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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.09.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960917018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896091701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896091701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-17
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Reklamen unter dem RedactionSstrich (»ge spalten) 50^K, vor Leu Familienuachrichleu (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis« vrrzeichniß. Tabellarischer und Zifiernjatz nach höherem Tarrs. Extra-Verlagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe. ohne Postbesörderuug 60.—, mrt Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend.Ausgabe: Vormittags 10 Uhr, Margen-Aüsgabe: Nachmittag- »Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Druck nnd Verlag von E. Polz in Leipzig SV. Jahrgang. Die Bedeutung des Zarenbesuches in England. Vok einigen Tagen sind englische Corporation«!, die dem Zaren einen feierlichen Empfang bereiten wollten, darauf verwiesen worden, daß det Besuch deS Zaren in Groß britannien einen rein privaten Charakter tragen würde. Gerade in dieser officiell fcstgesteUlen unpolitischen Absicht des Besuches liegt seine hohe politische Bedeutung. Man wird zugeben, daß Fürstenbesuche im Allgemeinen beutzuiage der Regel nach nicht mehr annähernd die gleiche Bedeutung haben, wie vor etwa 10V Jahren. Damals ent schieden solche Besuche — wir erinnern nur an die Zu sammenkunft von Pillnitz vom Jahre 1791 — oft über Krieg und Frieden, über die Geschicke der großen Nationen. Heute werden die Fragen der großen Politik nicht mehr bei ge räuschvollen Festlichkeiten, sondern in stiller Arbeit gelost. Trotzdem haben die Begegnungen der Staatsoberhäupter noch eine Bedeutung, und die Besuche des Zaren in Wien und Breslau sind politisch nichts weniger als belanglos ge wesen; der Besuch in Paris kann schon deshalb kein belang loser sein. AU' diesen Besuchen bei den Großmächten ist die politische Bedeutung von keiner Seite abgesprochen worden. Und darin liegt der greisbare Gegensatz zu dem Besticke in England. Der Zar ist eine ehrliche Natur. Bei den Besuchen in Wien und Breslau hat er eine gewisse Zurückhaltung be wahrt, die zeigte, daß er Wohl freundliche, aber nicht enge Beziehungen Rußlands zu den benachbarten Kaisermächten wünscht. Bei dem Besuche in Paris wird er dem freund schaftlicheren Verhältnisse zu Frankreich Recknung tragen. Diese Offenheit kann nur erwünscht sein. Sie bietet aber den Maßstab für das, was der Zar nicht seinen nahen Ver wandten in England gegenüber — für die er die herzlichste» Gefühle hegen mag —, sondern der englischen Nation gegenüber empfindet. Er heuchelt nicht eine freundschaftliche, oder auch nur freundliche Gesinnung, sondern würdigt das 2and gar nicht einmal seines Besuches. Er hat Deutsch land und Oesterreich besucht und er wird Frankreich besuchen, aber er besucht nicht England, sondern nur seine königlichen Verwandten in England. Wenn ver Zar dem englischen Reiche wenig Wohlwollen entgegenbringt, so wird man seinen Empfindungen die Be rechtigung nickt versagen können. Es sind nicht nur die sach lichen Interessengegensätze zwischen Rußland und England, die ein wohlwollendes Gefühl gegen die Engländer in einem patriotischen Russen nickt auskomnien lassen, es ist auch das persönliche Verhalten der englischen Staatsmänner, das den Zaren verstimmen muß. Kaiser Nikolaus II. ist ein Freund des Friedens, die englischen Staatsmänner aber suchen seit Jahr und Tag die Kriegsfurie zu entfesseln, wohlweislich überall da, wo sie entweder einer unzweifelhaften Ueberlegen- heit sich erfreuen, oder wo sie hoffen dürfen, daß andere Nationen den Kampf anstragen müßten, während sie selbst vergnügt zuschauen und im günstigsten Momente eine fette Beute macken könnten. Die erstere Methode verfolgen sie in Südafrika und im Sudan, die letztere suchen sie im Orient anzuwenden, denn die künstlich in England geschürte Bewegung, welche die Entthronung des Sultans verlangt, kann >n erster Linie gar keinen anderen Zweck verfolgen, als die türkischen Wirren zu steigern und eine Eollision herbei zuführen, in deren Verlause bas im Hafen von Salonichi versammelte Geschwader einen Raub ausführen könnte. Durch die englischen Machenschaften im Orient wird aber nicht nur das persönliche Empfinden des Zaren verletzt, sondern der Monarch ist sich auch darüber im Klaren, daß sie in zweiter Linie dem Zwecke dienen, die Aufmerksamkeit und Kraft Rußlands am Schwarzen Meere festzulegen, damit sie nicht am Stillen Ocean nnd am Persischen Golf verwendet werden kann. Hier, in Asten, sind Rußland und England viel mehr Gegner, als in Europa; hier kreuzen sich ihre Interessen über all, in Japan nicht minder als in China, und in Afghanistan nicht weniger als in Persien. Hier kann es zwischen den beiden großen Völkern, die die Suprematie über Asien anstreben, sich immer nur um ein HinauSschieben des Kampfes, nie aber um einen ehrlichen Frieden oder um eine (reundschastliche Verständigung handeln. Neber dieses Hinausschieben aber bedarf es keiner diplo matischen Verhandlung. England fühlt sich recht unsicher in Asien und wird nie seinerseits die Aufforderung zum Tanze ergehen lassen; Rußland aber, das die Kunst des WartenS versteht, wie keine andere Macht, wird zweifellos, wenn nicht unvorhergesehene Zwischenfälle eintrcten, abwarten wollen, bis die Verhältnisse sich noch weiter zu seinen Gunsten ver schoben haben, als dies in den letzten Jahrzehnten geschehen ist. In der Zwischenzeit müssen beide Mächte, um das Ent scheidungsspiel möglichst aussichtsreich gestalten zu können, so viel Trümpfe als möglich in die Hand zu bekommen ver suchen, bei einem jeden dieser Versuche aber wird naturgemäß die Diplomatie des einen Staates die des anderen zum Gegner haben. So befinden sich Rußland und England schon jetzt in einem latenten Kriegszustände. Daß der Zar diesen Zustand nicht zu verheimlichen sucht, ist nur zu loben. „Honest^ w tüs kost xolic^", hat Benjamin Franklin, ein amerikanischer Stammesgenosse der Engländer, gesagt. Seine Vettern diesseits des großen Wassers haben sich schon seit langer Zeit wenig nach diesem Spruche gerichtet, aber sie sollten dankbar sein, wenn er von Anderen bethäligt wird. Sie wissen dann doch wenigstens, woran sie sind, und vielleicht verhilft ihnen diese Einsicht zu etwas größerer Rück sichtnahme und Bescheidenheit gegenüber anderen Nationen, als sie sie in den letzten Jahren bewiesen haben. Deutsches Reich. Die größte Steigerung im Ertrage wies sonach der Eingangs zoll auf, dann — infolge der veränderten Besteuerung — die Branntweinsteuer (Verbrauchsabgabe, Material- und Brennsteuer), sowie schließlick die Reicksstempelabgabe (infolge Ausdehnung des Stempels auf die Lotterieloose). Auch die Uebergangsabgabe vom Bier ist erheblich gestiegen. ick. Leipzig, 16. September. Uebei den Ertrag der im Königreich Sachsen erhobenen indirecten Steuern sei noch Folgendes mitgetheilt. Es erbrachten: 1875 1885 18S5 Mart Maik Diart Eingangszoll ...... 11 102 773 24 724 908 37 976 777 Salzsteuer ....... 1 348 505 1 396 554 969 720 Rübenzuckersteuer .... — 1 332 528 — Zuckersteuer — — 1023 371 Branntweinsteuer .... 3 572 899 3156 088 9 782 726 Brausteuer 2 292 276 2 276 799 2 712 308 UebergangSabgabe vom Bier 557 534 988 460 1 227 371 Tabaksteuer ...... 169 119 404 159 562 Spielkartenstempel ... 100 565, 7b 691 Reichsstempelabgabe . . . — 280 021 1538 279 Schlachtsteuer 3 581 802 3 923 973 4166114 Uebergangsabgabe vom Fleisch 123 279 90 549 330 689 Zusammen 22 379 237 38 389 849 59 962 608 * Leipzig, 16. September. Die „Correspondenz des nationalliberalen Vereins für das Königreich Sachsen" schreibt in einer Erörterung der letzten Minister krisis u. a. Folgendes: „Nach wie vor — und nicht blos im Militaircabinet und nicht blos auf dem Gebiete des Heer wesens — bleibt die Thatsache bestehen, daß eine Neben regierung unverantwortlicher und sehr einfluß reicher Rathgeber des Monarchen am Werke ist, neben und vielfach im Gegensätze zu den verfassungsmäßig allein verantwortlichen höchsten Staatsbeamten Preußens wie des Reiches. Die Regierung Friedrich Wilhelms IV. lehrt, zu welch' heillosen Folgen das Bestehen und die Duldung der artiger Zustände führt... Besonders gefährlich und ver hängt! iß voll müssen sich solche verborgene Unterströmungen gegen die verantwortlichen höcksten Beamten des Reiches und Preußens aber gestalten bei der Zerfahrenheit der heutigen deutschen Parteiverhältnisse, welche auch die natürlichen Stützpunkte der Regierung im Parlament immer schwächer und dünner macht." — Zum bevorstehenden nationalliberalen Delegirtentage äußert sich die genannte Corresponvenz folgendermaßen: „Unsere Partei, welche von unseren Gegnern bei jedem Wahlkamps und nach jeder Reichs tagssession für todt und abgethan erklärt wird, oarf unter allen allein wagen, alle brennenden Fragen der Zeit in völliger Freiheit aller Theilnehmer gründlich zu erörtern, ohne die Besorgniß, daß die Partei am Ende der Berathungen in Scherben auseinandergeht. Sie darf von sich rühmen, daß die großen und beinahe erstaunlichen Erfolge, die nament lich auch die letzte Reichstagssession aufzuweisen hat, trotz der grauenvollen Parteizerfahrenheit unseres Parlamentes, vorzugsweise der maßvollen, einsichtigen und vater ländischen Haltung unserer Partei zuzuschreiben und zu danken sind. Das will sagen, daß in einer Zeit, die in schlimmerer Weise die alte deutsche Zwie tracht erneuert, indem sie nicht einmal, wie vor 1866, die Interessen und vermeintlichen Vorrechte der Einzelstaaten, sondern diejenigen der einzelnen Stände und Ctassen denen der Gesammtheit voranstellt, doch immer noch, Gott Lob! diejenigen zum Siege gelangen, die dem alten Losungsworte unserer Partei folgen: das Vaterland über Alles! Von diesem Geiste wird, deß sind wir sicher, auch der Delegirtentag in Berlin getragen sein. Ist bas aber der Fall, dann werden dieseBerathungen eine geschichtlich ebensobedeutsameKcäftigung und Erhebung der Partei ergeben, wie im Jahre 1883 der Tag von Heidelberg." Berlin, 16. September. Trotz aller Vertuschungs versuche macht sich innerhalb der Centrumspartei die agrarische Frage immer mehr als ein trennendes Moment bemerkbar. Die demagogische Tendenz bei einem Theile der agrarischen Agitation zeigt sich u. A. auch in dem Umstande, daß in der Rbeinprovinz gerade das am meisten agrarisch gesinnte Centrumsorgan zugleich dasjenige des unversöhn lichsten ultramontanen Raoicalismus ist. Diesem gegenüber äußert sich das Kölnische Centrumsblalt in einer verhältniß- mäßig überraschend verständigen Weise. Es findet, daß die Agrarpolitik des jetzigen Curses im Ganzen von einer ruhigen Consequenz zeuge, gleich weit entfernt von dem „Asphalt- standpunct" des großstädtischen Freisinns und von der extremen Bauernbünbelei. Einer unzweideutigen Ver wahrung gegen den Antrag Kanitz fügt dann das be zeichnete Organ die Bemerkung hinzu, daß die Regierung sich in dieser Frage ständig zwischen zwei Feuern befinde, zugleich die Garde des Herrn von Ploetz und diejenige des Herrn Rickert sende ihre Projectile gegen sie. Zwischen der Wirthschaftspolitik des Herrn vr. Bamberger und derjenigen des Grafen Kanitz aber sei doch noch ein weiter und sehr gangbarer Weg vorhanden; mit dem „Nur-AgrariSmus", der seinem Verlangen nach unveränderter Durchführung des Antrags Kanitz gleichmäßig ein „xsroat munckua" hinzufüge, sei nichts auszurichten. Aus diesem Grunde fühle sich die Centrumspolitik mit der Agrarpolitik der Regierung durchweg einverstanden. Weder dürften die landwirthschaftlichen Interessen vernachlässigt werden, noch könnten andererseits die übrigen Erwerbszweige rnhig zusehen, daß man lediglich aus ihrer Haut Riemen schneide. Kein Partner dürfe von der Staatskrippe verdrängt werden, aber auch keiner dieselbe für sich allein beanspruchen, vor Allem aber sei den verschiedenen Partnern etwas Mehr Nächstenliebe zu wünschen. Soweit das Kölnische Centrumsblatt, dem gegen über hier Wohl nur gegen den Ausdruck „Staatskrippe" Ver wahrung einzulegen sein dürfte. Derselbe Hal für unsere Ohren etwas an das französische zweite Kaiserreich uno dessen ver fehlte Experimente Erinnerndes. Indeß im klebrigen wird man allerdings die von dem bezeichneten Organ aufgestellte Tactik in der Agrarfrage für eine solche erklären können, wie sie dem Bedürfniß einer politischen Mittelpartei entspricht. Es ist Vieles darin enthalten, was auch für die national liberale Partei zutrifft. Aber angesichts der seitdem wieder besonders in Bayern und am Rhein bei den Centrums wählern hervorgetretenen Symptome wird man diesen Artikel des Kölnischen CentrumsorganeS wobl einen merkwürdigen Epilog zu dem Dortmunder Katholikentage nennen dürfen. * Berlin, 16. September. Wie bayerischen Blättern zu entnehmen ist, beschäftigt sich die dortige Centrumspresse zur Zeit wieder mit der Jesuiten frage, und zwar in der Ge stalt, daß man das Verbot des Studiums in dem OolltzFium gsrmauieum in Rom für die bayerischen Kleriker aufgehoben sehen möchte. Der Besuch dieser jesuitischen Bildungsanstalt war seit dem Beginn des Jahr hunderts den bayerischen Geistlichen untersagt; König Ludwig I. gab dann in den Anfängen seiner Negierung die Erlaubniß, schränkte sie aber später wieder sehr ein; am 29. August 1873 ist sie dann völlig wieder ausgehoben und das Verbot auch unter dem Prinzregenten Luitpold gegenüber einer bischöflichen Petition vom 11. Juni 1888 aufrecht erhallen worden. Jetzt scheint man aber die Zeit für eine neue Agitation in dieser Angelegenheit als geeignet zu betrachten. Bezeichnend ist in den betreffen den Preßausführnngen noch, daß die Wirkungslosigkeit des Verbotes betont wird; demnach bedenken sich also die Bischöfe nickt, gegen den Willen des Staates Kleriker aus ihren Diöcesen nach Rom zu senden. Noch lehrreicher ist, was dabei über König Ludwig I. mitgetheilt wird und was man zwar früher schon gewußt hat, jetzt aber von ultramontaner Seite eingestanden sieht. Danach hat dieser katholischste unter den bayrischen Landesherren unseres Jahrhunderts den Jesuitenorden zuerst mit entschiedener Vorliebe behandelt, darauf aber ihn nach Möglichkeit wieder zurückgedrängt, weil und nachdem er das Wirken desselben kennen ge lernt hatte. Das Ergebniß der jetzigen Agitation wird be zeichnend für die dermaligen Münchener Regierungstendenzen sein. (Nat.-Ztg.) V. Berlin, 16. September. (Telegramm.) Der Kaiser und die Kaiserin unternahmen gestern Nachmittag eine gemeinsame Spazierfahrt in die Umgebung des Neuen Palais. Heute früh machte der Kaiser wiederum einen längeren Spazierritt und hörte, ins Neue Palais zurückgekehrt, von 91/2 Uhr ab den Vortrag des Chefs des Geheimen Civil- Cabinets I)r. v. Lucanus. Um 11 Uhr Vormittags empfing er den Finanzminister I)r. Miquel zum Vortrage. (D Berlin, 16. September. (Telegramm.) Der Reichs kanzler hatte heute Vormittag eine Conferen; mit dem Staals- secrelair des Reichsschatzamts Grafen Posadowsky. --- Berlin, 16. September. (Telegramm.) Gegenüber fortdauernden uncontrolirbaren Meldungen einiger Blätter über den Militairvtcnst der Bolksschullehrcr ist Folgendes festzustellen: Vom Jahre 1900 ab müssen sämml licke Volksschullehrer 1 Jahr dienen Sie können als Einjährig - Freiwillige dienen, insoweit das Abgangs- zeugniß vom Seminar die wissenschaftliche Befähigung bescheinigt. Können und wollen sie außerdem die sämint- lichen Bedingungen erfüllen, sich selbst kleiden, unter bringen und nähren, so werden sie als Einjährig-Freiwillige mit Schnüren und mit Erleichterungen wie die Garnison wahl u. s. w. eingestellt, andernfalls dienen sie wie jeder andere Mann, aber nur ein Jahr, wobei sie möglich zu sammen und abgetrennt von den übrigen untergebrackt und ausgebildet werden mit dem Ziele der Verwendung als Reserve-Untervfficiere. — An den Reichstag will sich der Bund deutscher Frauenvereine mit einer neuen Petition wenden, zu der die Sammlung der Unterschriften bereits eingeleitet ist. Die Petition lautet: „DaS neue Bürgerliche Gesetzbuch versagt der Ehefrau im Widerspruch mit der ganzen socialen Entwickelung der letzten Jahr« zehnte die Verwaltung und Nutznießung ihres eingebrachten Ver mögens und stellt sie dadurch nach dieser Richtung thatsachlich den Unmündigen gleich. Es verweigert der Mutter den vollen Antheil an der elterlichen Gewalt und dadurch einen auch durch das Gesetz anzuerkennenden, von der Silte bereits begründeten Einfluß aus das Schicksal ihrer Kinder, welchen sie so gut, wie der Vater, bean spruchen kann. Es versagt den unehelichen Kindern dem Vater gegenüber diejenige rechtliche Stellung, welche Menschlichkeit und Gerechtigkeit erfordern. Wir bitten demnach einen hohen Reichstag, das Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches einer Revision zu unterziehen und insbesondere: 1) als gesetzliches eheliches Güter recht die Gütertrennung einzusühren; 2) die elterliche Gewalt der Mutter nicht nach, sondern in Gemeinschaft mit derjenigen des Vaters wirken zu lassen; 3) der Mutter eines unehelichen Kindes die elterliche Gewalt über dasselbe zu gewähren unter eventueller Zuordnung eines Beistandes und die Ansprüche eines unehelichen Kindes seinem Vater gegenüber gerechter zu normiren." — Die stärksten Ortsgruppen des Vereins zur Förderung des Deutschthums in den Ostmarken außerhalb der Ost marken sind jetzt die folgenden: Berlin (1087 Mitglieder), Hamburg (263), Dortmund (253),' Breslau (lbO), Potsdam (121), Minden (118), Frankfurt a. M. (110), Göttingen (105), Leipzig (103), Marburg (103), Frankfurt a. O. (102), Tübingen (97), Erfurt (97 >, Cassel (77), Hannover (71), Fürstenwalde a. Spree (69), Darmstadt (65), Gießen (65), Greifswald (58), Altena (55), Halle a. S. (55), Heidelberg (52), Delitzsch (52), Meißen (52), Staßfurt (5l). — Graf Hompesch, der Vorsitzende der Centruins- fraction des Reichstages, vollendet heule das 70. Lebensjahr. FsrrtHeton. Mar Klinger. Zwei besonders hervorragende Bücher über die geschicht liche Entwickelung der Kunst unserer Zeit hat uns die an bedeutsamen Aeußerungen wahrlick nicht arme Kunstliteratur unserer Ta^e geschenkt: Richard Muther'S trotz der gegen ihren Schöpfer losgelafsetien Plagiathetze groß dastehende „Geschichte der Malerei im 19. Jahrhundert" und Carl Neumann's „Kampf UM die neue Kunst". Beide Schrift steller wollen, nach Modern evolutionistischer, historisch-psycho logischer Methode vorgebend, eine umfassende Geschichte und Acsthetik der modernen Malerei geben, der eine, indem er das gesammte vörliegeNde Materiäl voll großen, mit offenem Blick aus dem Riesenstofse selbst herauSaefundenen GesichtS- puncten auS kunstvoll ordnet und mit ehrlichem Enthusiasmus für die Sache zu einem mächtigen GeschichtSbau von eminenter Klarheit und Consequenz der Anlage zusammenfügt, der andere, indem er mit nicht geringerer Sehschärfe dasselbe Nicsengebiet in den Grundzügen seiner historischen Ent wickelung überfliegt und au» der nicht weniger von wahrer Kunstbegeisterung getragenen vergleichenden Be trachtung der EntwickelungShöhen dieses modernen Kunst schaffens und der Gipftlbildungen früherer Kunstepocken eine ästhetische Warte von nickt minderer Höbe und Bauschönheit ansrichtet. Wie Thürme aus dem Häusermeer einer großen Stadt, so ragen die beiden Werke Neumann's und Muther'S au» der Masst von historisch-ästhetischen Abhandlungen über moderne Kunst in die reinen Höhen des denkenden Kunst genießens empor. Aber es geht dem gewöhnlichen Sterblichen, der diese Thürme ersteigt, wie es ihm eben bei Besteigung jeder steilen Höhe zu ergehen pflegt: er wird „schwindlig", und sein Blick trübt sich, wo er erst recht klar sehen sollte. Als ich Muther'S Geschichte der modernen Malerei zum ersten Male gelesen hatte, da war es mir — trotz der wundervollen Stoffanordnung des Werkes —, als käme ich aus einer mo dernen Monstre-Kunstausstellung — die Fülle des Gebotenen war zu groß, als daß ich zunächst völlig reine Genüsse und deutliche Erkenntnisse hätte davontragen können; nnd als ich jetzt Neumann's Kamps um die neue Kunst durchlebte, da war es mir wiederum, als durchwandere ich ein modernes Monstre-Museum, in dem die Meisterwerke alter und neuer Kunst dicht neben einander paradiren — die Alten wollten die Neuen erschlagen, und Phidias und Polyklet, Skvpas und Praxiteles, Agesandros, Athenodoros und Polydoros, Giotto und Masaccio, Botticelli und Signorelli, Donatello, Mantegna und Bellini, Hubert van Eyck und Schongauer, Dürer und Holbein, Lionardo und Michelangelo, Raffaele und Giorgione, Correggio und Tizian, Ruben« und Rembrandt, Ribera und VelaSquez und Murillo und Tiepolo hieben mit Keulen auf unser moderne« Kunstschaffen ein — und um sonst errungen wollte mir die künstlerische Größe und Selbst ständigkeit unserer Tage erscheinen. Erst geraume Zeit, nach dem ich die Hauptabschnitte der Muther-Bände mehrmals wieder gelesen hatte, klärte sich mein Blick, und ich sah lichte Höhen aufragen aus der dunstverhüllten übervölkerten Ebene; Und erst al« ich einige Tage nach der Lecture des Neu- mann'schen Buches zum ersten Male wieder «in Gemälde Max Klingrr'S im hiesigen Kunstvrrein ausgestellt fand, erkannte ich, daß die großen Alten unsere neuen Größen mit I friedlichem Gruße im Elysium empfangen werden. Wie eine symbolische Verkörperung unserer aus dem Ver- jüngungs- und Gesundbrunnen des Naturalismus empor gestiegenen jungdeutschen Renaissance stand sie vor mir, diese jugendschöne Mädchengestalt, die sich in ihren reinen Formen und Linien und in ihrer statuarischen Ruhe so kraftvoll aus der sonnig-klaren Luft und der weiten, lichten Landschaft heraushob. Zugleich aber erblickte ich in ihr auch eine höckst körperliche Widerlegung jenes von Carl Neumann gegen die moderne Malerei erhobenen Vorwurfes, dieselbe sei zu einer bloßen landschaftlichen Milieu-Kunst ge worden, welche die menschliche Figur nur noch als Staffage für ibre landschaftlichen Stimmungsbilder, gewissermaßen als Object für ihre koloristischen Luft- und Beleuchtungs studien betrachte und behandle. Was Klinger in seiner Schrift über „Malerei und Zeichnung" — neben Adolf Hildebrand s „Problem der Form in der bildenden Kunst" die bedeutendste ästhetisch-literarische Künstleräußerung der neueren Zeit — mit eigenen Worten als sein eigenstes künst lerisches Schaffensprincip bekennt, indem er daS Studium und die Darstellung des Menschen und des menschlichen Körpers als den „Kern- und Mittelpunkt aller Kunst", als die „alleinige Grundlage einer gesun den Stilbildung" bezeichnet, das will Neumann im prak tischen Kunstschaffen der modernen Malerei, damit also auch Max Klinger'S selbst, nicht bethätigt finden. Nun, so be trachte er die jetzt Wohl schon in München befindliche, leider nur so kurze Zeil im hiesigen Kunstverein ausgestellt gewesene weibliche Actstudie Klinger'», und er wird eines Besseren belehrt werd«». Ich bin weit entfernt, in diesem Gemälde eine außergewöhnliche That Klinger'S auSposaunen zu wollen. Wie schon die — doch Wohl vom Künstler selbst herrührende — Benennung des umfangreichen Bildes besagt, will es eben nichts weiter sein als eine Studie, die der Künstler für sich selbst nach dem lebenden Modell gemalt und dann für einen beneidenSwertbcn Münchner Kunstliebbaber mit einem geeigneten landschaftlichen Hintergrund versehen hat. In der Art jedoch, wie der Künstler diese <studie ausgcführt bat, wie er in seiner — natürlich auf eine bestimmte Fernwirkung berechneten — ureigensten Krafttcchnik Fleisch und Formen im Lichte durchmodellirt, die wunderbar linienschöne, nicht classicistische, dafür aber wahr haft rassische Figur in festen Contouren gegen den bellen Hintergrund abgesetzt, wie er derselben ein höheres künstlerisches Leben einzuhauchen und sie mit der sonnig-lachendeu, weit- fernenden Campagna-Landschaft zu einem harmonischen, untrennbar-einheitlichen Stilganzen zusammenzuschmelzen ver standen hat, — darin wird das Bild jedem Nicht-Vorein genommenen al« eine Meisterleistung gelten, welcher der Werth eines selbstständigen böheren Kunstwerkes innewohnt. In dem landschaftlichen >L>timmungSmilieu des Bildes mit dem liebevoll durchgeführten blumigen Vordergrund und der lichten Fernsicht bekundet sich Klinger auch wieder als der feinsinnige Land schaftsmaler, dessen überragende Meisterschaft auf diesem Felde au« dem herrlichen LandschaftShintergrunde seines großen und berühmten malerischen Erstlingswerkes, deS „Paris Unheils", schon ebenso schlagend ins Auge siel, wie aus dem jenigen seines späteren mächtigen KrenzigungSbilteS. — In allen diesen Werken und vor Allem auch in seinem Gemälde „Die blaue Stunde" (deren eine Figur in Stellung und Formen bildung der jüngst auSgestelltrn Letstudi» nahe verwandt ist) tritt
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