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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.11.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189611292
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18961129
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18961129
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
- Tag1896-11-29
- Monat1896-11
- Jahr1896
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.11.1896
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Reklamen unter dem Redaction-ftrich l4ge- jvalten- 50-H, vor den Famillennachrtchtrn (6 gespalten) 40<ch. frühere Schriften laut unserem Preis- verzeichnt-. Tabellarischer und Ziffernsap nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Poslbesürdrrung ^ll 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluk siir Änzri-en: Abeud-Ansgab«: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- au dt« Expedition za richte». Druck und Verlag von E. Potz kn Leipzig. ««7. Sonntag den 29. November 1896. Sv. Jahrgang. Aus -er Woche. Q „Wir müssen eine Politik fordern, die sich auf die Massen stützt." Also auf dem national - socialen Parteitage, der sich nachträglich selbst auf einen bloßen BereinStag reducirte. Auf die Massen stützt, d. h. die Politik der Massen macht. Und zwar auf ihre äußere Politik, nach dem bisher — in Athen bestand die Masse auS Sklaven und hatte gar nicht- zu sagen — nie und nirgend- erfüllten Verlangen des Herrn Naumann, .die äußere Politik öffentlich zn behandeln". Ehrlich gemeint, setzt dieses Programm die Ueberzeugung voraus, daß die Masse nicht nur weiß, was sie will, sondern daß sie auch das für sie und die Allgemeinheit Ersprießliche will. Diese Zuversicht bat man in Erfurt nicht verrarhen. Daß d i e Masse, welche die „Jungen" bei ihren Bestrebungen doch haupt sächlich im Auge haben, die der Arbeiter, einen falschen Weg betreten hat, da- soll ja der Hauptbeweggrund der Be gründung der neuen „Partei" sein. Aber die national socialen Führer trauen auch nach anderer Seite der öffentlichen Weisheit nicht, nicht einmal in ihren zugestandenermaßen hauptsächlich mit Gebildeten gefüllten Neiden. Sie hätten es sonst nicht nöthig gehabt, idre klare Erkenntniß von der Unvereinbarkeit des Christlichen mit dem Socialen mit einem allerdings ziemlich durchsichtigen Schleier für Diejenigen zu verhüllen, denen jene Erkenntniß noch fehlt. Sie stehen also auch im Banne der Einsicht, daß keine Politik, keine Negierung die Unfähigkeit der Massen, ihre Interessen und die eines ganzen Gemeinwesens zn Rathe zu ziehen, unberücksichtigt lassen kann. Wenn aber die-, wozu der neue Schlauch für den alten Wein'? Unsere Bedenken gegen die Bewegung des Herrn Naumann sind nicht vom Parleiegoismus eingegeben, und die National liberalen haben von allen Parteien gewiß am wenigsten Ursache, wegen des neuen Vereins, wen» er bleiben sollte, waS er sein will, w <" aticrckings ausgeschlossen scheint, Be- sorgniß zu hegen. Oft und auch guf dem letzten Deligirten- tage hat unsere Partei erklärt, daß sie in ihrem Namen das „national" dem anderen Bestimmungsworte mir Bedacht voran gesetzt hat. Die „Jungen" haben dasselbe gethan, und wenn sie eS so meinen, wie die Nationalliberalen, wenn sie davon durchdrungen sind, daß jeder gesunde Fortschritt einen starken Nationalstaat voraussctzt, so werden sie keine Gefahr bilden. Denn sie müssen dann von ihrem Borhaben, Schulter an Schulter mit der Socialdemokratie zu kämpfen, schon vor oder spätestens nach den nächsten Wahlen, die ihnen die Er kenntniß beibringen werden, daß man Gott und dem Teufel nicht gleichzeitig dienen kann, zurücktreten. Bis auf Weiteres wird man es dem praktischen Politiker Wohl nicht verargen, wenn er den Vorgängen innerhalb der konservativen Partei größere Bedeutung bemißt, als dem neuen Gebilde. Es drängt sich die Wahrnehmung auf, daß man in nichtconservativen nationalen Kreisen nur schwer eine Stellung zu dem auf dem Berliner Delegirtentage proclamirten conservativen Frontwechsel zu finden vermag. Das erklärt sich auS einem in den letzten Jahren nur allzn- reichlich genährten Mißtrauen, welches nicht durch den Umstand abgeschwächt wird, daß neben dem ofsiciellen Führer v. Manteuffel Graf Mirbach ausersehen war, die Absage an die Demagogie zu richten, derselbe Graf Mirbach, der vor kaum mehr als Jahresfrist das nach unserem Empfinden Stärkste im Aufreizen der ackerbautreibenden Bevölkerung geleistet hat und noch dazu in dem am wenigsten zur Erregung von Volksleidenschaften berufenen preußischen Herren bause. Mehrdeutige Artikel der „Kreuzztg." vermehren die Unsicherheit. Wir für unseren Theil halten die letzteren für einen ungeschickt dirigirte extrem agrarische Rückzugskanonade, ders neben der bestimmten Erklärung der „Cons. Corr." keine Bedeutung zukommt. Wie dem sei, jedenfalls besteht kein Grund, die Borbereitung einer besseren parlamentarischen Zukunft dadurch zu erschweren, daß man der conservativen Parteileitung Absichten unterschiebt, die sie durch nichts ver raten bat. Es geschieht zur großen Genugthuung des Herrn Richter in einem angesehenen nationalliberalen Blatte, das als unumstößliche Gewißheit hinstellt, die Conservativen würden nun, da der Antrag Kauitz und Aehnliches zurück getreten sei, mit verstärktem Nachdruck ihre reactionairen Be strebungen auf politischem und geistigem Gebiete verfolgen. Für diese Annahme ist auf und seit dem Delegirtentage kein Stützpunkt gezeigt worden. Dagegen hat man sich dort kälter und abweisender als seit Jahren dem Cent rum gegenübergestellt. Und wir glauben, der Augenblick, in dem eine Partei von dem Ultramontanismus abrückt, den sie bisher vielfach als Bundesgenossen betrachtet hatte, ist un verständig gewählt, um gegen sie den Verdacht verstärkter Reactionsgelüste, namentlich auf geistigem Gebiete, aus zusprechen. Vor Wochen ist an dieser Stelle die Ansicht vertreten worden, die bayerische Regierung sei, um zu einem ein heitlichen deutschen Militairftrafv erfahr en zu gelangen, zu erheblichen Aenderungen der in Bayern geltenden Proceß- ordnung um so mehr bereit, al- sie selbst diese letztere in mehr facher Beziehung als verbesserungsbedürftig befunden habe. Eine officiöse Auseinandersetzung der „AugSb. Abendztg." bestätigt diese Ansicht vollauf; sie bekundet ein so starkes Interesse an der Reform auch des bayerischen Strafverfahrens, daß an der Einigung über einen Mob,,?, der die formalen Bedenken Bayerns beseitigt, nicht zu zweifeln ist. Man wird vielleicht auf einen besonderen „Senat" für auS Bayern angefallene Proceßsachen bei dem in Aussicht genommenen obersten MilitairgerichtShof verfallen. Der Stand der egyptischen Frage. Wenn man die Anzeichen der großen Politik aufmerksam verfolgt, so bekommt man den Eindruck, daß etwas im Werke ist. Frühzeitig sagten beachtenswerthe Stimmen vor aus, daß nach der Rückkehr de-Zaren die russische Politik ihre bis zu diesem Augenblick beobachtete Zurückhaltung auf geben und wahrscheinlich gegen England vorgeben werde. Negativ ist dies schon geschehen, indem der Bersuch des CabinetS Salisbury, in der Türkei Brand zu stifte» und dann im Trüben zu fischen, vereitelt worden ist; Eng land sah sich gcnölhigt, Wasser in seinen Wein zu gießen, auf ein einseitiges Vorgehen zu verzichten und sich plötzlich wieder daran zu erinnern, daß es ein „europäisches Concert" gicbt. Alle Fäden aber laufen zur Zeit am Nil auö. Hätte Rußland mit bewaffneter Hand in Armenien Ordnung geschaffen", wie Oesterreich 1878 in Bosnien, so würde Eng land Egypten alö verfallenes Pfand erklärt und unter seinen Schutz genommen haben. Damit ist es nun vorerst nichts, und allem Anscheine nach wird auch nichts daraus werden. Soeben erst hat Hanotaux erklärt, daß die französische Regierung nicht daran denke, ihre Forderung bezüglich der Räumung Egyptens fallen zu lassen. In einem in allen Hauptsachen zutreffenden, groß ent worfenen Artikel haben soeben die „Hamburger Nachrichten" Englands Sündenregister bis auf die Gegenwart zn- sammengestellt und darauf hingewiesen, daß in der Zukunft alle Macht, alle Schlauheit, alle Treulosigkeit Albions gegen Deutschland spielen wird, dessen seit 1870 immer mächtiger aufblühende Industrie Englands Vorherrschaft auf allen Ge bieten des Gewerbefleißes ernstlich bedroht. Kein Zweifel, wenn England könnte, wie e« wollte, es würde uns ebenso brutal Niederschlagen, wie eS 1653 Holland, wie es im 18. Jahr hundert Frankreich, seine damaligen Mitbewerber, nieder schlug. Die Fragen industrieller Vorherrschaft hängen eben eng zusammen mit den colonialen Fragen; wenn England seinen Erzeugnissen den Absatz über See sichern will, so dürfen andere Mächte dort nicht auskommen. Am 9. April 1895 gab die Regierung vor einer Versammlung von City-Groß- kaufleuten die Erklärung ab, daß der englische Einflußbereich den ganzen Wasserweg des Nil umfasse! Noch deutlicher schrieben kurz vorher die ,Dimes": „es scheint Manchen (so!) nicht wünschenswerth, in Anbetracht der Stellung Englands in Egypten, daß eine andere Macht an dem Flusse sich festsetzt, dem Egypten sein Dasein verdankt". Diese „andere Macht" ist, wte wohl Jeder, außer unseren demokratischen Abgeordneten, merkt, Deutschland. Uns also will man vom Nil, dessen Quellen in Deutsch-Ostafrika sind, entfernen, und das ist, dank dem Grafen Caprivi, ja 1890 durch unfern Verzicht auf Uganda zum Theil schon gelungen. Glücklicher Weise ist der Vertrag Englands mit dem Congostaat voriges Jahr durch die Einsprache Frank reicks und Deutschlands zerrissen worden. Das weist unS, wie der „Schwäb. Merc." zutreffend her vorhebt, den Weg, der auch ferner betreten werden muß, und Freiherr von Marschall hat am 16. November denn auch an gedeutet, daß daS Zusammengehen Deutschlands mit den Mächten, mit denen eS 1895 in Ostasien zusammenging, sich demnächst fortsetzen könne. In Frankreich weiß man eS auch sehr Wohl, welchen Vortheil man von Deutschlands Hilfe gehabt hat, und man ist bereit, mit uns auch ferner in über seeischen Fragen Hand in Hand zu gehen. Am 7.Mai 1895 äußerte der beste Kenner der egyptischen Frage in der Pariser Kammer, der bekannte Abgeordnete Deloncle, gegen über dem Cvrrespondenten der „Voss. Ztg.", nur durch Deutschlands moralische Unterstützung habe England sich in Egypten und am oberen Nil sestsetzeu können. Und doch sei die Gemeinsamkeit der französischen und der deutschen Interessen in Afrika so offenkundig, daß man sie mit Händen greifen könne. Beide Staaten mußten Verbindern, daß England sich ebenso des ganzen Nil be mächtige, wie cs dies mit dem Niger und Benue gethan bat. Es versuchte es s. Z. auch mit dem Congo; durch Deutschlands und Frankreichs Zusammenhalten auf der Ber liner Conserenz von 1884 wurde dieser Versuch abgeschlagen und der Congostaat ins Lebe,, gerufen. Es braucht wahrlich nicht vieler Worte, um darzulegen, von welcher Bedeutung auch für uns es ist, daß England endlich aus Egypten wieder berauSgedrängt und dort eine internationale Aufsicht über ein Land errichtet wird, das die internationalsten aller Wasserstraßen, den Suezcanal und den Nil, beherrscht. Wir wollen, führt das Stuttgarter Blatt weiter auS, England lassen, was es auf Grund des Völkerrechts sich bisher angeeignet hat, aber eS ist nunmehr hohe Zeit, daß ihm Schranken gezogen werden, und daß es lernt, auch andere Völker als vorhanden anzusehen und ihre Rechte und Interessen zu achten. Wir verstehen, wie viel schöner die Zeit für Albion war, da Frankreich, Deutschland und Rußland sich gegenseitig bekriegten und, wegen einiger Länderstrecken auf den Tod verfeindet, England in der weiten Welt schalten und rauben und cinslecten ließen, was ihm be liebte. Wir verstehen sehr gut, daß England diese schöne Zeit um jeden Preis wieder beraufführen möchte, aber es wird sich täuschen! Europa weiß, wie theuer es seine Fehden bezahlt hat, und es hat daraus endlich die erforderlichen Lehren gezogen. Deutsches Reich. Berlin, 28. November. Herr Professor Hans Delf- brück beschäftigt sich mit der Reichstagsdebatte über die Enthüllungen der „Ham burger Nachrichten". DaS ist sein Recht, denn dazu Hal er die „Preußischen Jahrbücher". Er zieht als Facit der Verhandlung, es bleibe ein unvertilg bares Mißtrauen gegen die deutsche Politik bestehe» und ein ebensolches Mißtrauen sei im Volke gegen de» deutschen Kaiser erweckt. Diese Entdeckung hat zwar nicht den Reiz der Originalität, dafür aber eine andere Seite. Ein Hinauspredigen solcher Schlagwörter zeugt erst jene Wirkungen, zumal da eS Manchen giebt, der sie brauchen kann. Sodann kritisirt Herr Professor Delbrück die Nationalliberalen und die Conservativen und wirft ihnen vor, sie hätten gebandelt, „um von der unzerstörbaren Popularität des Fürsten Bismarck einen Aufputz für die eigene Bettler gestalt zu erhalten". Auch hierin wird Herr Delbrück bei gewissen Leuten Glauben finden, vorzugsweise aber bei sich selbst. Außerhalb dieses gewählten Kreises giebt es aber noch Menschen, welche diese Anschauungen nicht theilen, im Gegentheil mit Bedauern verfolgen, welchem Tiefstand in den letzten Jahren die Achtung vor der „nationalen Mission" des Herrn Delbrück zustrebt. Wenn er Genaueres darüber hören will, mag er sich an die Deutschen in den Ost marken wenden, insbesondere an diejenigen, die dort über Len Katbo- liciSmus ihr Nationalgefühl nicht vergessen haben, trotz der Beschönigung der polnischen Propaganda durch den Heraus geber der „Preußischen Jahrbücher". * Berlin, 28. November. Das neueste Beiheft des „Militair-Wochenbl." enthält eine Abhandlung des Generals der Inf. z. D. v. Blume über die „Selbstthätigkeil der Führer im Kriege". General v. Blume faßt seine Ausführungen wie folgt zusammen: „Die Selbstlhätigkeit der Führer aller Grade war eine der wesentlichsten Ur sachen unserer Erfolge in den letzten Kriegen. Sie führte allerdings auch Gefahren und Rückschläge dadurch herbei, daß sich einzelne Führer zu übereiltem Handeln ver leiten ließen. Und in zahlreichen Fällen wurde der Erfolg dadurch beeinträchtigt, daß Unterführer in selbstständigem Handeln nicht genügend Rücksicht auf die Gesammtlage und auf Zusammenwirken mit anderen Streitkräften nahmen, was schädliche Zerreißung der taktischen Verbände und Zer splitterung der Kräfte verursachte. Diese Mängel haften aber nicht der Selbstlhätigkeit der Führer an sich an, sondern sie waren eine Folge unzureichender Schulung derselben. Unser Streben muß deshalb darauf gerichtet sein, den Geist der Initiative »«geschwächt cm Offieier corps zu er halten, aber durch dessen gründliche Schulung den Gefahren vorzubeugen, die nach den gemachten Erfahrungen an- ihm entspringen können. Wir können nicht darauf rechnen, daß in einem künftigen Kriege Ueberlegenheit der Kopfzahl oder der materiellen Kr»eg-mittel un« zur Seite flehen werden. Aber di« Ueberlegenheit, die unS bi-her der im OfficiercorpS herrschende Geist der Selbstlhätigkeit verlieb, uns zu erhalten und durch gründliche Schulung des selben zu steigern, hängt nur von unS ab, ist eine unserer wichtigsten und zugleich dankbarsten Aufgaben." * Berlin, 28. November. Wie da- FractionSver- reichniß des Abgeordnetenhauses ergiebt, ist der Ende April d. I. für den verstorbenen Abg. vr. Brüel, den einzigen Repräsentanten der Welfenpartei, ui Melle-Iburg gewühlte Hofbesitzer Meyer-Riemsloh der Centrumspartei bei getreten. Die besondere Parteispielart der Welfen ver schwindet damit äußerlich auS der preußischen Volksvertretung. Der Abg. Mentz (Gumbinnen-Insterburg), der im Reichs tage bei den Deutsckconservativen hospitirt, hat sich jetzt auch der Fraktion der Conservativen im Abgeordnetenbause als Hospitant angeschlossen. Im übrigen bestätigt das Verzeichnis, daß der neugewählte Abg. Isenburg für Rotenburg-Hers- fclv der conservativen Fraktion angehört. Die Freiconser vativen haben in dem jetzt zu ihnen als Hospitant überge tretenen ehemaligen Reichsgcrichtsrath Haacke, der bis gegen den Schluß der vorigen Landtagstagung Mitglied der Nationalliberalen war, Ersatz sür das an die Polen ver lorene Mandat deS verstorbenen Engler (Berent-Pr. Stargard, gefunden. Von den neun „Wilden" sind sieben zu den F-rriH-ton. Liebesorakel am Andreastage (3V. November). Bon E. Glaser. Nachdruck verboten. Der Andreastag ist ein großer Orakeltag aller HeiratbS- lustigen. Man findet an diesem Tage viel Aberglauben und will durch verschiedene Formen die Zukunft erkennen, be sonders in Beziehung auf Liebe und Ebe. Der heilige Andreas ist der Schutzpatron aller HeirathSlustigen geworden, «nd dieses befremdet um so mehr, da er nicht einmal ver- beirathet war. Die Gebräuche sind wobl älter als der Andreastag und stammen aus der heidnisch germanischen Zeit. Vielleicht fiel auf den Andreastag ein heidnische- Fest de- Gottes Freyr, und da- gab Veranlassung, «inen Theil der Bedeutung des deutschen Gottes auf den Apostel Andreas zu übertragen, oder man fand Aehnlickkeiten de- Cbarakter» Beider. Freyr ist der trefflichste der Götter, seine Hausfrau die lieblichste. Man rief den Gott um Fruchtbarkeit der Erde an, er spendet« den Erntesege» durch alle Lande. Darum hieß er freundlich, wohltbätig fruchtbar, glücklich und gabmilve. Wo der Gott einkehrte, klärte sich das Wetter auf und man er wartete reiche Ernte. Freyr füllte auch das Hau- mit blühenden Kindern und spendete den Sterblichen Liebe-lust. Sv war Freyr der freundlich«, wohltbätige, glückliche und milde Gott, nnd der Apostel Andrea- wird auch der frömmste u»d mildefle der Heiligen (»uuctonrw mitm»iwus) genannt. In Deutschland erwarte» die jungen Mädchen vom Andrea-abend die Enthüllung ihrer Zukunft unp suchen sie aus die verschiedenste Weise zu erforsche». Per Gebrauch de» Bleigießen» ist >etzt eine gesellschaftliche Unterhaltuna am Audreastage. Au« den Gestalten deS in« Wasser gegossenen Bleie- wird da- zukünftige Schicksal, die künftige Hcirath und besonders da- Gewerbe deS künftigen Geliebten durch den Witz der Phantasie ersehen. Im Harz wird da- Blei aus einem Erblöffel durch einen Erdschlüsse! in eine Erb- schüssel gegossen. Nach dem alten Volksglauben schreibt man aber die ganze Sache dem Teufel zu. Die Gestalten des erkalteten Bleies deutet mau noch auf andere Weise. Viele kleine „Rüben" bedeuten Geld, ein „Altar" Hochzeit, ein „Wagen" eine Reise, ein „Sarg" Tod u. s. w. Statt des Bleies schütten die Mädchen in Friedingen in Schwaben häufig daS Weiße eines Eies unter gewichtigen Sprüchen in ein Glas Wasser. Die Gestalten, die das Eiweiß aunimmt, al- Seil, Hammer, Hobel, Zange u. s. w. bestimmen den Stand deö künftigen Gatten. Um den Gatten wenigst«»- im Bild zu sehe», Hilst in Böhmen das „Samensäen". Das Mädchen sucht nämlich, bevor es in seine Schlafkammer gebt, Jemandem eine Hand voll Getreide, sei eS Korn, Weizen, Gerste oder Hafer zu entwenden, die e« mit in« Bett nimmt. Hat sie sich nun entkleidet und die Nachtlamp« ausgelöscht, so wirst sie mit der rechten Hand da« Getreide mit den Worten: In Andrea- Namen Sä' ich meinen Hamen, In Andrea- «arten Äill ich den Schatz erwarte» Uber ihre» Körper zum Bett hinaus auf den Fußboden, in der süßen Hoffnung, ihr Zukünftiger werde ihr sicherlich im Traume erscheinen. Auch springen die Mädchen so lange auf ihren Betten herum, bi« sie müde und matt sind. Wahrend dieser Körper übung nennen sie zu wiederholten Malen den Namen ihre» Geliebten. Träumen st- dann von ibm, bekommen sie ihn, wo nicht, müssen fie einen anderen heirathen. De-gleichen feyen sie durch ein Astloch uud beten: Heiliger Herr Andri-, Ich bitte dich durch Goute, Sollst heute sein mein Baut«. Sollst wer l»a erscheinen Den Herzliebsten mein«?. Im nördlichen Böhmen, wo diese» Liedchen her ist, gehört den Mädchen alle- Garn, welche« sie an diesem Abend spinnen, ja, die .kiauSsrau giebt ihnen auch noch den Flachs und ebenso etwas Geld. Mit dem, was sie noch Zusammenlegen, kaufen sie Kaffee und Eßwaaren und bewirthen die Knechte, welche den Winter über mit ihnen zu den Lichtengängen zusammen kamen. Ebenso allgemein ist der Brauch, Nußschalen schwimmen zu lasten, was die Deutschböbmen das Licktelsckwimmeu nennen, indem man doppelt so viele Nußschalen, als Mädchen an wesend sind, mit kleinen brennende» Lichtchen besteckt. Jedes Mädchen hat ibr Lichtchen, während den übrigen Schalen in Gedanken die Namen der Bewerber gegeben werden. Der, dessen Kahl, zuerst dem fragenden Mädchen nabt, wird der zukünftige Lebensgefährte. Oft bezeichnet auch eine Nußschale den Pastor, schwimmt diese Nußschale zu den beiden Ver lobten, so ist kein Zweifel mehr und die Hochzeit wird bald gefeiert. Die schlesische» Mädchen knien des Nachts, ehe sie sich schlafen legen, vor ihr Bett und beten: Herzelieber Andree-1 Aieb mir zu erkennen, »nie ich heeß (heiße), Gieb mir zum Augcnlckeen Och«««), Welcher soll mein Liebster seeu, worauf sie im Traume die Antwort des Heiligen erhalten. Der zukünftige Geliebte oder Gatte erscheint auch im Traume, wenn sie vor dem Einschlafen die Wort« sprechen: „Andrea-, heil'ger Schutzpatron, Hör mich, gieb mir einen Mann, Und lab mich im Bilde sehn, Ob er häßlich oder schön, Ob er geistlich oder weltlich, Ob er jung iß "der ältlich. Heil'ger Andreas, steh' mir bei, Daß ich's seh im Eonterffq." Auf die Beschaffenbeit deS ManneS bezieht sich an der bvbmisch-sächsischrn Grenze daS Tremmelzieben. Das Mävckcu nämlich, welche- wisse» will, wie ihr Zukünftiger körperlich beschaffen sein wird, begiebt sich in der Finsterniß zu einem Hausen Stockholz (Tremmel) und zieht ein Scheit mitten heraus. Ist der gezogene Tremmel glatt und gerade, so ist der Man« gut und schlank gebaut, ist er krumm oder ästig, so ist er schlecht gewachsen oder gar bucklig. Will daS Mädchen wissen, ob ihr zukünftiger Geliebter reich oder arm ist, so spricht es, wenn es zu Bett geht: O du lieber Andreas »nein, Hier steb ich vor meiner Bettsäulen, Laß meinen Liebsten bei mir erscheinen. Soll ich mit ihm leiden Noth, So laß ihn erscheine» bei Wasser und Brod, Soll ich mit ihq» leiden keine, Co laß ih» erscheinen hei Semmel «nd Weine. Die Mädchen i» Thüringen decken um Mitternacht des Audreasabend» den Tisch. lege» Messer und Gabel daraus und öffneq dann das Fenster, dann kommt der Zukünftige vor das Fenster und zeigt sich ihnen. Oder das Mädchen deckt in derselben Zeit den Tisch mit einem selbstgefertigtcu weißen Tischtuch, stellt ein GlaS Wasser und ein Glas Wein darauf und wartpt nun in der Ecke. Der Erwartete kommt nun, und wenn er den Wein trinkt, ist er reich, und trinkt er das Wasser, ist er arm. Der zukünftige Geliebte erscheint auch, wenn sic vor dem Einschlafen die Worte sprechen: Audreasabend ist hegte, Schlafen alle Leute, Schlafen alle Menschenkind, Tie zwischen Himmel und Erde sind, Bis aus diesen rinz'gen Mann, Der mir zu Eh» werden kann. DaS Erscheinen des zukünftigen Gatten wird auch dadurch bewirkt, wenn da» Mädchen in der Andrea-nackt mit dem Schlage zwölf die Worte 6etet: Heiliger Andrea-, sch bitte dich, Bettfiell, ich trete dich, Latz mir doch erscheine» Den Herzallerliebsten meinen, Wte er geht und steht, lind wie er mit mir in die Kirche geht. Dabei ist zu beobachte», daß man vor und nach dem Gebet dreimal klopfe» und bei den Worten: „Bettstell ich trete dich" mit den Füßen gegen die Bettstelle treten muß.
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