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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 18.07.1894
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-189407182
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-18940718
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-18940718
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-07
- Tag1894-07-18
- Monat1894-07
- Jahr1894
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 18.07.1894
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mangelhafte Verdauung und unruhigen Schlaf rauben un« den jugendlichen Frohsinn und die Courage. Wie aber kommt das? Rast ich, so rost ich, Stehendes Master stinkt, Gebrauchter Pflug blinkt rc. So wie durch Ruhe der Pflug rostig wild, so verfällt die Muskulatur des Menschen bet Mangel an Bewegung in Schwächlichkeit. In den Gefäßen sammeln sich verbrauchte Stoffe, da« Blut wird schlecht, der Körper krank und matt. Dadurch erst entsteht das Bedürfniß nach Ruhe. Dieses Be dürftest ist im normalen Zustande nicht in dem Uebermaße vorhanden. Je mehr Ruhe, desto mehr Rast! Die frische Quelle der Gesundheit und Jugendfrische ist gesunde Luft, Licht, Bewegung. Wo können wir diesen Brunnen finden? Aus dem Turnplätze. Die« war auch schon den alten Griechen klar. Au« dem Borne der freien GotteSnatur, aus den Be wegungen bei Jagd, Kampf und Ritterspiel schöpften die alten Deutschen ihre Kraft und Stärke. Willst du, deutscher Jüngling, jene Kraft und Stärke dir erwerben, willst du, sorgenvoller Vater, dir Heldensinn und Jugendsrische bewahren, willst du, züchtige Hausfrau, mit heiterem Sinne deine Auf gaben erfüllen und ein starkes Geschlecht erziehen, so öle den alten und verrosteten Pflug, deinen eigenen Leib, ein, laß dich durch die ersten unangenehmen, aber vorübergehenden Folgen nicht abschrecken und komme zum Turnen! Hier liegt der Gesund- und Jugendbrunnen I Weinböhla, 16. Juli. Eine nahe Verwandte des hiesigen Kaufmanns B. hatte vor Kurzem ihr Kind impfen lasten und auf Anrathen des Arztes die Impfstellen mit Vaseline bestreichen müssen. Dabei fuhr sie mn einem Finger in die Nase, worauf sofortige Blutvergiftung eintrat und das ganze Gesicht dermaßen anschwoll, daß die bedauerns- wrrthc Frau 14 Tage lang nicht aus den Augen sehen konnte. In der Nase war eine ganz richtige große Jmpfpocke sicht« bar geworden. Glücklicher Weise trat nach drei Wochen Besserung ein, so daß die Frau heute wieder außer Gefahr ist. Dresden, 17. Juli. Die Petition des Konservativen Vereins, Abwehrmaßregeln gegenüber der Sozial: emokratie rc. betreffend, wurde heute in einer großen Anzahl von Ge schäften ausgelegt und überall zahlreich mit Unter chriften bedeckt. Als eine erfreuliche Erscheinung kann die Thatsache festgestellt werden, daß die durch den zur Unterstützung der ron der Sozialdemokratie boycottirten kleinen Geschäftsleute gebildeten Hilfsausschuß gewährten zinslosen Darlehen in den Kreisen der Betroffenen den Muth wieder heben. Tag täglich gehen Gesuche von Kleingewerbtreibenden bei dem HilfSausschuste ein. Einzelne von notorischen Sozialdemo katen ausgegangene Gesuche wurden abgelehnt. Aus dem Elbthale, 16. Juli. Von allen Seiten kommen Meldungen von Zerstörungen, welche durch die Ge witter vom Sonnabend und gestern, welche mit ganz ge waltigen elektrischen Entladungen und wolkenbruchartigen Regengüsten verbunden waren, angerichlet worden sind. Es handelt sich dabei um das ganze Gebiet der Oberelbe in Sachsen und Böhmen; besonders Schlimmes erlebte man jedoch in Herrnskretschen, wosclbst die Kamnitz zu einem reißenden Strom geworden war und in einer Weise wirth- schaftete, welche die Hilfeleistung der Feuerwehr erforderlich machte. Von größeren Verwüstungen ist außerdem auch aus Tetschen und Bodenbach nebst Rosenthal und der Gegend am hohen Schneeberg zu berichten. In Pirna traf der Blitz unter Anderm die im Bau begriffene neue Turnhalle und zerschmetterte mehrere Sparren des Dachrohbaues. Stolpen, 16. Juli. In einem benachbarten Kirch dorfe kam e« dieser Tage zu einem bemerkenswerlhen Auf- tritte zwischen dem Geistlichen und einem Brautpaare. Vor Beginn der Trauung wurde nämlich die Braut von dem Geistlichen aufgefordert, zuvor den Kranz abzulegen, da er andernfalls die Trauung nicht vornehmen würde. Die Braut erklärte ihm hierauf, daß sie dann, nachdem sie bereits ge setzlich durch das Standesamt mit ihrem Erwählten verbunden sei, lieber auf den kirchlichen Segen verzichten wolle. Darauf verließen das Brautpaar und die Trauzeugen die Kirche, ohne daß der Geistliche seine« Amtes gewaltet hatte. Löbau. Der am 7. Mai d. I. verstorbene Kaufmann Karl August Scholze in Löbau hat der Stadtgemeinde ein Capital von 30000 M. mit der Anordnung ausgesetzt, daß dasselbe unter dem Namen „Karl August Scholze'sche Stif tung" vom hiesigen Gtadtrath verwaltet, durch Ansammlung der Zinsen und Zinseszinsen auf den Betrag von 50000 M. gebracht und sodann der Gesammtbetrag der Zinsen davon unter bestimmten Voraussetzungen zur zeitweisen oder lebens länglichen Unterstützung von ausschließlich den besseren Ständen angehörigen Personen oder Familien verwendet werden soll. Um die Wohlthaten der jetzigen Generation zu Theil werden zu lassen und zum Andenken an den Heimgegangenen haben seine E/"" >>er Siadtgemeinde eine besondere Stiftung in Höhe von 10000 der Bestimmung ausgesetzt, daß das Capital und die Zinsen zu Unte*stü<. ungen an verschämte Arme verwendet werden und zu der Zett Ll'fg'bracht sein soll, zu welcher die „Karl August Scholze-Stistung" in Wirksamkeit tritt. Waldheim. Am 12. d. M. fand im Schützenhause eine gemeinschaftliche Sitzung der Vorstandsmitglieder sämmt- licher hier bestehenden Krankenkassen statt, in welcher über «ine an den Stadlrath abzulassende Petition um Errichtung «ines Bolksbades in Waldheim berathen wurde. Oederan, 17. Juli. Am Sonnabend Vormittag verungl ckte am Bahnübergang auf dem Thiemendorf Metz- dorser Kommunikationswege der beim Gutsbesitzer Neubert in Thiemendorf seit 4 Wochen im Dienst stehende Knecht Karl Haubold aus Bockendorf dadurch, daß da« Pferd seines Geschirrt- scheute, die geschloffene Barriere der Bahn durch brach und auf da- Gleis stürmte, wobei Haubold von einer zurückfahrende» Maschine erfaßt wurde und in Folge der dabei e.littenen Verletzungen sofort starb. Der Wagen wurde zertrümmert, während da» Pferd unverletzt blieb. Freiberg. Ueber den, wie bereit« gemeldet, am Sonnabend hier ausgeführten Mord ist noch Folgendes zu berichten: Am Sonnabend Abend« in der 8. Stunde waren in der Destillation von Fehre auf der Bahnhofstraße mehrere Arbeiter «»gekehrt; einer derselben, ein gewisser Hermsdorfer, der al« ein Raufbold bekannt ist, brach plötzlich ohne jede erkennbare Veranlassung einen Streit vom Zaune, wobei er dem ruhig zuhörenden Arbeiter Schwarz beleidigende Worte zurief und ihm drohte, ihm noch ein« auszuwischen. Der Mensch beruhigte sich auch dann nicht, al- die Anwesenden da» Lokal verließen, sondern er folgte ihnen und begann auf der Straße den Streit von Neuem. Hierbei kam ihm der befreundete Arbeiter Naumann zu Hülfe. Beide griffen mit Faustschlägen die Arbeiter Oswald, Werner und Schwarz thätlich an und schließlich zogen sie gegen dieselben da» Mester. Hierbei hat Oswald, nachdem ihn Hermsdorfer aus die Erde geworfen, eine tiefe Schnittwunde in den rechten Oberschenkel erhalten und Werner zwei tiefe Schnitte in den linken Oberschenkel. Zuletzt wendete sich Hermsdorfer gegen den Arbeiter Schwarz und stieß ihm in seiner Wuth mit voller Kraft das Mester in den Hals. Schwarz taumelte noch einige Schritte und brach mit den Worten: „Sagt meiner Frau nicht«" besinnungslos zusammen. Nachdem ihm ein Nothverband angelegt war, wurde er nach dem Kranken hause überführt, wo sich herausstellte, daß ihm die Schlagader durchschnitten war. Am Sonntag früh in der vierten Stunde ist Schwarz gestorben; er hinterläßt eine bedrängte Wittwe und vier unmündige kleine Kinder. Hermsdorfer und Nau mann sind verhaftet worden. Aus dem Vogtlande, 17. Juli. Seitdem die Königin Marien-Hütte zu Zwickau ihren Hochofen außer Betrieb gesetzt hat (im Juli 1893), unterbleibt auch die Ge winnung des Eisensteins, welcher sich unweit Schönbrunn bei Oelsnitz noch in erheblicher Mächtigkeit vorfindet. Im Jahre 1892 wurden ca. 40000, im Jahre 1893 etwas über 20000 Kilogramm Eisenstein erbeutet. Wenn nun auch die Gewinnung des letzteren einstweilen eingestellt wurde, so fördert dort eine kleine Belegschaft doch unausgesetzt weiter, und zwar Fluß spat, welcher von vorzüglicher Beschaffenheit ist und zumeist bei der Porzellanfabrikation Verwendung findet. Früher wurde vom Bahnhof Oelsnitz au» der Flußspat in Tonnen nach Frankreich und sogar nach Amerika ausgeführt, heute bleibt er zumeist im Lande. 1892 wurden zwischen Schön- brunn und Planschwitz 2350000, 1893 aber 2425000 Kilo gramm Flußspat gewonnen; derselbe repräsentirt einen Werth von 36804 Mk. 50 Pf. Die außer Betrieb gesetzten Eisen stein-Gruben (e- kommen im Vogtland« außer der Schön brunner noch die Gruben zu Straßberg, Foschenroda und Oberhainsdorf in Betracht) werden in brauchbarem Zustand erhalten, so daß die Arbeit jeden Tag wieder ausgenommen werden kann, falls die Verhältnisse sich bester». Gegenwärtig freilich bezieht die Königin Marien Hütte da« Roheisen billiger von auswärt-, als sie es selbst Herstellen kann. Reichenbach, 16. Juli. Die im Göltzschrhalgrunde ungemein anmuthig gelegene sog. Schwarzhammermühle ist heute Montag Vormittag niedergebrannt. Leipzig. Die zuerst beabsichtigte Ueberführung der Leiche des des Mordes verdächtigen Rittergutsbesitzers Crome nach Blochwitz ist unterblieben. Crome ist am.Sonntag Abend in der sechsten Stunde auf dem Leipziger Südfried hofe beerdigt worden. Elberfeld, 17. Juli. In Remscheid-Lobach tödtete der Schuster Waßmurh, ein Trunkenbold, seine Frau, welche ihm Geld zum Kaufen von Schnaps verweigerte, mit einem Hammer. Der Mörder ist entflohen. Erfurt. Das Schwurgericht verhandelte dieser Tage einen eigenartigen Fall von Falschmünzerei. Ein Arbeiter aus Mühlhausen hatte durch eine besondere Flüssigkeit einem Pfennig Nickelfarbe verliehen. Ein anderer Arbeiter hatte sodann den Pfennig als Fünfpfennigstück in Zahlung gegeben, indem er die Seite des Adlers nach oben hielt. Letzterer erhielt drei Tage Gefängniß, ersterer wurde dagegen freige sprochen, da ihm nicht nachgewiesen werden konnte, daß er den Pfennig zu obigem Zweck vernickelt hatte. Berlin, 16. Juli. Gestern Nachmittag gegen 5 Uhr spielte eine Anzahl Kinder, unter diesen die 8jährige Tochter des in der Pankstraße 2 wohnenden Maschinenbauers Hob- recht, am Ufer der Spandauer Schifffahrtscanals in der Nähe des Nordhafens, als die kleine H. plötzlich von dem steilen Ufer aus ins Master fiel. Der Vorgang wurde von einem unbekannt gebliebenen Herrn beobachtet, welcher in Begleitung einer deutschen Dogge die Uferstraße passirte. Auf einen Zuruf des Besitzers sprang das mächtige Thier in die Fluthen, ergriff die unter Wasser befindliche H. mit den Zähnen und hielt sie so lange hoch, bis ein Schiffer mit einem Nachen herankam und Kind und den Hund rettete. Das Mädchen wurde den Eltern zuge führt. Eine Mrttexkqtast'ipbe. München, 16. Juli. Wie schon erwähnt, sind mehrere blühende Gemeinven in ver Nähe unserer Residenz durch eine furchtbare Wetterkatastrophe heimgesucht worden. Die Schloßen fielen im südlichen Theile der bayerischen Hochebene am Sonn abend in Größe von Taubeneicrn. In Oberndorf-Feldkirchen wurden fämmtliche Feldfrüchte vernichtet. Ein Cyklon zerstörte 200 Bauernanweien in der Nähe v.n Schwaben (Station der Linie Münden—Simbach). Zumeist wurden Ebersberg und Sltrobenhaus n betroffen. Leltere Waldbestände wurden förmlich nieeergemäht. Riesige Bäume wurden mit Wurzeln und Erdreich durch die Luft getragen. In den Ortschaften Moo» und Schwabenwegen find viele Häuser zertrümmert. In Forstern hat der Sturm den Kirchthurm niedergeschmettert. Ucberall ist die Ernte vernichtet. Der Schaden ist unbe rechenbar und da» Elend groß. Hunderte sind obdachlos und eine Hilfsaktion ist eingeleitet. In den Alpen hat es Sonn abend Nacht geschneit. Am Sonntag früh erglänzten die Berggipfel in Neuschnee. Di« „M. N. N." geben eine Schil derung einer Fahrt durch die verwüsteten Ortschaften ; wir entnehmen der Darstellung Folgende«: In Schwaben gaben zahlreiche zerschlagene Fensterscheiben eine schwache Vorahnung von dem Bild der Zerstörung, das wir bald darauf zu sehen bekommen sollten. Nach kurzer Fa rl erreichen wir, unge fähr Stunden hinter Schwaben, die ersten zerstörten Heimstätten, die sogenannten MooShäuseln. Es waren die« friedliche Einödhäuser, von denen nur noch sein Trümmer haufen Kunde giebt. Hier begann der Cyklon lein Zerstörung«- werk, und zwar gleich mit furchtbarer Gewalt. Die Häu-chen sind wie Kartenblätter auseinander geblasen. Balken, Pfähle und Bretter trug der Orkan durch die Luft fort und spießte sie weit ab von der Unglücksstätte massenhaft wie Pfeile in den Boden. Die Dächer wurden abgehoben und fortgetragen, Blechdächer wie Seidcnpapier zusammengerollt, Wagen um gestürzt. Riesige Bäume, entwurzelt, lagen quer über die Straße oder bedeckten die Trümmerstätte. Das eben glück lich unter Dach und Fach gebrachte Heu war in alle Winde zerstreut. Bon den fünf Mooshäuseln stehen nur noch die schwer beschädigten Grundmauern. Auch diese« Bild war nur ein Vorspiel zu dem furchtbaren Drama, das in den nun von uns besuchten Ortschaften sich abgespielt hat. Recht» öffnet sich uns der Blick auf den königlichen Forst von Ebersberg. Der erst von der Nonne so schwer heimgesuchte schöne Forst war an einzelnen Stellen nicht mehr als solcher zu erkennen. Auf weite Strecken steht nichts als in halber Höhe mit furchtbarer Gewalt von dem Cyklon abgedrehte Baumstumpfen. Der erste Anblick gestattet den Vergleich, al« stünde man vor clner gigantischen Spargclkultur. Wir find in Forstinning angekommen und stehen in der Mitte de« Arbeitsgebietes de« CyklonS. Denn wa« das Auge bisher gesehen, waren trostlose Einzelheiten. Hier aber erschließt sich dem Blick eine Straße, die einem wahren Trümmermeer gleicht. Hier wirkt das Zerstörungswerk d rch die Maste de» Vernichteten erschütternd. Rechts und link» ein Haus neben dem anderen, das diese Bezeichnung nicht wehr verdient. Man glaubt, es habe hier ein entsetzliches Erdbeben alles bis in die Grundfesten durcheinander gerüttelt. Die Bedachung der Häuser war in dieser Gegend sehr verschieden. Die meisten Häuser und Nebengebäude trugen zwei Arten von Dachungen, zumeist Ziegel und Stroh oder Blech, Holz und Schiefer. Dieses gesammte Material ist wie auf gr.ße Kehrichthaufen zusammengesegt. Von den Dachstühlen starrten nur noch einzelne Balken und Sparren in d e Luft. Zumeist ist auch das Mauerwerk gänzlich vernichtet, so daß man durch die Häuser förmlich durchsetzen kann. Die balben Häuser liegen auf de: Straße oder in den Wiesen. Rian steigt über Bäume, Telegraphenstangen, Ortstafeln, Halde Blechdächer, Bretter, Balken, Ziegel, Fenfte.icheiben, allen möglichen Haus rath hinweg! Hier äußert sich das E end an allen Ecken und Enden. Leute, welche geile n noch ein bescheidenes.Heim ihr eigen nannten, stehen heute weinend davor. Eine der Ge bäulichkeiten zierte am Sonnabend noch ein soli.es Schiefer dach mit Mansarde, h nter deren Fenster gar freundlich weiße Vorhänge -nd einige Blumenstöcke grüßten. Der Orkan wurde damit rasch fertig. crr schuf in wenigen Sekunden ein anderes Bild. Er hob das Sch efcrdach, ohne er zu zerstören, vollständig und setzte es zehn Meter weit weg in den Garten des Hau es. Mansarde und Fenster waren unversehrt. Um so mehr mußte der Besitzer des Hauses die Brutalität der Naturgewalt fühlen. Forsthubcr wurde, als er sein Haus verlassen wollte, von dem Wirbelsturm erfaßt und 50—60 m gegen den Wald zu gedreht. Auf allen Vieren mußte er zurückkriechcn. Leider wurde er durch einen Schiefersplitter fchwer verletzt. Jbm wurde der Kopf gespaltet, io daß das Gehirn bloßliegt. Der Mann ist von dem nrzt verbunden. Auch seine Tochter wurde von dem Wirbelwinde erfaßt, konnte sich aber noch festhalten. Wir setzten nun unsere traurige Fahrt fort. Die Straße, die wir eins. lugen, war am Sonnabend noch von einer Allee von alten stämmigen Pappeln um säumt. Heute sind von dieser Allee allerdings die Bäume noch vorhanden, aber keiner steht mehr an leinem Platze. Wie Strohhalme riß sie der Orkan aus ihrer 50—100jährigen Wiegej und warf sie spielend nach allen Richtungen der Wind rose umher. In raschem Tempo passiven wir die Häuser von Hub, Amptez, Pullach, die alle zerstört sind. In Sicken berg, an dem wir nun vorüberfahren, hat der Sturm zu allem übrigen ein Menschenleben schwer gefährdet. Die Bauersfrau „Vastl" fuhr hei Ausbruch des CyklonS vom Felde heim. Auf dem Wagen lag eine Egge. Diese wurde von dem Orkan erfaßt und ihre Zinken bohrten sich in den Leib der unglücklichen Frau. Sie ist Mutter von acht Kindern. Noch nicht haben wir die größte Zerstörung, noch nicht das größte Elend gesehen. Die Hauptkraft des Ele ments hat sich auf die nun folgende Gemeinde Forstern ge worfen. Das Dorf macht den Eindruck, als wäre es einen Tag bombardirt worden. Der Kirchthurm ist oberhalb der Uhr förmlich rasin und in sich selbst zusammengestürzt. Die Trümmer sammt den Glocken stürzten auf den Altar in der Apsis der Kirche. Als die Thüre zur Kirche geöffnet wurde, bot sich un» ei» unvergeßlicher Anblick. Der Altar war unter einem Haufen von Schutt und Trümmern begraben, aus dem noch die Glocken hervorlugten. Die den Altar schmückende Madonnifiznr ragte in demolirtem Zustand auch noch aus dem Chaos hervor. Durch das völlig zerschlagene Dach schauten des Himmels Wolken tief hinein. Sämml- siche Grabsteine, darunter schöne, massive Granit- und Mar morblöcke, sind wie Kartenblätter nach einer Richtung hin übereinander gelegt, alle beschädigt und geborsten. Wir kommen in den zur Gemeinde Forstern gehörigen Ort Tha- ding und stehen hier vor dem Bild des Elends und Jam mers, da» von keinem übertroffen. Hier wurde ein zwölf jähriger Knabe erschlagen. Pioniere betreiben die Rettungs arbeiten. Minister v. Feilitzsch besuchte die Trümmerstätlen und zeigte un« eine Depesche Sr. königlichen Hoheit des Prinz-Regenten, wonach der hohe Herr sein tiefstes Bedauern an dem Unglücke ausspricht und als erster Helfer in der Noth das Geschenk von 3000 Mark ankündigt.
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