Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.11.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961103021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896110302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896110302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
- Tag1896-11-03
- Monat1896-11
- Jahr1896
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis t» der Hauptrxpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten machte»,» «ps- gabestellen abgrbolr: vierteljährlich ><<.-0. kei »Mtmaliaer täglich», Zustellung in« Haus öchO- Durch di» Pest bejogen für Leutschland und Lrsrerreich: vierteliäbrlich ^l k.—. Direet« tägliche Kmuzbandirndung stl» Ausland; mPnaUlch 7.ÜO. Dir MmHev-Assgope erscheint nm '/»? Uhr, dir Akenb-Ausg-H» Wochrnregs nm - Uhr. LrVrrtio« Lrvr-itio«: L»tz»>i»«»,aff« 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen ge<ltn»t von früh l» bi» Abend« 7 Utzr. Filiale«: vtt» Ule««'« e-rti«. ikllfrrtz Hahn». Universitätsslrahr 3 lHauliuumh Louis Lösche, ffatbannenstr. 14. pari, und könlgsvlatz L Abend-Ausgabe. KiMcr Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nalljes und Polizei-Amtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die S gespaltene Prtjtzrile SS Pfg. Nr «kamen unter dem Redactioasstrich («ge spalten) ÜO^j, vor den Familirnuachrtchtea <6gespalten) 4V^ vrötzere Schriften laut vujecem Preis- perzelchniß. Tabellarischer und Zijserusatz »ach höherem Tarif. Extra-veilagen (gefalzt), nur mU der Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschloß für Avzri-e«: Lbend-AuSgabe: Vormittag« 10 UhL Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uh» Vei den Filialen und Annahmestellen je istm halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Exprsttk«» zu richte». Druck »nd Verlai mm E. Bolz i» Leipzig 5K«. SV. Jahrgang. Dienstag den 3. November 1896. Eine Beschimpfung Bismarck's. * Je öfter und aufmerksamer man die im heutigen Morgen blatte mitgethrilte neue Erklärung de« „ReichSanzrigers" in Sacken der „Bismarck-Enthüllungen" liest, umso tiefer wird man von der Überzeugung durchdrungen, daß die jetzt leitenden Staatsmänner die Absicht, die den Fürsten Bismarck bei diesen Enthüllungen geleitet hat, nicht verkennen und deshalb jedes Wort zu vermeiden suchen, das von seinen alten Gegnern gegen ihn auSgebeutet werden könnte. Sie beschranken sich daher in dieser Erklä rung darauf, das Recht inaktiver Staatsmänner, den zur Mittheilung über Verbandlungen und Verträge geeigneten Zeitpunkt nach eigenem Ermessen zu entscheiden, pincipiell zu bestreiten. Das müssen sie schon aus Rücksicht auf andere inactive Staatsbeamte, die vielleicht einen Bismarck in sich fühlen, und wir sind fest überzeugt, daß Fürst Bismarck, wenn er noch im Amte wäre, den leitenden Staatsmännern daS alleinige Recht zur Bestimmung dieses Zeitpunktes prin- cipiell ebenso wahren würde, wie Fürst Hohenlohe dies jetzt tbut. Man sollte nun meinen, die deutsche Presse, soweit sie nicht den Lagern dient, die ihre Aufgabe in der Verhetzung erblicken, werde dem vom „Rcicksanzeiger" ge gebenen gutem Beispiele folgen und unter principieller Wahrung des Rechtes der leitenden Staatsmänner, über die Wahrung von Staatsgeheimnissen zu wachen, den sachlichen Gründen nachgehen, die den Schmied der deutsche« Kaiserkrone, den Schöpfer des Dreibundes und deS diesen zu unserer Sicherheit ergänzenden deutsch russischen Assecuranz-Abkommens veranlaßt haben, sich nicht nur für berechtigt, sondern sogar für verpflichtet zu halten, in diesem speciellem Falle „auS der Schule zu plaudern". Und diese Gründe zu finden, wäre um io leichter gewesen, als sie in den „Hamb. Nachr." mit völliger Klarheit dargelegt waren. Wir wiederholen sie auS unsrer gestrigen Morgenausgabe: „Zunächst sollte den anläßlich des Zarenbksuche» in Frankreich ausgestreutrn unbegründeten Behauptungen über einen Schuldantheil der Regierung Kaiser Wilhelm's I. an der Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehung der Boden entzogen und der Welt der wahre Schuldige gezeigt werden. Damit sollt« zugleich daS deutsche Volk darüber aufgeklärt werden, daß »S im Falle eines französischen Angriffskrieges eine für Deutsch, land wohlwollende Neutralität Rußlands nicht mehr zu fordern, vielmehr auf eine für Frankreich wohlwollende Neutralität Rußlands sich gefaßt zu machen habe, sofern eS nicht gelinge, Ruß- land zur Erneuerung Les im Jahre 1890 vom Grasen Eaprivi abgelehnten Abkommens zu bewegen. Die jetzige Regierung sollte veranlaßt werden, eine solche Erneuerung anzustreben und zu diesem Zwecke das ganze Abkommen zu veröffentlichen Lessen Wortlaut nach der Ueberzeugung des Fürste» in Oesterreich- Ungarn und Italien jedes Mißtrauen tu die Absichten Deutschlands beseitigen wird." Wer diese in den „Hamb. Nachr." klar ausgesprochenen Absichten in Betracht zieht, kann wohl, wenn er sich auf den unerbittlichen Standpunkt des formalen Rechtes stellt, dem Fürsten den Borwurf machen, daß er anderen Beamten ein übles Beispiel gegeben habe, das üble Früchte tragen könne, aber er wird doch zugestehen müssen, daß in den Enthüllungen und Erläuterungen der „Hamb. Nachr." nichts enthalten ist, was nicht von treuer Sorge für die Zukunft deS seit 1890 in FrniHetsir. Die Schuld des Fürsten Romanskoi. 30s Roman von Eonr. Fischer-Sallsteia. Nachdruck verbot«». Man erreichte das große Zimmer des verstorbenen Fürsten, in welchem er stet- zu Hausen pflegte. Lidia führte ihren Gast über die Schwelle. DaS Gemach war richtig in einen Back ofen verwandelt worden, eine Wärme strömte den Eintretenden entgegen, die diesen fast den Atbem nahm. Im Sessel Stepan Wassilitsch's, dicht am glühenden Ofen, saß Darja Alerandrowna und hatte sich wie «ine Schildkröte in ihren ungeheuren Pelz zurückgezogen. Jean stand hinter ihrem Sessel und schwitzte. „Meine lieben Kinder!" schrie die Gräfin auf, al» die Beiden ins Gemach kamen, „wie habe ich nach Ihrem Anblick geschmachtet, mein theurer Ilija Andrej! Ader was waren meine Leiden geaen di« Ihrer Braut? — Ich fürchte daS Schlimmste für Lidia! Sie glauben nicht, wie di« Sehnsucht an ihr zehrte." Sie glitt au« ihrem Pelz heraus und streckte dem jungen Mann beide Hände entgegen. „Erschrecken Sie nicht vor mir, mein thruerer Sohn, ich habe furchtbar gealtert seit dem Heimgang meines unvergeß lichen Freunde« Stepan Wasstlitsch. Kurz vor seinem grausigen Tode war ich doch immer noch rin« Persönlichkeit, der man wenigsten» nacksageu mußte, daß sie sich conservirt hat, und was ist nun au- mir geworden? Mein Teint ist verblaßt, ich wage nicht einmal mehr in einen Spiegel zu sehen, meine Gestcktszüge sind welk und haben ihre Beweg lichkeit verloren. Ich bi» ein« ganz alt« Frau geworden, meiner gebeugten und sonst so elastischen Figur nach zu ur- thrilrn, und in meinrm arme« Herzen habe ich jeden Halt verlorrn. Es ist ganz unmöglich, daß ich mich jemals wieder von dem schweren Schlaa erhole, den mir der Verlust des theuersten Freunde« brigevracht. — Ach Gott, da» Schicksal hat immer grausam mit mir gespielt!" Ilija Andrej reichte ihr di« Hand, ließ sich dann an den runden Tisch nieder, der dickt vor Daria Alexandrowna stand, und auf welchem schon der Samowar brodelte; zu sagen batte er ihr nickt». Lidia stellte sich hinter den Sessel der Groß mama, während Jean au- dem Zimmer eilte, um frisches Gebäck für den The« z« holen. Da- schweigsame verschlossen« ungünstigere Lage versetzten Vaterlandes zeugt und daher nicht mindestens als mildernder und subjektiv rechtfertigender Umstand bei der Beurtheilung der „Jndiccretion" angesehen werden muß. Geradezu unfaßbar ist es daher, daß die „Kölnische Ztg.", die in den letzten Tagen ganze Spalten darauf verwendet hat, um sich gegen unberechtigte Unter stellungen zu schützen, die Enthüllungen und die rubige neueste Erklärung des „NeickSanzeizerS" zum Anlaß nimmt, dem Fürsten Bismarck und der sog. Bismarckpresse eine verwerfliche Hetze gegen d en Kai ser als letzten und im Grunde einzigen Zweck ihrer Auslassungen in die Schuhe zu schieben. Daß bei dieser Unterstellung die sogenannte Bismarckpresse nur geschlagen wird, Fürst Bismarck aber gemeint ist, ergicbt sich schon aus der Behauptung deS rheinischen Blattes, es habe durch die frühere gelegentliche Mitarbeiterschaft des Fürsten Gelegen heit erhalten, „in die Bismarck'sche Seele hineinzuschauen", und könne nun ein Wort darüber reden, „was ein Bismarck möglicherweise thun und was er unmöglich verüben kann." Aus dieser angeblichen Kenntniß der Seele Bismarck's stießt dann folgende Anschuldigung desselben: „Wir müssen »inen gegen den Kaiser gerichteten Preß- feldzug, der nickt hochragende politische Ziele anstrebt, sondern nur der Galle Luft machen, den Kaiser verletzen und ärgern will, aufs Schärfste verurteilen. Sehr erschwerend fällt dabei ins Gewicht, daß die „Hamburger Nachrichten" sich ganz deutlich der Umstände bewußt sind, die ihnen eine sichere Gewähr für vollständige Straflosigkeit selbst bei verruchter That bieten Bon sicherem Port aus, ober mit einer Wuth, die fürchterlich umherdringt, auf Männer loszufchlagen, die auf jede Abwehr verzichten müssen, das ist kein Heldenstück, Octavio! Wir halten es unter diesen Umständen für eine nationale Ehrenpflicht der einflußreichen Blätter aller bismarcksreundlichen Parteien, alle Kräfte daran zu fetzen, um den ersten deutschen Mann oder aber den Surrogat-Bismarck, den man ihm aus Gründen journaUslischer Geschästspolitik unterschiebt, zu bewegen, das Oberhaupt der Nation, das fick vor der geistigen Größe und vor den unverwelk- licken Verdiensten Bismarck's verjöhnungheijchend neigte, in Frieden ieiues Wege« ziehen zu lassen." Wollte man der „Köln. Ztg." Gleiche- mit Gleichem ver gelten, so würde man ihr mit genau demselben Rechte, mit dem sie dem Fürsten Bismarck al« letzten und hauptsächlichsten Zweck seiner Enthüllungen und Erläuterungen Verletzung und Verärgerung des Kaiser- unterschiebt, Anschmeichelung an daS Oberhaupt desReiches und Verärgerung desselben gegen den Alt reichskanzler als Zweck ihrer Verunglimpfung deSLetzteren unter legen können. Die Zwecke deS rheinischen Blattes sind uns aber zu gleickgiltig, um sie zu untersuchen, und sie werden hoffentlich auch dem Fürsten Bi-marck und dem Kaiser zu gleickgiltig sein, um sie einer Entgegnung ober gar einer Erfüllung zu würdigen. Es genügt, auf die T borheit der Unterstellung hinzuweisrn. Gerade durch die Enthüllungen sind die Bemühungen des Kaisers, einen Fehler wieder gut zu machen, der unter der Wirksamkeit des Grasen Caprivi al» höchsten verantwort lichen NathgeberS des Kaiser« gemacht worden war, in daS rechte Licht gestellt worden; jeder vernünftige und nicht voreingenommene Leser der Enthüllungen hat also in diesen eine Unterstützung der jetzigen deutsch - russischen Politik herauSgelesen und ist zu dem Schluss« ge kommen, daß der im Jahre 1890 begangene Fehler nickt gemacht worden wäre, wenn der Kaiser besser beralben, so gut berathen gewesen wäre, wie heute. Jeder Vernünftige und nicht von altem Haß Verblendete hat sich sagen müssen, daß Wesen des jungen Grafen fiel der alten Dame auch heute nicht auf, sie war daran schon gewöhnt. ,,E» macht mich wirklich glücklich, daß Sie mit un» den Thee einnehmen", begann die Stroganowna wieder, „Sie glauben nicht, wie ich mich um sie geängstigt habe! Bei der Beisetzung behaupteten einige Herren, daß Sie den Sckmerz über den Verlust Ihre- Onkels niemals verwinden könnten. Und dann Ihr plötzliches Verschwinden? — Für mich lag darin ein großer Trost, daß Sie eine heilsame Zerstreuung gesucht, weil Sie deren bedürftig waren, und Sie haben solcke gefunden, und somit kommen Sie zu Ihrer Braut zurück, versöhnt mit den Fügungen des Geschicks, daS Ihnen den Onkel genommen, und werden rin neuer Mensch und be ginnen eia neues Leben an der Seite einer — — einer Lidia, die Sie mehr liebt, al» sie selber begreifen und fasten kann." Ein ironische» Lächeln kräuselte die Lippen Ilija Andrej'»' Welch eine zudringliche Händlerin, dackte er. „Was für eine Zerstreuung meint die Frau Gräfin?" Er blickte ibr starr in» Gefickt und sckien begierig zu sein auf ihre Antwort. Aber gerade diese Antwort, die sich Ilija Andrej ganz gut selber geben konnte, bereitet« ihr einige Schwierigkeiten. Sie wandte sich daher, ängstlich bestrebt, den jungen Erben durch nickt» zu verletzen, rathlo» au Lidia. „Da Du Deinem Verlobten naturgemäß näher stebst als ick, meine liebe Lidia, so wirst Du e» unternehmen, unserem Ilija Andrej diese Frage zu beantworten. Ich glaub« auch, daß eS für da» HerzenSbündniß von großer Bedeutung ist, daß in diesem Punkte volle Klarheit geschaffen wird. Ich erinnere mich eines ganz ähnlichen Falle» au» dem Leben meine» seligen Gatten. Er hatte eine Verirrung, reiste sogar mit der Dame seiner Laune, — und ich habe ihm verzeihen können." Die alte Dame blinzelte hier ihrem Liebling zu, und darin lag etwa» so Entwürdigende», es sprach eine so lüver- liche Gesinnung au« diesem Augenblinzeln, daß Ilija Andrej diese« Weib zu verachten, ja zu hasten begann. Und dock wollte sie ihm nur sagen, daß sie seine Passionen begreiflich finde und daß sie dafür sorgen werde, daß Lidia ihm verzeihe. Wie abschleulich verlogen und versumpft mag di« Welt gewesen sein, in der sie glänzte, dachte Matscherskoff und war bereit, noch «he er eia Glas Thee berührt, sich mit ihr au-einanderzusetzen. „Wenn ich mich einer Verirrung schuldig gemacht habe", die Enthüllungen dem Kaiser die Unterstützung des Reichs tages gkwabrleisten, sofern diesem eine Vorlage zugebt, die den Zweck bat, unsere seit 1890 geminderte Sicherheit gegen einen Angriff Frankreichs zu vermebren. Fürst BiSmarck müßte also ein Taktiker von unvergleichlicher Schwäche sein, wenn er mit seiner Entbüllung den Kaiser bälle verletzen und in der weiteren Verfolgung seiner auf eineVerbesserung unseres Ver hältnisses zu Rußland gerichteten Politik hemmen wollen. Also nicht nur einer Schleckligkeit, sondern auch einer Dumm heit ersten Ranges beschuldigt die ..Köln. Ztg." Len „ersten deutschen Mann" und überbietet dadurch noch die social demokratische Presse, die ihren bestgehaßten Gegner wenigstens nicht zu den Dummköpsen zählt. Eine Einwirkung dieser ebenso blöden wie gehässigen Unter stellung auf unsere leitenden Kreise besorgen wir daher nicht. Wir sind vielmehr überzeugt, daß sie gerade durch die BiS- marck'schen Enthüllungen in ihrer auf eine weitere Abschwächung der Folgen der Ablehnung von 1890 gerichteten Politik sich bestärkt fühlen werden. Ob schon jetzt, so lange der in der gesammten europäischen Presse durch die Ent' hüllung bervorgerufene Sturm noch andauert, ein erfolg reicher Schritt auf diesem Wege möglich ist, kann man getrost dem Urtbeile des Fürsten Hohenlohe überlasten. Höchst bemerkenswertb ist es jedenfalls, daß die französische Presse befürchtet, Rußland könne trotz seines „neuen Bünd nisses" mit Frankreich vielleicht doch für ein neues Abkommen mit Deutschland gewonnen werden. DaS „Journal des Debals" spricht diese Sorge deutlich in folgenden Worten auS: „Herr von Bismarck selbst hat Sorge getragen, uns zu versichern, daß die Bande, die früher zwischen Deutschland und Rußland bestanden, schon zerrissen waren, als Rußland neue Bande mit uns anknüpfte. Freilich fordert er Rußland auf, trotz seiner neuen Bündnisse in den Omnibus des Drei bundes einzusteigen; er würde sich dabei mit der linken Hand begnüge», da die rechte schon an uns vergeben ist. Brauchen wir zu betonen, daß wir auch für die Zukunst nicht an dir Möglichkeit fotcher Verpflichtungen nach zwei Seiten hin glauben?" Die russische Presse ist vorläufig in ihrer Mehrheit noch zu ärgerlich darüber, daß die Enthüllungen die Franzosen unangenehm aus ihrem Traume von der alten heißen Liebe Rußlands zu Frankreich geweckt haben, um Geneigtheit zu einem neuen Abkommen mit Deutschland bekunden zu können. Aber diese Verstimmung zu überwinden, wird Ausgabe der deutschen Diplomatie sein, die freilich bei dieser Aufgabe auf die Unterstützung des „Weltblattes" am Rheine verzichten müssen wird. Um so mehr darf sie auf die Unterstützung der „BiSmarckpreste" rechnen, sogar auf die der „Hamburger Nachrichten". Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. November. Die ungarischen Reichstagswahlen sind beendet. Ibr Ergebniß bedeutet einen glänzenden Sieg der liberalen Partei, die im neuen Volkshause über eine Majorität von mebr als hundert Stimmen verfügen wird. Hbr Rein gewinn an Mandaten übersteigt die Zahl 60. Der Sieg fällt aus Kosten aller oppositionellen Parteien, am härtesten aber wurde die linksextreme Fraktion Uzron'S und die Nationalpartei deS Grafen Apponyi mitgenommen, Ugron selbst ist kläglich durchgefallen, seine Partei nahezu vernichtet. Nicht besser ist eS den Apponyianern ergangen. Sie behalten kaum dir Hälfte ihrer bisherigen Mandate. Die liberalen begann er, „dann bin ich dennoch nicht in der Lage, mir das von irgend einem Menschen in dieser Welt verzeihen zu lasten." „Sie sind ungehalten, mein einziger Ilija Andrej? — Mein Gott, sollte ich mich ungeschickt au-gedrückt haben? Warum aber auch Lidia mir nicht deisteht! Sie sollte doch wissen, daß ich ein« so alte Dame bin, ja Graf, ich sage es rund heraus, eine so alte Dame, die eS nicht einmal mebr versteht, sick so verständlich zu machen, daß ein Mißverstehen undenkbar ist, — die " „Regen Sie sich nicht auf, Frau Gräfin Stroganowna, ich verstehe Sie besser, als Sie glauben. Sie spielen auf eine gebeimnißrolle Dame auS Indien an, mit der ich in Peters burg erschienen bin, aber ich habe keine Ursache, Lidia Tschierwanrwna mit dieser Angelegenheit zu behelligen, und sie bat keine Veranlassung mehr, die Möglichkeit zu erwägen, ob diese Dame, mit der ich im Hotel Bristol abgestirgen war, meine Frau ist oder nicht." Erschreckt ließ Darja Alexandrowna den Pelz von den Schultern fallen, ibr Gesicht schien auf einmal wre gefroren zu sein, sie erhob sich sogar aus dem Sessel. „Haben Sie einen Zank mit Lidia gehabt? — Warum ließ ich sie denn aber auch allein in Ihre Gemächer geben! — Ick hätte bedenken müssen, daß sie noch immer zu sehr rin eifersüchtige» Kind ist. Doch beruhigen Sie sich Graf, ich will sckon dafür sorgen, daß sie die Geheimnisse ihre» zu künftigen Gatten ebrt." „Ehrt? Und wenn da» unmöglich wäre?" „Man kann Alle», wenn man will. Zu welcken Hand lungen habe ich mich nicht in meinem verfehlten Leben auf schwingen müssen! Die Hauptsack« ist, daß eine Meinungs verschiedenheit zwischen den Liebenden, di« einen ernsten Charakter annebmen könnte, vermieden wird." Matscherskoff lächelte, man sah e« ihm an, wir wohl r» ihm that, dieser Frau eine schwere Enttäuschung zu bereiten. „Al» Verlobte haben wir auSgekämpft, ich und Lidia! — Wir gaben un» soeben unsere Freiheit zurück, unsere Ver lobung existirt nicht mehr, ist aufgehoben." Darja Alexandrowna stieß einen Schrei au» und sank in ihren Pelz zurück. Natascha kam in» Zimmer gestürzt. Di« Gräfin rief wie eine Sterbende nach ihrer Riechflasckr. „Oh, wie gut ist e», daß mein unvergeßlicher Stepan Wassilitsch diese Stunde nicht erlebt hat. Und daS mußte ich au Lidia erleben, an Lidia!" Kossutbianer sind noch am Glimpflichsten weggekommen, werden aber doch auch bedeuiend geschwächt inS Parlament einzichen und dort zu völliger Bedeutungslosigkeit verurtheilt sein. Jene Parteien und Fraktionen, welche den 1867er Ausgleich in mehr oder minder offener Form bekämpfen oder sick übcr- bauptin staatsrechtlichenNörgeleien gefallen, sind unschädlich ge macht. In besonders erfreuliches Licht wird der Sieg der liberalen Regierungspartei dadurch gerückt, daß die klerikale Volks partei, welche außerordentlich zuversichtlich auftrat und an Wahl beeinflussung mit kirchlichen Mitteln das denkbar Mögliche leistete, es nur auf 20 Mandate gebracht bat, während ihre Fübrer die Grafen Nicolaus Esterhazy und Ferdinand Zicky beide durchgefallen sind. Der Volkspartei wird sich ja im Laufe der Zeit Alles anschließen, was der liberalen Partei feindlich gegenübersteht, so daß cS schließlich nur zwei große Parieien im Reichstage geben wird, allein bis dahin Hal es noch flute Wege und die liberale Partei kann sich getrost ihres glanzenden Sieges freuen. Die Mörder deS Deutschen Rockstroh in Marokko, die zur Aburiheilung von Marrakesch nach Saffi Ubergefllhrt worden waren, sind dort laut einer Meldung auS Tanger nach blos viertelstündiger Verhandlung zu Freiheits strafen von 2 bis zu 10 Jahren verurtheilt worden. „Der Sultan", fügt die Meldung hinzu, „halte die Unheile bereits vorbereitet." Dieses Urtbeil ist keine ausreichende Genugtbuung. In Ländern wie Marokko, wo eS sich um daS Leben der Europäer bandelt, muß unter allen Umständen an dem Gesetze „Auge um Auge, Zahn um Zahn" festgcl alten werden, und wir erwarten mit der „Voss. Ztg." daß ver deutsche Vertreter in Tanger die« den marokkanischen Behörden nachdrücklich zu Gemütbe führen werde. Die Ermordung Rockstroh's muß mit der Hinrichtung seiner Mörder gesühnt werden, soll nicht daS Leben der Deutschen in jenem wilden Lande tief im Preise sinken. Der Vertreter der deutschen Interessen ist in der glücklichen Lage, seiner Forderung allen Nachdruck zu verleiben, denn erst am Sonntag sind, wie gemeldet, zwei deutsche Kriegsschiffe, „Stosch" und „Moltke", auf der Nbede von Tanger eingetroffcn und vielleicht steht ihr Erscheinen schon in ur,ächlichcm Zusammen hang mit der raschen Erledigung der Sache. Ein solcher weiterer Nachdruck dürfte kaum allzu zäyem Widerstände begegnen, denn am sckerisischen Hofe herrscht anscheinend eben jetzt eine nachgiebige Stimmung gegenüber den Forderungen der europäischen Mächte. Beweis dafür ist die von uns mitgethrilte Trahtmeldung aus Tanger vom Sonnabend, wo nach der Sultan dem englischen Gesandten 25 000 Dollars zum Bau einer Mole in Tanger überschickt bat. Dies ist eine- von den Zugeständnissen, die der englische Gesandte vor einigen Monaten erlangt bat. Der Sultan befahl ferner den Gouverneuren von Tanger und Tetuan, Expeditionen zur Bestrafung deS Stammes der Beni Gorfet zu entsenden. Weiter dürfte dem deutschen Vertreter zu Statten kommen, daß der Sultan von Marokko angesichts deS Druckes, den gegenwärtig England, Frankreich und Spanien auf ihn aus üben, alle Ursache hat, mit Deutschland auf gutem Fuße zu bleiben und es vom Anschlüsse an jene drei Mächte abzubalten. AuS Abessinien kommt eine wichtige Nachricht. Die „Tribuna" veröffentlicht, wie auS Rom gemeldet wird, einen am 18. Oktober aus dem äthiopischen Hochplateau ab gegangenen Brief, in dem eS heißt: „Gestern hatten wir einen kleinen Sieg bei Adi Caja» Ras Mangascha, der fast unter die Festung vorrücken wollte, ist „Nein, Frau Gräfin, Sie erleben die- nicht an Lidia, sondern an mir." „Im Namen eines großen Todten, im Namen des Fürsten Romanskoi, der Sie nur unter der Bedingung zu seinem Universalerben eingesetzt, daß Sie Lidia zu Ihrer Gemahlin erbeben, protestire ich gegen diese eigenmächtige Aufhebung der Verlobung! WaS soll die Gesellschaft zu diesen Vor gängen sagen? — Wo bleiben unter diesen Verhältnissen die Gebote der Moral und der Sittlichkeit, was wirb auS Glaube und Treue?" Die Gräfin hatte jede von ibr so beliebte Ziererei abgelegt, sie schien mit ihren Worten drohen zu wollen. Ihre Stimme klang hohl und raub. Sie würde sich vor sich selber entsetzt haben, wenn sie hätte sehen können, wie sehr sie auS sich selbst brrausgegangen war. Auch Ilija Andrej batte sich erhoben. Gebeugt wie ein Greis staub er vor der Gräfin und wendete ihr voll das verwüstete Gesicht zu. „Gerade au- Gründen der Moral und der Sittlichkeit haben wir unsere Verbindung gelöst. Trotzdem sollen Sic nicht um den Gewinn eines mühsam eingeleitetcn Geschäftes gebracht werden." Ein Zug vernichtender Ironie spielte hier um seinen Mund. „Llbia liebt meinen Bruder Michael und dieser ist Erbe von Slekok. Gewiß bat meine verehrte Darja Alexandrowna die Güte, da» Nähere mit meiner Mutter Maria Fcodorowna MatscherSkowna zu besprechen. Die Gräfin ist Erbin ihre» Bruders des Fürsten, ich habe also gar nicht nötbig, in dieser Sache Verfügungen zu treffen. Wa« ich zu veranlassen hatte, ist geschehen. Gestatten Sie mir, daß ich mich zurückziebe, ich babe daS Bedürsniß, jetzt mit mir allein zu sein. Vielleicht schenken Sie Ihr: mütterlich« Zärtlichkeit mrioem lieben Bruder IaSmorin." Al» ob r» ihm auf einmal graue vor den ferneren AuS einandrrsetzungrn der alten Gräfin, wandte er sich rasch ab und verließ da» Gemach. „Er hat den Verstand verloren! — Was sagte er da, Mchael IaSmorin? — E» ist der Hohn eine» Wahn sinnigen! Meint er denn den Sohn der Petuschkiwna? — Ich glaube fast! — Er sagt« ganz deutlich Michael IaS morin. Du antwortest mir nickt, Lidia, Du bist so verstockt wie Deine Mutter war, al» ick ihr Glück gründen wollte. Und welch' «ine Beleidigung, Michael IaSmorin!! — Nicht wahr, Natascha, er sagte ganz klar Michael IaSmorin?" „Ja, er sagte eS, Darja Alexandrowna." „Er warf sich vor dem Sarge NahimS de» Mörder»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite