pol« in Leipzig SO. Jahrgang. ^°454. Sonntag den 6. September 1896. Bestellungen auf Neiseabormements nimmt entgegen und führt für jede beliebige Zeitdauer aus 61v LxpeiUtlon äe» Johannisgasse 8. Aus -er Woche. /S Unter den Trägern glänzender Namen, die jetzt in Breslau um Kaiser und Zar versammelt sind, vermißt der Vaterlandsfreund mit erneutem Schmerz den, der alle zu überragen pflegte, den eisernen Kanzler; und er wiederholt die Klage darüber, daß dem Fürsten BiSmarck nicht ver gönnt war, wie Fürst Lobanoff „in den Sielen" zu sterben. Es würve uns nicht Wundern, wenn auch frei sinnige Blätter die Zusammenkunft in Breslau zum Anlaß nähmen, das vorzeitige Scheiden Bismarcks aus dem Amte nachträglich zu bedauern. Denn die Größe dieses Berlustes wird im freisinnigen Lager gerade jetzt be sonders tief empfunden, wo eine unverantwortliche Neben regierung die Rolle eines „Skeletts im Hause" des Reiches spielt. Wie schon häufig in den letzten Jahren, so führt nun die freisinnige Presse gegen die unverantwortlichen Rathgeber die Autorität des Fürsten Bismarck ins Feld, indem sie, mehr oder weniger lebhaft zustimmend, aus dem Kohl'schen „Bismarck-Jahrbuche" Aktenstücke abdruckt, welche zeigen, mit welcher leidenschaftlichen Schärfe Bismarck die Einmischung Unverantwortlicher inStaatsgeschäste bekämpfte. Bekanntlich will der oft von officiöscr Seile bediente „Hamb. Eorr." wissen, daß der springende Punct der letzten Minister- IrisiS, das Verhältniß zwischen Ministerium und Militair- rabinet, nur in einem besonderen Falle einen Ausgleich, aber keineswegs eine grundsätzliche und dauernde Lösung erfahren babe. Man braucht kein Pessimist zu sein, um das für wahr scheinlich zu halten. Immerhin lassen die Auszeichnung, die dem Chef des Militaircabinets General von Hahnke jüngst zu Theil wurde, und die Ankündigung, er werde der Nach folger des Generalobersten von Loö als Oberbefehlshaber in den Marken und Gouverneur von Berlin werden, die An nahme zu, daß dem Einflüsse dieses unverantwortlichen Berathers ein gewisses Ziel gesetzt werden soll. Der Sedan tag ist nicht vorübergegangen, ohne die Reichshauptstadt unliebsam in Erinnerung zu bringen. Zwar hatten die Straßen Berlins ihr Festgewand angelegt, Vereine und Körperschaften gedachten des Tages bei Com- mersen, turnerischen Spielen, Concerten rc.; aber die Börse war zum ersten Male seit sechsundzwanzig Jahren nicht geschlossen. Muß „das Geschäft" denn wirklich „über Alles" gehen? Und wäre der Volkswohlstand andernfalls auch nur um einen Deut geschädigt worden? Der Börse würdig zeigte sich das alte Reichstagsgebäude. Inmitten der geschmückten Häuser der Leipziger Straße stand es kahl da, obne Fahne, ohne Schmuck. Ueber dem einen Thore dingen einige Fetzen uralter Laubgewinde, die einst das Schild einer Bilderausstellung umrahmten; zu beiden Seiten deS Haupteingangs war die Speisenkarte der in dem historischen Hause errichteten Wirtschaft angebracht, und in einer Reihe von Fenstern las man die Ankündigung einer neuen Kohlen staubfeuerung. So berichtet die „Schief. Ztg". Wir fragen: Hat denn dort ein socialdemvkratischer Budiker sich häuslich niedergelassen? Ein in der Weltstadt Greiz erscheinendes particula« ristisches Blättchen — wie heißt es doch gleich? — hat cs der „Kreuzztg." zum Vorwurf gemacht, daß sie den guten alten Kaiser Wilhelm I. Deutschlands unvergeßlichen „Landes vater" genannt habe. Voll heiligen Zorns schreibt das Blättchen: „Wir behalten uns und allen reußischen Landsleuten, soweit sie treue Unterlhanen sind, das Recht vor, daß wir unseren durch lauchtigsten Fürsten zunächst als unseren ganzen ungetheilten Landesvater betrachten, und daß wir uns förmlich und feierlich dagegen verwahren, daß wir einen Theil oder gar das Ganze unserer landcskindlichen Liebe an den König von Preußen abtreten sollen." Dieser förmliche und feierliche Ausdruck landeskindlicher Liebe, der zugleich in der geistvollsten Weise das hohen- zollernsche Kaiserthum negirt, ist in der Presse leider nicht nur nicht mit der gleichen Feierlichkeit ausgenommen, sondern sogar mit spöttischen Glossen versehen worden. Eine rühm liche Ausnahme macht nur die „Kreuzzeitung" selbst, die dadurch dem Greizer Blättchen das Recht giebt, mit Sir John Falstaff zu sagen: „Ich bin nicht blos selbst witzig, sondern auch Ursache, daß Andere Witz haben." Die „Kreuz zeitung" nämlich setzt des Langen und Breiten aus einander: nicht sie habe Kaiser Wilhelm I. als Deutschlands Landesvater bezeichnet, sondern eine Anzahl Berliner Bürger in der Kundgebung, die zur Feier deS 100. Geburtstages Wilhelm's I. ausfordere. Und mit ungemachtem, dem landes kindlichen Protest durchaus adäquatem Pathos versichert vaS Organ der äußersten Rechten: „Uebrigrn» haben wir keinen Anlaß, uns gegen den Vorwurf centralistischer Neigungen zu vertheidiaen; denn wir sind un bewußt, daß wir stets die peinlichste Anerkennung der verfassungs- mäßigen Befugnisse der deutschen Landesfürsten und ihrer Regie- rungen dem Reiche gegenüber verlangt haben. Es bedarf deshalb keiner besonderen Versicherung, daß auch nach unserer Auffassung die Bezeichnung des Kaisers als des LandcSvater« Deutschlands dem ReichsstaatSreckte nicht entspricht." DaS Greizer Blättchen wird auf den Erfolg, den ihm die „Kreuzztg." bereitet, nicht wenig stolz sein. Wir bösartigeren Europäer aber erinnern uns, daß Shakespeare seinen Prinzen Heinrich sagen läßt: „In jedem Dinge muß die Absicht mit der Tborheit auf die Waagschale gelegt werden." Welche Absicht hatte die „Kreuzztg", al« sie mit dem Greizer Blätt chen auS solchem Anlaß üoer ReichSstaatSrecht diSputirte? Der Aufruhr in der Redaction de« „Vorwärts" hat einem sensationslüsternen Generalanzeiger Enthüllungen über die Nachfolge Liebknecht's entlockt, vr. Adolf Braun sollte, so hieß es, an Liebknecht's Stelle Chefredakteur des „Vorwärts" werden; ihm sei durch die Verehelichung mit der verwittweten Frau von Gizyki, geb. von Kretschmann, der Kamm geschwollen, da der Uebertritt dieser begabten Streiterin für die „Frauenrechte" einen großen Gewinn für die Partei bedeute u. s. w. Die ganze Geschichte war so sensationell aufgeputzt, daß wir sie nicht erst erwähnten. In zwischen hat sich herausgestellt, daß die verw. Frau von Gizyki nicht den „Vorwärts"-Nedacteur Brann, sondern dessen Bruder geheirathet hat. Auch die sonstigen Angaben werden dementirt. An der Thatsache der Palastrevolution wird damit natürlich nichts geändert. Aber irgend welche größere Bedeu tung können wir vorläufig ihr nicht beimessen. Der Streit dürfte ausgehcn wie daS Hornberger Schießen. Herr Lieb knecht wird wohl bis an sein Lebensende Chefredakteur des socialdemokratischen Centralorgans bleiben. Den Be fähigungsnachweis dafür hat er, das muß man ihm lassen, glänzend erbracht: die socialdemokratische Partei kann nicht leicht Jemand finden, der die Verhetzung der Massen mit solcher Meisterschaft und Skrupellosigkeit betreibt wie er und dabei Großmuth und Seelenruhe genug besitzt, um jahraus jahrein die zum größten Theile durch ihn verschuldeten Haft strafen von Sitzkulis abbrummen zu lassen. Sollte aber wirklich eine ernstere Mißstimmung gegen Herrn Liebknecht in der Partei bestehen, dann müssen Liebknecht's jüngste Helden- thaten in Lille sie von Grund aus beseitigen. Wer so cynisck sein Vaterland vor Fremden in den Koth zieht, wie dort Herr Liebknecht es gethan, der hat einen Rechlstitel darauf, von der „deutschen" Socialdemokratie mit liebevoller Nachsicht behandelt und bis zum letzten Athemzuge mit der fetten Parteipfründe bedacht zu werden. Die Novelle zu den Arbeiterversicherungsgesetzen. Die vom „Reichsanzeiger" veröffentlichte Novelle zu den Arbeiterversicherungsgesetzen mag für die weitesten Kreise ein? kerbe Enttäuschung sein. Ihr Inhalt bleibt auch hinter den bescheideneren Erwartungen zurück, denen Diejenigen sich hin gegeben hakten, die mit dem Gegensatz zwischen dem Reichs versicherungsamt und seiner übergeordneten Instanz als mit einer unvermeidlichen Thatsache rechneten. Es ist ja kein Geheimniß, daß im Reichsversicherungsamt die Auffassung überwiegend dahin geht, daß nach den gesammelten Er fahrungen und nach Maßgabe der vorhandenen Kräfte ein entscheidender reformatorischer Schritt nachgerade möglich sei. Vielleicht bestehen noch Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die Jnvaliditäts- und Altersversicherung zweckmäßiger mit der Unfallversicherung oder mit der Krankenversicherung zu verschmelzen sei; nicht aber darüber, daß das Eine wie das Andere schon für die Gegenwart innerhalb des Bereichs der Möglichkeit liege. Im Reichsamt des Innern selbst, aus dem der Gesetzentwurf nun hervorgegangen ist, theilt man diese entschlossenere reformatorische Auffassung nicht. Man hält es dort mit der denkbar größten Vorsicht. Die Be gründung zu der Novelle entwickelt des Langen und Breiten, welche technischen Schwierigkeiten zu überwinden wären, bis man die verschiedenen Zweige der Versicherung Zusammen legen könnte, und welche Bedenken selbst nach Ueberwindung der praktisch entgegenstehenden Hindernisse noch vorbanden bleiben würden. ES mag zutreffen, daß Einer, der die ganze lange Auszählung von Weitläufigkeiten, Schwierigkeiten, grundsätzlichen Bedenken u. s. w. durch gearbeitet hat, den Wald vor Bäumen nicht mehr sieht. Insofern kann man wohl von einer überzeugenden Kraft der Motive sprechen. Aber nach so viel des Detailstudiums und nach so weit ausgedehnten Vorarbeiten für eine wirkliche Reform hätte man alles Andere eher erwarten mögen, als diese Art von Begründung, die auch nirgends einen hoffnnngs- froben Ausblick gestattet und am Schluffe nichts weiter zu sagen weiß, als daß die Frage einer grundsätzlichen Aende- runa „im Auge zu behalten" sei. Muß man sich nun aber in die leidige Thatsache finden, daß selbst die November - Conferenz von 1895 einer wirklichen Reform nicht im Mindesten gedient hat, sondern daß alle gegenwärtige Arbeit sich darin erschöpfen soll, einzelne Ecken und Unebenheiten der bestehenden Einrichtung nachträglich abzugleichen, so darf man der Novelle die Anerkennung sorgfältiger Durchbefferung nicht versagen. Die ausführenden Behörden wird es wohl inter- essiren, auS den verschiedenen Einzelheiten des Entwurfs zu ersehen, daß ihre Vorstellungen und Beschwerden über Un klarheiten und Lücken deS Gesetzes von 1889 sachgemäß be rücksichtigt worden sind; für die breitere Oeffentlichkeit bieten diese ins Einzelne ünd Kleine gehenden Aenderungen nur sehr bedingtes Interesse. Immerhin mag auf die Neuerung ver wiesen sein, daß künftig jeder Versicherungsanstalt für ihren Bezirk ein Viertel der Kosten und Rentenlasten vorweg zur Last geschrieben wird. Die anderen drei Viertel sind ge meinsame Last der sämmtlichen Versicherungsanstalten. Nach dem Gesetz von 1889 war eS den Versicherungs anstalten anheimgegeben, ihre Lasten durch Rückversicherung ganz oder zum Theil gemeinsam zu tragen; doch ist diese Bestimmung de« Gesetzes kodier Buchstabe geblieben. Die Folge war, daß die Versicherungsanstalten mit niedrigen Rentensätzen, namentlich also im östlichen Preußen, in der Zubilligung von Renten eine offenere Hand zu haben schienen, als die Anstalten mit hohen Lohn- und Rentensätzen, bezw. mit größerer industrieller Bevölkerung. Ob hierin ein Wandel geschaffen werden wird, wenn drei Viertel der Last künftig gemeinsam getragen werden, bleibe dahingestellt. Keinesfalls scheint uns richtig zu sein, daß hier eine besondere Rücksicht auf „Ostelbien" genommen würde, wie die» in der „Frei sinnigen Zeitung" beanstandet ist. Eber dürfte auS „Ost elbien" Beschwerde gegen diese Neuerung erhoben werden. Was sodann die spärlichen sccialpolitischen Moniente der Novelle anlangt, so mag e« einigen Hundert oder mehr In validen zu Statten kommen, daß die Erwerbsunfähigkeit schon dann angenommen wird, wenn der Invalide nicht mehr ein Drittel des ortsüblichen Tagelobnes verdienen kann. Bisher war diese Erwerbsunsähigkeitsziffer zusammengesetzt aus einem Sechstel des durchschnittlich verdienten Lohnes und einem Sechstel des ortsüblichen Tagelohnes. Beispielsweise erhielt ein Arbeiter, der 720 etwa verdient hatte und an einem Orte lebte, wo 2.F ortsüblicher Tagelohn gezahlt wurden, erst dann Invalidenrente, wenn er nicht mehr 220 verdienen konnte. Künftig würde er sie schon erhalten, wenn er nicht mehr 200 verdienen kann. Der Kreis für die Anspruchs ¬ berechtigung an die Rente wird also erweitert und die Rente in der untersten wie in der obersten Lohnclasse wird erhöht. Beispielsweise stellt sich die Invalidenrente für einen dauernd in der untersten Lohnclasse Versicherten nach fünfjähriger Wartezeit dermalen auf 114 70 ^s. Künftig wird sie sich nach derselben Zeit auf 117 5 stellen. Von da ab steigt der Rentenanspruch des Versicherten zur Zeit um zwei Pfennige wöchentlich, künftig um drei Pfennige. Sonach würde ein Arbeiter, der etwa im KO. Lebens jahre erwerbsunfähig wird und dauernd in der ersten Lohnclasse versichert war, rund etwa 180 Invalidenrente erhalten statt 157 nach dem gegenwärtigen Gesetz. Hier in der untersten Lohnclasse (bis zu 350 Arbeitsverdienst jährlich) ist also die Leistung dahin erweitert, daß die Rente bis zur Hälfte des Arbeitsverdienstes steigen kann. In der obersten Lohnclasse, die neu geschaffen werden soll, entspricht die höhere Rente lediglich dem höheren Beitrag, während in der untersten Classe eine Erhöhung der Beitragspflicht nicht vorgesehen ist. Außerdem ist die Wartezeit überall, wo sie bisher fünf Jahre, also 235 Beitragswochen, betrug, auf 220 BeitragSwocken herabgesetzt, wodurch ebenfalls eine Mehrleistung erwirkt ist. Abgesehen von einigen Erleichternngen in der Erlangung der Rente, ist damit aber auch Alles aufgezählt, was die Novelle in Erweiterung des Wohlfahrtszweckes darbietet. Vergleicht man hiermit, was noch im Laufe der letzten Reichs tagssession (28. Januar) aus dem Schooße des Reichstags heraus an Wünschen laut wurde, so muß man sagen, daß die Novelle weniger kaum hätte bieten können. Wir heben nur solche Wünsche hervor, die angesichts der Vermögens lage der Versicherungsanstalten obne Mehrbelastung der Beitragspflichtigen jetzt Wohl erfüllt werden könnten. Dabin gehört vor allen Dingen der Wunsch, die Kranken fürsorge gesetzlich auf 26 statt bisher 13 Wochen zu erstrecken und dann mit der 27. Woche statt nach einem Jahre die Jnvalidenfürsorge beginnen zu lassen. Weiter der Wunsch, den Begriff „dauernde Erwerbsunfähigkeit" aus dem Gesetz überhaupt zu beseitigen nnd die Invalidenrente je nach einem näher zu bestimmenden Grade von Erwerbsunfähigkeit ab hängig zu machen, auch vielleicht dann schon zu gewähren, wenn nicht mehr die Hälfte des ortsüblichen Tagelohns ver dient werden kann. Selbst diese bescheideneren Wünsche bleiben unerfüllt, von einer Vorbereitung auf die Witt wen und Waisenversorgung gar nicht zu reden. Wenn nun betreffs der parlamentarischen Behandlung der Novelle die Besorgniß laut wird, als sei hiermit schon der nächste Winter überlastet, so wüßten wir nicht, womit sie begründet wäre. Die größte Schwierigkeit wird hier die erste Lesung bieten; denn bei dieser Gelegenheit dürften die Vertreter der Novelle am Regierungstisch mit dem Parlament, und wir vermutben mit der Gesammtbeit des Parlaments, sich darüber auSeinandersetzen müssen, daß weder die Organisation, noch wenigstens das Princip der Mittelbeschaffung, noch auch die Leistungen der Versicherung an sich in durchgreifender Weise reformirt werden sollen. Der Reichstag wird es dann nicht ablehnen können, die von der Verwaltung und den Ausführungsorganen gewünschten kleinen Nachbesserungen zu prüfen und zu erledigen. Das dürfte aber im Wesentlichen Aufgabe einer stillen Commissionsarbeit sein, nachdem in der ersten Berathung das einmütkige Begehren des Parlaments festgestellt ist, daß mit diesen Detailverbesserungen nicht etwa eine an sich unzweckmäßige und ungenügende Einrichtung verewigt sein soll. Deutsches Reich. * Leipzig, 5. September. Durch die Presse geht gegen wärtig ein fanatischer Hirtenbrief, den der vom Kaiser im vergangenen Frühjahr ausgezeichnete Erzbischof von Neapel, Cardinal Sanselice, gegen den Besuch protestantischer Schulen gerichtet hak. Wir haben diesen Hirtenbrief als ein Muster ultramontaner Unduldsamkeit in unserer Nummer 213 vom 28. April d. I. aus der „Christlichen Well" mitgetbeilt. Natürlich hat der fragliche Hirtenbrief an charakteristischer Bedeutung inzwischen nichts eingebüßt. k Berlin, 4. September. Im Centralbureau der national liberalen Partei ist unlängst auch das zweite und dritte Heft des Berichts „Die ReichstagS-Session 1895/96" auS- gezeben worden, womit dieser Bericht zu Ende geführt ist. (Gesammtpreis 3 Entsprechend dem ungewöhnlichen Umfang der vom Reichstag erledigten Arbeit ist auch der Sessionsbericht umfangreicher als irgend ein früherer. Die Darlegung der parlamentarischen Erledigung deS Bürgerlichen Gesetzbuchs nimmt allein vier Bogen für sich in Anspruch. Es ist bei der Berichterstattung ersichtlich Werth darauf gelegt, die zur Entscheidung gelangten wichtigen Fragen und die Entschließungen der Parteien hierüber soweit übersichtlich zu machen, daß aller Verwirrung durch unsachgemäße Vorwürfe vorgebeugt ist. In diesem Jahre dürfte den Partei-Angehörigen um so mehr zu empfehlen sein, mit dem Inhalt des Berichts sich vertraut zu machen, als der bevorstehende Delegirte»tag vielfach auf die letzten Reichstagsbeschlüsse zurückkommen soll. — Heute ist nun auch der Bericht „Die Landtags session 1896" erschienen, — ein im Vergleich zum Reichs tagsbericht bescheideneres Bändchen (Preis 1,50 .6), das nochmals in Erinnerung bringt, wie die Länge ter Landtags session im umgekehrten Verhältniß zu ihren Resultaten steht. Bleibenden Werth hat übrigens die in diesem Bericht den einzelnen Capiteln beigegebene vergleichende Uebersicht der Ausgaben und Einnahmen der einzelnen Verwaltungszweige seit 1884. * Berlin, 5. September. DaS neueste „Beiheft zum Militair-Wochenblatt" enthält eme Abhandlung über die Frage: „Bedarf unsere Marine einer militairischen Hock'schule?" aus der Feder des CapitainS zur See a. D. Stenzel, die in weitesten Kreisen bekannt zu werden ver dient. Der sachkundige Verfasser weist darin nach, daß unsere Marineofficiere in militair-wissenschaftlicher Beziehung bei Weitem nicht auf derselben hohen Stufe der Ausbildung stehen, wie dies bei den Officieren des Landbeeres durck' die Ausbildung der Generalstabsofsiciere der Fall ist. Die Strategie zur See ist in unserer Marine ein vollständig vernachlässigtes Feld; bei einem Seekriege der Zukunft aber wird man unter keinen Umständen mehr mit der Seetactik allein auskommen können, denn auch zur See wird es sich dann nicht mehr um Einzelgefechte der Schiffe handeln, sondern um große Seeschlachten unter Aufgebot zahlreicher, gleichzeitig auftretender Schiffe. Daher erscheint die Einrichtung einer Marine-Aka demie für das See-Osficiercorps nach Art der Kriegsakademie für das Heer unerläßlich; zugleich bedarf dann diese Anstalt noch ihrer Eingliederung in den Organismus der Marine, so daß sie nicht als eine gesonderte Einrichtung, sondern als ein nothwendiges Glied des Ganzen dasteht. Die Marine- Akademie müßte mit der Ausbildung und Erziehung des See- Osficiers von seinem Diensteintrill an in planmäßige Ver bindung gebracht werden; es würde also schon bei der Einstellung in die Marine, bei der Ausbildung in der Cadettenzeit, bei den wissenschaftlichen und sonstigen An forderungen in der OssicierSprüfung und bei der Heran bildung zum Wachofficier rc. auf den etwaigen Eintritt des Begabteren in die Hochschule sorgfältig Rücksicht zu nehmen sein. Die Akademie würde dabei nur eine Stufe in der Entwickelung darstellen. Der Officier, der sie mit gutem oder ausgezeichnetem Erfolge besucht hat, würde je nach seiner Geeignetheit durch selbstständige Bordcommandos und Ver wendung in anderen verantwortlichen Posten zu höheren Leistungen vorzubereiten sein — kurz, die gesammte Aus bildung des Ofsiciers vom Diensteintritt an durch die Akademie hindurch bis zu den höchsten Stellungen muß plan mäßig fortschreiten, wenn mit dem gegebenen Personal das Höchste geleistet werden soll. Das Ziel der Marine-Akademie soll sein, daß die Zuhörer das Wesen des Seekrieges mit Allem, was dazu gehört, richtig erkennen lernen, namentlich seine Mittel und ihre Verwendung auf See und au der Küste, sowie beim Zusammenwirken von Flotte und Heer. Dabei darf nicht die volle Beherrschung aller Dienstzweige von einem Officier verlangt werden: das Streben danach würde selbst bei den hervorragend Begabten zur Zersplitterung führen. Der Seekrieg aber verlangt ganze Männer! — Capitain Stenzel fordert die Errichtung eines Admiral! stab cs für die Marine; ihr mangelt die im Großen General stabe für die Armee gegebene nächsthöhere Bildungsstufe für den Officier, die die Kriegsakademie mit gutem Erfolge durch gemacht hat und damit zugleich die Vorstufe für leitende Stellungen. Damit fehlt auch für die Zuhörer der jetzigen Marine-Akademie, wie sie in Kiel besteht, dieser wirksame Sporn für die eifrige und planmäßige Ausnutzung der ihnen zur Erwerbung einer tüchtigen fachwissenschaftlichen Bildung gegebenen Zeit. Zum Schluffe seiner Schrift verlangt der Verfasser die Verlegung dieser neu zu organisirenden Marine-Akademie nach Berlin, zunächst weil hier die obersten Marinebehörden, welche die tüchtigsten militairischen und technischen Lehrkräfte bieten oder bieten können, am Orte sind und hier auch eine Fülle an sonstigen Lehrkräften vor Händen ist. Gleichzeitig ließe sich eine engste Verbindung zwischen Marine-Akademie und Kriegs-Akademie, auch in räumlicher Hinsicht, Herstellen. Wenn die Führer von Heer nnd Flotte nicht blos nach einem wohldurchvachten ge meinsamen Plane handeln, sondern einander auch verstehen und persönlich kennen, dann wird unsere vereinigte Streit macht auch zu Lande und zur See das Höchste leisten können, wie unser Heer allein in den Feldzügen von 1866 und 1870 71. — Herzog Ernst Günther zu Schleswig-Holstein ist durch plötzliche Erkrankung verhindert worden, an den militairischen Festlichkeiten in Breslau theilzunehmen. — Die Berliner ReichStagSwablkreise haben nunmehr sämmtlich neue socialdemokratische Wahl vereine erhalten. Die Zahl der Mitglieder ist gegen den Bestand vor der Auflösung gering; zur Stärkung dieser politischen Organisationen soll daher eine sehr umfangreiche Agitation betrieben werden. — In Sacken dcSMaximalarbeitStages im Bäcker gewerbe erläßt die Generalcommission derGewerk- schaften Deutschlands einen Aufruf an die Arbeiterschaft. Sie erstickt hierin in erster Linie die Gewerkschaften, den Bäckergehilfen die weitestgehende Unterstützung angedeiben zu lassen, weil deren mangelhafte Organisation sie nicht in die Lage versetze, für eine strikte Durchführung der Bnndcsralhö bestimmungen sorgen zu können. — Der Chef deS Militair-Cabinets General v. Hahnke bat, der „Franks. Oder-Ztg." zufolge, feine Ernennung zum Cbef deS 12. Infanterie Regiments dem Commandeur des selben mit folgenden Worten angezeigt: Oberst Liebert, Bcrlitt bei Kyritz. Durch besondere Gnade Seiner Majestät des Kaisers und König- heute zum Ches Les Grenadier-Regiments Prinz Karl von Preußen (2. Brandenburgischen) Nr. 12 ernannt, bin ich durch die mir gewordene hohe Ehre nicht nur auf Las Freudigste überrascht, sondern auch hoch beglückt. Diesem tapsern ausgezeichneten Regiment von nun an anzugehören, erfüllt mich mit besonderem Stolz und ruft mir die glücklichen nenn Jahre in Erinnerung, in welchem ich dem 3. Armeekorps als Chef des Generalstabes angehören durfte. Ich bitte, dem Regiment dies Telegramm mitzutheilen nnd zeichne mit kameradschaftlichem Gruß v. Hahnke, General und Chef des Grenadier-Regiments Prinz Karl von Preußen. — Die diesige demokratische „VolkSztg." bemerkt zu der auch von uns wiedergegebenen Kissinger Correspondenz der „Boss. Ztg " über die dortige Feier des Sedanlages: „Wir können der bayerischen Regierung nur beipslichten. Geräuschvolle Festlichkeiten thun es nicht. Die Erfahrung hat ge lehrt, daß alle Veranstaltungen dieser Art nur dazu gedient haben, den Militarismus zu fördern, dem das Bürgerthum allzu liebe dienerisch Len Steigbügel hält, damit jener reiten könne! Tas Werk der Versöhnung der Nationen, das alle Friedensfreunde anstreben, wird durch festliche Veranstaltungen militaristischen Charak ters oder Beigeschmack- nur gestört." Wenn nur nicht in „Weltbildern" wie Kissingrn daS
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