Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.09.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960924020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896092402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896092402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-24
- Monat1896-09
- Jahr1896
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis ta der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgrbolt: vierteljährlich ^l4.)0. hei -wnmaliaer täglicher Zustellung ins Hau- -.50. Durch die Post bezogen für Tentjchland und Lesterrcich: virrrrliahrlich . Direkte tägliche Kreuzbandieadung in« Ausland: mouatlich 7.öO. Di» Morgen-Ae»-gabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-AuSgabe Wochentag- um 5 Uhr. Ne-action und Erve-Mo«: Johanne-,affe 8. Dir Expedition ist Wochentag» onunterbroch»» g^cinet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: Ttto Klemm s Tortim. (Alfred Hahn), Upiversität-siratz« 3 (Paulinum), Louis Lüsche, Natbannenstr. 74. vart. und König-vlah 7. Abend-Ausgabe. UkMgcr TagMaü Anzeiger. Amtsblatt -es H'öniglichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Nolizei-Amtes der Ltadt Leipzig. «nzrigEU'PpAr die -gespalten« Petitzeile KO Pfg. Reklamen unter dem Redactiontstrich (4ge- spalten) vor den Familirnnachrichtea (S gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichnih. Tabellarische und Ziffern!a, nach höherem Tarif. Extra-veila»en (gefalzt), nnr mit de, Morgen-Au-gad«, ohne Postbefördrruug ^t SO.—, mit Postbeförderuag ^l 70.—. Ännalsmeschlnß für Anzeigen: Ab»ud.Au«gab«: vormittag» 10 Uhr. Vtorgen-Ausgabe: Nachmittag» SUHL Bei den Filialen und Annahmestelle» je ein« halb« Gründe früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richte». Druck und Vertan von E. Volz in Leipzig 488. Politische Tagesschau. * Leipzig, 24. September. Am Montag Abend bat der Abgeordnete Liebknecht den Droschkenkutschern Berlin- ihre „Pflichten" in einer langen Rede klargelegt. Natürlich bestehen diese darin, „sich politisch und gewerkschaftlich zu organisiren", einfacher aus gedrückt, sich der Socialdemokratie anzuschließen. Von all gemeinem Interesse war in Liebknecht's Ausführungen eine Bemerkung, die nach dem Bericht der „Boss. Ztg." folgender maßen lautete: „Wenn die Socialdemokraten erst einmal die Mehrheit besäßen, würden sie die Gesetze machen. Im Fall sich dann die „Kreuzztg." mit ihrem Anhang und dem Heer sich dem entgegenstellen wollte, dann würde die Minderheit ein fach außerhalb der Gesetze st eh en und dementsprechend mit ihnen verfahren werden. Selbstredend würde man sich aus Straßenkämpfe nicht einlassen, die Mehrheit würde schon ge- nügen, dir Gesetze durchzuführen." „Zu den Vorzügen Liebknecht's" — so bemerkt hier zu die „Kreuzzeitung" — „gehört, daS hat er schon öfter durch allerlei markante Aussprüche bewiesen, eine ge- wisse, fast unvorsichtige Offenheit. Auch hier läßt er, im Gegensatz zu den sonst den Schleier möglichst dicht ziehenden Genossen, einen wenn auch nur kleinen, so doch klaren Blick in den vom Socialismus beherrschten Staat der Zukunft Ihun: „Haben wir Socialdemokraten die Mehr heit, so wird jede Opposition als außer halb der Gesetze stehend behandelt werden!" Eine andere Behandlung, als die, wie sie Leuten, die „außer halb der Gesetze stehen", zu Theil wird, haben wir auch nie vom Abg. Liebknecht und seinen Genossen erwartet. Wie er sich aber einbildet, auch mit dem Heer so „einfach ver fahren" zu können, ist nicht recht verständlich. Herr Liebknecht, der „Straßenkämpfe" für ausgeschlossen hält, nimmt gewiß an, er werde mit seiner Beredtsamkeit das Heer „tcdtreden!" Dürfte sich die Socialdemokratie mit solchen Grund sätzen darüber beklagen, wenn der bestehende Staat dieselben auch auf sie anwenden würde? Daran haben wir sreilich nie gezweifelt, daß die rücksichtslose Unterdrückung jeder andern polnischen und socialen Auffassung zur Eigen art des „Zukunftsstaates" gehören wird, und zwar in solchem Maße, baß bas frühere Socialistengeseh, die schärfsten heutigen Polizeiverordnungen und die härtesten Sprüche der Gerichtshöfe dagegen gar nichts bedeuten." — Dieselbe Ueberzeugung wird Jever haben müssen, der di« taufend- sättigen Kundgebungen Liebknecht's und der übrigen Führer verfolgt und im Gedächtniß bewahrt hat. Um so mehr sollten die „Christlich-Socialen", „Kirchlich-Socia len" und wie sonst die Vereinigungen sich nennen mögen, in deren Programmen die Bekämpfung der socialdemokraschen Irrlehren an hervorragender Stelle steht, es sich angelegen sein lassen, Aussprüche der socialdcmokratischen Führer, wie den eben erwähnten Liebknecht'S, zu beleuchten und auS ihnen den betbörten Opfern dieser Führer klar zu legen, welchen Zu ständen sie in dem gepriesenen Zukunftsstaate entgegengehrn würden. Leider aber beschäftigen sich die meisten dieser Ber einigungen mit dem „berechtigten Kern" der socialdemo kratischen Bewegung weit lieber und öfter, als mit den gefährlichen Zielen der socialdemokratischen Führer und tragen dadurch ganz wesentlich dazu bei, daß die bethörte Masse immer mehr an diese Führer gefesselt wird. Da in England die antitürkische Bewegung, wenigstens zur Zeit und so lange die Einwirkung des Zaren- besuche» vorhält, keinen günstigen Boden findet, so sucht Donnerstag den Gladstone diese Bewegung auf Krankreich zu übertragen. Der „Voss. Ztg." wird nämlich aus Paris gemeldet: „Der „Figaro" veröffentlicht »inen Brief Gladstone'-, worin dieser einem Mitarbeiter de- Blatte- versichert, er halte den Sultan für die jüngsten Gemetzel allein für verantwortlich und iet überzeugt, e» würden noch weitere Blutthaten folgen, bi» der Sultan hierdurch alle Au<stch»rn verloren Haden werde, seinen Thron zu behaupten. Er (Gladstone) hob» sich stet» bemüht, die Einmülhig« keit Europa» gegenüber der Türket herzustellen; dir geringen Re. sonnen der letzien 20 Jahre seien aber nicht durch Europa, sondern trotz Europa erreicht worden. Gladstone erinnert an da» selbst ständige Eingreifen Rußland» im Jahre 1878 und an da» Frank- reich» im Jahre 1840 zu Gunsten Egyptens." Eine größere Verblendung ist freilich kaum denkbar, als die, welche e» für möglich hält, die Franzosen würden un mittelbar vor dem Besuche des Zaren zu irgend einer Kund gebung sich verleiten lassen, die dem ersehnten Gaste miß fallen könnte. Außerdem scheint ganz Frankreich zur Zeil aar nicht mehr an Politik zu denken. Die Kaiser begegnungen in Wien und BreSlau haben den französischen Politikern die Augen darüber öffnen müssen, daß der Zar nicht nack Frankreich kommt, um die Revanchegelüste der Chauvinisten durch Eröffnung von Aussichten auf Erfüllung anzustacheln, und deshalb schlagen sie sich politische Gedanken möglichst auS dem Sinne, geben sich rückhaltlos der Freud« hin, welche die Veranstaltung glänzender Festlichkeiten ihnen bereitet, schreiben und lesen mit Begier Artikel, die sich mit der russischen Kaiserfamilie beschäftigen, wetteifern in dem Bestreben, paffende Embleme zu finden, und überlassen e» Gott und dem Zaren, waS Beide ihnen bescheeren wollen. DaS übrige Europa wartet mit derselben Geduld. Nach der bedeutenden Rede, die der König von Schweden und Norwegen gelegentlich der Ankunft Nansen'» gehalten hatte und die wir wörtlich mitgetheilt Haden, konnte man annehmen, daß sich wenigsten- persönlich zwischen den Nor wegern unddem Köniz rin freundschaftliche» Verhältniß heraus« bilven würde. Es hatte ganz den Anschein, al- ob dies geschehe, denn die Rede de- König« ließ dem guten Seiten der Norweger alle Gerechtigkeit widerfahren. Wenn wir in Deutschland auch nicht unmittelbar an dem nordischen Eonflict br- theiligt sind, so hätte doch die Anbahnung einer persönlichen Versöhnung auch für uns ein Interesse gehabt. Durch die Ungeschicklichkeit zweier deutfcher Correspondenten, derjenigen deS „Berliner Tageblattes" und de» „Berliner Localanzriger»", zweier Blätter, die um die Palme der Sensation ringen, ist aber gerade das Gegentheil erzielt worden, indem diese Corre- spondenten zu einer mißverständlichen Deutung der Worte de» Königs, die er zu ihnen, vielleicht ohne Kenntniß de» Cha rakters jener Blätter, bei einer Unterredung sprach, sich verleiten ließen, die nun bvse» Blut macht. Der eine der beiden eifrigen Zeitungsmänner hatte, wie er erzählte, dem König« gesagt, die Norwrger machten es ihm nicht immer leicht, sie zu lieben, und weiterhin bemerkt, ein deutscher Diplomat habe ihm, dem Correspondenten, mitgetheilt, die nor wegischen Radikalen wollten eine Republik machen und Jever von ihnen wolle der Präsident derselben werden. Dieser Interviewer hatte sich damit begnügt, dem König auf so überaus taktvolle Anspielungen nur ausweichende Antworten zuzuschrriben. Der andere hatte Größere- geleistet. Er hatte, wie er berichtete, dem König Complimente über seine „bewundern-werthe Loyalität" gegen Norwegen gemacht und sich darüber aufgehalten, daß man versuche, Nansen'» Persönlichkeit, der selbst zu den Radicalen gehört, im Interesse de» radicalen NorwegertdumS politisch au-zubeuten, woraus der König erwidert haben sollte: „Ich kenne Nansen'» politische Vergangenheit. Ich habe versucht, alles Politische von der 24. September 1896. Feier fernzubalten. Nansen hat versprochen, ,n Zu kunft der Politik sernzubleiben." Wetter sollte er ge sagt haben, er habe eine furchtbar schwierige Stellung und gestehe, daß ihm die Zukunft ernste Sorge bereite; die Nor- weger seien ein Volk, da» mehr politisire, als jede- andere Volk; aber er sei und bleibe König von Norwegen; e« sei ein harter Kampf, aber er werde siegen. Dieser Tbeil der Unterhaltung schloß nach der Mittbeilung des Correspondenten damit, daß er, da der König sicht lich erregt war, die Unterhaltung „auf ein andere- Gebiet spielte." (I) Diese beiden Berichte nun haben in der nor wegischen Presse heftige Angriffe gegen den König veranlaßt, insbesondere ist bestritten worden, baß Nansen jemals ver- sprechen habe, in Zukunft der Politik fernzubleiben. Der König hat sich daher aenöthigt gesehen, durch den StaatSrath Nilsen da« folgende, schon mitgetheilte, Schreiben an Nansen richten zu lassen: „Der König hat mich durch den Staat-Minister Gram auf gefordert, Ihnen mitzutheilen, daß r» unkorrekt ist, wenn in Mit» theilungen an auswärtige Zeitungen gesagt wird, der König hätte geäußert, daß Sir versprochen haben, sich von der norwegischen Politik fernzubalten. EiwaS Derartige» hat der König nie au», gesprochen; er hat vielmehr ungefähr Folgende» gesagt: Nansen wünscht nicht, daß die Festlichkeiten rin politische» Gepräge erhalten, sondern er wünscht, daß sie »in allgemeine- nationale» Fest werden mögen." , Außerdem wurde officio» erklärt, daß „der übrige Theil der von auswärtigen Blättern berichteten Gespräche mit dem König vielfach unrichtig sei, aber keine- Dementi» bedürfe, da die Referate selbst hinreichend da» Gepräge der Un korrektheit tragen". Der König von Schweden und Norwegen wird wohl nicht so bald wieder einen Interviewer empfangen. Ein außerordentlich interessante- Experiment beabsichtigt Rußland im nächsten Jahre vorzunehmen, nämlich eine Volkszählung nach den in den übrigen europäischen Staaten geltenden Grundsätzen. Der Gedanke wird schon seit dem Jahr« 1870 erwogen, doch stieß seine Ausführung bisher auf unüberwindliche Hindernisse. Jetzt find Vie Vor bereitungen so ziemlich beendet, so daßim Sommer nächstenIahre» die Zählung staltfinden kann, welche zum ersten Male eine ge nauere Ermittelung der Srrlrnzahl Rußland- bewerkstelligen soll, da di« di»herigrn Zählungen durchau» ungenügend waren. Welche ungeheure Aufgabe damit erfüllt wird, läßt sich nicht nur au« der Au«behnung Rußland», sondern auch au- der Ber sch,edenartigkeit seiner Einwohnerschaft schließen. Zum Zwecke der Zählung werden für die ländlichen Kreist 4200 Sektionen, für die «tädte 1600 Sektionen gebildet, da Rußland eigentliche OrtSgemeinden im westeuropäischen Sinne al» Verwaltung»- organe nicht kennt. So weit al» möglich soll dir Zählung an einem und demselben Tage stattfinden. Kür die central asiatischen Besitzungen, für Sibirien und andere Theile deS rusfischen Reiche» wird das sreilich nicht möglich fein; hier werben besondere Bestimmungen getroffen werden. Die Kosten ver Zählung sind auf 10 Millionen Rubel, etwa da- Zwanzig fache der Kosten einer deutschen Volkszählung, veranschlagt; für dir Bearbritung dr» grwonnenen Material» find 3 bis 4 Jahre vorgesehen. Vom wissenschaftlichen, wie vom volkswirthschaftlichrn Standpunkts au» kann di« russische Volkszählung rin hobt» Interesse beanspruchen, zumal da di« zu beantwortenden Fragen eine AuSbedung erhalten sollen, welche über die gewöhnlich, Fragestellung bei Volkszählungen hinaus geht. Die Zählung soll sich nämlich ersticken auf den Namen, den Familienstand, da- Verhältniß zum HauS- halkungSvorstand, da» Geschlecht, da» Alter, di« sociale Stellung, die Religion, den Ort der Geburt und deS Domi- 90. Jahrgang. cilS, dir Nationalität, den Aufenthaltsort, die Muttersprache die Schulbildung, auf Beschäftigung, Beruf und Gewerbe und auf etwaige wesentliche natürliche Gebrechen. Deutsche- Reich. * Berlin, 23. September. Die klerikale Presse kommt, wie schon kurz erwähnt, auch anläßlich des Aufruhrs von Opalen itza wieder den Polen zu Hilfe. Während die „Germania" sich in den subtilsten, mißtrauischen Unter suchungen darüber erging, weshalb der Districtecommisiar von Carnap an dem kritischen Abend zum Bahnhose zu fahren batte, schreibt die „Köln. VolkS-Ztg.": „Daß der Nationalitätrnhaß in Posen wieder heftiger aufblüht, läßt sich ja nicht leugnen; zeitlich fällt diese Erscheinung mit der Entstehung de» tz. K. T.-Veretn- zusammen. Daß auch die Polen manchmal über die Stränge geschlagen baden, wollen wir ebensowenig bestreiten, wie wir feststellen müssen, daß ihnen in ihrer Eigenschaft als Angegriffene mildernde Umstände ge bühren. Wenn rin Kamps entsteht, wird auf beiden Seiten geschossen; das ist immer so gewesen und liegt in der Natur der Sache. Nach unserer Ansicht ist e» die Aufgabe der Regierung, in Posen die Politik der „kalten Wasserstrahlen" anzuwenden; jedenfalls muß aber davon au-gegangrn werden, daß die Polen in ihrer Eigenschaft als preußische Staatsbürger durchau» gleiche» Recht mit den Deutschen Haden. Auf dieser Basis kann man vorgehen; aber gerichtliche Urtheilr, wie da» von Graudenz, wirken verwirrend und können in drn Deutschen die Meinung erwecken, daß sie angreifen, aber nicht wieder angegriffen werden dürfen. Wenn die Polen zu der Ansicht gelangen sollten, man wolle sie rechtlos machen, so kann kein Frieden gedeihen; man darf doch di« Polen nicht zur Ver zweiflung treiben." Man kann, bemerkt die „Nat.-Ztg." zutreffend, die Dinge nicht ungenirter auf den Kopf stellen. Die Begründung des Verein» zum Schutze dr- Deutschthums in den Ostmarken, den da» klerikale Blatt ganz nach polnischer Manier als den H. K. T.-Derein bezeichnet, entsprang auS der Erkenntniß der Deutschen in Len vom Polenthum bedrohten LandrStdeilen, daß diese», gefördert durch die Schwäche einer Regierung, welche sich au- der polnischen ParlamentSfraction einen Erzbischof von Posen und Gnesen geholt batte, unaufhaltsam vorwärts dringt. Von „Verzweiflung" der Polen zu reden, ist geradezu lächerlich; die Stimmung derselben ist die der Siegeszuversicht und der Ueberhebuna. Die erste Aufgabe der Regierung in Posen und Westpreußea ist, dort da» Deutschthum zu schützen. Dir Polen haben Anspruch auf gleiche Behandlung mit den Deutschen, so weit dieGleichberechiigung nicht zur Vorbereitung gegen den preußischen Staat gerichteter Zukunfl-pläne aus genutzt wird. Preußen ist nicht wie Oesterreich ein aus verschiedenen Nationalitäten föderalistisch zusammengefügtes politische» Gebilde, sondern rin deutscher Staat. Nach diesem Gesicht-punct muß auch in Posen und Westpreußen regiert werden. * Berlin, 23. September. Die „Köln. Ztg." schreibt: „Nachrichten von dem Einfall der Wawemva in deutsches Gebiet am Tanganyika kommen von der Missionsstation der Weißen Väter, Kala. Bis zum Jahre 1893, wo Wissuiann den Wawemba bei Kdndon eine schwere Niederlage beibrachte, wiederholten sich diese Einfälle alljährlich und waren stets mit vollständiger Ausraubung und Verwüstung des be treffenden Gebiete» verbunden, dessen Bewohner in die Sklaverei grführt wurden. Im Jahre 1893 fielen sie eben- sall» in der Stärk« von 5000 Mann ein und begegneten Wissmann, der nur über eine schwache Truppenabtheilung von 60 Mann verfügt«, mit der er den Angriff der ungeheuren lieber macht in einem befestigten Dorfe abwartete. Es gelang ibm, den Angriff blutig abzuweisen und den Wawemba eine solche FsurHetsn un- er- macht, sie brach zusammen, a!» er da» schützend« Asyl er reicht hatte, zu dessen Gewinnung er sein« letzte Lebenskraft eingesetzt hatte, und e- bedurfte einer langen und aufopfern den Pflege seiner Tochter, um ihm dieselbe wiederzuglben. Lia Rose eilte mit nimmermüder Geduld von einem der tbruerrn Kranken zum anderen. Wenn si« da» Zimmer ihre» Vaters betrat, so verbannt« si» iede Trauer au» ihrer Stimme, jeden Hauch von Angst und Schwermuth au» ihren Worten, ihn zu erheitern und zu zerstreuen, war bann ihre einzige Sorge. Sie wurde nicht müde, mit ihm stunden lang von seiner geliebten Frau Musira zu sprechen, ibm vor zulesen und zu singen. Ja, sie sang, sie preßte die Hand auf ihr zuckende» Herz und sang ,hm jene selben Lieder, die sie mtt den seligsten Empfindungen, deren ein« Menschen brust fähig ist, dem Geliebten gesungen. Wenn si« dann an Walter» LeidenSbett zurückkehrte, s- zeigte sie keine Spur von Ermüdung oder Erbolung-bedürstigkeit. Die Energie ihr,» Willen» schien dem zarten Mädchen Kraft und Au-dauer zu verleiben, da» Schwerste zu überwinden. Es war fast ein Wunder, daß sie den Anstrengungen nicht erlag, die sie getreulich mit der unglücklichen Mutter thcilt«, ja, deren schwersten Theil st« stet» auf sich zu nehmen suchte. Der Krank« schien sich in ihrer Gegenwart auch stet» am glücklichsten zu fühlen; er wurde unruhig, sobald sie sich nur «inen Augenblick entfernt», und die Gluth de» Fieber» sänftigte sich strt», wenn ihr« Hand sich aus seine Stirn legte. „Wenn wir ihn durchbringe», gnädige» Fräulein, so haben Sie ihn dem Tode abgerungen", pflegte der ihn behandelnde Arzt, der Hofrath von Werth, der Leibarzt der Fürstin, zu sagen, der vom Hofe zu R. eigen» herüderzeschickt worden, «ine-theil», weil der jung« ErkenS die Wunde, «l» deren Folg« man allgemein seine Krankheit betrachtete, im Dienste ^ine» Herrn empfangen, hauptsächlich aber, weil die hohe Frau dadurch ihre Dankbarkeit beweisen wollt« für die gastliche Aufnahme und aufopfernde Pfleg», di« ihre Tochter, Prinzeß Theres», im Forstbaus gefunden. In den langen Nächten, di« Lia Ros« an Walter» Lager machte, enthüllte sich ihr auch das strengverwabrle Gehtimniß seiner Liebe, da» tiefe, mannhaft bekämpft« Gefühl, drssen Gegenstand fi« war, da« er um dr« Freunde» Willen in »en tiefsten Tiefen seine« Herzen» »erborgen; e» strömte ihr entgegen au» den Firbrrpbantasien de» Besinnungslosen und erfüllte sie mit schmerzlichem Bedauern. Sie I erkannte ja nun, welchen Schmerz si« ihm, den sie wie der Prinzessin in der seinen hielt, hinüber zu dem Wald- umschlossenen Försterhause und zu dem Stern, der dort seinem Leben aufgegangen war. Ihm war e», al» sehe er ihn in diesem Augenblick« sichtbar über seinem Hauste schweben uno al- blicke au» ihm »in blaue« Auge grüßend zu ihm nieder. Fester umschloß er die Hand ferner Braut; er wußte e-, i daß der Segen Gotte» und der Segen der Liebe ihn begleitete. Kurz darauf prangte die Residenz von T. im vollsten Feste-schmucke. Von den THUrmen läuteten die Glocken, und von allen Häusern wehten die Fahnen im Morgen wind«; in den btumengeschmvcktea Straßen aber bildete in dichten Reiben da» Volk Spalier, so daß oftmals die vor drängend« Meng« zurUSgehalten werden mußte. Da« jung« fürstliche Paar hielt heute seinen Einzug in die Mauern seiner Hauptstadt und wurde von der Bevölkerung mit nicht tndenwoüenbem Jubel begrüßt. Von den Hochrufen seine» Volke» begleitet, führt« Fürst Edgar fein junge» Weib in die alt« Fürstrnburg; der heißeste Segenswunsch aber folgte den Neuvermählten auS weiter Ferne, — — er kam «u» dem Walde. XVM. In der Obersörsterei war r» recht still geworden; da» verflossene Jahr hatte seinen Bewohntrn tiefgehende Ver änderungen gebracht. Auf jenen Abschied vom Walde waren lange, schwere Tage und Wochen gefolgt, in »enen Walter zwischen Too und Leben geschwebt ha»»», und kaum »in Schimmer von Hoffnung erhellte die Herzen der trostlose« Eltern. In dieser dunklen Zeit war Lia Rose recht eigentlich der Sonnenstrahl des Hause» gewesen, im Feuer de« Schmer,«» bewährt« sich ihr Herz al» echte» Gold. Fromm, mild und start wie ein Engel de» Tröste» hatte sie den gebeugten alten Leuten zur Seit« gestanden und mit dem eigenen muthigen Gottoertrauen da» ihr« aufrecht erhalten. Hochherzig den bitter« Kummer um ihr, verlorene Liebe unterdrückend, war sie unermüdlich im Pflegen, Trösten und Beten, sie verdoppelt« ihr« Kräfte in hingebender Sorge um ihre Lieben, sie bangte ja nicht um Walter allein, auch für de» tbeucrn, ihr kaum erst wiedergeschenkien Vater- Leben mußte sie zittern. Derselbe war, wi« sie ihm ver sprochen, von den alten Leute« mit offenen Armen anf- genommen und im Forsthau» mit liebender Sorgfalt umgeben worden, aber Gialio Goldini'» schwache Gesundheit hatte den vorausgegangenen Stürmen nicht zu widerstehen ver-1 Die Tochter -es Geigers. 14s Roman von A. Brüning. N«ä>dr»ck »ertöten. „Ich bedarf keiner Bedenkzeit mehr", sagte si« fest. „Was Sie, fürstliche Hoheit, mir soeben sagten, wußte ich längst; ein Zufall machte mich zur Mitwisserin Ihre« Ge heimnisses. Ich kenne das Mädchen, welches Ihre Liebe be sitzt; ichweiß auch, daß das Herz, da» für Sie geschlagen, keinen Raum mehr für andere Liebe hat. Wenn ich trotz dem meine Hand vertrauensvoll in die Ihrige lege, so ge schieht eS in der festen Ueberzeugung, daß ich sie einem edlen Manne reiche, der meine vollste Hochachtung besitzt, und das ist mehr, als den meisten Fürstenkindrrn zu Theil wird. Ich nehme Ihre Werbung an und verspreche Ihnen, daß ich Ihrem Volk eine echte Fürstin und Ihnen selbst eine hingebende Gefährtin sein will, dir sich glücklich schätzen wird, wenn e» ihrer warmen Freundschaft gelingt, Ihnen die herbe Enttäuschung verwinden zn Helsen, dir da- Leben so früh schon Ihnen bereitet hat." Wenn dieser Entschluß der Prinzessin einen Kampf ge kostet hatte, so war er längst au»gefocht«n, ihre Züge »er- riethen nicht» mehr davon. Sir stand aus und hielt ihm die schmale weiße Hand entgegen, die er mit festem Druck umschloß. „Ich danke Ihnen, Prinzeß Therese", sagte er mit bewegter Stimme, „in treuer Freundschaft also!" Sir sah mit gewinnendem Lächeln zu ihm auf. „In treuer Freundschafti" wiederholte sie leise. Wenige Monde später stand Prinzeß Therese an der Seit« ihre- hohen Verlobten in bräutlichem Schmucke vor dem Altar, und von Beider Lippen klang lau» und fest daS „Ja", da» sie für » Leben aneinander knüpfte. Auf den feinen Zügen der fürstlichen Braut lag tiefer Ernst, aber r» sprach auch freudiger Muth au» ihnen. Sie war sich dr» Loose» klar bewußt, da» fi« erwählt hatte, aber ihr« Lieb« hatte sich emporgerungen zu jener selbstlosen Hs- gäbe, di«, wenn sie auch für sich selbst kein volle» Glück warten darf, doch ein schöne« Ziel darin erblickt, da» Leben de» Geliebten zu verschönen. Fürst Edgar'» Gedanken schweiften, während er die Hand einen Bruder liebte, ahnung»lo» zugefügt, und welche Hoffnungen fi« seinen Eltern zerstört hatte, denen sie so gern mit allen ihren Kräften di« Liebe und Güte vergolten halte, die sie ihr so gerne erwiesen. Mit scheuer Furcht dachte sie daran, wie sich nach dieser Entdeckung künftig ihr Zusammenleben mit Walter gestalten werde, dem sie non nicht mehr unbefangen wie früher ent- gegrntreten konnte. Da» Peinliche eine» täglichen Zusammen sein» sollte indeh nun Beiden erspart werden. Walter war kaum genesen und fähig, die letzten warmen Herbsttage im Garten zu verbringen, al» ein gänzlich un erwartete» Errigniß die Familiengliever trennte. Von der Regierung zu R. wurde der Oberförster ErkenS als Forst meister nach einem anderen Orte versetzt, und Walter zu seinem Nachfolger auf ter alten Wirkungsstätte ernannt. Die Ursache dieser beiden plötzlichen Ernennungen war ein Brief gewesen, den Fürst Edgar bald nach seinem Ab schied vom Forstbause an Prinzeß Therese sandte, und worin er sie um ihre gefällige Vermittelung bei ihren Eltern gebeten hatte, und worin er sein Interesse sür die Familie mit seiner Freundschaft für den Sohn deS Hause» motivirte. Dieser Brief — die erste Annäherung de« heimlich Geliebten hatte damal» der Prinzessin eine schmerzlich süßt Freude gewährt; er enthielt ja eine Bitte an sie, freilich eine Bitte, auS der seine ganze Fürsorge für ein« Andere sprach. Tie war jedoch zu edelmüthig, dieser Bitte nicht zu willfahren. Ihr eigenes Zartgefühl batte ihr bereits einen ähnlichen Gedanken ««gegeben, indem sie im eigenen Herzen di« Qual nachempfand, die für Lia Rose in dem Weiterleben auf dem Schauplatz« ihres zertrümmerten Glückes lag, wo jeder Baum und jede Blume sie an das, wa» sie verloren batte, erinnern mußte. Sie verwendete sich daher bei ihrem Vater auf da» Lebhafteste für die fraglichen Ernennungen, wofür ihre Dankbarkeit gegen di« Familie deS Oberförsters ihr einen leicht glaublichen Vorwand bot. Der Fürst konnte seiner einzigen Tochter nicht leicht einen Wunsch abschlaaen, wozo ja auch hier nicht der mindeste Grund vorlag: Ober förster Erken» war ein im Dienste seine» Fürsten ergrauter Mann, und auch Walter hatte sich letzthin bei Abfassung der Wilddiebe durch seine Entschlossenheit und Unerschrockenheit au-aeeeichnet. Die Empfindungen der Zunächstbetbeiligten hei dieser Wendung der Dinge waren gelbeilt: Walter sowohl als Lia Rose begrüßten sie mit tiefer Erleichterung, für Bride wär«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite