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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.12.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189612069
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18961206
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18961206
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Bindung fehlerhaft: Seiten in falscher Reihenfolge
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-12
- Tag1896-12-06
- Monat1896-12
- Jahr1896
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.12.1896
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Die Morgen-Au-gabe erscheint um '/.? Uhr, di« Abend-Ausgabe Wochentag» um S Uhr. Nr-artto« »ad Lrvedltto«: JohanneSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh S bi- Abend» 7 Uhr. Filiale«: Ltto Klemm'» Kortim. (Alfred Hahn), Universitätssrrahe 3 (Paullnum), Loui» Lösche, Katharinrnstr. 14, pari, und KönlgSplah 7. Bezugs'PreiS Kl der tzauptexpeditiou oder den im Stadt bezirk «ch den Vororten errichtet« AuS- aabeslellen abgeholt: vierteljährlich 4^0, bei »wrimaliger täglicher Zustellung ins Hau» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Österreich: viertel,ährlich S—. Direkte tägliche Kreuzbandirudung in» Aa»laud: monatlich ^ll 7.50. Wp Mr TagMM Ältttsötatt -es königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. AnzeigenPreiS die ögespaltme Petitzeile 80 Pfg. Reklamen unter demRedactionSsirich ^ge spalten) 50>^, vor den Familiennachrichten «6 gespalten) 40 Gröbere Schriften laut unserem Preis- vrrzeichniß. 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Bereut er, oder will er seine Lage gegenüber der ihm drohenden Anklage auf das schwere Verbrechen der Urkundenfälschung mildern, indem er sich ein Werkzeug des Polizeicoinmissars v. Tausch nennt? Manche», so die Behauptung, daß er den Mitangeklagten Leckert ernst genommen, spricht für die An nahme, daß er bei der Unwahrheit, nur bei einer neuen, ver harrte. Anderes spricht gegen den Leiter der politischen Polizei. Vor Allem die Thatsache, daß die auf Ersuchen beS Angeklagten durch den Oberstaatsanwalt bei ihm vorgenommene Haussuchung noch ein Ergebniß gehabt, obwohl schon vorher eine von v. Tausch angeordnete stattgefundrn hatte, bei der „nur wenig herausgekominen ist". An eine ungenügende Technik des Beauftragten des Herrn v. Tausch zu glauben, fällt schwer. Sodann hat v. Tausch bis gestern Mittag Lützow auf jede mögliche Weise zu decken versucht; das deutet auf ein Interesse, den Angeklagten in der Hoffnung zu lassen, er werde glimpflich davonkommen. Und wenn es psychologisch erklärlich ist, daß Lützow aus Kosten v. Tausch'- neue Unwahrheiten vorbrachte, weil er durch die Präsentirung einer Anstiftung zur Urkundenfälschung sich eine günstigere Beurtbeilung sichern wollte, so ist es eben so leicht möglich, daß er ein wahrhaftes Geständniß ablegte, weil er nach der Aufdeckung der Fälschung seine Sacke ver loren gab. Zn diesem Falle aber stände man vor einem Ab grund von Verruchtheit, v. Tausch, der ja schon vor der Ablegung der angeblichen Geständnisse seines Vertrauens mannes, namentlich durch die verzweifelte Berufung auf den harmlosen Rens, in ein sehr zweifelhaftes Licht gcrathen war, hätte dann — namentlich durch die Art, wie er, um dem vermeintlichen Wunsche des Herrn v. Bronsart, seinen College» von Köller der Jntrigue überführt zu sehen, zu entsprechen, Lützow für die Beweisführung „scharf machte" — teuflisch gehandelt. Und dies doch kaum aus „Animosität" gegen das Auswärtige Amt und gegen Herrn v. Marsckall. Was hätte den Beamten unter geordneten Ranges gegen den Staatssecretair einnehmen können? Potitliches gewiß nicht; denn wenn Jemand, der von dem Treiben der letzten Zabre auch nur oberflächliche Kenntniß hat, geneigt gewesen wäre, v. Tausch für einen Parieimann oder auch nur für einen selbstständigen politischen Intriganten zu nehmen, der behauptete Anschlag gegen Herrn v. Koller würde jede Verinutbung nach dieser Richtung hinfällig machen. Wer Herrn v. Marschall ein Bein stellen wollte, durfte nicht darauf auSgrhen, Herrn v.Köller zuFalle zu bringen. Auch für die Annahme persönlicher Feindschaft findet sich kein Anhaltspunkt. Herr von Marschall war der politischen Polizei nicht zugeihan? Angenommen. Aber daS Mißtrauen des StaatSsecrelairs gegen diese Behörde ist nach dessen Aus sage erst durch ein gegen ihn gerichtetes Verhalten eines Agenten der politischen Polizei entstanden. Nun, Lützow giedt eine Erklärung für die „Animosität" des Tausch, eine Erklärung, die, wenn sie richtig wäre, daS Blut in den Aderu gerinnen lassen müßte. Er weist auf «inen des naben Umgänge« mit dem Kaiser gewürdigten und in einer höchsten Staatsstellung befindlichen Mann deutlich genug hin. Wir können aber nicht glauben, daß der Monarch sich dergestalt in der Person eine- Vertranten täuschen konnte, und eS liegt auch ein objektiver Anhaltspunkt vor, der die Angaben des Lützow höchst unglaubwürdig erscheinen läßt. Der Zeitungsartikel, der dem Proceß zu Grunde lieg», richtet eine vergiftete Spitze gegen den Hofmarschall von Eulenburg, einen nahen Verwandten d«S Wiener Botschafter». Bisher hat man nie gehört, daß die Eulenburgs einander anfeinden, wohl aber das Gegentheil. Darf man nun auch bestimmt hoffen, daß Lützow — wenn sein Geständniß objektiv aufrichtig ist — wenn auch nickt durchweg direkt Falsches über den Hintermann deS Tausch behauptet, so doch wissentlich oder unwissentlich einen falschen Schein um den Grafen Philipp Eulenburg verbreitet bat, so ist es unter der Voraussetzung der Wahrhaftigkeit deS Geständnisses doch sehr unwahrscheinlich, daß Tausch allein au» eigenem Antriebe gehandelt bat. Daß die ver borgenen Schuldigen entlarvt werden möchten, ist ein Wunsch, der mit dem Wohlergehen unseres Vaterlandes zusammensällt. Herr vr. Miquel wird morgen der Sitzung der Commission für das preußische SchuldentilguuzSgesetz an- wobnen. Seine Unpäßlichkeit ist eben behoben, und diese war der einzige Grund für die Aussetzung der CommistionS- berathung, die unter ganz guten Aussichten beginnt. Denn der an dieser Stelle erörterte, von der Regierungsvorlage allerdings erheblich abweichende narionalliberale Gcgeuentwurf verliert nach der finanziellen Seite für Herrn Miquel alle Schrecken durch die später zu erkennen gegebene Bereitwilligkeit derNationalliberalen, für die nächsten fünf Zabre aus den Eisen- bahneinnabmen zur Deckung ordentlicher Ausgaben den Be trag festzusetzen, der in dem nächsten Eiat als verwendbarer Eisenbahnüberschuß siguriren wird. Das wird ein Heiden geld sein. Darüber, daß der in Aussicht genommene Spar- sonds nicht allein vom Finanzminister verwaltet werden soll, wird sich Herr Miquel vielleicht langsam aber sicher auSsöbnen. Mit der »KrisiS", die die SensationSpresse mit so behaglicher Sicherheit „verzeichnete", war es also nichts. Diese Presse findet sich jetzt sehr unbehaglich, denn sie fühlt, daß sie die Hauptschuldige ist, wenn Burschen, wie die eben vor dem Berliner Strafgericht stehenden, auf eigene Rech nung oder im Dienste von verlogenen Zntriguanten Be unruhigung und Mißtrauen zu erzeugen vermögen. Die Hoffnung, daß dieses Unbehagen zu einer Besserung führen werde, wird frelick sehr herabgemindert durch die Über legenheit, mit der die bezeichnete Presse sich die Möglichkeit zu verschaffen sucht, über v. Lüyow zu Gericht zu sitzen. Ein Berliner freisinniges Blatt schrieb schon am Abend des ersten BerhandlungStageS: „Herr v. Lützow hat sich, wic so viele Leute, die in ihn- > eigentlichen Berufe Schiffbruch gelitten, leider der Journalistik zu gewendet." Dieses Bedauern über die letzte Berufswahl Lützow'S ist ungemein reizvoll, wenn man weiß, daß Lützow zu Beginn seiner journalistischen Laufbahn eben dieses Blatt mit schwindelhaften „Informationen" versehen bat und daß die jetzt plötzlich über die Collegenschaft unglücklichen Heraus geber mit dieser Mitarbeiterschaft Reklame gemacht haben. Demokratische Blätter „stellen fest", daß die Ablehnung des Schiedsgericht» im HamburgerStreik die „gesammte öffentliche Meinung" auf die Seite der Ausständigen ge trieben habe. Das gilt doch wohl nur von der „öffentlichen Meinung", die von jenem Blaite im Verein mit den Social demokraten gemacht ist. Außerhalb ihres Wirkungskreises ist vielmehr die Ansicht vorherrschend, daß die Hamburger Unternehmer sich Anspruch auf den Dank des Bürger- thumS erworben baden, indem sie eS ablehnten, mit social demokratischen Agitatoren wie mit berufenen Vertretern ihrer Arbeiter zu verhandeln und den verbängnißvollen Fehler, der bei der Beendigung des Berliner BrauereiitreikS gemacht worden ist, zu wiederholen. Wenn das Organ der sociaiislischen Streik anstifter, daS „Hamburger Echo", eS so darstelll, als ob die von den Arbeitern zum Frieren gebotene Hand zurückgewiesen worden sei, so ist daS einfach unrichtig. Nicht die Arbeiter, auch nicht ihre nichtarbeitenden Führer, sondern Hamburger Bürger, „Bourgeois", batten den SckiedSgerichtövorscklag gemacht. Ob sie dabei gut berathen waren, soll nicht unter sucht werden. Jedenfalls sehen die Arbeitgeber vor der Hand erst dann die Möglichkeit, einen dauernden Frieden zu schließen, wenn daS ArbeitSverbLltniß und nicht nur Machtgelüste den Verbandlungen zuGrunde gelegt werden,die socialdemokralischen Führer also, wenn nicht formell, so Vock thatsächlich in den Hinter grund getreten sind. Sobald sich die Arbeiter ibre eigene Meinung über da«, waS ihnen frommt, gebildet haben werden, wird eine Einigung zu Stande kommen. Die Entbehrungen der Zwischenzeit fällt der Socialdemokratie, die die Arbeiterschaft für fremde Zwecke in ihr Zoch gespannt hat, die Verant wortung zu und zwar um so sicherer, als die Arbeitgeber sich am Anbeginn zu einer Erhöhung der keineswegs unans- kömmlickrn Löhne bereit erklärt, also ihrerseits in der Thal die Hand zum Frieden geboten batten — ihren Arbeitern aller dings und nicht den Herren Tom Man und v. Elm. Daß die socialdemokratiscke Schuld an dem Streik die Mitschuld der englischen Rheder nicht ausschließt, liegt auf Hand. Ein englischer Agitator ist mit ihm Spiele und englisches Geld soll mit inS Spiel kommen. Ta die englischen socialistiscken Agitatoren zum Unter schied von den deutschen nicht von dem Gedanken ge leitet sind, die Interessen der Arbeiter ständen denen der Arbeitgeber unter allen Umständen feindlich gegenüber, so ist ein von Tom Man im Znteresse beider englischer Gruppen und auf Kosten Deutschlands mit den Rhedern getroffenes Ab kommen für ibn nicht principwidrig. Und was die englischen Unternehmer angebt, so ist ibre Skrupellosigkeit bei uns nur zu woblbekannt. Sind sie dock, in der Absicht, das see fahrende Publicum ihren Schiffen zuzuführen, nickt davor zurückgesckreckt, nach dem Untergange des deutschen Passagier schiffes „Elbe" im Widerspruche mit offenkundigen Tbatsacken erst die Sicherheit des tadellosen Sck-ffes und dann die Ge wissenhaftigkeit seines heldenmüthig untergegangenen Capiläns zu leugnen. Herr Liebknecht hat am Donnerstag im Reichstag seine Autorität dafür eingesetzt, daß das allggemine, gleiche und direkte Wahlrecht Deutschland« nickt vor dem russischen Absolutismus geschützt habe. Es ist also eine ganz wertblose Znstitution. Bei dem realpolirischen Sinn, der die Socialdemokratie auSzeicknet, muß man wohl einem von ihr ausgehenden Anträge auf Abschaffung deS unnützen Möbels enlgegensehen. Deutsche- Reich. * Leipzig, 5. December. Ja der gestrigen Verhandlung deS PrvcesseS Leckert-Lützow ist erwiesen worden, daß Lützow mit Herrn v. Tausch da» preußische literarische Bureau verleumdet hat. DaS drängt un» die Frage auf, ob es wahr ist, daß v. Lützow auch von diesem Bureau ver wendet worden ist. Wir wissen, daß er vor etwa zwei Jahren im angeblichen Auftrage des Bureaus an einen Berliner Journalisten mit der Aufforderung herangetreten ist, Fühlung mit gewissen amtlichen Stellen zu nehmen. Ein Grund, wesbalb sich Lützow dieser erfolglos gebliebenen Mission auS eigenem Antriebe unterzogen haben sollte, ist auch nach den jüngsten Vorgängen nicht ersichtlich. * Leipzig, 5. December. Nach einem uns mitgctbeilten Telegramm aus Cuyaba in Brasilien, Provinz Matto Grosso, ist die Forschungsexpedition des 0r. Hermann Meyer (Leipzig) nach erfolgreicher Reise durch die centralbrasilianischen Jndianergebiete in Cuyaba angekommen. l)r. Meyer ist gesund, aber sein Gefährte 0r. Karl Ranke (München) hat ein Auge verloren. Der dritte europäische Theilnehmer, Herr Dahlen (Düsseldorf), war schon bei Beginn der Reise gestorben. <» Berlin, 5. December. Soeben ist das amtliche Stenogramm über jene ReichstagSsitzunz zur Ausgabe gelangt, rn welcher der neue Director der Colonial- abtbeilung Frbr. v. Richtbofen seine „Jungfernrede" ge halten hat. Da in der freisinnigen und socialdemokratischen Presse noch immer die ausfallenden Bemerkungen über daS angeblich „herausfordernde" Auftreten desselben anbalten und seilens des CentrumS der Abg. Lieder sich mit gewichtiger Miene im Reichstag dahin geäußert, als habe die Rede nicht dem Respekt, den dieser hohe Herr und seine Freunde für sich bean spruchen, in geziemender Weise Rechnung getragen, so lag eS nabe, daraufhin da» Stenogramm zu prüfen. War schon für den Augenzeugen jene ausfällige Kritik angesichts der äußeren Haltung des ColonialdirectorS nur insofern verständlich, al- fick darin auf der einen Seite eine beträchtliche Dosis von Selbstüberschätzung bekundete, auf der andern Seite der durchsichtige Versuch, in die Colonialpolitik persönliche Ver bitterung hineinzutragen, so macht vollends der stenographische Wortlaut der Rede das Verbalten der Wortführer der gegenwärtigen ReichSkagSmehrbeit unbegreiflich. Dies umse mehr, als gerade auf jener Seite schulmeisterliche lieber Hebung und grobe Verstöße gegen die parlamentarische Form nickt nur dem BunveSratb und anderen Parteien gegenüber, sondern auch untereinander so häufig beliebt werden. L. Berlin, 5. December. Die Wahlprüfungscom- mission des Reichstags hat das Mandat des frei konservativen Abg. Reickmuth für Weimar-Apolda für ungiltig erklärt, ebenso das des reichsparteilichen Abg. Holtz-Parlin für den westpreußischen Wahlkreis Schwetz Neuenburg. Wir lassen vor der Hand auf sich beruhen, auf Grund welchen BeweismaierialS die Commission zu diesem Ergebniß gekommen ist. Darüber werben ja die Commissionsberichte sich auszuweisen haben. Daß das Plenum des Reichstags die Mandate cassiren wird, steht außer allem Zweifel. Ihre Inhaber gehören, von allen anderen Gründen abgesehen, nicht zu der gegen wärtigen Präsidialmajorität. DaS Verfahren der Letzteren bei solchen Wahlangelegenheiten aber hat in der letzten Zeit, wie ja auch wiederholt nachgewiesen, von sachlichen Be klemmungen und überflüssigen Skrupeln sich erfolgreich frei gemacht. Somit stehen beide Wahlkreise vor der angenehmen Erwartung, im Laus dieser Legislaturperiode zum dritten Mal die Wablaufregung verstärkt durch die Aussicht aus Stichwahlen über sich ergehen zu lassen. Zn Weimar Apolda wurde 1893 der reichsparteiliche Abg. Kaliuring gewählt; sein Tod machte im Mai 1895 eine Nachwahl noth wendig, in welcher der reich-parteiliche Landwirth Reichmutb siegte. Zm ersten Wahlgang erhielten: Reichsp. Nat.-Lib. Freis.Vp. Sociald. Antis. 18SS: 6396 3260 4901 6081 475 18»». 5n57 23L1 4660 5742 Sowohl 1893 wie 1895 fand eine Stichwahl statt; 1893 siegte der reichSparteilicke Canbidat mit 12 487 gegen 9791 socialdemokratische Stimmen, 1895 nur noch mit 9390. gegen 9150 Socialdemokraten, also mit 150 über die absolute Mehrheit. Im Kreise Schwetz-Neuenbnrg siegte der Gutsbesitzer Holtz-Parlin 1893 im ersten Wahlgang, in diesen: Zabre erst in der Stichwahl. Die Zahlen ergeben folgendes Bild für den ersten Wahlgang: Deutsche Reichsp. Polen Freis. Ver. Zerspl. 18SZ 6210 6042 3b 39 I89S: 4598 4612 — 17 Zn der Stichwahl am 10. Zuli d. I. wurde dann Holtz mit 5328 gegen 5141 polnische Stimmen gewählt, also mit 93 über die absolute Mehrheit. Zn beiden Wahlkreisen handelt es sich um eine Gegnerschaft, mit ter eine national gesinnte, die gegenwärtigen Staats- und ReickSintercssen ver tretende Politik keinen Compromiß schließen kann. In beiden Fällen ergeht an die Mehrheit der Wähler der Ruf der Pflicht, in dem einen Falle zum Schutze der gesellschaftlichen Ornung, im andern Falle aus ihren nationalen Pflichten heraus aus dem Posten zu sein. In beiden Wahlkreisen bat sich aber seit 1893 eine erschreckende Wablmüdigkeit gezeigt. Fast ein Drittel der Wahlberechtigten bat sich hier wie dort der Ausübung des Wahlrechts ent zogen, wie überhaupt in den Kreisen, an welche der nationale Appell in erster Reihe erging. Zn beiden Kreisen ist die Möglichkeit vorbanden, eine Nachwahl überflüssig zu machen: in Weimar-Apolda ist nicht- weiter nölhia, als daß sick diesmal, da die Legislaturperiode doch allerhöchsten« bis 1898 dauert, die wirtbschaftlich und politisch gemäßigten Wähler auf eine Candidatur einigen und diese gleich im ersten Wahlgang, dann aber auch mit allen Kräften, unterstützen. In Schwetz fallen Schwierigkeiten solcher Art überhaupt fort; hier hat ausschließlich daS nationale Pflicht gefübl zu entscheiden. Man ist aber vor der Hand nur ans Wünsche und Hoffnungen angewiesen. Die letzten Wahlen in Gießen und Mainz haben eine weitere Zunahme der Wahlmüdigkeit gezeigt. Die maßlos geringe Theilnahme der Fe«illatsii. Schweizer un- tiroler Gaststätten. Plauderei von vr. Max Bogel. Wenn ein älterer Bruder in der Schule vorwärts kommt, oder in seiner Laufbahn nicht nur auf Grund guter Ver anlagung, sondern mrbr noch durch eigene Tbätigkeit und Tüchtigkeit Erfolge erzielt, so wird er den jüngeren Ge schwistern al« Vorbild hingestellt und zur Nachahmung empfohlen. Zwecks Hebung deS Fremdenverkehrs haben die Förderer desselben im schönen Tirol immer und immer wieder unt Nachdruck und nicht ohne Berechtigung aus daS Beispiel der Schweiz hingewiesen. Wir wollen einmal hier verschiedene angenehm berührende Einrichtungen im Schweizer Verkehrswesen außer Acht lassen, so dir guten Anschlüsse bei Bahnen und Posten, die wahr haft amerikanische Leichtigkeit und Bequemlichkeit der Packet- beföreerung im Lande bei großer Sicherheit und Billigkeit und wenden un- vornehmlich den Unterkuuft-verhalt- nissen zu. welche neben dem Reiz einer Gegend doch immer in erster Linie Zugkraft ausüben und gesteigerten Fremden verkehr bedingen. Konnte man vor noch nickt vergessener Zeit die Mehr zahl der Gastdöfe Tirol-, namentlich an kleineren Orten, mit dem Motto: „Schleckt und billig", ckaraklerisiren, so ist jetzt. Dank der Einwirkung durch die Presse sowie der ziel bewußten praktischen Belehrung und Anleitung, welche alpi nistische, OrtS- und Verschönerung-Vereine, vor Allem aber der Landesverband für Fremdenverkehr zu Innsbruck gaben, allmählich eine völlige Umgestaltung zur Durchführung ge langt. Man kann nunmekr getrost sagen: Im Wesentlichen sind die Gaststätten in Tirol gut und billig, wenn auch häufig einfach. Gerade solche einfacke und dock gute Gasthöfe liegen in Tirol noch an der Straße, in der Schweiz schon minder, da muß man nach ihnen suchen. Wir waren überrascht, in dem CurhauS Valzeina, da» Baedeker nur obenhin erwähnt und von dem auch die Davoser Blätter nicht» zu rühmen wissen, nickt nur die Perle de» Prätigau in landschaftlicher Hinsicht zu entdecken, sondern auch ein Heim zu finden, in welchem bei primitivster Einrichtung doch wohlthuende Reinlichkeit herrschte, «ine auSgrzeicknete Küche die leiblichen Bedürfnisse befriedigte und Liebenswürdigkeit der Wirthe wie Ueber- einstimmung der schweizer und der ausländischen Besucher selbst bei Regen ein „fivele» Gefängniß" ermöglichte. Wenn primitiv alrrckbedeutend mit „unentweiht" gelten darf, aber ver Sinn für da», wa» der Fremde auch in herrlicher Natur umgebung unbedingt braucht, dem Wirth nicht abzeht, so möchten wir fast bedauern, daß mit dem wachsenden Fremden verkehr auch in Tirol solche einfache Gaststätten an hervor ragend schönen Punkten mehr und mehr verschwinden werden.*) DaS Althergebrachte hat meist auch da» Solide an und in sich, das Neueingrführte daS Verfeinernde, aber auch da» Vertleinernde. Im EurbauS zu Valzeina, in einem Gasthof dritten Range» zu Tbusi», dem „Gemeli", aber auch im „Weißen Kreuz" zu Posckiavo oder im „Wilden Mann" zu SUvaplana, da erhält der Reisende noch für 1, bez. *) Al» Typus für Tirol sei der „Zirmerhos" zu Radcin am Joch Grimm genannt. N/« FrcS. ein echtes altes Schweizersrühstück, nämlick ver schiedene» Gebäck, Butter, Honig, Gelee und Käse ü ckiscretiou neben dem Getränk, während in den feinen Hotels im Ober- rnaadin und der Schweiz überhaupt l>/, FrcS. für ein Frühstück gefordert wird, daS den Käse vermissen läßt, die Butter in den bekannten, zugemessenen AnSstechkügelchen und meist nur eine Gebäcksorte aufweist, ferner einen Honig bietet, der kaum die Weingeistprobe bestehen dürfte und im günstigen Falle von Edelkastanien berrübren soll. Nebenbei gesagt: die Cboco- lad« ist fast überall da- beste, der Kaffee da- bedenklichste Getränk im Schweizer Dreigestirn: Kaffee-Ebocolade-Tdre, um etwa» Exquisite« von Kaffee zu bekommen, muß man schon in rin Musterborel, wie da- „Hotel Pontrestna" zu Pontresina gerathen, dann darf man aber auch 40 Centim. für einen „kleinen Schwarzen" bezahlen. In Gastbösen, wie den oben ausgesührten, da giebt e» auch noch die großen Portionen, die eigentlich gar nicht mehr für den Magen de» heutigen Genußmenschen passen. E» soll aber gesagt sein, daß auch in den feinen Hotel» der Schweiz die einzelnen, hoch berechneten Portionen der Fleischspeisen meist genügend sind für zwei mäßige Esser, wäbrrnd Emer bei ladls ck'KSts immer besser wegkommt, zumal auck Gemüse unverbältniß- mäßig tbeuer wird. Da- aber ist in feinen Häusern in Tirol und im Salzburgiscken gerade so und könnte doch ander» sein. Frische Gemüse sind im Hochgebirge und an vielen Sommerfrisckorten selten, schwer zu beschaffen und drSbalb doch im Preis», die al» Ersatz dienenden, eingemachten oder conservirten Gemüse sind zwar bequem, aber nock vie kostspieliger. Würben die Herren Gastbalter, bei. die Herren Chef-,*) sich die Mühe nehmen, die Gemüsepraserven, die *) Thef --- dirigirender Koch. getrockneten Gemüse, in ibrer jetzigen Güte zu würdigen, so könnten sie bei Wahrung ibre» VortheilS immer nock dem Gaste ein Gemüse bieten, da» dieser bei guter Zubereitung nicht von frischem unterscheiden kann. So weit ist man aber bis setz: weder in der Schweiz noch in Tirol und, um den übrigen Zuspeisen in der Berechnung eS nicht allzu sehr nackznthnn, mutz dir Kartoffel, krite, aautso oder nicht sautse, vieler Orten den Preiesprung mitmacken. Armer Vegetarier, wie wird eS Dir, wenn Du reisen willst und nickt reich bist oder nickt blo» von Brod und selbst mitgebrachtem getrockneten Obst leben willst! Allein auch der Oesterreicher und der Süd deutsche, die nicht Liebbabkr deS labls ck'küto-Essens sind, aber gemischte Kost lieben, würden viel weniger von ihrer Gewohnheit abzuweichen brauchen, wenn die zubereiteten, auf der Speisekarte verzeichneten Gemüse nicht so sehr tbeuer bezahlt werden müßten. klebrigen» führt da» schweizer Dejeuner, da- nach französisch-englischer Sitte de» Mittags gereicht wird, häufig Kartoffel als einzige Beilage zum Fleisch auf, meist dagegen nach einem warmen Gericht kalten Braten für sich, mit Salat, Mayonnaise, oder gar, wie wir dies i» einem der feinsten Hotel- erlebten, mit Mayonnaise und süßem Compot. Nun, man gewöhnt sich an Alles und wundert sick auch nicht, wenn der Weaner des Abend» süße Torte verspeist und dazu bittere- Pilsener Bier trinkt. Zn den tiroler wie in den österreichischen Gasthöfen über Haupt sind zum Entzücken der Damen die Mehlspeisen oder süßen Speisen eine hervorragend« Sprcialität, die von besonderen Köchinnen, den sogenannten Mebl- speiS-Köchinnen, in jedem größeren Hause zubereitet werden; rwei bi» drei warme Mehlspeisen kann man ans l d«r Tageskarte jede- größeren Restaurant- finden zur be- I liebigen Auswahl neben einer Reibe kalter süßer Speisen I (Creme-, Torten rc.). Weniger aber al» in der Schweiz ist
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