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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.11.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961117027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896111702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896111702
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- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
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- Tag1896-11-17
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8432 Botschafterin Wien, Graf Nigra, beim Grafen Golu- chow-ki seine Bedenken aussprach. Es wurde an dieser Stelle nachdrücklich betont, daß die BundeStreue Oesterreichs unzweifelhaft sei und daß dafür der feste Wille des Kaisers die beste Bürgschaft ist. Aber man muß den Leuten, die sich mit dem Dreibund, zumal mit der Allianz mit Italien, nicht befreunden können, auf die Finger sehen; der Credit deS Dreibundes wirb nicht von denen erschüttert, die aus das Treiben jener Kreise aufmerksam machen, sondern von diesen selbst. Somit ist die vom „Fremdcnblatt" ertheilte Rüge an die unrechte Adresse gerichtet und eS würde sich sehr empfehlen, wenn mit den Gegnern der gegenwärtigen Ord nung, zumal in Italien, ein kräftige- Wörtlein geredet würde. WaS Ungarn betrifft, so glauben wir gern, daß man in der Umgebung des Ministerpräsidenten keine Befürchtungen wegen eine- UebergreifenS des Klerikalismu« nack Transleithanien hegt, denn Baron Banffy war es, der im vorigen Jahre den Versuch des Nuntius Agliardi, sich in innerpoliiische An gelegenheiten der östlichen Reichshälfte einzumischen, mir solchem Erfolge zurück schlug, daß darüber selbst der gemeinsame Minister des Aeußeren Graf Kalnoki, welcher unentschieden zwischen Rom und Wien schwankte, zu Falle kam. Nichts destoweniger ist die Stellung deS päpstlichen NunliuS in Wien um so stärker geworden, es ist der Sieg deö Aniilibcralismus und des ihm verbündeten KlerikalismuS in Oesterreich bei den letztenLandtagSwahlen auf der ganzen Linie hinzugckommen, und in Ungarn haben die Wahlen, namentlich infolge Agliarvi- scher Einflüsse, die Ueberraschung gezeitigt, daß die Klerikalen als eine neue Partei, die Bolksparte«, und zwar sogleich in der nicht zu unterschätzenden Anzahl von einigen Zwanzig in das Abgeordnetenhaus eingezogen sind. Be» diesen Zwanzig wird es sicherlich nicht bleiben, wir haben in ihnen vielmehr die Anfänge eines ungarischen Cenlrums zu er blicken, und was das zu besagen bat, darüber können die österreichisch-ungarischen Staatsmänner sich am besten in Deutschland Belehrung holen. Wir halten es also nach wie vor für angezeigt, daß die liberale ungarische Regierung die Vorsicht den besseren Theil des MutheS sein läßt. „Man nehme den Frieden mit Mcnelik in würdiger Er gebung hin, aber man glorificire ibn nicht, um nicht vor Europa lächerlich zu werden." Mil diesen Worten charak- terisirt „Popolo Romano" treffend den Werth des Friedens mit der äthiopischen Majestät für Italien. Die der italienischen Regierung nahe stehenden Blätter und auch deutsche Preß stimmen stimmen bereits ein Loblied auf das Cabincl Nudini an, dem eS gelungen sei, von dem „wahnsinnigen" afrika nischen Abenteuer Crispi'S sich in einer für Italien ehren vollen Weise zurückzuzieben und einen Friedensvertrag zu schließen, der alle Erwartungen übertreffe. Allerdings kommen die Abmachungen des Friedens von Adis Abeba auch für uns überraschend, ebenso wie für die italienische Regierung selbst. Noch eben erst halte Meurlik den päpst lichen Unterhändler, welcher sich um die Herausgabe der Gefangenen bemühte, mit höflich ablehnender Antwort heim geschickt, noch eben erst balle der Negus Negesti der italie nischen Regierung denllich zu verstehen gegeben, daß die Kaperung des Dampfers „Dölwyk" ihu mit neuem Mißtrauen in die Aufrichtigkeit italienischer Friedensversicherungen erfüllt habe, und kaum ist Msgr. Macorio in Rom angelangt, so trifft dort die Nachricht ein, daß es dem Unterhändler deö Königs Humbert gelungen sei, dieFeindschaft deS NeguS in Freundschaft, sein Mißtrauen in Vertrauen zu verwandeln, daß dieser ewigen Frieden geschloffen habe, ohne auf der Sendung eines „großen Be vollmächtigten" zu bestehen, ohne eine Kriegsentschädigung zu verlangen und ohne seine Hand auf einen Hasen an der Bai von AduliS zu legen. Er giebt die Gefangenen heraus und verlangt nur, daß der daS Protectorat Italien- über Abessi nien enthaltende Vertrag von Uccialli zerrissen, sowie daß er al- vollständig unabhängiger Herrscher anerkannt werde, und acceptirt, vorläufig wenigstens, die Grenzlinie Mareb- Belesa, auf die Rudiiil von vornherein sich zurückziehen zu wollen erklärt batte. Auf diese Weise bleibt Italien doch noch ein Stück Tigre mit Godoselassi, Gura, Dipha unk Seuafe, sie brauchen also nicht alle Eroberungen herauszugeben, die sie nach dem Uccialli-Vertraq gemacht haben. Man muß zugeben, daß ein solcher Friede sür eine Nation höchst acceptabel erscheinen muß, welche sich für völlig geschlagen und außer Stande sieht, ihre Waffeuehre wiederberzustellen; Italien kann nicht besser tbun, als Menelik'S Bedingungen anzunehmen, wenn es auf die Erweiterung seines colonialen Be sitzes im nördlichen Afrika für immer verzichtet und Rudini kann sich beglückwünschen, wenn er die coloniale Großmachtstellung Italiens vreingiebt. Ader mußte Italien sich s o erniedrigen - Ueder die Möglichkeit, noch einen letzten entscheidenden Schlag gegen den Beherrscher AethiopienS zu führen, haben wir unS schon früher wiederholt ausgesprochen. Zum Mindesten durfte nach dem Entsatz deS Forts Adigrat nicht jeder Ver such der weiteren Ausnutzung dieser bedeutenden Chance durch den Rückzug der italienischen Truppen aus Afrika aufgegeben werden. Aber noch ein Andrerskommt in Betracht. Noch nach Adua hatte Menelik, zu dem das damals nock nicht gestürzte Cabinet CriSpi den Major Salsa al- Unterhändler gesandt batte, sich zu folgenden Friedensbedingungen bereit erklärt: „Mareb- Belefa-Muna al- Grenzlinie der Erythräa, FreundschaftS- und Bünvnißvertrag unter Ausschluß jeder Art von Schutz herrschaft, Ernennung eine- Italien genehmen RaS in Tigre". Allein ehe Salsa nach Massaua zurückgekehrt war, wurde CriSpi gestürzt, an seine Stelle trat di Rudini, der den Febler beging, seine Neigung zum Friedensschluß allzu lebhaft und rückhaltlos öffentlich auS- znsprrchen. Alsbald schraubte Menelik seine Bedingungen höher und verlangte gleichzeitig die Rücksendung seiner früheren schriftlichen Anerbietungen, indem er den inzwischen wieder in seinem Lager eingetrosfeoen Unterhändler Salsa als Geisel zurückbehielt. Bon einem FreundschastS- und Bündnißverirag war nachher keine Rebe mehr, ebensowenig von der italie nischen Forderung, der NeguS solle sich verpflichten, niemals das Protectorat einer anderen Macht anzustreben. Jetzt bat er darin freie Hand. Man kann so Rudini den Vorwurf nicht ersparen, daß er eine vortheilbafle Position gegen eine ungleich unvorlbeilbastcre eingetauscht hat. Schließlich kann in Italien auch darüber teinc Freude herrschen, daß die wichtigste Frage, die der Grenzregulirung, noch nicht endgiltig gelöst ist. Die neuen Bedingungen Menelik'S verlangten außer der Aufhebung deS Vertrages von Uccialli den Rück- zu der Italiener auf die Linie Arafali-Halai-Segeneiti- Asmara, das beißt hinter die Grenze, wie sie zur Zeil des Ver trages von Uccialli bestanden hatte. Bon dieser Forderung steht in dem Friedensverlrag von Abis Abeba nichts, allein die Bestimmungen des Artikels IV beuten darauf hin, daß sie nicht fallen gelassen ist, vielmehr bei der Grenzregulirung durch Sonbergesanbte verwirklicht werden soll, ein Unistand, der genug Möglichkeiten zu neuen Differenzen bietet. Will Italien diese nicht wieder bis zu einem bewaffneten Conflict sich auSwachsen lassen — und diese Absicht scheint nicht zu bestehen —, so wird es sich eben zu einem weiteren Rückzug entschließen müssen. Bei Alledem bleibt die Frage offen, was ten sieg- reiiven Negus zu einem sür Italien relativ günstigen Friedens schlüsse bewogen haben mag. Ini Siege Maß zu halten, entspricht den Gewohnheiten barbarischer Volker sonst nicht. Sollten ibn innere Schwierigkeiten sür den Augenblick zur Nachgiebigkeit veranlaßt haben, so ist zn befürchten, daß er von Neuem loSbricht, wenn diese Schwierigkeiten gehoben sind, und den Versuch macht, sich die sür ibn schwer ent behrliche Verbindung mit der See zu schaffen. Von mehreren Seiten wirb angedeutel, daß der Friede von Adis Abeba nicht der freien Initiative Menelik'S zu verdanken fei, sondern daß er ihn unter demDruck zweier europäischen Mächte, Ruß lands und Frankreichs geschlossen habe. Daß Beide in Abessinien englischen und italienischen Einfluß mit allen Mitteln aus dem Felde zu schlagen bemüht gewesen sind und in diesem Bestreben nicht nachgelassen haben, ist allgemein bekannt, ebenso, daß französische Officiere eS waren, welche die Entscheidungsschlacht von Abua schlugen. Wenn sie jetzt wirklich zu einem Friedensschluß mit Italien gedrängt haben, so kann es nur geschehen sein, um in Abessinien mit dem Negus ganz unter sich zu sein und schließlich ihrer seits das Protectorat in irgend einer Form sich anzumaßen. Daß französische und russische Einflüsse thätig gewesen sind, möchten auch wir annchmen, scheint es sich koch mit Sicherheit aus der Bestimmung deS Vertrages zu ergeben, daß Italien, wenn es seine afrikanische Besitzung ganz oder Theile derselben aufgiebl, diese keiner andern Macht abtreten darf, sondern daß sie an Menelik zurückfallen. Diese Bestimmung bindet den Italienern die Hände in Kassa la, das sie England für die „Hilfe gegen Menelik" auszuliefern entschlossen waren. Diese Bestimmung trägt den Stempel russisch-französischer Pro venienz nur zu deutlich an der Stirn. Wie aber wirb man in England über die „Dankbarkeit" Italiens denken, das man bereits an der Seite Rußlands und Frankreichs sieht, dem es jetzt zu Danke verpflichtet scheint? Man siebt, daß der Friede mit Menelik nicht ohne alle für Italien unerfreuliche Consequenzen bleiben dürfte. Für unS ist daS Erfreulichste daran, daß der Negus durch die rasche Verein barung mit Major Nerazzini durch den Plan des Vatikans, die weltliche Macht in Italien zu discrebitiren, einen uner warteten Strich gemacht hat. Deutsches Reich. -2- Glauchau, 18. November. Die vom liberalen Verein auf heute Abend einberufene Versammlung sandte nach einem beifällig aufgenommenen Vortrage dcS Herrn Generalsecretairs Breit Haupt über die innerpolitische Lage folgendes Telegramm an den Fürsten Bismarck: „Zahlreich versammelte reickstreue Männer der Stadt Glauchau sprechen ihre Entrüstung über die Eurer Durch laucht zugefügten unwürdigen Angriffe und Schmähungen aus und bringen in größter Ehrerbietung unvergängliche Dankbarkeit zum Ausdruck." L. 6. Berit», 18. November. Am 25. d. MtS. tritt hier im CultuSmlnisterium, wie schon kurz vom Telegraphen gemeldet wurde, die durch Vertreter der Aerziekammern erweiterte Wissenschaftliche Deputation für daS Medicinalwesen unter dem Vorsitze deS Ministerial direktors vr. v. Bartsch zu ihrer diesjährigen Sitzung zusammen. Die Berathungen werden, wie in den ver gangenen Jahren, voraussichtlich mehrere Tage dauern und sich diesmal mit einem für den ärztlichen Stand be sonders wichtigen Gegenstände beschäftigen. Die Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 sieht die Aerzte be kanntlich als Gewerbetreibende an. Mit Rücksicht hieraus wünscht der CuliuSminister vr. Bosse, nachdem seit Emanation der Gewerbeordnung fast 30 Jahre verflossen sind, durch die in derWissenschaftlickenDeputation für daSMedicinal- wesen vertretenen hervorragenden Sachverständigen die Frage eingehend geprüft zu sehen, ob der durch die Gewerbeordnung geschaffene Nechtszusland sich bewährt hat oder nicht, und zwar nicht bloS für die Aerzte selbst, sondern auch für da- Publicum. AuS der Erörterung der Rechtslage der Aerzte vvr und nach Erlaß der Gewerbeordnung, sowie aus der Prüfung der Vortbeile und Nachtbeile des früheren und jetzigen RecktSzustandes wird .sich ergeben, ob etwa eine Aeuderung vergeltenden gesetzlichen Bestimmungen rathsam erscheint. Sollte dies der Fall sein, so wird man sich zugleich darüber schlüssig macken müssen, in welcher Weise der ärzt liche Stand fortan anderweit zu organisiren sein würde. Anderenfalls bliebe zu erwägen, ob nicht wenigstens eine Ergänzung der bestehenden gesetzliche» Bvrfckrfften wünsckenswcrlh sein möchte. Man ersieht hieraus, daß eS sich Hei den bevorstehenden Berathungen um eine Angelegen heit handelt, welche sür weile Kreise von nicht geringem Interesse ist. — Wie nach der „Kreuz-Ztg." verlautet, ist dem Bundesrat he jetzt auch die Ergänzung zum Entwurf des ReichShaushaltsctats für 1897/98, die Erhöhung .der Be au, tengehälter betreffend, zugegangen. — In der „Post" lesen wir: „Ein hiesiges Localblatt brachte am Freitag die Nachricht, außer dem schon bekannten Erlaß Sr. Majestät des Kaisers über die Aenderung der Farben der Provinz Posen seien noch mehrere andere Er lasse zu erwarten, die sich gegen die polnische Propaganda wendeten. Nach unseren Informationen dürste sich das, wenigstens in absehbarer Zeit, nicht bestätigen. An maß gebender Stelle ist nickt einmal über Vorarbeiten, die solche Erlasse als möglich erscheinen ließen, etwas bekannt. Dahin gegen dürsten bereits in diesen Tagen die Ausführungs bestimmungen zu der oben erwähnten königl. CabinetSordre zu erwarten sein." — Zum Delegirtentaze der deutschen konser vativen Partei vernimmt die „N. Pr. Ztg." noch, daß der Abg. Frbr. v. Manteuffel über die Stellung zu den Parteien sprechen wird; über Organisation referirt der Abg. vr. Frhr. v. Langen, während Herr v. Lorbell das Correferat bat; die wirthsckastlicken Fragen wird der Abg. Graf v. Mirbach behandeln; über Schutz der nationalen Productivgewerbe sprechen die Abgg. Fe lisch und Iacobs- kötter; der Abg. Graf Limburg-Stirum wird die Socialreform behandeln. — Neber die Wahl Mac Kinley's znm Präsidenten der Vereinigten Staaten äußerte Reichsbankpräsident Or. Koch zu einem Mitarbeiter des „B. T." u. A.: „Die Parole müsse für unS lauten: ab war ten. Wenn man hier so sagen dürfe, dann sei Mac Kinley sicherlich das kleinere Nebel, das die Union erwählt habe. Es ist nicht unmöglich, daß Mac Kinley im Verlauf der Iabre von seinem schroffen protektionistischen Standpunkt zurückgekommen sei und heute gemäßigteren Anschauungen huldige. Aber dafür haben wir noch keine sicheren Anzeichen, und auch in dieser Be ziehung werden wir in Deutschland die Entwickelung der Dinge abzuwarten haben. Vor Ucberrasckungen ist man allerdings nicht gesickert. Die Amerikaner werden sich uns gegenüber nur so weit freundlich erweisen, als dies mit ihren Interessen verträglich ist. Das ist immer so gewesen, sie standen uns immer kühl gegenüber. „So meine ick," schloß der Präsident, „daß sich jetzt nock nickt mit Sicherheit sagen und beurtbeilen läßt, wie der neue Präsident der Vereinigten Staaten sich dem deutschen Handel und der deutschen Industrie gegenüber stellen wird." * Kiel, 16. November. Gebeimratk Krupp folgte beute einer Einladung des Prinzen Heinrich nach dem könig lichen Schlosse. * Hamburg, 16. November. Die „Hamb. Nachr." tbeilen folgendes Telegramm aus Eisenach vom l5. November d.J. mit: An den Fürsten von Bismarck. Als Lutber in dem Kämmerlein Durch manche dumme Teuselein Geärgert ward ohn' Umerlaß, Ta griff er nack dem Tintefaß. Satan fuhr stinkend aus dem HauS Und mit dem Teufelsspuk war's aus. So traf Dein Wurf aus starker Hand Auch jetzt den Teufel an der Wand. Ten Stänkerei'n laß ihren Laus, Hab' Dank und mach' das Fenster ausl Aus der Lntherzelle am 15. November 1896. (Mehrere Unterschriften.) * Hamburg, 18. November. Der in Aussicht gewesene Streik der Schauerleute ist durch Annahme der von den Stauern und Rhedern den Schauerleuten angebotenen Küche; nun kannst Du gleich die Suppe auftragen, Netti. Ich danke Ihnen reckt sehr für Ibre Mühe, Frau Tröming, der Brief soll noch beute in den Postkasten." Als eine Stunde später Frau Tröming sich zum Fortgehen rüstete, ließ sick Fräulein Susanne von Netti eine kleine alt modische Schatulle bringen. Der Händedruck, mit dem die alte Dame sich dann von ihrer Freundin verabschiedete, war ein inhaltsreicher, eS knisterte wie von einem neuen Schein zwischen Frau Trö- ming'S Fingern. „Aber, Fräulein Möhrenbach, wie kann ich diese Freund lichkeit von Ihnen annehmen l Sie beschämen mich durch Ihre Güte." „Pai, Liebe, seien Sie ganz kusch, da- ist für den Spiegel und die Cretonnegardinen, und nehmen können Sie die Kleinigkeit ruhig; viel babe ich ja nickt zu geben, aber ick thu'S Hern; ich habe Ibre Mutter gekannt und Sie selbst, als Sie noch ein fingerlanges Schnief waren und die ersten Schühchen bekamen." . Ueber dem Genfersee zertbeilte sich der Nebel. Die Savoyer Alpen mit ihren schneebedeckten Gipfeln traten Sü den Nebelschleiern hervor und ein blendender Sonnenblick fiel auf Schloß Chillon, da- gleichsam aus den Wellen deS See- aufgestiegen schien und inmitten der Lenzespracht da lag, ein Stück grauer, düsterer Vergangenheit, bei dessen Anblick eS war, als ballten noch die TodeSseufzer derer, die hier einst elend verschmachtet, in den alten Mauern. „Mein Haar ward grau, dock nickt von Iabren", recitirte Hans Jürgen halblaut die Strophen auS Byron'- „Der Gefangene von Cbillon", während er an Irma Mon- fort's Seite über die Brücke schritt, welche da- Schloß mit dem Festlande verbindet. Man schrieb Ende Februar, und der Süden batte seine verschwenderische Frübling-pracht über die Erde auSzustreuen begonnen. Zum zweiten Mal wurde e- Früblina, seit jenem Tage, wo im Park zu Hobenort Han« Jürgen Margaret den BerlobnngSkuß aus die Lippen gedrückt. Nun rubte sie im Erbbegräbniß der Lommrrd, und Han- Jürgen konnte sich nock immer nicht dazu entschließen, dir nordische Heimarb wieder aufzusucken. Immer nock weilte er mit seinen Sckwiegrreltern im Süden und war auch nicht einmal zu einem kurzen Aufenthalt seit dem August de- vorigen Jahre- in Euhland gewesen. Margaret'« jäher Lod hatte auf sein Gemütb eine furchtbare Wirkung au-- geübt. Sie batte ihn mehr geliebt, als er es um sie ver dient, er fühlte es jetzt — er hätte sich weniger seinen Pferden und mehr seiner Frau widmen müssen. Allein letztere hatte ja seine Leidenschaft für den Sport getheilt, sie batte zu ihrem Glück nichts vermißt. Sein Sobn, der kleine Han« Joachim, der auf den Armen seiner Amme seinem Vater entgegenstrampelte, war noch zu klein, um ihm eine Lebensaufgabe zu bieten. Mit seiner Erziehung hatte eS noch Zeit, fürs Erste sorgte die Baronin vortrefflich für das Wohl ihres Enkels, und WaS brauckte der kleine Mann mehr, als kräftige Nahrung und gesunden Schlaf und sorg same Pflege. Hans Jürgen erhielt von seinem Gutsverwalter regel mäßig Berichte auS LommerdShoff, eS schien dort in der Wirtoschaft Alles gut zu geben. „High life" war, wie der Reitknecht richtig prophezeit, für den Rennplatz vollständig untauglich geworden, er erhielt jetzt da« Gnadenbrod, so wollte eS HanS Jürgen auS Dankbarkeit für da- treue Thier, da- ihn in jener Nacht mit SturmeS- fchnelle zu Margaret'- Todtenlager getragen. Und er war doch zu spät gekommen — „zu spät", — o, wenn eS doch niemals «in „zu spät" gäbe! Schon manches Menschendasein haben diese beiden kurzen und doch so inhalt- schweren Worte in herber Klage durchzittert. Allmählich begann der Aufenthalt in der herrlichen natur- scköaen Umgebung günstig auf die erschlafften Nerven HanS Jürgen'« zu wirken. E« schien, al- wolle die Apathie, welche sich seine- sonst so schneidigen Wesen- bemächtigt, schwinden. Er unternahm Ausflüge nach Vevey, Lausanne, Billeneuve und da- Rdonethal, er kaufte sich ein Reitpferd und man sah ibn täglich auSreiten. Die Damenwelt in Montreux begann bald für den inter essanten Nordländer zu schwärmen, er fiel überall auf durch fern« kraftvolle, männliche Erscheinung. Die weiblichen Curgästr nannten ibn: dsau", und mancke beneidete im Geheimen da« scklanke junge Mädchen, welche« man oft an seiner Seite erblickte. Die Baronin war durch die Pflege ihre« Gatten und die Zeit, welche sie ihrem Enkel widmete, so sehr in Anspruch genommen, daß e« selbstverständlich war, daß sie Irma auf Spaziergängen nicht begleiten konnte, und letztere daher dem Schutz ibre- Sckwiegersohne« anvertraute. In HanS Jürgen'- Augen war Irma noch ein Kind, in ihrer Gesellschaft war er nicht dem Zwang« einer Eonversation untrrworfen, sie störte ibn nicht in seinen Gedanken, wenn er neben ihr dahinschlenderte. Aus dem flotten Lebemann war jetzt ein hypochondrischer Träumer geworden. Die Kunde hiervon war auch bis nach Esthland gedrungen. „DaS ist nur eine vorübergehende Phase in seinem Leben, er sammelt sich zu neuen extravaganten, die Welt verblüffenden Streichen", äußerte sick ein durch seine scharfe Zunge bekannter LanvSmann HanS Jürgens, Hortense Saliday, gegenüber. Die junge Dame jedoch erwiderte mit schwärme rischem Blick: „Oh, vielleicht vertieft sich diese edle groß angelegte Natur." HanS Jürgen batte natürlich keine Abnung davon, welch eine warme Dertheidigerin er dabeim besaß, ihn kümmerten die Frauen jetzt noch viel weniger als früher in seinem Iung- gesellenleben; daß er al« junger Wittwer eine doppelt inter essante Persönlichkeit geworden, fiel ibm gar nicht ein. Dieses, sich nun schon durch Monate in Mootreux hinziebende äolce kar mente bebagte ibm, er hatte bisher ja auch eigentlich nur dem Augenblick gelebt, und da« Leben erschien ihm so schaal und wertblo», seit Margaret gestorben. Wie er neben Irma Schloß Chillon zuschritt —- sie wählten letzteres häufig zum Ziel ihrer Spaziergänge —, wie er auf die Alpenfirnen jenseits der schimmernden Wasser blickte, da übermannte eS ihn plötzlich wie Heimweh nach dem flachen Esthland, und die ganze Alpenwelt erschien ihm reizlos. In der Heimath starrten um diese Jahreszeit die Aeste der Linden, Birken und Sckwarzrllern noch kabl und unbelaubt in die Luft, schmutziges Schneegeriesel troP überall zwischen den Feldern in die Gräben binab; die Schwalben dachten noch lange nicht daran, gen Norden zu fliegen, aber HanS Jürgen zog eS plötzlich mit Allgewalt dorthin — nach Hause. Ja, hätte ihm anstatt de- böslichen GrußeS deS CastellanS, welcher Fremden da- Innere de- Schlosses zu zeigen pflegte, ein „terre terre, bärra" von den Lippen deS LommerdS- hoff'schen Schweinejungen entgegengetönt, er wäre vor Freude darüber, den schmutzigen Jürri oder Kusti um den Hals gefallen. Doch da klang eS ja mit unverfälscht estbländischem Accent an sein Obr: „Lommrrd, sind Sie eS wirklich, das nenne ich einen hübschen Zufall, daß ich Sie hier treffe, ich hatte dir Absicht, Sie beule aufzusuchen, ich bin beute Vor mittag hier angelangt und verlasse schon morgen wieder Montreux." Harald Inger-Heim stand in seiner vollen statt- d meldet deuten secretc Sitzni der vl in de Dcbai sechs demi ihrer auße: Köi Sri tele, Tal Au ¬ st S' le auS Pe Botscha Botscha rathunx auswär mit der wünsch« eia» g die Mc Fragen * S Commis ob ein« rechts e 1 bah der schaff für ausz: Engl * P und de, fand h Sohnes kategvrisc können N daß sie j verstan im Reich lassen mc welche d« die Debc Der Geh scheinen einen sel von dem Vertrag wu Wi hat di ich W! Ae na Lc wi Laß richb werd einei solle Ums mau treff * Wie», 16. November. Der König und die Königin von Griechenland sind heute Abend über Venedig nach Athen abgereist. * Wie», 16. November. (Abgeordnetenhaus.) Zur Ber- Handlung steht der Dringlichkeitsantrag Pattai, Lueger und Genossen auf sofortige Kündigung des Zoll« und Handelsbündnisses mit Ungarn. Handelsminister Freiherr Glanz von Eicha erklärt, die Regierung erachte eine stillschweigende Fortdauer des gegenwärtigen Bündnisses auf weitere zehn Jahre für ausgeschlossen. Die Kündigung werde rechtzeitig vor Ablauf dieses Jahres erfolgen. (Beifall.) Mekrere Redner sprechen für die Dring- lichtest und erklären, ihre Angriffe richten sich nicht gegen Ungarn, sondern gegen die dort herrschende Clique. Lueger befürwortet ebenfalls die Dringlichkeit und greift die ungarische Regierung heftig an. Ministerpräsident Graf Badeni führt aus, man müsse die Angriffe gegen das befreundete und Oesterreich eng verbündete Ungarn zurückweijen. Bezüglich der Auslassungen der ungarischen Blätter gegen die österreichische Regierung habe er sich die Neber- zeugnng verschafft, daß der Artikel des „Nemzet" gegen Wissen und Willen der ungarischen Regierung erschienen fei. Er erkenne die Loyalität der ungarischen Minister bei den Ausgleichsverhandlungen an. (Beifall.) Das Haus nimmt die Dringlichkeit für den Antrag Pattai sowie den Antrag selbst an. Ministerpräsident GrafBadeni beantwortete die Interpellation Pernerstorfer's wegen seiner (Badeni's) angeblichen Aeußerungen über die Strafbarkeit unwahrer An- gaben bei Unfallsverletzungen und erklärte, unwahre An gaben unterlägen, wenn eine dolose Absicht vorhanden sei, als Be trug der Strafjudicatur, die Versicherungsanstalten feien jedoch an gewiesen, derartige folgenschwere Angaben nur nach sorgfältiger Prüfung zu erstatten. (Be.sall.) Die Gewerbenovrlle wurde im weiteren Verlaufe der Sitzung in dritter Lesung angenommen. Frankreich. Die Bischöfe. * Paris, 16. November. Der Iustizminister Darlan bat ein Rundschreiben an die Bischöfe erlassen, in welchem er ibnen auf Grund des ConcordatS untersagt, die staatlichen Diöcesangebäude zur Veranstaltung von Gedeukfesten an Congresse herzngeben. Gcgeu den Senat. * Paris, 16. November. Deputirtenkammer. Das HauS ke- ginnt die Berathung des Antrages Gnillemet auf Abände« rung des Wablmodus für den Senat. Minister des Innern Barthou erklärt, es ermangele an Zeit, um sich genügend mit dem Anträge zu beschäftigen. Ter Minister kritisirt den Antrag, läßt aber der Kammer volle Freiheit, darüber zu entscheiden, ob sie den Antrag annehmen solle oder nicht. (Beifall.) Das Haus beschließt, die Fortsetzung der Berathung auf morgen zu verlegen. Großbritannien. Tie Hamburger Enthüllungen. * London, 17. November. (Telegramm.) Die „Mor- ningpost" sagt: Die Antwort des Fürsten zu Hohen lohe auf die I n terpella ti on deS Abgeordneten Hom Pesch war durch die ganze Zurückbaltung gekennzeichnet, welche die öffentliche Meinung nach den Traditionen der Diplomatie voraussetzte. Die Rede des StaatssecretairS Freiherrn von Marschall ist der augenscheinlichste Beweis dafür, daß die Regierung sich deS Vortheils bewußt ist, den ihr die Enthüllungen gegeben baden. — Die „Times" führen aus Das Versprechen, daß die deutsche Regierung Bismarcks Enthüllungen weder bestätigen, noch ableugnen würde, ist streng eingehalten worden. Es wurde nichts gesagt, was nicht schon lange allgemein bekannt war. Nachdem nunmehr jener unsinnigen und vielleicht sogar böswilligen Erfindung von englischen Einflüssen auf die deutsche Politik so liehen Größe und Breite vor HanS Jürgen und Irma und begrüßte nun auch Letztere. „Sie sind mir wie ein Gruß auS der Heimatb, ick dachte eben au Esthland", rief HanS Jürgen, Harald'« Reckte noch mals kräftig schüttelnd. „Und haben unö doch ganz vergessen." „Nicht so ganz, wie Sie meinen, aber der Aufenthalt hier bekommt mir gut." „Nein, er muß Ibnen ganz und gar nicht bekommen", rief Harald lebbaft, „man erzählt sich in der Wiek, Sie seien total kopfhängerisch geworden. Der Odenküll'sche, der Sie vor einiger Zeit in Lausanne getroffen, hat diese Nachricht importirt." „So—o", dehnte Hans Jürgen, „nun vielleicht war ich gegen den Odenküll'schen nicht gerade sehr mittbeilsam und liebenswürdig. Zur Strafe für meine Zugeknöpftheit und Einsilbigkeit bezeichnet er mich als einen Kopsbänger. Mir gereichte aber daS Zusammentreffen mit dem Odenküll'schen zu keinem besonderen Vergnügen, ich liebe nun einmal seine Alles bekrittelnde und bespöttelnde Art und Weise nicht. Finden Sie ebenfalls, daß ich kopfhängerisch geworden bin, Fräulein Irma?" Die Angeredete schaute mit einem ernsten Blick ihrer schönen grauen Augen zu dem Fragenden empor. „Ich meine, Sie müßten nach Esthland reisen, nach Hause, dort ist Ihr Platz, dort, an der Spitze Ihrer Wirtbschaft siebend, für Ihr Eigenthum und für das Wohl Ihrer Unter gebenen, die von Ihnen abbängen, sorgend. Verzeihen Sie", fügte Irma schnell und errölhend hinzu, „aber da Sie mich gefragt, ob ich Sie für einen Kopfhänger halte, will ich Ihnen ehrlichen Bescheid geben: dieses müßige Leben dürfen Sie nicht weiter fortsetzen, es zehrt an Ihnen. Sie sind nicht mebr Derjenige, der Sie früher waren, Sie haben Ihr eigenes Selbst verloren und Sie werden Ihre alte Spann kraft, Ibre frühere Arbeitsfreude nur in der Heimath und in einer Thätigkeit wieder finden, welche Sie befriedigt und welche Ihr Leben auSsüllt." „Bravo, mir wie auS der Seele gesprochen", ries Haralt IngerSbeim begeistert, und HanS Jürgen maß Irma mit einem erstaunten Blick, dann sagte er halb ungeduldig: „Auch Sie conspiriren gegen mich, Fraulein Irma, vielleicht kenne ich mich jedoch selbst am besten und weiß, daß für meine jetzige Seelenstimmung kein einzige- Mittel probat ist." (Fortsetzung folgt.) Erhöhung deS MinimallohneS von 4,26 auf 4,Ä> *ck nicht zum Ausbruche gekommen. * Homburg, 16 November. Wie die „Kreiszeitung für den Obertaunuskreis" meldet, ist dem Landrath des Obrrtauuuskreisrs Meister der erbliche Adel verliehen worden. * Wiesbaden, 16. November. Die nationalliberale Partei bat den Rechtsanwalt Fritz Siebert hier als Candidat für die bevorstehende Landtagsersatzwahl auf gestellt. (M.Z) * München, 16. November. Der Prinzreqent hat dem bis- herigrn hiesigen NuntinS I)r. Ajuti daS Großkreuz de» Civil- Berdlenst-Ordeus der Krone verliehen. Oesterreich - Ungarn. Tie Hamburger i-nthüllungen. Wien, 17. November. (Telegramm.) Die Blätter sprechen sich sehr befriedigt über die gestrige Erklärung der deutschen Regierung im Reichstage auS, durch welche der Dreibund eine neue Kräftigung erfahren habe. Die „N. Fr. Pr." sagt: „Die Versicherung des Fürsten zu Hohenlohe über das Verhalten Deutschlands zu den Ver kündeten werde den Rest des Mißtrauens, daß die Ham burger Enthüllungen rege gemacht, beseitigen. Das „N. W. Tagebl." sagt: In Oesterreich-Ungarn und Italien wird man mit besonderer Sympathie von den über jeden Zweifel correcten und loyalen Erklärungen der Reichs regierung Kenntniß nehmen. Die Hamburger Enthüllungen haben auf einem Umwege die beruhigendsten FriedeuS-E klärungen zn Stande gebracht. xr 4»
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