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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.10.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961023011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896102301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896102301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-10
- Tag1896-10-23
- Monat1896-10
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Gröbere Schriften laut unserem Preis« »erzeichnib. Tabellarischer und Merusatz nach böherem Taris. Ettra-Beilagen (gefalzt), nur mit d«, Morgen-Au-gabe, ohne Postbesörderuug » «).-< mit Postbesörderuug 70.—. Armahmeschluß für Anzeige«: Abend-AuSgabe: Bormittag« 10 Uhr, Margen-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je «iim halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet« au die Expedition zu richten. —- , Druck nnd Bettv-i von E. Volz in Leivzi« 54l. Freitag den 23. Oktober 1896. Sv. Jahrgang. Das ftrasmündige Älter. Da auch die zuletzt veröffentlichten Zahlen der deutschen Eriminalstatistik zeigen, daß die Zahl der wegen Ver brechen oder Vergehen gegen die Strafgesetze verurlheillen Personen im Alter von 12—18 Jahren in ununterbrochenem Steigen begriffen ist, so ist es begreiflich, daß der Ruf nach einer Reform d er Zwangserziehung als des besten PräventivmittelS gegen das Anwachsen des jugendlichen Ver- brechertbums sich immer stärker erbebt. Auch die,L?at.-Lib. Corr." stimmt in diesen Ruf ein, indem sie ausführt: „DaS ReichSamt deS Innern hat auf Veranlassung des ReichSjuftizamlS vor zwei Jahren Erhebungen darüber anstellen lassen, welche Ergebnisse die staatliche Zwangs erziehung bisher in Deutschland gehabt bat. Diese Er hebungen konnten schon deshalb nicht besonders zufrieden stellend ausfallen, weil es an einer einheitlichen Regelung dieser Materie fehlt und weil weite Gebiete im Reiche überhaupt einer gesetzlichen Regelung derselben entbehren. Der StaatSsrcretair tm Reichöjustizamt hat daher im Reichs tage die Wichtigkeit einer rationell und einheitlich für das Reich geordneten Zwangserziehung unumwunden zuaestanden. Nachdem die unerläßliche Grundlage für eine solche Regelung, ein übereinstimmendes Vormundschaftsrecht, durch das Bürger liche Gesetzbuch festgelegt ist, wird man erwarten dürfen, daß diese Reform energisch in Angriff genommen wird. Die vor drei Jahren von der deutschen Gruppe der internatio nalen kriminalistischen Vereinigung für die Be handlung jugendlicher Verbrecher ausgestellten Thesen weisen den Weg, der dabei zu gehen ist. Die Richtigkeit dieses Weges hat auch der StaatSsrcretair Nieberding anerkannt In erster Reihe wird eS sich darum handeln müssen, das straf mündige Alter höhe r als bisher anzusetzen. Milder jetzigen Altersgrenze von 12 Jahren hat man keine günstigen Erfahrungen gemacht. Einmal wird zugestanden, daß bei 12- oder 13jährigen Kindern, die sich eines Ver gehens oder Verbrechens schuldig gemacht haben, sehr häufig, wenn auch nicht das geistige Verständniß für die Strafbar leit ihrer Handlungsweise, wohl aber die sittliche Reife für die Beurthcilung ihrer Tbaten vollständig fehlt. Das Gefängniß wirkt selten bessernd auf solche Kinder, und wenn dieselben nach Verbüßung der Strafe in die Schule zurück kehren, bilden sie eine ernste Gefahr für die übrigen Kinder. Die Heraufsetzung der Strafmündigkeit auf das 14. Jahr ist daher eine Forderung, die sowohl im Interesse der straf fälligen Kinder wie unserer ganzen Schuljugend liegt. Bei Straffälligen unter 14 Jakren sollte lediglich die Vor- mundschaftsbehörde in Wirksamkeit treten, d. h. eine staatlich überwachte Erziehung angeordnet werden. Für die Behandlung der jugendlichen Straffälligen im Alter von 14 bis 18 Jahren ist von der internationalen kriminalistischen Vereinigung der Grundsatz ausgestellt worden, daß auf Strafe oder auf staatlich überwachte Erziehung, oder auf Strafe und staatlich überwachte Erziehung erkannt werden sollte. In den zahlreichen Fällen, wo der Richter feststellt, daß die Straffälligkeit durch Verwahrlosung in Folge mangelhafter Erziehung herbeigrführt ist, wird eine staatlich überwachte Erziehung in einer fremden Familie oder in einer Erziehungsanstalt zweifellos eher eine bessernde Wirkung auSüben, als das Gefängniß. Das nunmehr in allen deutschen Bundesstaaten eingesührte System der bedingten Begnadigung würde auf diesem Wege eine werthvolle Er gänzung finden. Schließlich bleibt auch noch die reichszesetz- licke Regelung der Zwangserziehung solcher Personen vurch- zuführen, die sich criminalistisch nicht vergangen haben, bei denen aber die Umstände eine staatlich überwachte Erziehung als dringend geboten erscheinen lassen. Staats- secretair Nieberding wies im vorigen Jabre darauf bin, daß man bei der Regelung dieser Frage die finanzielle Seile nicht übersehen dürfe. Würde ein großer Theil der jetzt zu Criminalstrafen verurlheillen jugendlichen Personen dem Bereich des Strafrichters entzogen und den Corrigenden- anstalten überwiesen, so würden die einzelnen Landesver waltungen darauf Bedacht nehmen müssen, daß genügende und passend eingerichtete Anstalten für Viesen Zweck vor handen seien. Wir meinen, gerade diese Rücksichtnahme müßte dazu führen, die principielle Regelung der Angelegen heit zu beschleunigen, damit mit dem Inkrafttreten deS Bürgerlichen Gesetzbuches auch die Reform auf dem Gebiete ter Zwangserziehung, der ja nach der Mittheilung des StaatSsecretairS des Reichsjustizamtes an den zuständigen Stellen sowohl im Reiche, wie in Preußen vorgearbeitet ist, inS Leben treten kann." Wir stimmen diesen Ausführungen im Allgemeinen und insbesondere dem über die Noihwendigkeit der Heraufsetzung der Strafmündigkeit auf das 14. Jahr Gesagten bei, glauben aber darauf Hinweisen zu müssen, daß mit dieser Herauf setzung der unteren Grenze auch eine Herabsetzung der oberen Grenze der Strafmündigkeit verbunden werden muß, wenn die Zahl der jugendlichen Verbrecher reducirt werden soll. Die Nothwendizkeit eines solchen Schrilles wird gerade jetzt durch die Berichte dargetban, die über die Ermordung des JustizrathS Levy in Berlin verbreitet werben. Der Mörder Grosse ist 17 Jahre alt, sein noch nickt verhafteter Complice Werner 16 Jahre. Nach tz. 57, Absatz I, des Relchs-StrafzesetzbucheS können nun diese Ver brecher, da sie daS Alter der Strafmündigkeit, 18 Jahre, noch nicht erreicht haben, weder mit dem Tode, noch auch nur mit ZuchtbauS bestraft werden, sondern höchstens mit einer Gefangnißstrafe von 3—15 Jahren. Bedenkt man, raß nach dem eigenen Zugeständniß des Grosse die Verbrecher von vornherein die Absicht gehabt haben, das Ehepaar zu ermorden, bedenkt man ferner, daß sie mit völliger Kaltblütigkeit an die Ausführung ihres Ver brechens gegangen sind, so muß man sagen: 1) daß derartige Personen auch durch staatlich überwachte Erziehung schwerlich jemals wieder brauchbare Mitglieder der menschlichen Gesell schaft werden können, daß ihr Abschluß von der Gesellschaft nur im Interesse der letzteren liegt; 2) daß diese Personen durch die Art der Ausführung ihre- Planes und durch den Vorsatz zu einer so entsetzlichen Thal dieselbe traurige Reife documrntirt haben, wie sie nur bei strafmüudigen Personen vorausgesetzt wird. Wir fügen hinzu, daß diese beiden jugendlichen Verbrecher in der schrecklichen Reife ihres ver brecherischen Willen« leider keine vereinzelt dastehende Er scheinung sind, sondern daß, besonder- in den großen Städten, jugendliche Verbrecher oft genug die Reff« unv hoffnungslose Verderbtbeit alter Gewohnheitsverbrecher besitzen. Da diese jungen Verbrecher mit alten „Criminal- studenten" oft genug Zusammenkommen, so sind ihnen die sie begünstigenden Bestimmungen des Strafgesetz buches wohl bekannt und cs wird dadurch die Furcht vor der Strafe gemindert, die Lust zum Verbrechen gesteigert. ES würde sich daher empfeblen, die Bestimmungen deS Straf gesetzbuches über die jugendlichen Verbrecher in der Weise abzuändern, daß die obere Grenze des Strafmündigkeitsalters fakultativ herabgesetzt wird, so nämlich, daß es in jedem Falle der Prüfung des Gerichtshofes zu unterliegen hätte, ob ein jugendlicher Anzeschuldigter nicht nur die zur Er- kenntniß der Strafbarkeit der Handlung erforderliche Einsicht besessen hat, sondern ob er auch nach Maßgabe der festzu stellenden Thatumstände für seine Person die völlige Reife besessen bat, die bei strafmündigen Personen vorausgesetzt wird. Ist Letzteres der Fall, so wird man, besonders bei Strafthalen von großer Ruchlosigkeit, keinen Anstand nehmen dürfen, die volle Strenge des Gesetzes walten zu lassen. Deutsches Reich. * Leipzig, 22. October. Die unS kürzlich aus Kattowitz zugezangcne Nachricht, daß König Albert zur Aus schmückung deS CalvaricnbergeS in Deutsch-Piekar, vor dessen Marienbild? Kurprinz August im Jahre 1697 conver- tirte, 1000 gespendet habe, wird bestätigt und wesentlich erweitert durch folgende Meldung der „Köln. Ztg." aus Deutsch-Piekar: „Am 27. Juli nächsten Jahres werden 200 Jahre verflossen sein, daß August der Starke von Sachsen auf seiner Reise nach Polen Deutsch-Piekar passirte und in der hiesigen Pfarrkirche zum katholöchen Glauben übertrat. Der Postverwalter Rieger in Brzezinka hat über diesen historischen Act eine Schrift verfaßt, die er dem in diesem Jahre zum Priest«! geweihten Prinzen Max von Sachsen übersandte. König Albert von Sachsen hat nun dem hiesigen Erzprirstrr Nrrlich zur Ausschmückung des Calvarirnbrrgrs 1000 überwiesen. Prinz Max von Sachsen hat sein Erscheinen bei dem nächstjährigen Jubiläum des Urbertritts August'- des Starken zur katholischen Kirche zugesagt." Wenn ein protestantischer Fürst Tag und Ort, an denen sein Vorfahre zum Protestantismus übertrat, durch eine Schenkung oder Stiftung auszeichnet, so wird dagegen der katholische Theil seiner Untertbanen selbst dann nicht- ein wenden können, wenn dieser Theil die große Mehrheit der Bevölkerung bildet. So wird denn auch bas protestantische Sachsen gegen die Schenkung König Albert'S nickt- ein zuwenden haben. Etwas anders aber liegt die Sache mit der Betheiligung deS Prinzen Max an einem förmlichen Jubiläum deS UebertrittS August'- des Starken zur katho lischen Kirche. Daß der Prinz bei einem solchen Jubiläum nur schweigender Theilnehmer sein würde, ist nicht anzu- nehmen; als Redner aber würde er sich schwerlick in den Grenzen halten können, deren Rcspectirung das protestantische Sachten mit demselben Rechte fordern dürfte, mit dem in einem anderen Falle der katholische BevölkerungStheil eines Landes sie fordern dürfte und würde. Wir bezweifeln daher vorläufid den auf die Betheiligung des Prinzen Max an dem Eonversionsjubiläum bezüglichen Tbeil der Meldung des rheinischen Blattes. * Berlin, 22. October. Wir haben bereits gemeldet, daß gegen zwei diesige Journalisten vom Reichskanzler wegen verleumderischer Beleidigung des OberbofmarschallS Grafen Eulenburg und des StaatSsecretairSFreiherrn ».Marschall der Strafantrag gestellt worden ist. Die beiden Angeklagten, die Herren v. Lützow und Leckert genannt Larsen, waren als Verfasser von Mittbeilungen ermittelt worden, die, wie erinnerlich, das Wochenblatt „Die Welt am Montag" publicirt hatte und in der die Behauptung aufgestellt war, die falsche Wiedergabe des Zarentoastes bei der Breslauer Entrevue sei durch den Grafen Eulenburg veranlaßt worden und Herr v. Marschall sei derjenige gewesen, der diese Angabe durch Mittelspersonen bälte an die Oeffentlichkeit gelangen lassen. Der fragliche Artikel war am Montag, den 28. September, erschienen und am Montag, den 5. Oclober, ausdrücklich in allen Theilen ausreckt erhallen worden. Wie man jetzt er fährt, war darauf am 9. October bereits die Verhaftung der beiden Beschuldigten verfügt und vollzogen worden. Aber während Herr v. Lützow sckon am 13. October als nicht fluchtverdächtig wieder aus der Haft entlassen wurde, blieb Herr Leckert genannt Larsen in Gewahrsam. Der zuletzt Genannte der beiden Herren hatte, dem „Berl. T." zufolge, den Breslauer Kaiserlagen in seiner Eigenschaft al« Ver treter ter „Täglichen Rundschau" und deS „Breslauer Generalanzeigers" angewohnt, während Herr v. Lützow als früherer Militair für auswärtige Blätter als Manöverbericht- erstatter tbätig gewesen sein soll. Herr Leckert ist es, dem Herr v. Lützow die jetzt incriminirten angeblichen Informationen verdankt. Er weigert sich, wie man sagt, noch heute, seine Gewährsmänner zu nennen, soll aber die An gabe des Herrn v. Lützow bestätigt haben, daß er ihm, wenn auch zu Unrecht, den Freiherrn v. Marsckall als denjenigen bezeichnet habe, dem er die Mit theilung über die angebliche Thätigkeit deö Grafen Eulen burg in der Zarentoastaffaire verdankte. Diese durch einen Gerichtsreporter in die Oeffentlichkeit gekommene Aussage war von der „Staatsbürgerzeitung" zu einem Artikel benutzt worden, den sie gestern Morgen unter dem Titel: „Zum Capitel: Officiöse Prcßwirthschaft" veröffentlichte. In diesem Artikel batte sich das antisemitische Organ die Unterstellungen deS Herrn Leckerl-Larsen gegen Freiberrn v. Marschall zu eigen gemacht und zugleich diese Anschuldigung dabin erweitert, daß sie sie mit den seiner Zeit in der „Kölnischen Zeitung" und dem „Hamburger Eorrespondenten" erschienenen Ar tikeln über die sogenannte „Ncbenregierung" in inneren Zusammenhang brachte. Wie schon erwähnt, ist infolge dessen das antisemitische Blatt mit Beschlag belegt und Strafantraa „wegen Beleidigung des StaatSsecretairS Freiberrn v. Marschall und anderer Beamten deS Aus wärtigen Amtes" gestellt worden. Es liegt also hier eine ganz eigentbümliche Affaire vor, deren Ergcbniß auch die größere Oeffentlichkeit nickt ohne Interesse entgegen sehen wird. Es scheint, daß man in den maßgebenden Regierungskreisen die Absicht bat, bei dieser Gelegenheit mit dein ganzen Rattenkönig von Ausstreungen und zumeist nickt greifbaren Verleumdungen aufzuräumen, zu deren Zielpunct FeniH-ton. Älter Brauch der Saat und Ernte. Nachdruck v«rt»ten. Unsere Altvorkeren, die Germanen, begingen Saat und Ernte mit besonderen Feierlichkeiten, von denen sich viele von Geschlecht zu Geschlecht vererbt und bis auf den heutigen Tag erhalten haben, und sowohl wegen ihre- hohen Alter-, als auch ihrer tiefen Symbolik und ihre- poetischen Sinne» der Beachtung wertb sind. WaS zunächst die Saat nebst der ihr vorausgebenden Bestellung de« Felde« betrifft, so kommen dabei folgende Bräuche noch häufig vor: Am Pfluge wird ein angekohltes Scheit vom Osterfeuer befestigt, um die Frucktbarkeit deS Acker- zu fördern. Nicht nur das Osterfeuer selbst, sondern auch dessen Neberblribsrl galten bei den alten Deutschen als Segen bringend. Der Beginn de« Ackerns wird zwischen Gespann und Pflug eine Schüssel mit dem sogenannten Pflugbrod gestellt. Bleibt beim Anziehen der Ackerthiere die Schüssel unversehrt, so deutet da- auf ein gute- Jahr. Damit der Brand nicht in daS Getreide kommt, wird unter da- Saatgut etwa« Asche vom Osterfeuer gemischt. Bor der Aussaat werden auf dem Felde Eier gegessen, eine Handlung, welche ebenfalls da- Gedeihen der Früchte fördern soll, da da« Ei als Symbol der Fruchtbarkeit galt. Beim Säen und Pflanzen kommt e- vor allen Dingen auch auf die richtige Zeit an: Al- all gemeine Regel gilt, daß Alle-, WaS unter der Erde wächst (Knollen, Wurzeln), bei abnehmendem Licht gesäet werden muß, hingegen alle über der Erde wachsende Frucht (Getreide, Flachs ,c.) bei zunehmendem. Der Mond galt, wie bei fast allen Völkern, so auch bei den Germanen, neben der Sonne al» maßgebend zum Gedeihen der Feld früchte. Bei Mondwechsel darf nicht gesäet werden, weil sich da- Saatgut sonst in rin geringeres verwandelt. Die ge eignetsten Tage zum Säen sind der Montag und der Mitt woch: ersterer al» Taz de« befruchtenden Monde», letzterer al- Tag deS Gewittergotte» Wodan. Ferner soll es da- Gedeihen der Saaten fördern, wenn die Säetücher au» Garn gewebt sind, da- von einem Mädchen unter sieben Jahreu gesponnen wurde. Die kindliche Unschuld gilt al« glückbringend. Bei der Wintersaat muß man zuerst die Körner de« vorigjährigen Erntekranzes aussärn, weil diese Körner eine höhere Weihe besitzen, gleichsam einen höheren Rang einnebmen. Ein anderer Brauch besteht darin, in d«n Acker mit dem Spaten ein Kreuz «inzustechen und die ersten Würfe de« Saatgut- kreuzweise zu machen. Dieser Brauch ist nicht etwa christlich, sondern altgermanisch und bezieht sich auf des Gewittergotte- Donar kreuzförmigen Hammer, der gleichzeitig Wetterschutz schaffen und da» Ge deihen der Saaten (durch Zertrümmerung des Gestein«) fördern sollte. Ejgrnthümlick ist es, daß da« Säen schweigend geschehen muß, weshalb man einen Säemann nicht anreben, ihn nicht einmal grüßen darsi damit er das Schweigen selbst nicht durch den Gegengruß bricht. Es Handels sich eben um einen feierlichen, hochernsten Act, bei dem man sich hüten muß, die höheren Mäckte zu beleidigen bezw. sie in ihrer Einwirkung zu stören. Daher der Spruch: „Wer bei der Saat lacht, wird bei der Ernte weinen." Beim Flach-säen steckt man an die Enden des Feldes Hollunderzweiae. Der Hollunder (Hollar) war der Holda, einer Nebengestalt der Freva, geweiht. Diese war al- Be schützerin deS hän-lichen Flriße«, unv insbesondere de« Spinnen-, die Beschützerin des Flach-baues. Damit die Flachsstengel recht lang würde», nimmt man allerlei symbolische Hand lungen vor, welche diese Länge beeinflussen sollten. So läßt der Feldeigenthümer beim FastnachtSlanz (Fastnacht ein Fest der Freya) seine Tänzerin (in diesem Fall gewöhnlich seine Frau) recht hoch springen, indem er sie emporhrbt und dabei sagt: „so lang soll der Flach- werben" (nämlich so hoch ich dich hebe). Dir Säezeit de- Flachses bat sich nach den Eis zapfen zu rickten. Waren diese im December recht lang, so mutz man die Saatzeit früh wählen, waren sie eS im Februar, dagegen spät. Nach der Gestalt und dem Aussehen der Eis zapfen richtet sich auch da- Gedeihen deS Flachse«. Je nach dem sie lang und schlank, kurz und zwieselig (unansehnlich, verkümmert), wird auch der Flachs lang oder kurz und zwieselig. Noch mehr wie die Zeit der Bestellung und Saat war die Erntezeit bei unser» Altvorderen eine heilige Festzeit, die alle anderen Geschäfte nnd Angelegenheiten in den Hintergrund drängte. Selbst Gerichtsverhandlungen mußten wäbrend derselben verschoben werden. Es sollte eben eine durch nicht- gestörte friedliche, harmonisch-fröhlich« Fest stimmung herrschen. So ist es, abgesehen von der Ver schiebung de- Gericht-verfabren«, heule noch in vielen Theilen unsere- Vaterlandes, insbesondere dem nordwestlichen, wo fick schöne altgermaniscke Bräuche am meisten erhalten haben. Nack dem Volksglauben muß man die Getreideernte Freitag beginnen, weil dann die Mäuse nicht ins Korn kommen. Umgekehrt ist e« mit dem Montag. Der Freitag, als der der Freya geweihte Tag, war ursprünglich der beste Glücks- tag, der Montag dagegen, al- der Tag des stets im Wechsel begriffenen Monde-, ein Unglück-tag. Die rrstrn Halme lägt man von einem Kinde unter fünf Jahren schneiden (Segen der Unschuld), ebenso muß ein solches das erst« Strobseil wiaden. Werden die Strohseile schon zu Fast nacht gewunden, so bleibt die Ernte vor Mäusefraß geschützt. Die ersten zwei Halme müssen in Form eines Kreuze- geschnitten werden, sonst haben die bösen Geister (Hexen) Macht über die Ernte. Wenn die Sichel nicht mehr schneidet, darf die Schnitterin sie nicht selbst wetzen, sondern eine andere. Sie darf ihr aber die Sichel nicht in bi» Hand geben, sondern muß sie zu Boden werfen und, nachdem sie gewetzt ist, auch wieder vom Boden aufheben. Dies ist unzweifelhaft ein uralter Brauch, sich gründend auf die segnende und kräftigende Macht der Mutter Erde. Man beginnt dir Ernte in festlichem Gewände, die Mädchen reich mit Bändern und Flitter geschmückt. Mittag» ertönt vom Kirchthurm feierliches Geläute und Abend-, wenn der erste Wagen beladen zur Abfahrt bereit steht, finden sich die Dorfmustkanteu ein und nun gebt e» unter lustigen Weisen hinein in- Dorf, wo Speist und Trank da- Sckniltervolk er wartet und ein Tänzchen die Anstrengungen de» TagrS ver gessen läßt. Ursvrünalich aber mußte das Ausladen und Ein dringen de» ersten Fuders Getreide in feierlicher Stille ge schehen; es durfte dabei kein Wort gesprochen werden. Auch da- Läuten bei Beginn der Ernte batte ursprüng lich nicht die Bedeutung der festlichen Handlung. Es sollten vielmehr damit die bösen Geister, welche den Erntesegen be neiden und zu zerstören krackten, gebannt werden. Solckr böse Geister sind nach dem Volksglauben besonders der BilwiS- schnitter (Oberbayern) und die Aule (nordwestliches Deutsch land). Ersterer ist eine gespenstische Mannsperson, die an gewissen Tagen unsichtbar durch die Getreidefelder wandelt oder auf einem Bock hindurchreitet unv einen Theil der Ernte vorwrgnimmt. Die Aule ist ein altes häßliche« Weib mit einer Kiepe (Tragkorb) auf dem Rücken, die nebenbei den Blumen suchenden Kindern nackstellt und sie mitnimmt. Dir Aule ist aber nicht« Andere- als Vie Unheil bringend« Seite der Frau Holle (Freya). Für da« Läuten erhielt der Küster im Mittelalter eine ge wisse Abgabe an Grtrrive, die später mit Geld abgelöft wurde. Die Küster, wenigsten» damals sehr durstige Leute, ver tranken dies Geld ganz oder tbeilweise, und daher nannte man jene Abgabe Trinkgeld. Eine andere Ableitung dieses Wortes wird auf die Schnitter selbst zurückgrsühr», deren Durst ja selbstverständlich ist. War bei ihnen das mit genommene Getränk ausgegangen, so wurde jeder Gutgekleivete, der des Wege- kam, angehalten, umringt und mit einem bereitgehaltenen Kranz geschmückt, wobei man sang: „Seien Sir willkommen, Dieweil sie in unsere Arbeit kommen, Wir hoffen. Sie werden nicht böie fein, Sie können leicht wieder erlöset fein Mit einer Flasch« vier oder W«tn,> " Oder wa« der gute Wille möchte sein: Drum werden Sie sich wohl bedenken Und un» ein« Kleinigkeit schenken". Höchst merkwürdig sind die Ueberbleibsel von Ernte- opser-Gebräucken, wie sie besonders im nordwestlichen Deutschland, in Mecklenburg, Oldenburg, Friesland, Lippe und Westfalen gefunden werden. In Mecklenburg ließ man noch im vorigen Jahrhundert am Schluß der Ernte einen Streif unabgemäht stehen, flocht die Halme in einen menschen ähnlichen Büschel zusammen unv besprengte sie, wie eS bei den alten WodanSopfern geschah, mit Bier lMeth). Die Schnitter schlossen dann einen Kreis darum, nahmen die Hüte ab, richteten Vie Sensen in die Höhr und wieder, holen dreimal: „Wode hole deinem Roß nun Futter; Run Distel und Dorn, Auf's andre Jahr besser Korn." Den Schnittern wurde dann von den Eigenthümern rin Gelage gespendet, da- „Wodelbirr" hieß. — Im Lippischen wurde noch im Anfang dieses Jahrhunderts, und Wahrschein lich bin und wieder jetzt noch, folgendermaßen verfahren: Die Schnitter stellten nach Beendigung de« Mähens die Sensen aufrecht vor sich hin und scklugen mit den Wetz steinen daran, wäbrend sie mit der linken Hand Bier oder Milch auf den Acker gossen und dann selbst davon tranken — genau nack Art der Libationen der alten Griechen und Römer. Dann setzten sie den Krug auf die Erde, nahmen die Hüte ab, schwenkten sie in der Luft, tanzten um die Lpsrrgarbe herum und sangen: „Wold, Wold, Wold! LimmelSriese weiß, wa» geschieht, Stet« er vom Himmel herniedersieht; Er bat volle Krüge und Sangen; Auf dem Holze wachst mancherlei; Er ist nicht geboren und wird nicht alt — Wold, Wold, Wold!" Die Schnitterinnen streuten dann Brodkrumen auf den Acker und die Schnitter gossen den Rest des Trankes aus. Am Steinhuder Meer, im Lippe-Schaumburgischen und in Kurhessen heißt die letzte Garbe auf dem Feld noch jetzt Waulroggen (WodanSroggen). Die Schnitter stecken einen blumenbekrünzten Stab hinein und tanzen mit entblößten, Haupt darum, schlagen an die Sensen und rufen „Waul, Waul, Waul!" Nach ver Ernte zündet man auf einem Heidenbügel (Hünengrab) ein Feuer an und ruft unter Hut schwenken „Wauden, Wauden, Wauden!" DaS Stehenlafsen, Schmücken und Umtanzen der letzten Garbe deS Felde- kommt (oder kam früher) in ganz Deutschland vor. In Westfalen beißt sie de Aule, de Olle, wa- rbensowodl auf Freya (Frau Olle, Holle) al- auf Wodan bezogen werden kann. Die bei der Flachsernte stehen gelassenen Büschel waren aber jeden falls für Freya, da sie, wie oben hervorgeboben wurde, die Beschützerin des Flach-baues war.
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