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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.12.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961209025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896120902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896120902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-12
- Tag1896-12-09
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Größere Schriften laut unserem Pceis- vrrzeichniß. Tabellarischer und Zissernjap nach höherem Tarif. Extra-Vellage» (gefalzt), nur mit der Morgen--Ausgabe, ohne Poslbefördecung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschlntz für Anzeigen: Ab end »Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Mittwoch den 9. December 1896. so. Jahrgang: Politische Tagesschau.' * Leipzig, 9. December. Nicht nur gerichtliche, sondern auch parlamentarische Nachspiele wird der Procrß Leckert-Lützow haben. Mehrere Blätter kündigen bereits Interpellationen im preußischen Abgeordnetenhaus« an und da hinter diesen Blättern preußische Abgeordnete stehen, so wird man mit Bestimmtheit in dieser Körperschaft einer Debatte über das leider über reiche Thema entgegensehen können. Ausfallender Weise ist die »Kreuzzeitung" von dieser Aussicht unangenehm berührt, obgleich eS auf der Hand liegt, daß auf die Frage, wie der Criminalcommissar v. Tausch zu einer so unheimlichen Machtvollkommenheit gelangen konnte, eine erschöpfende Ant wort nur im preußischen Abgeordnetenhause provocirt und ertbeilt werden kann. Mit vollem Rechte schreibt heute die „National-Zeitung": „Wir haben schon gesagt, daß in-der Berliner Polizei, nicht bloß in der politischen, wie die berechtigten Klagen über die Kriminal polizei beweisen, mit einem eisernen Besen anSgesegt werden muß. Dazu war der durch die Gunst des Ministers von Puttkamer Polizeipräsident von Berlin gewordene Herr von Richthofen nicht der Mann; und der von dem Minister von Köller berufene gegen wärtige Polizeipräsident hat jedenfalls noch keine Anstalten dazu getroffen. In einer amtlichen Veröffentlichung des Polizeipräsidium- über dessen Organisation heißt es über die politische Polizei, „daß gerade dieser Zweig der Polizeiverwoltung der vollen Kenntnißnahme und persönlichen Einwirkung des Chefs unterliegen muß, und deshalb die Angelegenheiten der politischen Polizei von jeher außerhalb der Abtheilungen des Polizeipräsidii unter der besonderen persönlichen Leitung de§ Präsidenten bearbeitet wurden". Seit den Attentaten von 1878 sei die bis dahin schwach besetzte politische Polizei erheb lich verstärkt und in einer besonderen Abtheilung organtsirt worden, welche unter der persönlichen Leitung des Präsidenten siehe, während die Leitung der Einzelheiten einem Regierung-» rathe als Vorsitzenden übertragen sei. Nach den Enthüllungen der letzten Tage muß man annehmen, daß weder die Leitung durch den Präsidenten, noch die durch den Abtheilungs-iri- grnten ernstlich in Betracht kam; wenigstens Tausch hat sich ihr offenbar entzogen. Der Minister de- Innern ist vor dem Landtag und dem Lande verantwortlich dafür, daß Derartige« sich nicht wiederholen darf. Sollten, wo» wir nicht für aus geschlossen halten, die Hebelgriffe Tausch's darauf zurückzusühren sein, daß er durch seine Verwendung zu Ermittelungen in gewißen Hohen Kreisen allzu viel wußte und deshalb rin verbriefte« Recht auf Schonung zu haben glaubte, so wird e« darauf ankommen, derartige Zustände sich nicht von Neuem entwickeln zn lassen." DaS ist, wie gesagt, durchaus zutreffend. In dem wegen Meineids bevorstehenden Procefse gegen Tausch wird schwer lich auf die Abhängigkeit oder Unabhängigkeit deS Angeklagten von seinen Vorgesetzten näher eingegangen werden, und wenn dies auch geschehen sollte, so kann sich aus dem hierdurch auf das that sächliche Verhältniß des Ministers des Innern zu den Organen der Berliner Polizei fallenden Lichte nur aufs Neue die dringende Nothwendigkeit einer Aendernng dieses Verhältnisse», nicht aber die Rich tung dieser Veränderung und noch weniger die Ursache des Mißverhältnisses ergeben. Und über Beides volle Klarheit zu schaffen, ist Pflicht des preußischen Abgeordnetenhauses, daS diese Pflicht verabsäumen würde, wenn eS die Berathung des Etats des Ministerium» de» Innern vorübergeben ließe, ohne Aufschluß über die Gründe der bisherigen Ohnmacht des Reffortchefs gegenüber einem Manne wie Tausch und über die in Aussicht genommenen Reformmaßregeln zu verlangen. Von der gegebenen Auf klärung wird es vielleicht abhängen, ob auch der Reichstag sich Aufklärung darüber erbittet, wie eS möglich war, daß der StaatSsecretair des Auswärtigen Amtes an die Oesfen tlichkeit sich wenden mußte, um zn erreichen, was er mit Hilfe deö preußischen Ministeriums de» Innern zu erreichen nicht vermochte. Eine »möglichst energische Kundgebung des Reichstages gegen die übertriebenen Klottenpläne überhaupt" ist das neueste, allerdings etwas lang geratbene Schlagwort, hinter welchem nun die CentrumSfraction des Reichstags zur Rechtfertigung des nenesten CurseS in der klerikalen Marinepolitik Deckung sucht. In der Erkenntniß, daß eine solche, lediglich von der Präsidialmehrheit herbeigeführte „Kundgebung" keinen Eindruck machen kann, wird offen zu gegeben, daß vor Allem „Einmüthigkeit" deS Reichstags dazu gehört. Um aber daS berechtigte Mißtrauen der national gesinnten Kreise gegen periodisch wiederkehrende klerikale Ein- müthigkeitSbedürfniffe zu heben, wird weiter versprochen, daß der Reichstag diese Demonstration in eine durchaus besonnene und ruhige Form zu kleiden wisse. Versprechen indeß, deren Einlösung nicht verbürgt werden kann, locken nicht und so wird die an Erfahrungen auS den jüngsten Tagen ge mahnende düstere Prophezeiung hinzugefügt: man höre schon wieder von Auflösung des Reichstags munkeln, ohne recht erkennen zu können, woher dies Gemunkel stamme, ob von ängstlichen Seelen oder von politischen Zwischenträgern. So zu lesen in der „Köln. Volksztg.", welcher der Abg. Bachem nahe steht. Wir können daS „Gemunkel" bestätigen; es ist thatsächlich während der EtatSberathung im Reichstage umgegangen. Zurückverfolgen ließ e» sich sogar bis in die allernächste Nähe deS Herrn Abg. Bachem, nur klang eS nicht wie daS scheue Geflüster einer „ängstlichen Seele", sondern wie der Brustton klerikalen ManneSmutheS, wie wenn man nichts inbrünstiger ersehnte, als eine Auflösung deS Reichstags auf die Forderungen deS Marine-EtatS hin. Mit einer Parole gegen „uferlose Flottenpläne" würde man mit dem ganzen Heerbann wieder in den Reichstag zurückkehren. Um die eigenthümliche Rolle, welche diesmal daS Centrum spielt, etwas Heller zu beleuchten, ist nichts weiter nöthig, als die Forderungen de» Marineetat» vom verflossenen Jahre, welche der beredte Mund de» Herrn vr. Lieber accrptabel machte, mit den Forderungen de» vorliegenden Etat- zu vergleichen, welche das Centrum als „übertriebene Flotten pläne" in einer „Demonstration" abgewieseu sehen will. Neugefordert wurde im verflossenen Jahre ein Ersatzbau für daS Panzerschiff I. Cl. „Ersatz Friedrich der Große". Der Ersatzbau wurde bewilligt. Herr Lieber that daS entscheidende Wort: Mit der Unterstützung einer planmäßigen, schrittweisen Erneuerung und Ergänzung unserer Flotte grabe man den ufer losen Plänen am wirksamsten daS Wasser ad. Diesmal ist die Neuforderung an Panzerschiffen 1. Cl. genau so groß wie im verflossenen Jahre. E» handelt sich ebenfalls nur um «inen Ersatzbau, also um „schrittweise Erneuerung und Ergänzung", um den „Ersatz König Wilhelm I", für den als erste Rate 1 Million Mark gefordert sind. Er gehört zu den drei großen Panzerschiffen älteren Datums, welche seit 1892 mit einem Kostenaufwand von 5 Millionen Mark gründlich umgebaut und rrparirt worden sind. Der völlige Ersatz, so wurde im verflossenen Jahre angenommen, könne nun noch etwas warten. Mag also diese Forderung in Rücksicht auf die Ge- sammtsinanzlage noch zurückgestellt werden, so fällt damit nur 1 Million Mark. Da- vermindert weder die Gesammtsumme der diesmaligen Schiffsbauforderung erheblich, noch rechtfertigt diese Forderung die gewünschte Centrumsdemonstration. Zum mindesten müßte in dieser eine Venirtbeilung der Marinepolitik des Centrums vom verflossenen Jahre eingeschlossen werden. Genau dasselbe ergiebt sich bezüglich der K r e u z e r f l o t t e. Die im verflossenen Jahre, wie oben angeführt, vom Centrum gebilligten Neufordcrungen betrugen drei Kreuzer, zwei 2. Classe und einer 4. Classe. Diesmal sind eö nur zwei Kreuzer 2. Classe und ein Aviso. Woher soll man nun, wenn man dieses Jahr mit dem früheren vergleicht, die Begründung nehmen, um mit dem Centruin, weil ihm jetzt der Sinn danach steht, eine mit seiner eigenen vorjährigen, damals allerdings sachlich geleiteten Politik in Widerspruch stehende Demonstration zu machen? Mag die Budgetcommission die Raten für die bereits bewilligten Kreuzer vielleicht niedriger bemessen, als sie im Etat angesetzt sind, und ehe dies geschieht, versuchen, sachlich und angemessen die technischen und finan ziellen Erwägungen der Regierung zu widerlegen. Daran wird sich gewiß Jeder gern betheiligen. Für sein oben an gekündigtes „Habcrfeldtreiben" dagegen muß sich^der Kleri- kaliömuS schon an seine guten Freunde von der Socialdemo kratie und der freisinnigen und süddeutschen Volkspartei halten. Die Russe» am Rothe» Meer! Wenn die Meldung, daß Rußland von Menelik einen Hafen und Landstrich an der Straße von Beb-el-Mandeb erworben hat, sich bestätigt, und ei» Dementi ist bis jetzt nicht erfolgt, so sieht man sich einer neuen bedeutsamen Etappe in der Entwickelung der Orientfrage gegenüber. Dabei ist es außerordentlich bcachtenswerth, daß Rußland sich gerade jenes Gebiet auSgewählt hat, das unmittelbar an die franzö sische Colonie Obok stößt, ein Fingerzeig dafür, daß beide Staaten Ernst machen, in der Orientpolitik gemeinsam vorzuaehen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die russisch-französische Politik dahin geht, sich in und um Abessinien festzusetzen und sich hier ein Gegengewicht gegen die Macht Englands in Egypten und im Sudan zu schaffen. Für Frankreich, das jetzt im Begriffe steht, mit Menelik einen Handelsvertrag zu schließen, wäre eine feste Position in Abessinien unverkennbar eia nahezu unschätzbarer Vortheil, da e» dann gegen Englands Stellung in Egypten nichi nur Worte, sondern reale Machtfactoren zur Verfügung hätte. Rußland seinerseits ist nickt allein inso fern betheiligt, als eS überall Stützpunkte gegen den „Todfeind England" sucht, sondern speciell auch dadurch, daß eS an geeigneten Punkten Kohlenstationen zu erwerben trachtet, die seinen Schiffen im Falle ernster Verwickelungen in Ostasien eine möglichst schnelle und sichere Fahrt dahm ermöglichen; solche Kohlenstationen würden Rußland die enormen Kosten für den Bau solcher Kriegsschiffe, die ganz außerordentliche Kohlenvorräthe zu fassen im Stande sind, ersparen oder ver ringern. Zugleich bedeutet der Ankauf jene- Landstriches am Eingang ins Rothe Meer den Beginn zu einer Beherrschung deS Suezcanals und zur Sicherung deS Seeweges nach Indien durch Rußland und Frankreich. ES ist natürlich, daß England auf diese Bemühungen der beiden Mächte mit wachsender Nervosität blickt und die „Times" haben den Italienern bereit- den Rath gegeben, nur Massaua für sich zu behalten, im Uebrigen Erytbräa an Egypten abzutreten. Dies hat aber die sehr unerwartete Folge gehabt, daß die zuweilen officiöser Beziehungen sich erfreuende „Italic" Uber den Werth der englischen Freund schaft sür Italien einen sehr mißinutbige» Artikel gebracht und der leider sehr verspäteten Ansicht Ausdruck gegeben hat, England benutzte Italien nnr als einen Stein ans seinem Schachbrett, ohne ihm irgendwie durch Gegenleistungen zu nützen. So zeigt eS sich bereits jetzt, wo die Näumnng ErythräaS erst nur als Plan besteht, daß sie, wie wir vor- auSsagten, zu bedeutsamen Verwickelungen und Verschiebungen führen dürfte, die jedenfalls nicht geeignet sein würden, Italiens Ansehen zu erhöhen. Die Botschaft, welche Präsident Cleveland an den Congreß der «ordamcritantschen Unton gerichtet hat, war meist der Erörterung ausländischer Fragen gewidmet. Cleveland bleibt kaum mehr drei Monate im Amte und wird dann durch Mac Kinley abgelöst; seine Botschaft hat daher für die Behandlung der auswärtigen Fragen durch die Regierung der Vereinigten Staaten einen zeitlich sehr beschränkten Werth. Nichtsdestoweniger verdient jene Stelle der Botschaft, die auf daS Verbältniß der Union zu Cuba und Spanien Bezug hat, volle Beachtung. Maner fährt daraus, daß der Vermittlungsvorschlag der Vereinigten Staaten, der seiner Zeit in den Madrider Cortes so viel Entrüstung erregte, die Gewährung einer Autonomie für Cuba zum Zwecke batte, und daß die Regierung der Union sich bereit erklärt batte, die Garantie für die Ausführung der spanischen Versprechungen gegenüber den Cubanern zu übernehmen. Der neueste StaatSact Cleveland's enthält indeß noch eine Andeutung, die in Madrid wohl kaum miß verstanden werden und sehr unangenehm berühren dürfte. Es könnte sich, sagte Cleveland, eine Sacklage herauSbilden, „daß die Verpflichtungen der Vereinigten Staaten gegenüber der Souveränetät Spaniens durch größere Verpflichtungen aufgehoben werden könnten, welche man unmöglich ignoriren könne". Cleveland hat mit diesen Worten offenbar andenten wollen, daß selbst unter seiner Regierung noch Verhältnisse eintreten könnten, welche eS den Vereinigten Staaten un möglich machen würden, in der bisher bewahrten Neutra lität zu verharren. Es ist dies eine ernste Mahnung an die Regierung des Herrn CanovaS, die Pacification der Insel zu beschleunmen. Diese Mahnung ist um so ernster, als der Nachfolger Cleveland's, der neu gewählte Präsident der Ver einigten Staaten Mac Kinley, der am 3. März seine Func tionen antritt, al« ein fanatischer Anbänger der Monroe- Doctrin bekannt ist. Aussicht auf Niederwerfung der kuba nischen Erhebung ist indeß auch heute noch nicht vorhanden. Die kleinen Schlappen, welche die Spanier den Aufständischen alle Wochen ein- oder zweimal beibringen, haben absolut keine Bedeutung, da eS General Weyler nie glückt, die Insurgenten zu einer entscheidenden Schlacht zu zwingen. Dieser Zustand scheint in Permanenz bleiben zu sollen, und das Ende kann aller Voraussicht nach nur daS Eingehen Spaniens auf den Vorschlag Cleveland's sein. Vorläufig sitzt man in Spanien, stolz wie immer, noch auf dem hohen Pferd, wie die Auf nahme derCleveland'schen Botschaft in Madrid zeigt. Man meldet uns heute telegraphisch von dort: Die Botschaft de» Präsidenten Llevcland rief hier Erregung hervor. Die Blätter meinen, eine Intervention der Bereinigten Staaten in der kubanischen Angelegenheit sei für Spanien er- niedrtgend und eine Herausforderung nicht nur für Spanien, sondern für da» gesummte Europa. Dem Ver- nehmen nach wird daS Ministerium heute zur Berathung der, Botschaft zusammentreten. Oorrosponclenria Lli- litar" erklärt, Spanien würde mehr als genügende Streit- Das goldene Hey. 6j Novelle von E. Fahrow. Nachdruck »erboten. Jambo erkundigte sich theilnehmend nach dieser Dumm heit, die der hübschen Lina so viel Unannehmlichkeiten ver ursache. „Ach, davon werden Sie ja doch nicht» verstehen, lieber Jambo; aber ich kann» Ihnen ja rubig erzählen. — Sie, Minna, gehen Sie man immer runter zu Ihrem Grenadier, der lauert ja doch schon wieder an der Ecke." Die« Letztere galt der Köchin, die schläfrig wie gewöhnlich am Tisch saß und vor sich bindröselte. Soldaten dursten ein für allemal nicht in die Küche kommen, — Schischi hatte keine Neigung fürs Mililair. Minna erhob sich seufzend, al- sei ihr eine schwere Arbeit zngemutbet worden, nahm ein bunte- Kopftuch um, und ver schwand unter Mitnahme einer Wurst, die schon bereit ge legen batte. ... , „So, — nun kommen Sie, Jambo. Hier haben Sw em bi-chen FricassSe, gewärmt von Mittag." Sie setzte sich ihm gegenüber und begann zn erzählen: Am letzten Sonnabend sei ihr Fräulein gant außer sich von einem Spaziergang nach Hau« gekommen. Sie haben einen früheren Verehrer getroffen, der mit seiner Schwester spazieren geritten sei, erzählte sie an dem Abend Herrn San Pandez — ich hatte im Nebenzimmer zu thun und konnte jedes Wort bören — und der Herr habe sie nicht gegrüßt! — Da- war erst der Anfang. Derselbe Herr hatte sie schon früher einmal furchtbar gekränkt, indem er sich geweigert hatte, mit ihr in den Eircu- zu gehen, nur weil er wußte, daß an demselben Abend seine Frau Schwester mit ihrem Mann dort sein würde. — Na, um nun dem Faß den Bode« au-zustoßen, muß es auch noch da- Unglück wolle«, daß mein Fräulein den Tag drauf diesen Herrn zu Fuß trifft, wie fie früh im Thiergarten spazieren geht. — Wie sie nun mal ist, geht sie auf ihn zu, „stellt" ihn geradezu und fragt, warum er sie gestern nicht gegrüßt hat; ob er in Gegenwart seiner Schwester Schauspielerinnen nicht grüße?" „Nicht jede", sagt er, lüftet höflich den Hut und geht einfach weiter. Sie war so wütbend, daß sie buchstäblich die Sprache verlor und halb ohnmächtig, machte, daß sie nach Hause kam. — Diese letzte Geschichte erzählte sie natürlich nicht Herrn San Pandez — ich hörte, wie sie'- einer alten Freundin vom Theater erzählte. Na, Jambo, Sie machen ja so'n schnurriges Gesicht — Sie haben wohl den ganzen Witz nicht verstanden? „Jambo verstehen ganz gut", sagte der Schwarze, der mittlerweile sein FricassSe vertilgt hatte. „Aber wie heißen der böse Herr?" „DaS geht Sie doch nicht- an, Jambo!" „Doch, doch, Jambo gern hören deutsche Namen." „So? Nun dran, er hieß Herr von Geyern, wenn Sie'» durchaus wissen wollen." Jambo warf den Kopf in den Nacken und stieß ein so herzhafte-, gurgelndes Lachen au-, daß Lina mitlachen mußte. „WaS haben Sie denn?" rief sie. »Warum lachen Sie denn?" „Jambo kennen den Lord sehr gut — Jambo nicht kann leiden Lord Geyern — no!" Lina hätte sehr gern erfahren, womit sich der blonde Herr Jambo'» Mißfallen zugezoaen hatte, allein jetzt eben kam die schläfrige Minna wieder herauf, und ihr interessanter Gast empfahl sich mit dem Versprechen, am Weihnachtsabend wiederzukommen. Der heilige Abend «sollte naturgemäß in der Familie Schmock, wo Kinder auf die Wunder des Abend- harrte«, besonders festlich gefeiert werden. Fella erwartete ihrer Freundin Vater, ihren Bruder und Mira dazu — „dann habe ich Alle», was ich auf der Welt liebe, beisammen", sagte sie. Ihr Haushalt war nicht so glänzend wir der Mira'S, denn wenn auch der alte Herr von Geyern Fella neben ihrem Commißvermögeu eine anständige Iahre-rrnte au-gesetzt hatte, so besaß dafür der Rittmeister fast gar nicht-. Vergnügtere Menschen al» diese» Ehepaar könnt« man indessen suchen; selbst wenn sie sich eiamal gezankt hatten, endete der Zwist mit einem fröhlichen Gelächter, weil Beide fanden, daß der Anlaß zu dem jeweiligen Scharmützel doch gar zu unerheblich sei, um sich darüber aufzuregen. — Kella war eine uagemeia lebhafte, aber keine streitsüchtig« Frau; deshalb fehlte hier da» Grundübel so vieler anderer Eben — der Oppositionsgeist. Fella hatte bei manchen ihrer ver- hrirathrten Freundinnen constatirt, daß der Unfrieden im Hause nicht auS einer eigentlichen Charakter- oder Gedanken verschiedenheit der beiden Gatten entsprang, sondern auS der Gereizheit, die jeder immer dem Andern gegenüber steigerte, so daß es sich zuletzt nicht mehr um die Sache, sondern nur noch um den Ruhm handelte, den Gegner recht absichtlich zn — verwunden. Fella war nickt ohne Kampf zu ihrem heiteren Gleich- muth gelangt; denn ganz logisch batte sie sich gefragt, wes halb denn immer nur sie der nachgebende Thecl sein müsse, weshalb denn nicht der unverbesserliche Widerspruchsgeist de« Manne- gedämpft werden solle. Denn die alttestamentarischen Ideen von der Unterwürfigkeit des WeibeS, die den modernen Herren der Schöpfung heut noch gerade so bequem und an genehm erscheinen wie vor zweitausend Jahren den Patriarchen — die ließ Fella nicht gelten, im Gegrntheil goß sie all ihren Spott und Witz darüber au». — Aber ihr eigenes Herz hatte ihr dictirt, dem Frieden im Hause ihre Logik auf zuopfern; „der Klügere giebt nack", sagte sie sich; und so war nach ein oder zwei Jahren der innerlichen Arbeit eine harmonische Ehe entstanden, in welcher dir schönen Gemüths- eigenschaften der Beiden zur vollsten Blüthe gediehen. Heut war Fella in ungewohnter Aufregung. Sie batte für Detlev und Mira kleine Ueberrasckungen auf einem Tischchen aufgebaut und unter dem großen Tannenbaum einen poetischen Sitz für ihre Freundin zurechtgemacht, al» ein« Art Gelegrnbeit-mackerin dabei hoffend, daß sich heut Abend die beiden, deren Herzen seit einigen Wochen so offen sichtlich einander entgegenschlugen, „erklären" würden. „Du, Han»", sagte sie, indem sie einen letzten prüfenden Blick über da- Ganze warf, „glaubst Du, daß sie sich heut verloben?" „Na!" meinte der Rittmeister ebenfalls mit einem kritischen Blick auf den Sitz unter der Tanne, „bequem genug hast DuS ihnen ja gemacht. Du eignest Dich eigentlich vorzüglich für ein HeirathSbureau". „Nicht wahr?" sagte sie. „DaS ist auch mein Stolz. Ihr Bären von Männern babt ja keine Ahnung, wieviel Feinheiten dazu gehören, zwei passende Menschen zusammen zu bringen." »Bei den unpassenden grht'S Wohl leichter?" „Nein, — die pflegen schon ganz allein zu einander zu kommen." „Weißt Du, liebe- Würmchen (der Rittmeister nannte seine Frau gewöhnlich mit diesem Kosenamen), ich an Deiner Stelle würde doch lieber die Hände davon lassen. Die Geschickte ist doch ein verdammtes Risico." „Wieso?" rief Fella halb empört. „Ich schleppe sie dock nickt gleich vor» Standesamt. E- sind dock keine Mario netten. Wenn sie nicht wollen, können sie « ja bleiben lassen! Aber sie wollen." „Ih! da- kann der Deibel wissen", sagte der vorsichtige Rittmeister. „Bei Euch Frauensleuten ist man ja nie sicher, ob Ihr heut noch so denkt wie gestern, und ob morgen nickt blau ist, wa» Ihr heute roth fandet." „Ja ja, — Du hast Recht, wir sind sammt und sonders Wetterfahnen! — Jetzt, lieber HanS, schecr dick mal hier raus, hier sind noch andere Geheimnisse zu enthüllen." Der Rittmeister klirrte hinaus und ging geradenwegs in die Kinderstube. Seine beiden blondmahnigen Töchterchen sprcuigen ihm entgegen. „PaPS, gebt e» nu bald loS? Wird nicht bald angezündet, Papö?" Sckmock setzte sich und nahm auf jede- Knie eines von den Nädelchen. „Ihr denkt doch nicht etwa, daß Ihr heute was kriegt?" „Na und ob!" klang eS im Duett. „Ja, da seid Ihr eben schief gewickelt. Heute bekomme ich nur allein wa« bescheert." „Nee PapS", sagte die fünfjährige Hrtta als echte Ber linerin, „da schneidst Du Dich doch gründlich." „Du kriegst bloS einen Lampenteller", verkündete die jüngere Elly. „Aber Elly, verrathe doch nicht Alles gleich", schalt Hella; dann flüsterte sie vertraulich in sein Ohr: „den Lampenteller hat Elly gestickt, aber Du bekommst ihn gar nicht." „Nana? Ich brauche ja gerade einen auf meinen Schreib tisch. Aber wa» denkt Ihr denn nun eigentlich, was Ihr etwa bekommt?" „Puppen!" schrien Beide. „Ih bewahr«l Kein« einzige Puppe! — Na, und was den» noch?" „Ein Kleidchen", sagte Elly. „Weiter." „Noch »in Kleidchen", ries Hrtta. „Aba! Daran erkenn' ich meine Pappenheimer! Putz und Tand will di» Gesellschaft haben." „Papa", sagte Hetta nachdenklich, „WaS sind denn Pappen heimer?" Der Rittmeister kraute sich in den Haaren; er konnte ihnen
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